24 May 2016

T 0412/12 - Inserting an auxiliary request

Key points

  • After Auxiliary Request 4 had been deemed allowable by the Board, the Patentee submitted an " Auxiliary Request 0" (ranked between the rejected Main Request and the rejected first Auxiliary Request). The Board is not amused and does not admit the request into the proceedings. 




T 0412/12 - link
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag: Änderungen
2.11 Die in Anspruch 1 des Hauptantrags durchgeführte Änderung von ursprünglich "wenigstens einer" in "wenigstens zwei" weitere (größere) Öffnungen geht daher über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, entgegen den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Hilfsanträge 1 bis 3: Änderungen
Auch der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 schreibt "wenigstens zwei" weitere (größere) Öffnungen im Stellelement vor. Da in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 zumindest das Merkmal, wonach zwei Öffnungen des Stellelements gegenüberliegend angeordnet sind, nicht enthalten ist, können auch die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen, siehe oben zum Hauptantrag.
4. Hilfsantrag 4: Änderungen
4.1 Hilfsantrag 4 entspricht der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 6 und 8. Die Beschreibung wurde entsprechend angepasst.
[...]
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.

9. Hilfsantrag 0: Zulässigkeit
9.1 Die nach Auffassung der Kammer unzulässige Erweiterung in Hinblick auf die Mengenangabe "wenigstens zweier weiterer" in Anspruch 1 der Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 3 sei nach Ansicht der Patentinhaberin Beschwerdeführerin für sie überraschend gewesen. Als Reaktion habe sie deshalb nach abgeschlossener Diskussion der geltenden Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 3 angekündigt, einen neuen Hilfsantrag einreichen zu wollen. Der nach Diskussion und Beratung zu Hilfsantrag 4 schließlich als Hilfsantrag 0 neu vorgelegte Hilfsantrag solle rangmäßig zwischen Haupt- und Hilfsantrag 1 berücksichtigt werden. Im Hilfsantrag 0 sei im Kennzeichen des Anspruchs 1 des bisherigen Hauptantrags die Formulierung "wenigstens zweier weiterer Öffnungen" durch "weiterer Öffnungen" ersetzt worden. Das übrige Kennzeichen sei entsprechend angepasst worden. Dadurch werde die untere Grenze, also genau "zwei weitere Öffnungen", nicht mehr beansprucht.


9.2 Die Kammer stellt erstens fest, dass, auch wenn die Patentinhaberin Beschwerdeführerin ihre Absicht einen neuen Hilfsantrag stellen zu wollen früher in der Verhandlung geäußert hat, ein solcher Antrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag, und dass deswegen die Verhandlung auf Grundlage des verbleibenden, geltenden Hilfsantrags 4 fortgesetzt wurde. Die Vorlage des neuen Hilfsantrags 0 erfolgte erst zum spätest möglichen Zeitpunkt, nämlich nachdem Hilfsantrag 4 diskutiert und anschließend durch die Kammer als gewährbar befunden wurde. Jedenfalls stellt dieser verspätet vorgelegte Hilfsantrag 0 geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13(1) und (3) VOBK erfolgt.
9.3 Die Auffassung der Kammer zu Artikel 123(2) EPÜ nach Abschluss der Diskussion kam für die Patentinhaberin Beschwerdeführerin auch nicht unerwartet. Letztendlich basiert diese Auffassung auf der seit Beginn des Beschwerdeverfahrens unveränderten Ansicht der Einsprechenden II Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerinnen, wonach Anspruch 1 der Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 3 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe. Es mag sein, dass die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin subjektiv überrascht war, dass ihre Argumentation hierzu die Kammer nicht überzeugt hat. Objektiv gesehen müsste sie aber auf diesen möglichen Ausgang vorbereitet sein, zum Beispiel durch die frühe Einreichung von Hilfsanträgen, wie sie das auch in Form der geltenden Hilfsanträge 1 bis 4 getan hat. Diese wurden gebührend diskutiert und anschließend wurde Hilfsantrag 4 gewährt. Somit liegt keine Rechtfertigung für die verspätete Vorlage vor.
9.4 Dadurch, dass die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin nun nach der Diskussion aller geltenden Anträge einen neuen Hilfsantrag 0 stellt, der den bereits diskutierten Hilfsanträgen 1 bis 4 übergeordnet sein soll, versucht sie im Endeffekt, die bereits abgeschlossene Diskussion wieder zu eröffnen und ihre Position, die sie durch Gewährung ihres Hilfsantrags 4 erlangt hat, zu verbessern. Nach Ansicht der Kammer ist ein solches Vorgehen gegenüber den anderen Parteien nicht als recht und billig zu bezeichnen. Dies gilt umso mehr, als die Patentinhaberin Beschwerdeführerin im Gegensatz zu ihren bisherigen Ausführungen zu Artikel 123(2) eine erst jetzt in der mündlichen Verhandlung entwickelte Argumentationslinie verfolgt. Sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der Verhandlung vor der Kammer wurde die Diskussion der Patentinhaberin Beschwerdeführerin bisher durchgehend auf das Merkmal "wenigstens zweier weiterer Öffnungen", also auf den Erhalt der konkreten Zahl "zwei" in Anspruch 1 der Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 4 abgestellt. Als Stützung dieser Behauptung wurde in der Verhandlung vor der Kammer ausführlich die ursprüngliche Offenbarung der Zahl zwei im Ausführungsbeispiel nach Figur 5 (ursprünglicher Anspruch 8) und der Beschreibung der Anmeldung von der Patentinhaberin Beschwerdeführerin angezogen. Es war in der Diskussion zur Frage der unzulässigen Erweiterung des Anspruchs 1 der Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 4 für die Parteien und die Kammer zu keinem Zeitpunkt ersichtlich, dass die Patentinhaberin Beschwerdeführerin beabsichtigen könnte, sich auf "weiterer Öffnungen", also auf die Mengenangabe "mehrere", in Anspruch 1 zurückzuziehen.
9.5 Die Frage, ob die Formulierung "weiterer Öffnungen" im neuen Hilfsantrag 0 ebenso die konkrete Zahl "zwei" enthält, wie von der Einsprechenden III Beschwerdegegnerin prima facie eingewandt, oder nicht, wie nun erstmals von der Patentinhaberin Beschwerdeführerin vorgebracht, hätte erneut zur Diskussion gestellt werden müssen. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der anderen Parteien hätte die Verhandlung womöglich sogar verlegt werden müssen, damit sie eine angemessene Gelegenheit gehabt hätten, auf die unerwartete Änderung des Anspruchswortlauts reagieren zu können. Durch die abwartende Haltung der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin, einen neuen übergeordneten Antrag erst nach positiver Feststellung eines gewährbaren Antrags zu stellen, hätte sich das Verfahren somit erheblich verzögert.
9.6 Die Verspätung einer solch stückchenweisen Annäherung der Patentinhaberin Beschwerdeführerin an einen neuen Hilfsantrag "in letzter Minute" ist im vorliegenden Fall aus Sicht der Kammer daher weder gerechtfertigt, da unbegründet, noch fair gegenüber den Parteien, da diese Taktik das Verfahren stark verzögert hätte. Dies umso mehr, als nach Abschluss der Diskussion bereits ein gewährbarer Hilfsantrag 4 vorlag. Die von der Patentinhaberin Beschwerdeführerin hierdurch bewirkte Verfahrensverzögerung widerspricht auch der in diesem Verfahrensstadium gebotenen Verfahrensökonomie.
9.7 In Ausübung ihres Ermessens kam eine Zulassung des Hilfsantrags 0 ins Verfahren für die Kammer folglich nicht in Betracht, vgl. Artikel 13 VOBK.
10. Keiner der im Verfahren befindlichen Haupt- und Hilfsanträge 1 bis 3 der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin ist gewährbar, sodass die Beschwerde der Patentinhaberin scheitert. Die Beschwerde der Einsprechenden I führt ebenfalls nicht zum Erfolg, da der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 alle Erfordernisse des EPÜ erfüllt, siehe oben Punkte 4 bis 8. Die Kammer bestätigt im Ergebnis die angefochtene Zwischenentscheidung, wonach unter Berücksichtigung der mit dem Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Somit kann das Patent in geänderter Fassung aufrechterhalten werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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