4 June 2020

T 0369/15 - Admissibility objection is late filed

Key points

  • In this opposition appeal decided in 2019, the OD found AR-1 to be allowable and did not deal with AR-2. AR-2 was filed by the Rule 116 date a few weeks prior to the oral proceedings before the OD (as I understand it, without a substantiation as to how the added feature provides for novelty and inventive step). AR-2 is maintained in appeal by the Patentee as respondent in their Statement of response, but without substantiation as to why the added feature provides for novelty and inventive step. 
  • The Board considers the claims of the Main Request to be obvious. The opponent submits for the first time during the oral proceedings that AR-2 is inadmissible as it is unsubstantiated. This objection is late, according to the Board.
  • “Spätestens nach Erlass der für die Beschwerdegegnerinnen [patentee] negativen Mitteilung der Kammer zum Hauptantrag und der darin angekündigten Absicht der Kammer, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge zu berücksichtigen, hätte die Beschwerdeführerin [opponent] damit rechnen müssen, dass im Falle einer Nichtgewährung des Hauptantrags in der mündlichen Verhandlung eine Diskussion über diese Hilfsanträge folgen würde und sie hätte etwaige Einwände gegen die Zulassung oder die Gewährbarkeit dieser Anträge bereits in Reaktion auf diese Mitteilung schriftlich erheben können.”
  • “Auch das Argument, den Hilfsantrag 1 nicht zuzulassen, da die Beschwerdegegnerinnen erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen hätten, warum eine erfinderische Tätigkeit vorliege, was zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen könnte, überzeugt die Kammer nicht. Da sich die Beschwerdeführerin entschieden hatte, bis zur mündlichen Verhandlung weder zur Zulässigkeit der Änderungen e bis h des Verfahrensanspruchs noch zur erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands etwas vorzutragen, war es für die Kammer bis zu diesem sehr späten Verfahrensstadium in keiner Weise ersichtlich, ob seitens der Beschwerdeführerin die Absicht bestand, den beanspruchten Gegenstand des Hilfsantrags anzugreifen.”
  • AR-1 is admitted into the proceedings and is found to comply with Art. 123(2). The Board remits the case for examination of inventive step, despite the opponent protesting against the remittal, under the RPBA 2007. An important factor is that the opponent had not submitted reasons why the added feature was obvious in the written stage of the appeal proceedings.


EPO T 0369/15 -  link



Entscheidungsgründe

[...]

2.3 Aus den oben genannten Gründen ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerinnen nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Zulassung
3.1.1 Für die Frage der Berücksichtigung von Vorbringen der Beteiligten unterscheidet die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern generell zwischen Vorbringen, das erstmals mit der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde (vgl. Artikel 12 (2) und (4) VOBK), und Vorbringen, das zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (vgl. Artikel 13 VOBK).
[...]
3.1.4 In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer beantragte die Beschwerdeführerin [opponent] erstmals, sämtliche Hilfsanträge mangels Substantiierung seitens der Beschwerdegegnerinnen [patentee] nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, und machte auch erstmals geltend, dass die Beschwerdegegnerinnen es versäumt hätten, mit der Beschwerdeerwiderung bzw. in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer zu begründen, warum bei ihren Hilfsanträgen Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorliegen würden und insbesondere warum die Änderungen im Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 eine erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands gegenüber den im Verfahren befindlichen Beweismitteln herstellen könnten.




Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdeführerin sich zu keinem Zeitpunkt während des schriftlichen Beschwerdeverfahrens gegen die Zulassung der von den Beschwerdegegnerinnen eingereichten Hilfsanträge ausgesprochen hat oder Einwände gegen deren Gewährbarkeit erhoben hat, obgleich sie dazu die Gelegenheit hatte. Spätestens nach Erlass der für die Beschwerdegegnerinnen negativen Mitteilung der Kammer zum Hauptantrag und der darin angekündigten Absicht der Kammer, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge zu berücksichtigen, hätte die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, dass im Falle einer Nichtgewährung des Hauptantrags in der mündlichen Verhandlung eine Diskussion über diese Hilfsanträge folgen würde und sie hätte etwaige Einwände gegen die Zulassung oder die Gewährbarkeit dieser Anträge bereits in Reaktion auf diese Mitteilung schriftlich erheben können. Hinsichtlich des vorliegenden Hilfsantrags 1, den die Beschwerdegegnerinnen mit Schreiben vom 1. August 2019 in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer und zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht haben, hätte die Beschwerdeführerin ebenfalls davon ausgehen müssen, dass im Falle einer Nichtgewährung des Hauptantrags eine Diskussion über die Zulassung und ggf. die Gewährbarkeit dieses Hilfsantrags stattfinden würde und dass die Kammer über diesen Antrag dann entscheiden würde. Die Beschwerdeführerin hätte daher bereits schriftlich und vor der mündlichen Verhandlung ihre Einwände gegen den neuen Hilfsantrag 1 erheben können.

Es bestand für die Beschwerdeführerin zwar keine rechtliche Verpflichtung, zu den von den Beschwerdegegnerinnen mit ihrer Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträgen oder zu dem vor der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hilfsantrag 1 Stellung zu nehmen. Allerdings obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten, alle für ihn relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und auch Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich vorzubringen. Dies gilt vorliegend für die Beschwerdeführerin auch dann, wenn sie gemäß Artikel 13 (2) VOBK berechtigt gewesen wäre, zu dem Hilfsantrag 1 Stellung zu nehmen, wenn dieser Antrag von der Kammer nicht von Amts wegen als unzulässig erachtet worden wäre. Die Beschwerdeführerin konnte deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass sich die Kammer ihren erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwänden gegen den vorliegenden Hilfsantrag 1 anschließen würde und dass sie diesen Hilfsantrag nicht zulassen würde. Auch eine möglicherweise unvollständige Substantiierung eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags der Gegenseite kann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, sich schriftlich zu dem zu einem späteren Verfahrensstadium eingereichten Hilfsantrag überhaupt nicht zu äußern und erst in der mündlichen Verhandlung diesen Hilfsantrag zu beanstanden.

Darüber hinaus geht der vorliegende Hilfsantrag 1 auf den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 zurück, der hinsichtlich seiner Zulassung in das Beschwerdeverfahren weder von der Kammer noch von der Beschwerdeführerin beanstandet worden ist. Die Beschwerdegegnerinnen haben beim Einreichen des neuen Hilfsantrags 1 auch vorgetragen, dass die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen von der ursprünglich eingereichten Beschreibung gestützt würden und der Bemerkung im Punkt 17.3 der Mitteilung der Kammer Rechnung tragen würden. Insofern liegt eine Substantiierung vor, wie durch die vorgenommenen Änderungen der Einwand der Kammer gegen den bisherigen Hilfsantrag 3 ausgeräumt werden könnte.

Auch das Argument, den Hilfsantrag 1 nicht zuzulassen, da die Beschwerdegegnerinnen erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen hätten, warum eine erfinderische Tätigkeit vorliege, was zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen könnte, überzeugt die Kammer nicht. Da sich die Beschwerdeführerin entschieden hatte, bis zur mündlichen Verhandlung weder zur Zulässigkeit der Änderungen e bis h des Verfahrensanspruchs noch zur erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands etwas vorzutragen, war es für die Kammer bis zu diesem sehr späten Verfahrensstadium in keiner Weise ersichtlich, ob seitens der Beschwerdeführerin die Absicht bestand, den beanspruchten Gegenstand des Hilfsantrags anzugreifen. Durch diese Handlungsweise wäre auch die Frage einer eventuellen Vertagung der mündlichen Verhandlung vielmehr von den verspäteten Einwänden der Beschwerdeführerin und von der Notwendigkeit, der anderen Partei eine Gelegenheit zu geben, darauf angemessen zu reagieren, veranlasst gewesen.

3.1.5 Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich von dem Sachverhalt, der den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen T 1732/10 und T 1890/09 zugrunde lag.

In dem Fall T 1732/10 bestand die nach Ablauf der viermonatigen Frist für die Beschwerdeerwiderung erfolgte Reaktion der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auf die Beschwerdebegründung aus einem einzigen Satz ("With respect to the pending appeal proceedings, it is requested to reject the appeal of opponent 03 as unfounded and to maintain the patent as granted") und es waren keinerlei Argumente vorgetragen worden. Erst in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer wurden von der Beschwerdegegnerin ein neuer geänderter Hauptantrag und neue Hilfsanträge in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung eingereicht.

In dem Fall T 1890/09 reichte die Beschwerdegegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung Hilfsanträge ein, die teilweise den erstinstanzlich bereits vorgelegten Anträgen entsprachen und deren Änderungen im Wesentlichen den abhängigen Ansprüchen des Hauptantrags entnommen waren. Die Beschwerdegegnerin hatte jedoch in ihrer Erwiderung bezüglich dieser Hilfsanträge überhaupt keine Begründung vorgebracht und auch keine Begründung zu diesen Anträgen zu einem späteren Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren nachgereicht.

Da der Sachverhalt des vorliegenden Falls mit dem Sachverhalt der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen aus den obigen Gründen nicht vergleichbar ist, waren diese Entscheidungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.

3.1.6 Aus den vorgenannten Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK entschieden, den Hilfsantrag 1 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.




[...]

Folglich geht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und erfüllt daher die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
3.3 Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ) Note under RPBA 2007!


3.3.1 Die Beschwerdegegnerinnen haben hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung beantragt, während sich die Beschwerdeführerin aus verschiedenen Gründen dagegen ausgesprochen hat.| | |

3.3.2 Wie oben bereits dargelegt, steht es gemäß Artikel 111 (1) EPÜ im Ermessen der Kammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder ob sie den Fall an die Instanz zurückverweist, die die Entscheidung erlassen hat, wobei die Zweckmäßigkeit einer solchen Zurückverweisung nach Sachlage im Einzelfall beurteilt wird.

3.3.3 Im vorliegenden Fall stellt die Kammer fest, dass sich das erstinstanzliche Verfahren ausschließlich mit den unabhängigen Ansprüchen des damals vorliegenden Hauptantrags und des damals vorliegenden Hilfsantrags 1, und dabei insbesondere mit der Frage der Offenbarung bzw. des Naheliegens der Merkmale a bis d und A bis F in Bezug auf die Druckschriften D1 und D2, befasst hat. Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 wurde um die Merkmale e bis h ergänzt, die aus der Beschreibung übernommen wurden und die nicht in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen enthalten waren. Wie oben unter Punkt 3.1.3 dargelegt, entspricht der Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 mit Ausnahme des Merkmals g im Wesentlichen dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 11, der bereits der Einspruchsabteilung vorlag, aber über den sie nicht entschieden hat, da sie den damals vorliegenden und gegenüber den übrigen Hilfsanträgen höherrangigen Hilfsantrag 1 für gewährbar hielt. Bei dieser Sachlage ist eine Zurückverweisung an die erste Instanz zweckmäßig, damit die weitere Prüfung des vorliegenden Hilfsantrags 1 der Beschwerdegegnerinnen vor zwei Instanzen erfolgen kann.

Deshalb hält es die Kammer im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern und angesichts des Antrags der Beschwerdegegnerinnen für angemessen, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen.

3.3.4 Die Beschwerdeführerin hat entgegnet, dass eine Zurückverweisung gegen die Verfahrensökonomie sprechen würde, zumal die Beschwerdegegnerinnen nicht substantiiert zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit vorgetragen, sondern lediglich eine "Schutzschicht" in den Anspruch 1 aufgenommen hätten.

Allerdings liegt der Kammer auch kein Vortrag seitens der Beschwerdeführerin zum Naheliegen der Merkmale e bis h vor. Die Frage, ob die hinzugefügten Merkmale naheliegend und teilweise bereits aus den im Verfahren vorhandenen Druckschriften bekannt sind, kann nicht ohne eine weitere eingängige Prüfung beantwortet werden. Auch die bloße Behauptung der Beschwerdeführerin, dass der Erfolg des Hilfsantrags von vornherein aussichtslos sei, ist kein ausreichender Grund für die Kammer, die Angelegenheit nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen. Im vorliegenden Fall wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens aus den oben genannten Gründen keine umfassende Beurteilung sämtlicher Anträge der Patentinhaberinnen durchgeführt. Daher überwiegt nach Ansicht der Kammer das Interesse der Beschwerdegegnerinnen auf eine eingehende Prüfung ihres Antrags von zwei Instanzen mehr als eventuelle verfahrensökonomische Vorteile, die sich für die Beschwerdeführerin daraus ergeben könnten, dass die Kammer die Sache abschließend behandelt, anstatt sie zurückzuverweisen.

3.3.5 Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, dass zunächst über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 verhandelt und entschieden werden müsse, bevor eine Entscheidung über eine Zurückverweisung getroffen werden könne. Den Grund dafür sah die Beschwerdeführerin darin, dass der Wortlaut des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 identisch sei mit dem des Anspruchs 12 des vorliegenden Hauptantrags, dessen Gegenstand nach der in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK geäußerten vorläufigen Meinung der Kammer nicht erfinderisch gewesen sei, und sich deshalb mit einer Entscheidung über den Anspruch 12 eine Zurückversweisung erübrigen würde.

Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, dass eine Diskussion über den Anspruch 12 des Hilfsantrags 1 hinsichtlich der Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht ohne eine Diskussion über den Anspruch 1 dieses Antrags erfolgen kann. Auch wenn der Wortlaut des Anspruchs 12 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag und dem vorliegenden Hilfsantrag 1 identisch ist, bezieht sich der Wortlaut des Anspruchs 12 in beiden Anträgen eindeutig auf den jeweils vorangehenden Anspruch 1. Der Rückbezug in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 erfordert daher zwingend, dass die Papierschicht nach Anspruch 12 zur Verwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 geeignet sein muss. Die Aufnahme der Merkmale e bis h in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat somit eine Auswirkung auf den Gegenstand des Anspruchs 12, nämlich dass die Papierschicht und die Farbaufnahmeschicht für die Aufnahme von wasserhaltiger Tinte (Merkmal e) und für die Verarbeitung in einem Kurztaktpressverfahren (Merkmal g) geeignet sein müssen. Infolgedessen kann der Gegenstand des Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 nicht mit dem Gegenstand des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag identisch sein. Deshalb sind die vorliegenden Einwände der mangelnden Neuheit oder der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen den Anspruch 12 des Hauptantrags auch nicht ohne Weiteres auf den Anspruch 12 des Hilfsantrags 1 übertragbar.

Aus den vorgenannten Gründen wäre es nicht sachdienlich gewesen, vor einer Entscheidung über die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 12 des Hauptantrags 1 zu diskutieren und zu entscheiden.

4. Rüge nach Regel 106 EPÜ

4.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhob die Beschwerdeführerin "eine Rüge nach Regel 106 EPÜ in Verbindung mit Artikel 112a (2) c) EPÜ" und machte geltend, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ vorliege.

Die Beschwerdeführerin begründete den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs damit, dass über den Zurückverweisungsantrag der Beschwerdegegnerinnen entschieden wurde, ohne vorab über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 zu verhandeln.

4.2 Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen in allen Verfahren vor dem Europäischen Patentamt nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

4.3 In der vorliegenden Entscheidung wird unter Punkt 3.3 oben begründet, warum die Kammer nicht selbst über die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 entscheidet, sondern eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ für sachdienlich und zweckmäßig hält. Weiter wird unter Punkt 3.3.5 oben ausgeführt, aus welchen Gründen eine von dem Gegenstand des Anspruchs 1 unabhängige Diskussion über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 wegen des Rückbezugs in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 nicht möglich gewesen wäre, so dass eine Entscheidung darüber vor einer Zurückverweisungsentscheidung nicht sachdienlich gewesen wäre.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde vor der Entscheidung der Kammer über die Zurückverweisung die Frage erörtert, ob dem von den Beschwerdegegnerinnen gestellten Antrag auf Zurückverweisung stattgegeben werden soll und ob nicht zunächst über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 diskutiert und entschieden werden müsse bevor die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werde, um eine unnötige Zurückverweisung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob eine von dem Gegenstand des Anspruchs 1 unabhängige Diskussion über den Gegenstand des Anspruchs 12 wegen des Rückbezugs in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 möglich gewesen wäre. Damit hatten beide Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit, sich zu den oben genannten Gründen für eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zu äußern und das in Artikel 113 (1) EPÜ verankerte Äußerungsrecht wurde deshalb beachtet.

4.4 Nach Ansicht der Kammer kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch nicht darin gesehen werden, dass die Kammer entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin es für nicht sachdienlich hielt, in der mündlichen Verhandlung über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 zu diskutieren und zu entscheiden bevor sie eine Entscheidung über die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung getroffen hat. Die Kammer kann ohne das rechtliche Gehör eines Beteiligten zu verletzen, zu einer anderweitigen Auffassung gelangen, solange das Äußerungsrecht der Beteiligten beachtet wurde und die anderweitige Auffassung in der Entscheidung ausreichend begründet wird. Beides ist vorliegend der Fall.

4.5 Aus den oben genannten Gründen ist es für die Kammer nicht erkennbar, dass das in Artikel 113 (1) EPÜ verankerte rechtliche Gehör verletzt wurde.

Die Rüge der Beschwerdeführerin gemäß Regel 106 EPÜ wird deshalb von der Kammer zurückgewiesen.


Entscheidungsformel


Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Rüge der Beschwerdeführerin gemäß Regel 106 EPÜ wird zurückgewiesen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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