16 January 2020

T 1695/14 - Withdrawing and reintroducing requests

Key points

  • The Boards finds that the proprietor's earlier requests where implicitly withdrawn during the written appeal proceedings by the filing of new auxiliary requests: “Die Übernahme der Bezeichnung mit römischen Ziffern und die klare Erläuterung, welche der ehemaligen Anträge mit welchen Änderungen und welcher Bezifferung bzw. Rangstelle weitergeführt werden, lässt nur den Schluss zu, dass die übrigen vormaligen Hilfsanträge nicht weiterverfolgt werden sollten. ” 
  • The Board concludes that the requests can be resubmitted and that their admissibility is then decided on the basis of the moment of resubmitting them. However, in the discretionary decision whether or not to admit the requests, the Board can take into account that the opponent has earlier in the procedure already engaged with the request, for instance if a request is dropped at the beginning of the oral proceedings and is later resubmitted. However, in the present case, the patentee had withdrawn the requests a few weeks before the oral proceedings, so that there was no need for the opponent to prepare for a discussion of those requests.
  • The Board also notes the large number of auxiliary requests.
  • “Würden die Anträge zugelassen, so würde das bedeuten, dass die übrigen Beteiligten sich in unzumutbarer Weise vor der mündlichen Verhandlung auf sechzehn Anträge (ein Hauptantrag und fünfzehn Hilfsanträge) hätten vorbereiten müssen und dann spontan auf die in der Verhandlung (wieder)gestellten vormaligen Hilfsanträge hätten reagieren müssen, was nicht zumutbar wäre.”



EPO T 1695/14 -  link



EPO  Headnote
  • Die Rücknahme eines Antrags kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Eine konkludente Antragsrücknahme liegt vor, wenn sich aus den Umständen zweifelsfrei ergibt, dass bestimmte Anträge nicht weiterverfolgt werden sollen.
  •  Werden Anträge, die im Beschwerdeverfahren zunächst gestellt und nachfolgend ausdrücklich oder konkludent zurückgenommen worden waren, später erneut eingereicht (wieder aufgegriffen), richtet sich ihre Zulassung nach den verfahrensrechtlichen Normen der VOBK, die für die Zulassung eines gänzlich neuen Antrags maßgeblich sind.


4. Hilfsantrag I (MV 13:30 Uhr) - Artikel 13 (1) VOBK
4.1 Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag I (MV 13:30 Uhr) entspricht jenem des mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereichten Hilfsantrags I. Diesen ursprünglichen Hilfsantrag hat die Patentinhaberin im Verlauf des schriftlichen Verfahrens jedoch nicht weiterverfolgt. Vielmehr hat sie in ihrem Schriftsatz vom 14. Juni 2019 auf Seite 2, 4. Absatz erläutert:
"Um den Einwänden der Beschwerdekammer gerecht zu werden, werden neue Hilfsanträge I, II und XIII bis XV eingereicht, in welchen die Bedeutung der ,,zusammenhängenden Heizbereiche" des bisherigen Hauptantrags weiter spezifiziert werden. Der bisherige Hilfsantrag IV wird unverändert als neuer Hilfsantrag V weitergeführt. Die bisherigen Hilfsanträge I, und III bis X werden ferner als neue Hilfsanträge III, IV und VI bis XII weitergeführt, wobei die gegenüber dem Hauptantrag hinzugefügten Merkmale des Hilfsantrags I auch bei den neuen Hilfsanträgen III, IV und VI bis XII hinzugefügt worden sind."
4.2 Diese Ausführungen machen unmissverständlich deutlich, dass die Patentinhaberin ihre bisherigen Anträge durch die mit Schriftsatz vom 14. Juni 2019 eingereichten Anträge ersetzen wollte. Die Übernahme der Bezeichnung mit römischen Ziffern und die klare Erläuterung, welche der ehemaligen Anträge mit welchen Änderungen und welcher Bezifferung bzw. Rangstelle weitergeführt werden, lässt nur den Schluss zu, dass die übrigen vormaligen Hilfsanträge nicht weiterverfolgt werden sollten. Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge sollten daher abgesehen von dem Hauptantrag und dem seinerzeitigen Hilfsantrag IV nicht bzw. nicht in unveränderter Fassung weiterverfolgt, sondern durch andere Anträge ersetzt werden.


4.3 Die Erklärung der Patentinhaberin ist daher als konkludente Rücknahme dieser Anträge auszulegen. Die Rücknahme eines Antrags kann ausdrücklich erfolgen oder konkludent, wenn sich - wie hier - aus den Umständen zweifelsfrei ergibt, dass bestimmte Anträge nicht weiterverfolgt werden sollen (vgl. T 388/12, Entscheidungsgründe 4.2; T 52/15, Entscheidungsgründe 1.4).
Entgegen der Ansicht der Patentinhaberin verbleiben frühere Anträge, die nicht als Haupt- oder Hilfsantrag weiterverfolgt, sondern (konkludent) zurückgenommen wurden, nicht im Verfahren, denn das Verfahrensrecht kennt geltende oder zurückgenommene Anträge, nicht aber ruhende Anträge.
4.4 Maßgebliche Zulassungskriterien für einen wiederaufgegriffenen Antrag:
4.4.1 Da ein zurückgenommener Antrag nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist (vgl. T 1732/10, Entscheidungsgründe 3.2.2; T 143/14, Entscheidungsgründe 2.5), ist seine Zulassung, wenn er in einem späteren Verfahrensstadium erneut gestellt wird, den gleichen verfahrensrechtlichen Normen unterworfen, wie ein gänzlich neuer Antrag (vgl. T 1732/10 Entscheidungsgründe 3.3.1; vgl. T 122/10 Entscheidungsgründe 3.7). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern. So wird z.B. ein Antrag, den eine Partei im Beschwerdeverfahren erneut stellt, obwohl sie diesen zuvor im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommen hatte, als neuer Antrag eingeordnet, der den Regelungen der Artikel 12 bzw. 13 VOBK unterliegt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, V.A.4.11.3 f); V.A.4.11.4 c) m.w.N.)
Dementsprechend ist auch ein Antrag, der im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zunächst gestellt, später aber explizit oder konkludent zurückgenommen wurde, als neuer Antrag einzuordnen, wenn er später erneut gestellt wird. Seine Zulassung richtet sich dann insbesondere nach den Regelungen in Artikel 13 VOBK und den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Ermessenskriterien.
Dieses Ergebnis entspricht einem fairen Verfahren und der Verfahrensökonomie, denn durch die Antragstellung sollen sowohl der Gegner als auch der berufene Spruchkörper in die Lage versetzt werden, das Begehren des Antragstellers zu erkennen, dieses zu würdigen und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Wenn ein Antrag explizit oder konkludent zurückgenommen wird, so besteht für die übrigen Beteiligten keine Veranlassung mehr, sich mit einem derartigen Antrag zu befassen oder diesen für die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Wird der Antrag dann erneut gestellt, so stellt dies eine Veränderung des Vorbringens und damit neues Vorbringen dar.
Die Zulassung des vorliegenden Hilfsantrags I (MV 13:30 Uhr), den die Patentinhaberin schriftsätzlich noch vor der mündlichen Verhandlung fallengelassen hatte und erst in der mündlichen Verhandlung wieder eingereicht hat, richtet sich daher insbesondere nach den Kriterien des Artikel 13 (1) VOBK (Komplexität und Stand des Verfahrens, Verfahrensökonomie und Zumutbarkeit).
Ob die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausübt, einen verspäteten Antrag in das Verfahren zuzulassen, richtet sich nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls. Ein Aspekt, der gegebenenfalls im Rahmen der nach Artikel 13 VOBK vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen sein kann, ist der Umstand, dass die Beteiligten sich zu einem früheren Zeitpunkt bereits mit dem wiederaufgegriffenen Antrag befasst hatten, so dass den Beteiligten eine Einarbeitung unter Umständen eher zugemutet werden kann als bei einem gänzlich neuen Antrag. So könnte es - je nach den Umständen des Einzelfalls - gegebenenfalls zumutbar sein, wenn ein Antrag erst zu Beginn der Verhandlung zurückgenommen wird und dann im Verlauf der Verhandlung wiederaufgegriffen wird.
4.4.2 Vorliegend ist den übrigen Beteiligten jedoch nicht zuzumuten, sich mit den erst in der mündlichen Verhandlung (wieder) eingereichten Anträgen der Patentinhaberin zu befassen.
Die Patentinhaberin hatte ihre Anträge nämlich nicht zu Beginn der mündlichen Verhandlung, sondern bereits mehrere Wochen vor der mündlichen Verhandlung fallengelassen. Für die übrigen Beteiligten gab es daher keine Veranlassung mehr, diese Anträge für die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Hinzu kommt, dass die Patentinhaberin diese Anträge zuvor nach ihrem eigenen schriftsätzlichen Bekunden aufgegeben hatte, um auf Einwände in der Mitteilung der Kammer zu reagieren. Dadurch hat sie den Anschein erweckt, die darin genannten Einwände zu akzeptieren. Deshalb konnte keiner der übrigen Beteiligten damit rechnen, dass diese Anträge in der mündlichen Verhandlung erneut gestellt werden würden. Es wäre daher überraschend und würde die Einsprechenden unbillig benachteiligen, wenn sie in einem so späten Verfahrensstadium ergänzend zu solchen Anträgen vortragen müssten.
Darüber hinaus hat sich die Patentinhaberin nicht etwa darauf beschränkt, einen einzigen Antrag erneut zu stellen, sondern ein Konvolut von Anträgen. Würden die Anträge zugelassen, so würde das bedeuten, dass die übrigen Beteiligten sich in unzumutbarer Weise vor der mündlichen Verhandlung auf sechzehn Anträge (ein Hauptantrag und fünfzehn Hilfsanträge) hätten vorbereiten müssen und dann spontan auf die in der Verhandlung (wieder)gestellten vormaligen Hilfsanträge hätten reagieren müssen, was nicht zumutbar wäre.
4.4.3 Darüber hinaus würde die Zulassung des Hilfsantrags I (MV 13:30 Uhr) der Verfahrensökonomie zuwiderlaufen.
Im Rahmen der unter Artikel 13 VOBK vorzunehmenden Abwägung ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass die Zulassungsvoraussetzungen im Interesse der Verfahrensökonomie umso strenger werden, je später das Vorbringen erfolgt. Die mündliche Verhandlung vor einer Beschwerdekammer betrifft ein sehr spätes Verfahrensstadium, in dem die Verfahrensökonomie eine gewichtige Rolle spielt. Diese würde insbesondere durch Anträge, die prima facie nicht gewährbar sind, erheblich beeinträchtigt werden (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, V.A.4.12.2).
So liegt es hier, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags I (MV 13:30 Uhr) ist mangels Neuheit prima facie nicht gewährbar, da sein Gegenstand - zumindest prima facie - aus Dokument E1 bekannt ist. Dies ergibt sich bereits aus der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK, in der angegeben ist, dass die Kammer die Gegenstände des Hauptantrags und des erteilten Anspruchs 5, deren Kombination dem Gegenstand des Hilfsantrags I (MV 13:30 Uhr) entspricht, gegenüber der Offenbarung des Dokuments E1 vorläufig als nicht neu ansieht.
Die Patentinhaberin hat in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2019 keinerlei Argumente in der Sache gegen diese vorläufige Meinung der Kammer vorgebracht. Die Patentinhaberin hat sich in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2019 insbesondere überhaupt nicht zu den Merkmalen des erteilten Anspruchs 5, die von der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK als nicht neu angesehen wurden, geäußert. Erst nachdem sie während der mündlichen Verhandlung den Hilfsantrag I (MV 13:30 Uhr) erneut gestellt hat, brachte sie vor, dass aus Dokument E1 weder ein zweiter Schwingkreis, noch eine zweite Anregungsschaltung bekannt sei.
Die Kammer ist hiervon nicht überzeugt, denn die ergänzenden Merkmale sind zumindest prima facie aus Figur 1 von E1 bekannt. Diese zeigt einen Gleichrichter 15, von welchem ausgehend sämtliche Induktoren 1 bis 4 versorgt werden können. Nachdem die zweite Schaltung nicht näher spezifiziert ist, kommt hierfür auch die Steuerschaltung eines der Relais 5 bis 8 in Frage. Prima facie sind die zusätzlichen Merkmale zudem auch bekannt aus E7, Figur 2, E15 aus der unteren Figur auf der Seite 7 oder E17, Figur 1.
4.5 Die Kammer hat ihr Ermessen deshalb dahingehend ausgeübt, den Hilfsantrag I (MV 13:30 Uhr) nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 13 (1)VOBK).

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