17 September 2019

T 0054/17 - (1) Interruption of proceedings

Key points

  • The Board decides that it is itself competent to decide on any interruption of the proceedings under R142 EPC rather than the Legal Division, following T 854/12. ( Dec. Pres. OJ 2013 p.600 says that sole responsibility for the interruption and resumption of proceedings is vested with the Legal Division). 
  • Interruption of proceedings has retroactive effect, is effective from the date of the insolvency event in case of bankruptcy of the proprietor (Rule 142(1)(b) EPC) and is normally declared once the EPO has knowledge of the event (e.g. of the bankruptcy).
  • However, in this case, the patentee had continued the proceedings for years after the bankruptcy without invoking the bankruptcy until shortly before the oral proceedings in appeal.
  • Based on the principle of good faith, the Board finds the patentee in effect to be barred from invoking the bankruptcy in what appears to be a kind of estoppel. Hence, the proceedings are not interrupted.
  • The patentee brought up the bankruptcy of the (former) joint patentee only two days before the oral proceedings in appeal, which were then postponed. The Board awards a cost apportionment against the patentee.
  • As a note, the decision was given on 16.08.2018 in oral proceedings but notified in writing only about a year later on 08.08.2019. Overall timeline: filing in 23.11.2000 (so overall 19 years for grant and opposition), first and sole communication in 2006, grant March 2010. First OD decision March 2014 (only lack of novelty over D1) remittal in first appeal decision 07.10.2015 (T1195/14), second OD decision November 2016 (not novel over D4), accelerated proceedings in the second appeal. Does the EPO really needs 19 years to decide on whether this claim 1 is a patentable invention? (see also the next post about the Board deciding that claim 1 is insufficiently disclosed because it uses unusual and undefined terms for the distinguishing features).

A further post about the part of the decision about unusual parameters will follow in due course.



EPO T 0054/17 - link




EPO Headnote
1. Wenn eine Beschwerde vor der Beschwerdekamme anhängig ist, hat die Rechtsabteilung keine ausschließliche Zuständigkeit für die Frage der Unterbrechung des Verfahrens (siehe 1.4 der Entscheidungsgründe).

2. Setzt ein Patentinhaber in Kenntnis der Unterbrechungs-voraussetzungen, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen, nach dem Wegfall der Unterbrechungsvoraussetzungen das Verfahren über Jahre uneingeschränkt fort, ohne sich darauf zu berufen, so erscheint es unbillig die Unterbrechung zu einem so späten Zeitpunkt geltend zu machen, mit der Folge, dass das bis dahin erfolgte Verfahren, an dem er bis dato aktiv mitgewirkt hat, zu wiederholen wäre. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben (siehe 1.5 der Entscheidungs-gründe).

[Hn. 3 and 4 omitted]

Entscheidungsgründe


1. Unterbrechung des Verfahrens


1.1 Gemäß Regel 142 (1) b) EPÜ wird das Verfahren unterbrochen, wenn der Patentinhaber aufgrund eines gegen sein Vermögen gerichteten Verfahrens aus rechtlichen Gründen verhindert ist, das Verfahren fortzusetzen. Die Unterbrechung tritt automatisch ein und ist stets von Amts wegen zu berücksichtigen (J ../87, ABl. EPA 1988, 323). Gemäß § 80 Abs.1 der deutschen Insolvenzordnung (DE-InsO) geht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten auf den Insolvenzverwalter über, so dass hier am 30. Januar 2015 ein Unterbrechungstatbestand nach Regel 142 (1) b) EPÜ vorlag. Wird das Verfahren unterbrochen, beginnen die am Tag der Unterbrechung laufenden Fristen, mit Ausnahme der Frist zur Stellung des Prüfungsantrags und der Frist zur Zahlung der Jahresgebühren, an dem Tag von Neuem zu laufen, an dem das Verfahren wieder aufgenommen wird (Regel 142 (4) EPÜ). Mitteilungen und Entscheidungen des EPA, die in der Zeit zwischen dem Tag der Unterbrechung und dem Tag der Wiederaufnahme ergangen sind, sind gegenstandslos und sind nach Wiederaufnahme des Verfahrens erneut zuzustellen.



1.2 Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter bereits am 25. März 2015 die Freigabe des Patents erklärt und somit war Herr Sperling ab diesem Zeitpunkt rechtlich nicht mehr gehindert das Patent zu verwalten, da es nicht mehr in die Insolvenzmasse fiel. Die Freigabe bewirkt, dass nach § 85 Abs. 2 DE-InsO der Insolvenzschuldner den bestehenden Rechtsstreit über das Patent wiederaufnehmen kann und nicht weiter an der Prozessführung gehindert ist. Damit war ab dem 25. März 2015 der Unterbrechungstatbestand entfallen. Im Verfahren nach dem EPÜ bewirkt jedoch der Wegfall des Unterbrechungstatbestands nicht automatisch die Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern gemäß Regel 142 (2) EPÜ wird das Verfahren erst nach Ablauf einer vom EPA zu bestimmenden Frist wiederaufgenommen, nachdem ihm bekannt gegeben wurde, wer nunmehr berechtigt ist das Verfahren fortzusetzen. Die Berechtigung zur Fortsetzung des Verfahrens wurde dem EPA erst mit Schreiben des Insolvenzverwalters vom 30. Januar 2018 mitgeteilt, woraufhin die Rechtsabteilung den 2. Mai 2018 als Tag der Wiederaufnahme des Verfahrens bestimmte. Dies würde bedeuten, dass sowohl das erste Beschwerdeverfahren, das mit der Entscheidung vom 2. Oktober 2015 abgeschlossen wurde, als auch das daran anschließende Einspruchsverfahren nach der Zurückverweisung gegenstandslos und damit zu wiederholen wären.


1.3 In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Zum einen, ob die Beschwerdekammer an die Entscheidung der Rechtsabteilung gebunden ist und zum anderen, ob angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Unterbrechung des Verfahrens gerechtfertigt ist.


1.4 Die Kammer ist der Auffassung, dass in einem Fall in dem eine Beschwerde anhängig ist, der Rechtsabteilung keine ausschließliche Zuständigkeit für die Frage der Unterbrechung zusteht. Sie schließt sich damit der in der Entscheidung T 854/12 (vom 8. August 2016) geäußerten Auffassung an, wonach eine Beschwerdekammer in eigener Verantwortung für ihr Verfahren hierüber entscheiden kann. Andernfalls könnte, insbesondere bei einer rückwirkenden Unterbrechung, ein Organ außerhalb der Beschwerdekammern ihr das Verfahren entziehen, ohne dass sie hierauf Einfluss hätte.


1.5 Die Beschwerdekammer ist weiterhin der Auffassung, dass der Patentinhaber zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Unterbrechung nicht mehr geltend machen kann, so dass das Beschwerdeverfahren ohne Einschränkungen fortzusetzen ist. Der Zweck der Regelung in Regel 142 (1) EPÜ besteht darin, zum Schutz des Patentinhabers zu verhindern, dass während seiner vorübergehenden Handlungsunfähigkeit nachteilige Verfahrensent-wicklungen eintreten (T 854/12, Pkt 6.1 der Gründe). Eine solche Schutzbedürftigkeit bestand allenfalls in dem Zeitraum zwischen dem 30. Januar 2015 und 25. März 2015. Setzt ein Patentinhaber in Kenntnis der Unterbrechungsvoraussetzungen, die ausschließlich in seiner Sphäre liegen, nach dem Wegfall der Unterbrechungsvoraussetzungen das Verfahren über Jahre uneingeschränkt fort, ohne sich darauf zu berufen, so erscheint es unbillig die Unterbrechung zu einem so späten Zeitpunkt geltend zu machen, mit der Folge, dass das bis dahin erfolgte Verfahren, an dem er bis dato aktiv mitgewirkt hat, zu wiederholen wäre. Dies widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, weil er es damit in der Hand hätte, das Verfahren zu einem beliebigen Zeitpunkt anzuhalten, vor allem zu einem Zeitpunkt, der mit den Unterbrechungsvoraussetzungen und dem Schutzzweck der Norm nichts mehr zu tun haben. Dies würde auch die Gegenpartei, die selbst keine Kenntnis davon hatte, unangemessen beeinträchtigen. In der Entscheidung J 16/05 vom 27. Juli 2006 hat die Juristische Beschwerdekammer ausgeführt, dass die Parteien eine Verpflichtung haben im Verfahren so weit wie möglich zu kooperieren und in gutem Glauben und rechtzeitig zu handeln und dass eine Unterbrechung nicht erst Jahre nach Kenntniserlangung der Voraussetzungen geltend gemacht werden könne. Die Tatsache, dass Herr Planki erst im Dezember 2017 von der Insolvenz des Herrn Sperling Kenntnis erlangte, ist insoweit unerheblich, da er sich die Kenntnis des Herrn Sperling, der Mitinhaber des Patents und gleichzeitig gemeinsamer Vertreter war, zurechnen lassen muss.


1.6 Aus diesem Grunde ist das Verfahren vor der Beschwerdekammer fortzusetzen.


[...]
3.14 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist und daher der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

4. Antrag auf Kostenerstattung

4.1 Gemäß Artikel 104 EPÜ trägt jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst, soweit es nicht der Billigkeit entspricht eine andere Verteilung der Kosten anzuordnen. Eine anderweitige Kostenverteilung entspricht grundsätzlich dann der Billigkeit, wenn das Verhalten eines Beteiligten nicht mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt in Einklang steht, also die Kosten schuldhaft oder durch leichtfertiges Handeln verursacht werden (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Aufl. 2016, IV.C.6.2).

4.2 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mehrere Anträge auf Beschleunigung des Verfahrens gestellt, dem die Beschwerdekammer auch nachkam. Am 12. Dezember 2018, zwei Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung, beantragte Herr Planki die Unterbrechung des Verfahrens, mit der Begründung, dass Herr Sperling seine Anwaltszulassung zurückgeben habe, was er erst zu diesem Zeitpunkt erfahren habe. Nachdem ihm die Kammer mitgeteilt hatte, dass Herr Sperling auch ohne anwaltliche Zulassung als gemeinsamer Vertreter handeln könne, machte er am 13. Dezember 2018 die Insolvenz von Herrn Sperling geltend.

4.3 Der Insolvenzverwalter hatte jedoch bereits am 25. März 2015 das Patent frei gegeben, so dass keinerlei Beschränkung mehr in der Verfahrensführung bestand, was Herr Sperling auch wusste. Nach diesem Zeitpunkt wurde das Einspruchsverfahren von beiden Patentinhabern ohne Einschränkung und ohne jeglichen Hinweis auf das Insolvenzverfahren fortgeführt. So wurde im November 2015 eine gemeinsame Eingabe gemacht, im Oktober 2016 nahmen beide Patentinhaber an der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung teil und im Januar 2017 legten sie gemeinsam Beschwerde ein. Es hätte den Patentinhabern frei gestanden die Unterbrechung einzuwenden, wenn sie eine Beeinträchtigung ihrer Rechte gesehen hätten. Dies haben sie aber nicht getan. Die Tatsache, dass Herr Planki offensichtlich keine Kenntnis von der Insolvenz des Herrn Sperling hatte ist insoweit unbeachtlich, da er sich die Kenntnis seines Mitinhabers und gemeinsamen Vertreters zurechnen lassen muss.

4.4 Darüber hinaus hat Herr Planki offensichtlich erst 2 Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung mit Herrn Sperling Kontakt aufgenommen, um sich mit ihm diesbezüglich abzustimmen. Erst dann erfuhr er, dass Herr Sperling seine Anwaltszulassung bereits zum 31. Dezember 2016 zurückgegeben hatte. Eine anwaltliche Zulassung ist aber nicht Voraussetzung für das Handeln als gemeinsamer Vertreter. Als gemeinsame Patentinhaber sind sie gemeinsam für das Verfahren verantwortlich und sie müssen gemeinsam sicherstellen, dass eine mündliche Verhandlung, die auf ihren ausdrücklichen Antrag beschleunigt angesetzt wurde, ordnungsgemäß ablaufen kann. Eine Kontaktaufnahme erst 2 Tage vor der anberaumten mündlichen Verhandlung steht mit einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung nicht in Einklang. Zum einen hätte Herr Sperling Herrn Planki früher darüber informieren müssen, dass er nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann, zum anderen hätte aber auch von Herrn Planki erwartet werden können, Herrn Sperling rechtzeitig anzusprechen, um die Verhandlung vorzubereiten, zumal offensichtlich Herr Planki im Innenverhältnis derjenige war, der die Angelegenheit im Wesentlichen betreute. Erst 2 Tage vorher festzustellen, dass man nicht in der Lage ist, die mündliche Verhandlung ordnungsgemäß wahrzunehmen und dann zu versuchen einen Aufschub zu erlangen, der mit Kosten für die andere Partei verbunden ist, entspricht nicht der erforderlichen Sorgfalt.

4.5 Die geltend gemachte Unterbrechung steht auch in keinem Zusammenhang mit den Gründen, aus denen die Patentinhaber nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnten.

4.6 Bei einer ordnungsgemäßen Verfahrensführung hätten die Kosten, die der Beschwerdegegnerin für die Vorbereitung der abgesagten mündlichen Verhandlung entstanden sind, vermieden werden können und sind ihr deshalb zu ersetzen. Die weiteren Kosten die danach entstanden sind, fallen jedoch nicht hierunter.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Dem Beschwerdeführer werden die Kosten auferlegt, die der Beschwerdegegnerin für die Vorbereitung der ersten mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2017 entstanden sind.

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