19 December 2019

T 1927/16 - Dialysis method

Key points

  • This examination appeal is about claim 1 of the main request directed to a method of initiating hemodialysis. The Board concludes that this method is excluded from patentability under Art.53(c) as being a surgical method. The Board recalls that blood is an organ, such that the removal of blood directly from the artery using the blood pumps of a dialysis device is to be regarded as a manipulation of an organ.
  • The Board finds that the method of manipulating blood at issue, by means of blood pumps of a dialysis machine, involves potentially significant health risks. The method is therefore excluded under G1/07.
  • The Board follows T1695/07 hn.I (" blood manipulation process involving the continuous removal of blood from a patient, its subsequent flowing through a circulating line of an extracorporeal circuit and its re-delivery to the patient is a method of treatment of the human body by surgery excepted from patentability under Article 53(c) EPC. "




EPO T 1927/16 -  link


VI. Anspruch 1 des Hauptantrags (ursprünglich eingereichte Ansprüche) lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum Starten einer Hämodialyse mit einem Hämodialysegerät (10), wobei das Hämodialysegerät (10) aufweist:
eine Vorfüllflüssigkeits- Quelle (16), die Vorfüllflüssigkeit zur Verfügung stellt,
eine Dialysatseite (12) mit einer Dialysatkammer (29) eines eine Membran (31) aufweisenden Dialysators (28), einer Dialysatpumpe (22), die Dialysat zu der Dialysatkammer (29) pumpt, einer Saugpumpe (34), die das Dialysat oder die Vorfüllflüssigkeit von der Dialysatkammer (29) weg pumpt, und einem Dialysatdruck-Sensor (32) zwischen der Dialysatkammer (29) und der Abfallpumpe (24), und
eine Blutseite (14) mit einer arteriellen Leitung (42), einer Blutpumpe (40), einer Blutkammer (30) des Dialysators (28) und einer venösen Leitung (44),
mit den Verfahrensschritten:
Vorfüllen der arteriellen und der venösen Leitung (42,44) mit Vorfüllflüssigkeit aus der Vorfüllflüssigkeits- Quelle (16),
Anlegen der arteriellen und der venösen Leitung (42,44) an einen Patienten (50),
Vorfüllflüssigkeits-Entfernung durch Ultrafiltration des Vorfüllflüssigkeit aus der arteriellen und venösen Leitung (42,44) durch die Dialysator- Membran (31) in die Dialysatkammer (29) des Dialysators (28) durch die Saugpumpe (34), und
während der Vorfüllflüssigkeits- Entfernung: ständige Bestimmung des Fluiddrucks durch den Dialysatdruck- Sensor (32), wobei die Vorfüllflüssigkeits- Entfernung gestoppt wird, wenn der von dem Dialysatdruck- Sensor (32) gemessene Fluiddruck einen festgelegten Blutankufts- Grenzdruck unterschreitet."


Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das beanspruchte Verfahren
Das im ursprünglichen Anspruch 1 (Hauptantrag) beanspruchte Verfahren betrifft ein Verfahren zum Vorbereiten eines Hämodialysegeräts auf die anschließende Blutreinigungsbehandlung. Das Verfahren hat den Zweck, die Blutankunft des Patientenblutes im Dialysator zu detektieren, um den besten Zeitpunkt für den Start der Blutreinigung festzustellen. Das beanspruchte Verfahren ist also nicht auf die Blutreinigungsbehandlung selber gerichtet.
Das beanspruchte Verfahren zum Starten einer Hämodialyse enthält im Wesentlichen drei Schritte:


1. Zunächst werden die beiden an den Dialysator angeschlossenen blutseitigen Leitungen (die arterielle Leitung 42 und die venöse Leitung 44) mit einer Vorfüllflüssigkeit gefüllt, um auf diese Weise die Luft aus den Leitungen heraus zu schieben.
2. Danach werden die blutseitigen Leitungen an den Patienten angelegt.
3. Schließlich wird die Vorfüllflüssigkeit aus den blutseitigen Leitungen über den Dialysator wieder abgesaugt, so dass sich die blutseitigen Leitungen mit einer entsprechenden Blutsäule füllen.
3. Hauptantrag - Artikel 53(c) EPÜ
3.1 Die Prüfungsabteilung hat das beanspruchte Verfahren richtigerweise als ein chirurgisches Verfahren im Sinne von Artikel 53(c) EPÜ angesehen. Insbesondere sah sie die obigen Schritte 2 und 3 als chirurgisch an und basierte ihre Analyse auf der Entscheidung T 1075/06, Punkt 2.1.1.1 und 2.1.1.2 der Entscheidungsgründe.
3.2 "Anlegen der arteriellen und der venösen Leitung an einen Patienten"
Der Verfahrensschritt "Anlegen der arteriellen und der venösen Leitung an einen Patienten" umfasst das Verbinden einer Arterie und einer Vene eines Patienten mit einem extrakorporalen Blutkreislauf. Auch wenn das Anlegen der arteriellen und der venösen Leitung des Dialysegeräts prinzipiell über am Patienten bereits applizierte Kupplungen vorgenommen werden könnte - eine plausible, wenn auch nicht in der Anmeldung offenbarte Möglichkeit, die die Beschwerdeführerin angeführt hat - so umfasst der beanspruchte Schritt dennoch die direkte Gefäß-Punktierung am Patienten. Die Beschreibung führt hierzu sogar explizit aus, dass die Kanülen 43, 45 am Ende der arteriellen und venösen Leitungen 42, 44 der Verbindung mit den entsprechenden Blutgefäßen dienen (Seite 1, Zeile 29 bis Seite 2, Zeile 4; Seite 7, Zeilen 25 bis 29; Seite 8, Zeilen 11 bis 13; Seite 8, Zeile 29 bis Seite 9, Zeile 2), was eine entsprechende Gefäß-Punktierung voraussetzt.
Wie in der Entscheidung T 1075/06 detailliert dargelegt wurde (Punkt 2.1.1.1 der Entscheidungsgründe), ist eine solche Gefäß-Punktierung ein chirurgischer Schritt, da er einen "erheblichen physischen Eingriff am Körper darstellt, dessen Durchführung medizinische Fachkenntnisse erfordert und der, selbst wenn er mit der erforderlichen professionellen Sorgfalt und Kompetenz ausgeführt wird, mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden ist" (G 1/07, Entscheidungsformel 1; Hervorhebungen durch die Kammer).
Gemäß G 1/07 (Entscheidungsformel 2a, Punkt 4.1 der Entscheidungsgründe, letzter Absatz), kann ein Anspruch, der einen Schritt mit einer Ausführungsform umfasst, die ein "Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlich oder tierischen Körpers" im Sinne des Artikel 53(c) EPÜ ist, nicht so belassen werden, dass er diese Ausführungsform weiter umfasst; s.a. G 1/04, Punkt 6.2.1 der Begründung der Stellungnahme.
3.3 "Vorfüllflüssigkeits-Entfernung durch Ultrafiltration der Vorfüllflüssigkeit aus der arteriellen und venösen Leitung ..."
Der weitere Verfahrensschritt "Vorfüllflüssigkeits-Entfernung durch Ultrafiltration der Vorfüllflüssigkeit aus der arteriellen und venösen Leitung ..." umfasst inhärent das zeitgleiche Pumpen von Blut aus der Arterie und der Vene eines Patienten in den extrakorporalen Blutkreislauf (siehe Seite 9, Zeilen ­4 bis 20 der Beschreibung).
Wie die Prüfungsabteilung auch hierzu in Anlehnung an T 1075/06, Punkt 2.1.1.2 der Entscheidungsgründe, zweiter Absatz richtig befand, ist Blut als ein (fließendes) Organ des Patientenkörpers anzusehen. Das Entnehmen des Organs Blut direkt aus der Arterie und der Vene unter Verwendung von Blutpumpen eines Dialysegeräts ist folglich als eine Manipulation eines Organs anzusehen. Die Manipulation von Körperteilen gilt traditionell als chirurgisches Verfahren, wie in G 1/07, Punkt 3.4.2.5 der Entscheidungsgründe festgehalten wurde. Die hier vorliegende Manipulation von Blut mittels Blutpumpen eines Dialysegeräts birgt potentiell erhebliche gesundheitliche Risiken, die eine ärztliche Aufsicht erforderlich machen, so dass bei gesundheitlichen oder bei gerätebedingten Komplikationen jederzeit interveniert werden kann. Eine Erörterung der möglichen einhergehenden gesundheitlichen Risiken findet sich in T 1695/07, Punkt 12 der Entscheidungsgründe. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf schadhafte Effekte auf das Blut im extrakorporalen Blutkreislauf aufgrund von fehlerhaften Konditionen hinsichtlich z.B. Sterilität, Temperatur, Gasblasenbildung, Leckagen, Blutgerinnung oder Stenosenbildung.
Eine derartige Blutentnahme mittels eines Dialysegeräts ist somit ein Schritt, der einen "erheblichen physischen Eingriff am Körper darstellt, dessen Durchführung medizinische Fachkenntnisse erfordert und der, selbst wenn er mit der erforderlichen professionellen Sorgfalt und Kompetenz ausgeführt wird, mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden ist" (G 1/07, Entscheidungsformel 1; Hervorhebungen durch die Kammer). Diese Feststellung gilt auch dann, wenn die während dieses Schrittes entnommene Blutmenge typischer Weise unter 200 ml liegen sollte, wie von der Beschwerdeführerin angeführt wurde.
3.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte ferner, dass die beanspruchten Schritte nur vorbereitende Schritte für eine anschließende Blutreinigungsbehandlung seien, die nicht als Teil eines chirurgischen Verfahrens angesehen werden können, sondern lediglich der chronologischen Strukturierung dienten. Somit habe der zentrale Gegenstand des beanspruchten Verfahrens weder einen therapeutischen noch einen chirurgischen Charakter.
Diese Argumentation vermag die Kammer nicht zu überzeugen. Auch wenn die Schritte des beanspruchten Verfahrens vorbereitende Schritte für eine anschließende Blutreinigungsbehandlung darstellen, ändert dies nichts an dem oben erläuterten chirurgischen Charakter derselben. Nach ständiger Rechtsprechung fällt ein Verfahrensanspruch unter die Ausschlussbestimmung des Artikels 53(c) EPÜ, wenn er auch nur ein Merkmal enthält, das eine physische Tätigkeit oder Maßnahme definiert, die einen Verfahrensschritt zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers darstellt (G 1/04; Punkt 6.2.1 der Begründung der Stellungnahme).
3.5 Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass das Verfahren des Anspruchs 1 des Hauptantrags ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers im Sinne von Artikel 53(c) EPÜ darstellt.
4. Hilfsantrag
Im Gegensatz zum Hauptantrag ist Anspruch 1 des Hilfsantrags nicht auf ein Verfahren zum Vorbereiten eines Hämodialysegeräts gerichtet, sondern auf ein Hämodialysegerät.
Da sich die Patentierungsausnahme des Artikels 53(c) EPÜ lediglich auf Verfahren, nicht jedoch auf Erzeugnisse bezieht, greift diese Bestimmung in Bezug auf den Gegenstand der Ansprüche des Hilfsantrags nicht.
Da mit dem Hilfsantrag der einzige gegen den Hauptantrag erhobene Zurückweisungsgrund ausgeräumt wurde, sieht die Kammer keinen triftigen Grund, den Hilfsantrag nicht ins Verfahren zuzulassen. Das nunmehr beanspruchte Hämodialysegerät ist jedoch erstinstanzlich noch nicht geprüft worden. Demzufolge erachtet es die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111(1) EPÜ als angebracht, den Fall zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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