20 June 2016

T 2273/11 - Tacit secrecy agreement

Key points
  • In order to decide whether a tacit secrecy agreement existed, the Board assesses whether both parties to the joint development of the invention had an interest in keeping the invention secret. The patentee and opponent agree that a tacit secrecy agreement can be assumed for joint development of inventions if such agreement is in the interest of the parties involved with the joint development. 
EPO T 2273/11 - link

Entscheidungsgründe
1. Offenkundige Vorbenutzung
1.1 Die Beschwerdeführerin I hatte ursprünglich mehrere offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht, von denen für die vorliegende Entscheidung lediglich die auf die Dokumente D12, D15 und D20 gestützte Vorbenutzung rele­vant ist, die im Folgenden diskutiert wird.
1.2 Vor dem Prioritätsdatum des Streit­patents hat Benteler ein Verfahren zur Herstellung der B-Säule J 3200 der Fa. Opel, also eines metallischen Formteils, ent­wickelt. Dieses in D20 näher beschriebene Verfahren wurde am 19. Februar 2002 (siehe D15) von Opel ab­genommen und frei­gegeben. Dem vom 9. Februar 2000 datierten Angebot D12 (siehe insbesondere Seiten 5 und 9) ist zu entnehmen, dass durch das Verfahren allge­meine Toleranzen von ± 3 mm zu erzielen sind, bevor das Bauteil durch Laser­schneiden auf sein endgültiges Maß gebracht wird.
1.3 Es ist unstreitig, dass keine projektbezogene, expli­zite Geheimhaltungspflicht bezüglich der geltend gemachten offenkundigen Vor­benutzung vorliegt.
Die Beschwerdegegnerin vertritt jedoch die Meinung, dass man aus der allgemeinen Erfahrungspraxis aufgrund der gemeinsamen Entwicklung davon ausgehen müsse, dass zu­mindest eine stillschweigende Geheim­haltungs­pflicht anzunehmen sei. Dies sei umso mehr der Fall, da Opel ein Interesse daran habe, das preisgünstige Her­stellungs­verfahren anderen Auto­herstellern nicht zur Verfügung zu stellen.
1.4 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass von einer stillschweigenden Geheimhaltungspflicht dann aus­gegangen werden kann, wenn beide Vertrags­partner, bzw. der Informationsgeber und der Informations­empfänger ein Interesse an der Geheimhaltung der gemeinsamen Entwick­lung haben.
Im vorliegenden Fall hatte aber jedenfalls die Fa. Benteler kein Interesse daran, das von ihr vor­geschla­gene Verfahren geheim zu halten. Im Gegenteil sei es für sie von Vorteil, mit möglichst vielen Firmen ins Geschäft zu kommen, denn nur so könnten sich die Entwicklungs­kosten amortisieren.
Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde auch vom Zeugen Geringhoff in seiner Aussage vor der Einspruchs­abteilung, ausdrücklich und mehrfach bestätigt. Der Zeuge hat zudem erklärt, dass das Her­stellungsverfahren auch BMW und Daimler vor­gestellt wurde. Somit ist das Verfahren zur Herstellung der B-Säule nicht als eine gemeinsame Projekt­entwicklung von Benteler und Opel zu betrachten, sondern lediglich als Ergebnis einer üblichen geschäftlichen Beziehung (siehe Angebot, D12). Eine etwaige andere allgemeine Erfahrungs­praxis, wie von der Beschwerdegegnerin rein pauschal behauptet, wäre allen­falls als eine widerlegbare Vermutung zu werten. An­gesichts der klaren, glaubhaften Aussagen des Zeugen, und der dargelegten Umstände eines normalen Geschäft­verhältnisses, ist diese Vermutung zur Überzeugung der Kammer jedenfalls widerlegt. Die anders­lautende Würdi­gung seitens der Einspruchs­abteilung in der angefochte­nen Entscheidung, der Zeuge habe lediglich "die Meinung" in "pauschaler Weise" geäußert, findet keine Grundlage in der Zeugenaussage und ist ihrerseits pauschal begründet. Damit ist die Beweis­würdigung der Einspruchsabteilung in sich nicht schlüssig, so dass die Beschwerdekammer ohne erneute Zeugenvernehmung eine tatsachengestützte Würdigung der Aussage des Zeugen vornehmen konnte.
1.5 Von einer "besonderen Beziehung" zwischen Informations­empfänger und Informationsgeber im Sinne der Ent­schei­dung T 1081/01 kann zwar bezüglich der spezi­fischen Form der für Opel hergestellten B-Säule aus­gegangen werden, was vom Zeugen auch nicht verneint wurde. Da das Streit­patent aber das Herstellungsverfahren eines Bau­teils und nicht das spezifische gefertigte Bauteil betrifft, ist eine diesbezügliche potentielle still­schweigende Geheim­haltungs­pflicht für die Beurteilung der Offen­kundigkeit des Verfahrens nicht relevant.
1.6 Folglich stellt die durch die Dokumente D12, D15 und D20 und die Zeugenaussage des Zeugen Gehringhoff nach­gewie­sene offenkundige Vorbenutzung Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ dar.



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