18 September 2019

T 0054/17 - (2) Vague terms and software

Key points

  • In this opposition appeal, the Board finds that the invention is insufficiently disclosed. Claim 1 is for monitoring a processor system, wherein operating parameters and ambient parameters are observed, an operational event ("Betriebsereignisses") is determined and a response pattern ("Reaktionsmuster" ) is selected and accordingly, the processor is instructed to shut down individual components or put them in sleep mode.
  • The Board considers the terms "Betriebsereignisses" and "Reaktionsmuster" to be unusual parameters because they don't have as such a technical meaning in the technical context of the claim. As they are also the distinguishing features, the patentee has a special burden to disclose sufficient information (referring to T172/99). The "contribution of the invention is only a very general idea". Moreover, " The description does not include an embodiment that would explain and illustrate this idea." 
  • " Weiterhin ist es nicht möglich diese Idee hinsichtlich der Parameter "Betriebsereignis" und "Reaktionsmuster" durch die Offenbarung der Beschreibung zu abstrahieren. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist und daher der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht."



EPO Headnote 3
  • 3. Wird die Lösung eines technischen Problems mithilfe eines neu formulierten und damit unüblichen Parameters definiert, so trifft den Patentinhaber eine besondere Pflicht, sämtliche Informationen zu offenbaren.
  • Das beanspruchte "Betriebsereignis" und das beanspruchte "Reaktionsmuster" sind als solche "unüblichen Parameter" zu verstehen. Zwar haben sie einen gewissen Sinn in der deutschen Sprache, aber nicht ohne Weiteres einen technischen Sinn im Rahmen der Steuerung eines Prozessorssystems.
  • Der Beitrag der Erfindung ist nur eine sehr allgemeine Idee, nämlich Umgebungsparameter in einem Überwachungs- und Steuerungsprozess zu berücksichtigen. Die Beschreibung enthält kein Ausführungsbeispiel, das diese Idee erläutern und darstellen würde. Weiterhin ist es nicht möglich diese Idee hinsichtlich der Parameter "Betriebsereignis" und "Reaktionsmuster" durch die Offenbarung der Beschreibung zu abstrahieren.
  • (siehe Entscheidungsgründe 3.7, 3.8 and 3.13).


EPO T 0054/17 - link




XV. Der unabhängige Anspruch 1 des neuen Hauptantrages lautet wie folgt :

"1. Verfahren zur automatisierten Überwachung und Steuerung des Betriebsverhaltens eines Prozessorsystems (1) mit folgenden Schritten:
a) Erfassen von Betriebsparametern einzelner Komponenten und von Umgebungsparametern des Prozessorsystems (1);
b-c) Vergleichen der erfassten Betriebsparameter bzw. Umgebungsparameter mit vorgegebenen Grenzwerten zur Feststellung, ob bzw. welche der vorgegebenen Grenzwerte durch einen oder mehrere der erfassten Betriebsparameter bzw. Umgebungsparameter über- oder unterschritten werden;
d) Bestimmen eines Betriebsereignisses auf Grundlage der über- oder unterschrittenen Grenzwerte, wobei auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen als Betriebsereignis ein solches Ereignis bestimmt wird, das für diese verantwortlich ist;
e) Auswahl eines dem bestimmten Betriebsereignis entsprechenden Reaktionsmusters aus einer Anzahl von vorgegebenen Reaktionsmustern, wobei in Abhängigkeit vom Betriebsereignis ein den Betrieb des Systems aufrechterhaltendes Reaktionsmuster ausgewählt wird, wenn ein solches in Bezug auf das bestimmte Betriebsereignis existiert; und
f) Übertragen eines dem ausgewählten Reaktionsmuster entsprechenden Steuerbefehls zur Veränderung des Betriebsverhaltens an das zu überwachende Prozessorsystem (1), wobei der Steuerbefehl in der Anweisung besteht, einzelne Komponenten stillzulegen oder in einen Sleep-Modus zu versetzen."



3. Artikel 100 b) EPÜ

3.1 Ein europäisches Patent muss die Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 100 b) EPÜ). Die Kammer ist der Meinung, dass dies hier nicht der Fall ist.

3.2 Es ist gängige Rechtsprechung, dass zu diesem Zweck zwei Bedingungen erfüllt sein müssen. Zum einem muss der Fachmann der Patentschrift zumindest einen Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung entnehmen können, zum anderen muss er die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausführen können (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, II.C.4.4).


3.3 In Bezug auf die erste Bedingung stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass die Beschreibung kein Ausführungsbeispiel für die vom Beschwerderführer als "zentral" bezeichnete Idee gibt, nämlich Betriebsparameter einzelner Komponenten und gleichzeitig Umgebungsparameter zu erfassen und aus diesen Messwerten auf Betriebsereignisse zu schließen.

3.4 Die Kammer erkennt an, dass die Tabellen auf Seiten 5 und 6 eine Reihe von Reaktionsmustern, Messgrößen und Messorten auflisten. Allerdings sind diese im Lichte von Absatz [0026] und [0018] der Patentschrift zu interpretieren und zwar dahingehend, dass pro Messgröße und Messort, einzelne Reaktionsmuster definiert werden, wobei jedes einzelne Reaktionsmuster eine einzelne Anweisung enthält, die bei Über- oder Unterschreiten des für die Messgröße angegebenen Grenzwertes ausgeführt wird. Es handelt sich hierbei also um Einzelereignisse. Die Tabellen auf Seiten 5 und 6 der Patentschrift besagen lediglich, dass z.B. beim Überschreiten eines unteren Grenzwertes (uGW) von der am Lufteinlasskanal gemessenen chemischen Verunreinigung die Anweisung "Systemleistung drosseln" ausgeführt wird. Unter der Annahme, dass zu einem Zeitpunkt t unterschiedliche Reaktionsmuster erfüllt sind, würden bestenfalls die jeweiligen Anweisungen der zutreffenden Reaktionsmuster ausgeführt werden. Wie und ob diese Anweisungen zu kombinieren wären, ist aber völlig offen und in der Patentschrift nicht ausreichend offenbart.

3.5 Der Beschwerdeführer verweist in seiner Argumentation auf Absatz [0020] der Patentschrift, wo eine "kombinierte Bewertung" von Betriebs- und Umgebungsparametern offenbart sei. Der Fachmann könne sich auf dieser Basis durchaus ein Ausführungsbeispiel ausdenken. So wäre bei einem Brand im benachbarten Raum zur überwachten Komponente die Umgebungstemperatur zwar erhöht, nicht aber die überwachte Komponente in Gefahr. Der wahrscheinliche Steuerbefehl wäre keine Reaktion durchzuführen, also weiterzuarbeiten. Es müsste keine Komponente stillgelegt werden.

3.6 Die Kammer ist der Meinung, dass dies keine ausreichende Offenbarung darstellt. Selbst wenn sich der Fachmann ein Ausführungsbeispiel vorstellen könnte, bei dem beispielsweise einer der Parameter einer "kombinierten Bewertung" die Temperatur ist, die "extern" in einem benachbarten Raum die Temperatur erfasst wird, also einer Umgegungstermperatur entspricht (siehe Tabelle: Reaktionsmuster, Zeile 1, Spalte 2), würde dies nicht ausreichen, um die zweite Bedingung zu erfüllen, nämlich dass die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sein muss. Die Beschreibung ist sehr allgemein gefasst, indem von der Abschaltung einer stark überhitzten Komponente gesprochen wird, nicht aber, wie entschieden werden soll, dass die andere, benachbarte Komponente nicht auch abgeschaltet wird.

3.7 Die Kammer stellt hierzu fest, das diese (zweite) Bedingung eine besondere Bedeutung hat, vor allem wenn der Anspruch unübliche Parameter enthält. In T 172/99 hat die Kammer Folgendes entschieden: Wird die Lösung eines technischen Problems, mit der sich eine relevante Wirkung erzielen lässt, für einen beanspruchten Gegenstand mithilfe eines neu formulierten und damit unüblichen Parameters definiert, so trifft den Patentinhaber eine besondere Pflicht, sämtliche Informationen zu offenbaren, die erforderlich sind, um den neuen Parameter zuverlässig nicht nur i) formal korrekt und vollständig zu definieren, sodass der Fachmann seine Werte ohne unzumutbaren Aufwand ermitteln kann, sondern auch ii) so, dass seine Gültigkeit für die Lösung des technischen Problems der Anmeldung bzw. des Patents insgesamt zuverlässig gewährleistet bleibt; die routinemäßig ermittelten Werte dürfen also nicht so ausfallen, dass unter den beanspruchten Gegenstand auch Varianten fallen, die die relevante Wirkung nicht herbeiführen und das entsprechende technische Problem somit nicht lösen können (in zahlreichen Entscheidungen bestätigt; siehe z. B. T 914/01, T 179/05 und T 75/09).

3.8 Im vorliegenden Fall sind nach Meinung der Kammer das beanspruchte "Betriebsereignis" und das beanspruchte "Reaktionsmuster" als eben solche "unüblichen Parameter" zu verstehen. Zwar haben sie einen gewissen Sinn in der deutschen Sprache, aber nicht ohne Weiteres einen technischen Sinn im Rahmen der Steuerung eines Prozessorssystems.

3.9 Laut Merkmal d) des Anspruchs 1 wird das Betriebs-ereignis "auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen" bestimmt. Laut Merkmal e) wird dann das "dem bestimmten Betriebsereignis entsprechenden" Reaktionsmuster ausgewählt. Schließlich wird im Merkmal f) ein dem ausgewählten Reaktionsmuster entsprechender Steuerbefehl übertragen. Der Anspruch definiert die "Parameter", die Grundlage einer kombinierten Bewertung und die entsprechenden Reaktionsmuster nicht weiter.

3.10 Der Fachmann würde daher die Beschreibung dafür brauchen. Absatz [0018] ist der einzige Absatz der Beschreibung, der das Betriebsereignis näher definiert. Zwar wird von einer Betriebsereignis-Meldung gesprochen, die für den Fachmann darin bestehen könnte, dass an den Benutzer eine Meldung über das Über- oder Unterschreiten der Grenzwerte ausgegeben wird, in der Form einer Warnmeldung. Dies offenbart aber noch nicht, wie das Betriebsereignis auf Grundlage einer kombinierten Bewertung mehrerer Grenzwert-Über- bzw. -Unterschreitungen bestimmt wird.

3.11 Ferner, und teilweise deswegen, gibt es in der in der Beschreibung dargestellten Vorgehensweise keinen eindeutigen Hinweis darauf, wie Reaktionsmuster ausgewählt werden sollen, die einer "kombinierten Bewertung" entsprechen, was bedeuten würde, dass Anweisungen aus unterschiedlichen Reaktionsmustern kombiniert werden könnten.

3.12 Absatz [0018], spricht zwar davon, dass ein Steuerbefehl ausgewählt wird, der Anweisungen zur Änderung des Betriebsverhaltens des Systems enthalte; es ist aber in der Beschreibung nicht dargelegt, wie ein derartiger Steuerbefehl bestimmt wird, insbesondere nicht in der beanspruchten Weise, die besagt, dass ein dem Betriebsereignis entsprechendes Reaktionsmuster ausgewählt wird und der diesem Reaktionsmuster entsprechende Steuerbefehl übertragen wird.

3.13 Mit anderen Worten ist der Beitrag dieser Erfindung nach Ansicht der Kammer nur eine sehr allgemeine Idee, nämlich Umgebungsparameter in einem Überwachungs- und Steuerungsprozess zu berücksichtigen. Die Beschreibung enthält kein Ausführungsbeispiel, das diese Idee erläutern und darstellen würde. Weiterhin ist es nicht möglich diese Idee hinsichtlich der Parameter "Betriebsereignis" und "Reaktionsmuster" durch die Offenbarung der Beschreibung zu abstrahieren.

3.14 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfindung nicht ausreichend offenbart ist und daher der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

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