18 September 2015

T 0274/12 - Tacit secrecy agreement

EPO T 274/12

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Key points


  • The decision deals with prior use in the sphere of the opponents and an alleged tacit secrecy agreement. What is the required standard of proof.
  • The present Board follows the decision of the BGH 9 december 2014 (X ZR 6/13 (BPatG); Presszange): in case of talks about a product which is to be developed, a tacit secrecy agreement is to be assumed. The opponent has the burden of proof to show that at least one talk was not subject to such tacit secrecy agreement.
  • Failure to mark some drawings as confidential is not prejudicial to the secrecy.
  • A series of talks was held with seemingly essentially all players in the industry. This was not prejudicial to secrecy.
  • The opponents have not succeeded in their burden of proof of showing that the talks about the to be developed products were not secret.

Entscheidungsgründe

4.2 Im vorliegenden Fall haben sich die Beschwerdeführerinnen zum Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung auf die ihrer Auffassung nach durch die Dokumente F19, F20 und F30 belegten Kontakten zwischen der Firma Bear und den potentiellen Zulieferfirmen Varian Inc, BOC Edwards und später Pfeiffer Vacuum im Zusammenhang mit der Entwicklung eines neuen Produktes ("CUB 800 Mass spectrometer")berufen.
Umstritten ist, unter welchen Umständen die Gespräche stattgefunden haben und - insbesondere - ob die Beteiligten einer stillschweigend vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterlagen.


4.2.1 Maßstab für die Beweiswürdigung
Grundsätzlich gilt für den Einwand der offenkundigen Vorbenutzung das Prinzip der Lückenlosigkeit. Denn regelmäßig unterliegen alle Beweismittel für eine solche Benutzung der Verfügungsmacht und dem Wissen des Einsprechenden während der Patentinhaber selbst in aller Regel keinen Zugang dazu hat (vgl.: Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 7. Auflage 2013, I.C.2.2 und 2.4 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Entscheidung T 472/92 (ABI. 1998, 161, Punkt 3.1).
Diese Situation ist auch in dem vorliegenden Fall gegeben: Die durch F19 und F30 belegten Gespräche, die Herr Steiner für die Firma Bear geführt hat, fanden jeweils mit den Firmen der beschwerdeführenden Einsprechenden I (Pfeiffer Vacuum), mit einer Tochtergesellschaft (BOC Edwards) der beschwerdeführende Einsprechende II oder mit einer Firma, (Varian, Inc) statt, die von Agilent Technologies, der Muttergesellschaft der Einsprechenden III, angekauft wurde und deren Angestellte Herrn Steiner war (siehe F30, Punkt 2). Somit liegen alle Beweismittel in der Sphäre der nun beschwerdeführenden Einsprechenden I, II und III. Nur diese Parteien sind in der Lage die genauen Umstände zu belegen, weil die Gesprächen bei diesen Firmen in Anwesendheit deren Mitarbeiter stattgefunden haben.
4.2.2 Andererseits besteht in dem vorliegenden Fall die Besonderheit, dass allenfalls eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung angenommen werden kann. Auf eine stillschweigende Vereinbarung kann wiederum nur aus den nachweisbaren Umständen der Gespräche geschlossen werden. Dies ist bei der Anwendung des Grundsatzes der Lückenlosigkeit zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang hat X. Zivilsenat des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Urteil vom 9. Dezember 2014 (X ZR 6/13 (BPatG)) entschieden, dass ein Angebot, das nicht an die Öffentlichkeit, sondern an einen (potentiellen) Vertragspartner gerichtet ist, nur dann geeignet ist, bereits als solches beachtlichen Stand der Technik zu schaffen, wenn die Weiterverbreitung der dem Angebotsempfänger damit übermittelten Kenntnis an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen hat. Dies kann, wenn das Angebot auf die Herstellung eines erst noch zu entwickelnden Gegenstands gerichtet ist, nach der Entscheidung des BGH nicht ohne weiteres angenommen werden, da sowohl auf Seiten desjenigen, der die Entwicklung vornehmen soll oder will, als auch auf Seiten seines Vertragspartners, der von der Entwicklung in irgendeiner Weise profitieren will, ein Interesse daran bestehen kann, dass das Entwicklungsprojekt nicht bekannt werde, bevor das Produkt auf den Markt gelangt.
Eine derartige auf die Lebenserfahrung gestützte Schlussfolgerung sei aber nur dann möglich, wenn wie etwa bei einem Angebot oder einer Lieferung mindestens ein Kommunikationsakt feststeht, an den ein Erfahrungssatz anknüpfen kann (BGH, a.a.O., Ziffer 39 der Entscheidungsgründe).
4.2.3 Dem schließt sich die Kammer an. Dabei ergibt sich bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall, dass aus den von den Einsprechenden und Beschwerdeführerinnen vorgetragenen Umständen nicht auf eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen werden kann.
Gegen eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung spricht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - insbesondere nicht, dass es eine Reihe von Einzelgesprächen gab, an denen letztendlich alle relevanten Anbieter am Markt beteiligt waren.Denn nach der Lebenserfahrung ist es durchaus üblich, dass sich ein Unternehmen auf der Suche nach Geschäftspartnern an mehrere potentielle Zulieferer wendet, um eine optimale oder kostengünstige Lösung bei der Weiterentwicklung eines neuen Produktes zu finden. Allerdings kann daraus nach Auffassung der Kammer nicht geschlossen werden, dass mit der Aufnahme solcher Gespräche gleichzeitig ein Verzicht auf gewerbliche Schutzrechte gewollt ist. Dies gilt - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen - auch, wenn mehrere Einzelgespräche mit letztlich allen relevanten Anbietern am Markt geführt wurden. Denn auch in einem solchen Fall bleibt das Interesse eines Unternehmens daran bestehen, dass Unternehmen, mit denen eine Geschäftsbeziehung letztlich nicht begründet wird, von möglicherweise in den Sondierungsgesprächen offenbarten Erfindungen keinen Gebrauch machen sollen.
Ein Kommunikationsakt, aufgrund dessen auf einen Verzicht auf die Geheimhaltung geschlossenen werden könnte, ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass zumindest auf einigen der bei den Gesprächen zwischen der Firma Baer und den möglichen Kooperationspartnern übergebenen Zeichnungen keine explizierter Vertraulichkeitsvermerk angebracht war.
Den Beschwerdegegnerinnen ist zwar zuzugestehen, dass ein die Übergabe von Dokumenten mit einem solchen Vermerk ein starkes Indiz für das Bestehen eine stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung ist. Aus dessen Fehlen kann allerdings zumindest, wenn - wie hier aus den dargelegten Gründen - die Umstände der Gespräche in deren Rahmen die Zeichnungen übergeben wurden für eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung sprechen, nicht auf das Gegenteil geschlossen werden. Hinzu kommt, dass einem Mitarbeiter der Firma Pfeiffer bei einem der Gespräche auch Zeichnungen der Konkurrenten Edwards and Varian vorgestellt wurden. Auf die Geheimhaltung dieser Dokumente konnte die Firma Bear ohnehin nicht verzichten.
4.3 Nach Ansicht der Kammer unterlag somit jedes einzelne Gespräch der Firma Bear mit einer der potentiellen Zulieferfirmen im Rahmen der Weiterentwicklung eines noch zu vermarktenden Produktes nach der allgemeinen Lebenserfahrungen einer stillschweigenden Geheimhaltungspflicht.
Die während der Gespräche der Firma Bear mit potentiellen Zulieferern übergegeben Dokumente stehen der Neuheit der Erfindung deshalb nicht entgegen.
4.4 Zur den ebenfalls von den Einsprechenden behaupteten Lieferung ist festzustellen, dass abgesehen von den Erklärungen der Herren U. Steiner und R. Hellmer zum Gegenstand und zu den Umständen der von Bear an Kunden ausgelieferten Waren keinen schriftlichen Beweise vorgelegt wurden. Zu der unter diesem Gesichtspunkt geltend gemachten Vorbenutzung wurde daher nicht schlüssig vorgetragen und diese steht auch nicht der Neuheit entgegen.

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