Key points
- In order to decide whether a tacit secrecy agreement existed, the Board assesses whether both parties to the joint development of the invention had an interest in keeping the invention secret. The patentee and opponent agree that a tacit secrecy agreement can be assumed for joint development of inventions if such agreement is in the interest of the parties involved with the joint development.
EPO T 2273/11 - link
Entscheidungsgründe
1. Offenkundige Vorbenutzung
1.1 Die Beschwerdeführerin I hatte ursprünglich mehrere offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht, von denen für die vorliegende Entscheidung lediglich die auf die Dokumente D12, D15 und D20 gestützte Vorbenutzung relevant ist, die im Folgenden diskutiert wird.
1.2 Vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents hat Benteler ein Verfahren zur Herstellung der B-Säule J 3200 der Fa. Opel, also eines metallischen Formteils, entwickelt. Dieses in D20 näher beschriebene Verfahren wurde am 19. Februar 2002 (siehe D15) von Opel abgenommen und freigegeben. Dem vom 9. Februar 2000 datierten Angebot D12 (siehe insbesondere Seiten 5 und 9) ist zu entnehmen, dass durch das Verfahren allgemeine Toleranzen von ± 3 mm zu erzielen sind, bevor das Bauteil durch Laserschneiden auf sein endgültiges Maß gebracht wird.
1.3 Es ist unstreitig, dass keine projektbezogene, explizite Geheimhaltungspflicht bezüglich der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung vorliegt.
Die Beschwerdegegnerin vertritt jedoch die Meinung, dass man aus der allgemeinen Erfahrungspraxis aufgrund der gemeinsamen Entwicklung davon ausgehen müsse, dass zumindest eine stillschweigende Geheimhaltungspflicht anzunehmen sei. Dies sei umso mehr der Fall, da Opel ein Interesse daran habe, das preisgünstige Herstellungsverfahren anderen Autoherstellern nicht zur Verfügung zu stellen.
1.4 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass von einer stillschweigenden Geheimhaltungspflicht dann ausgegangen werden kann, wenn beide Vertragspartner, bzw. der Informationsgeber und der Informationsempfänger ein Interesse an der Geheimhaltung der gemeinsamen Entwicklung haben.
Im vorliegenden Fall hatte aber jedenfalls die Fa. Benteler kein Interesse daran, das von ihr vorgeschlagene Verfahren geheim zu halten. Im Gegenteil sei es für sie von Vorteil, mit möglichst vielen Firmen ins Geschäft zu kommen, denn nur so könnten sich die Entwicklungskosten amortisieren.
Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde auch vom Zeugen Geringhoff in seiner Aussage vor der Einspruchsabteilung, ausdrücklich und mehrfach bestätigt. Der Zeuge hat zudem erklärt, dass das Herstellungsverfahren auch BMW und Daimler vorgestellt wurde. Somit ist das Verfahren zur Herstellung der B-Säule nicht als eine gemeinsame Projektentwicklung von Benteler und Opel zu betrachten, sondern lediglich als Ergebnis einer üblichen geschäftlichen Beziehung (siehe Angebot, D12). Eine etwaige andere allgemeine Erfahrungspraxis, wie von der Beschwerdegegnerin rein pauschal behauptet, wäre allenfalls als eine widerlegbare Vermutung zu werten. Angesichts der klaren, glaubhaften Aussagen des Zeugen, und der dargelegten Umstände eines normalen Geschäftverhältnisses, ist diese Vermutung zur Überzeugung der Kammer jedenfalls widerlegt. Die anderslautende Würdigung seitens der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, der Zeuge habe lediglich "die Meinung" in "pauschaler Weise" geäußert, findet keine Grundlage in der Zeugenaussage und ist ihrerseits pauschal begründet. Damit ist die Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung in sich nicht schlüssig, so dass die Beschwerdekammer ohne erneute Zeugenvernehmung eine tatsachengestützte Würdigung der Aussage des Zeugen vornehmen konnte.
1.5 Von einer "besonderen Beziehung" zwischen Informationsempfänger und Informationsgeber im Sinne der Entscheidung T 1081/01 kann zwar bezüglich der spezifischen Form der für Opel hergestellten B-Säule ausgegangen werden, was vom Zeugen auch nicht verneint wurde. Da das Streitpatent aber das Herstellungsverfahren eines Bauteils und nicht das spezifische gefertigte Bauteil betrifft, ist eine diesbezügliche potentielle stillschweigende Geheimhaltungspflicht für die Beurteilung der Offenkundigkeit des Verfahrens nicht relevant.
1.6 Folglich stellt die durch die Dokumente D12, D15 und D20 und die Zeugenaussage des Zeugen Gehringhoff nachgewiesene offenkundige Vorbenutzung Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ dar.
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