24 January 2020

T 1906/17 - Rule 79(1)

Key points

  • The Board considers the main request (claims as granted) to be not novel over D1 and does not admit the new auxiliary requests in this opposition appeal.
  • The Board: “Die Kammer stellt fest, dass die [patentee] im Einspruchsverfahren mit der Mitteilung gemäß Regel 79 (1) EPÜ die Möglichkeit bekommen hat, geänderte Unterlagen einzureichen und dass sie diese Möglichkeit nicht genutzt hat, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung nicht bekannt war.”
  • The Board notes that the arguments of the opponent concerning the lack of novelty over D1 were the same throughout the opposition and appeal proceedings. 
  • The Board: “Die Kammer ist daher der Meinung, dass die Hilfsanträge bereits am Anfang des Einspruchsverfahrens in Reaktion auf die Einspruchsbegründung hätten vorgebracht werden können und müssen. Das Zulassen der Hilfsanträge ins Verfahren liegt dementsprechend im Ermessen der Kammer im Sinne von Artikel 12 (4) VOBK.” (emphasis added).
  • The Board furthermore notes that the respondent in opposition appeal, having won before the OD, can not wait until the preliminary opinion of the Board with filing auxiliary requests.
  • The Board: “Dass eine Partei bewusst die vorläufige Stellungnahme der Kammer abwartet, bevor sie auf einen im Verfahren, das mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung endete, längst vorgebrachten Einwand der anderen Partei reagiert, widerspricht der eigentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Funktion des Beschwerdeverfahrens und dem Prinzip des frühzeitigen und vollständigen Vorbringens der Parteien” 



EPO T 1906/17 - link

3. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 4
3.1 Die Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 25. Juli 2019 in Reaktion zur Kammermitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK die Hilfsanträge 1 bis 4 eingereicht, deren Zulassung ins Beschwerdeverfahren die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Entscheidung T1126/97 wegen Verspätung sowie deswegen widerspricht, weil alle Hilfsanträge Kombinationen von Merkmalen aus den Unteransprüchen und aus der Beschreibung enthielten, die zu weiteren Einwände führten.
3.2 Die seitens der Beschwerdegegnerin zur Rechtfertigung der späten Einreichung der Hilfsanträge vorgetragenen Argumente überzeugen nicht.
Diese beziehen sich im Kern darauf, dass nach Einschätzung der Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge deshalb zugelassen werden sollten, um ihr die Möglichkeit zur Verteidigung des Streitpatents zu geben. Im Einspruch habe nämlich keine Veranlassung bestanden, Hilfsanträge einzureichen, und dies wäre aus ökonomischen Gründen auch nicht sinnvoll gewesen, weil mehrere Einwände seitens der Beschwerdeführerin vorgebracht worden wären. Weil die Auffassung der Prüfungsabteilung und der Einspruchsabteilung positiv für die Beschwerdegegnerin gewesen wären, sei nun die Entwicklung im Beschwerdeverfahren für sie unerwartet.
Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren mit der Mitteilung gemäß Regel 79 (1) EPÜ die Möglichkeit bekommen hat, geänderte Unterlagen einzureichen und dass sie diese Möglichkeit nicht genutzt hat, obwohl ihr zu diesem Zeitpunkt die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung nicht bekannt war.


Wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, hat sich der Sachvortrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Frage der Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber Dokument D1 während des Einspruchs- und des Beschwerdeverfahrens nicht geändert.
Die Kammer ist daher der Meinung, dass die Hilfsanträge bereits am Anfang des Einspruchsverfahrens in Reaktion auf die Einspruchsbegründung hätten vorgebracht werden können und müssen. Das Zulassen der Hilfsanträge ins Verfahren liegt dementsprechend im Ermessen der Kammer im Sinne von Artikel 12 (4) VOBK.
Die Kammer hält es für unangebracht, sich zur Verfahrensstrategie der Beschwerdegegnerin zu äußern, allerdings stellt die Kammer fest, dass auch wenn eine Partei im Einspruchsverfahren gewonnen hat, sie nicht vernünftigerweise erwarten kann und darf, dass das Gleiche unbedingt auch im Beschwerdeverfahren geschehen wird. Dass eine Partei bewusst die vorläufige Stellungnahme der Kammer abwartet, bevor sie auf einen im Verfahren, das mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung endete, längst vorgebrachten Einwand der anderen Partei reagiert, widerspricht der eigentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Funktion des Beschwerdeverfahrens und dem Prinzip des frühzeitigen und vollständigen Vorbringens der Parteien (Artikel 106 (1) EPÜ, Regel 99 (2) EPÜ und Artikel 12 (2) VOBK). Die Zulassung von Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung sowie nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen der Kammer im Sinne von Artikel 13 (1) und (3) VOBK.
Im vorliegenden Fall hält es die Kammer für unangemessen, dass die Beschwerdegegnerin auf die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK gewartet hat, bevor sie mit Hilfsanträgen auf den ihr längst bekannten Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber das Dokument D1 reagierte, was die Kammer und die Beschwerdeführerin daran hindert, die Hilfsanträge in einem vernünftigen Zeitraum zu behandeln.
Die Kammer hält eine solche Vorgehensweise für mit der die gebotene Verfahrensökonomie unvereinbar.
Die Kammer beschließt daher, ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) und 13 (1) und (3) VOBK auszuüben, die Hilfsanträge 1 bis 4 nicht ins Verfahren zuzulassen.
4. Die Anträge beider Parteien in Bezug auf die Dokumente E1 bis E4 brauchen nicht behandelt zu werden, da diese Dokumente für die vorliegende Entscheidung nicht relevant sind.
5. Da der einzige von der Beschwerdegegnerin vorliegende zulässige Anspruchssatz nicht gewährbar ist, kann das Streitpatent entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht aufrechterhalten bleiben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.

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