24 May 2019

T 0016/14 - Atttack not admissible

Key points

  • In this opposition appeal, the OD had rejected the ground of Article 100(a) EPC as inadmissible, because the publication of the cited prior art document E1 was not proven. E1 is an author's manuscript of a published article. The opponent had offered the filing of the published article in the Notice of opposition and had filed it during the opposition procedure. The Board considers this evidence to be timely and the publication of the article to be proven. 
  • Hence, the ground of Article 100(a) EPC is admissible.
  • However, the opponent had in its statement of grounds only referred to the earlier submissions for the relevance of E1. This contravenes Article 12 RPBA that parties must set out the complete case in the statement of grounds (or the response). Furthermore the submissions before the OD on the point were not entirely clear. Hence, the attack is not admitted. 
  • There is a further document E6 which was introduced by the OD with the summons. The Board agrees with the opponent that E6 is therefore automatically admitted in the procedure. 
  • "  Unbeschadet der Möglichkeit einer Einspruchsabteilung, ein eingeführtes Dokument für technisch nicht relevant zu erachten, bietet das EPÜ keine Rechtsgrundlage für einen nachträglichen Ausschluss eines gemäß Artikel 114 (1) EPÜ von Amts wegen eingeführten Dokuments aus dem Verfahren, aufgrund einer im Laufe des Verfahrens festgestellten mangelnden technischen Relevanz dieses Dokuments." 



EPO T 0016/14 -  link



Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Dokumente E1/E1a und E2/E2a - Regel 76 (2) c) EPÜ und Artikel 54 (2) EPÜ
2.1 Die Einspruchsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung die Substantiiertheit des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 a) EPÜ verneint und dies damit begründet, dass eine Veröffentlichung des einzigen diesbezüglich angeführten Dokuments E1 nicht nachgewiesen worden sei (siehe Punkt 4.6 der Entscheidungsgründe).
2.2 Die Beschwerdegegnerin hat nicht bestritten, dass es sich bei dem mit der Einspruchsschrift eingereichten Dokument E1 um einen Autorenabzug (Autorenexemplar, Freiexemplar) handelt. Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Bereitstellung eines solchen Autorenabzugs für den oder die Autoren eines Fachzeitschriftenartikels der üblichen Praxis entspricht. Die Autorenabzüge sind dabei inhaltlich identisch mit dem veröffentlichten Artikel. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, hat die Beschwerdegegnerin keine inhaltliche Diskrepanz zwischen dem Autorenabzug und dem tatsächlich veröffentlichten Artikel geltend gemacht, sondern sie hat lediglich auf die äußerlichen Unterschiede abgestellt, die zwangsläufig aus der Einbettung des Artikels in den Rahmen der Fachzeitschrift resultieren.
2.3 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt der Einspruchseinlegung noch nicht bekannt war, dass es sich bei dem Dokument E1 um einen Autorenabzug handele. Eine etwaige inhaltliche Diskrepanz zwischen dem eingereichten Autorenabzug und dem tatsächlich veröffentlichten Artikel wäre aber auch ohne diese Kenntnis ohne Weiteres überprüfbar gewesen, sodass das Argument der Beschwerdegegnerin nicht überzeugen kann. Die Bezeichnung der Veröffentlichungsstelle des Dokuments E1 war nämlich jedenfalls dergestalt, dass eine Überprüfung ohne unzumutbaren Aufwand möglich war. Überdies hat die Beschwerdeführerin bereits in der Einspruchsschrift die Vorlage des Originals, d.h. des tatsächlich veröffentlichten Artikels, angeboten (siehe Seite 3, letzter Satz der Einspruchsschrift). Der angebotene Beweis wurde von der Beschwerdeführerin durch Einreichung des Dokuments E1a am 11. September 2013 auch angetreten. Es kann somit keine Rede davon sein, dass die Dokumente E1a und E2a verspätet waren, was der Einspruchsabteilung einen Ermessensspielraum hinsichtlich ihrer Zulassung zum Verfahren eingeräumt hätte.
2.4 Das Dokument E1/E1a wurde darüber hinaus vor dem Prioritätstag (31. Oktober 2006) des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, lässt darauf insbesondere die Tatsache schließen, dass E1a ausweislich des Titelblattes einen Hinweis auf, und insbesondere einen "Vorbericht" über die im Zeitraum 19. - 22. September 2006 stattfindende Fachmesse "InnoTrans 2006" enthält. Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin nicht darin folgen, dass eine Veröffentlichung der September-Ausgabe nach dem Prioritätstag, d.h. erst im November erfolgt sein könnte. Dies widerspricht der Lebenserfahrung und die Beschwerdegegnerin wäre, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, in der Beweispflicht für das Vorliegen des gegenteiligen Sachverhalts gewesen. Die vorhergehenden von der Kammer getroffenen Feststellungen gelten auch für das Dokument E2 bzw. E2a.
2.5 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Dokumente E1/E1a und E2/E2a Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ bilden und damit nicht nur die Tatsachen, sondern auch die Beweismittel in Übereinstimmung mit Regel 76 (2) c) EPÜ im Hinblick auf den geltend gemachten Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in der Einspruchsschrift angegeben waren. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ wurde im Ergebnis ausreichend substantiiert in der Einspruchsschrift vorgetragen.
3. Berücksichtigung des Vorbringens hinsichtlich der Dokumente E1/E1a und E2/E2a im Beschwerdeverfahren
3.1 Hinsichtlich der Relevanz der Dokumente E1/E1a bzw. E2/E2a bezüglich der Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag enthält die Beschwerdebegründung lediglich einen Verweis auf die Einspruchsschrift sowie auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Beschwerdeführerin vom 9. August 2013 und vom 11. September 2013, d.h. auf das ganze schriftliche Vorbringen der Einsprechenden im erstinstanzlichen Verfahren.
3.2 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK muss die Beschwerdebegründung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Ferner sollen alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel ausdrücklich und spezifisch angegeben werden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass eine Begründung, die pauschal auf ein in der ersten Instanz vorgelegtes Vorbringen verweist, prinzipiell nicht ausreichend ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, Abschnitt IV.E.2.6.4.a)). Die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung T 95/10 lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, denn ihr liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dieser bezieht sich auf die Nichtauseinandersetzung der Beschwerdeführerin mit den die angefochtene Entscheidung tragenden Gründen, was vorliegend nicht in Frage gestellt wird. Punkt 5 der Entscheidungsgründe betrifft insbesondere den Fall, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht auf die durch die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren vorgebrachten Tatsachen und Argumente in der angefochtenen Entscheidung eingeht, und damit einen wesentlichen Verfahrensfehler begeht. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich somit grundlegend von dem vorliegenden Fall, denn die in der Beschwerdebegründung genannten Schriftsätze sowie die in diesen dargelegten Argumente beziehen sich nicht auf die in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründe, sondern sie legen die Relevanz der Dokumente E1/E1a und E2/E2a hinsichtlich der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands dar.
3.3 Auch aus den Worten "...to the extent necessary"... in Punkt 38 der Entscheidungsgründe der R 8/16 kann nicht abgeleitet werden, dass die Kammer die Schriftsätze der ersten Instanz zu berücksichtigen hat. Die Kammer versteht diese Worte so, dass Vorbringen, das für die in der Beschwerde zu behandelnden Fragen nicht relevant ist, nicht erneut vorgebracht werden muss.
3.4 Die Kammer stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt eine Zurückverweisung an die erste Instanz beantragt hat. Sie hätte daher zumindest damit rechnen müssen, dass die Beschwerdekammer selber in der Sache entscheidet, zumal die Einspruchsabteilung bereits in der angefochtenen Entscheidung den Dokumenten E1/E1a bzw. E2/E2a eine prima facie Relevanz abgesprochen hatte. Eine ausdrückliche substantielle Auseinandersetzung seitens der Beschwerdeführerin mit den Dokumente E1/E1a und E2/E2a wäre somit in der Beschwerdebegründung angebracht gewesen.
3.5 Die Kammer stellt darüber hinaus fest, dass die im erstinstanzlichen Verfahren in Bezug auf E1/E1a und E2/E2a vorgetragenen Argumente entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht klar nachvollziehbar waren. So enthält die Einspruchsschrift naturgemäß keinerlei Bezugnahme auf den im späteren Verfahren geänderten Hauptantrag. Die weiteren Schriftsätze vom 9. August 2013 und 11. September 2013 beziehen sich zwar auf den geänderten Hauptantrag, die in diesen Schriftsätzen vorgetragenen Argumente sind jedoch nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. So erfolgt im erstgenannten Schriftsatz die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 in den Abschnitten 4.1.1 bis 4.1.5 im Hinblick auf die Dokumente E1 und E5 sowie in Abschnitt 4.1 unter Bezugnahme auf weitere Ausführungen in dem Einspruchsschriftsatz (siehe Seite 6, 3. Absatz des Schreibens vom 9. August 2013). In Abschnitt 3 wird das Merkmal e) im Hinblick auf E1 erörtert, wohingegen dasselbe Merkmal in Abschnitt 4.1.6 im Hinblick auf E6 erörtert und festgestellt wird, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf E1, E5 und E6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Zudem wird in dem besagten Schriftsatz vom 9. August 2013 eine Interpretation des Merkmals e) zugrunde gelegt, welche die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich nicht weiterverfolgt hat (siehe Abschnitt 3 des Schreibens vom 9. August 2013). Die im Schriftsatz vom 11. September 2013 enthaltenen Argumente beziehen sich hingegen auf das Merkmal b) im Hinblick auf E5 sowie auf das Merkmal e) im Hinblick auf E6. Der Tatsachenvortrag bezüglich E1/E1a bzw. E2/E2a ist somit in den betreffenden erstinstanzlichen Schriftsätzen nicht dergestalt, dass die Argumente der Beschwerdeführerin in ihrer Gesamtheit ohne das Anstellen von Vermutungen nachvollzogen werden konnten.
3.6 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK durch den bloßen Verweis auf den erstinstanzlichen Vortrag im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, und das Vorbringen hinsichtlich der Dokumente E1/E1a und E2/E2a gemäß Artikel 12 (4) VOBK daher nicht im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.

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