Key points
- This
is a very lengthy decision about a partiality objection in appeal. The
published decision is anonymised, also omitting the application and patent
number.
- The
text after the jump is the German text in HTML. All formatting from the
PDF is lost on the EPO website in the HTML version. This loss makes the
decision text in the HTML version almost incomprehensible because the PDF
uses formatting extensively to indicate quotes.
- During
oral proceedings in January 2021, the Board announces that it intends to
admit Auxiliary Request 1, filed by the patentee during the oral
proceedings and wherein all product claims are cancelled, to adjourn the
hearing. The opponent is not happy with this envisaged
course of action and asks the Board why it departs from the clear wording
of Art.13(3) RPBA 2007 ( “Amendments
sought to be made after oral proceedings have been arranged shall
not be admitted if they raise issues which the Board or the other party or
parties cannot reasonably be expected to deal with without adjournment of
the oral proceedings.”). The
hearing is then interrupted for a break. Subsequently, the Chair gives
further details of the reasoning. The opponent announces a partiality
objection. After a break, the opponent announces that it does not raise a
partiality objection and wishes to discuss the admissibility of AR-1
further. The matter is discussed, and both parties request a different
apportionment of costs. The Board then announces the (interlocutory)
decision to admit AR-1 and to adjourn the oral proceedings The oral
proceedings are then closed. With a letter of 12 April 2021, the opponent
raises a first partiality objection. In the summons for the second oral
proceedings, the Board gives the preliminary opinion that the partiality
objection is inadmissible as being late-filed. The opponent then raises a
second partiality objection.
- The
Board in the original composition holds the second partiality objection
admissible and the Board in the new composition takes the present decision.
- The
Board in the new composition holds the second partiality objection to be
admissible but not allowable.
- The
Board reasons that a preliminary opinion can give rise to a well-founded
partiality objection (r.4.3.1), namely (in translation) if it favours one
party e.g. by giving indications that are not covered by Art. 114(1), or
if it contains derogatory remarks or includes an application of the law
that is grossly wrong that it allows the conclusion that it is arbitrary.
- However,
the summons for the second oral proceedings do not fall under one of those
cases, and the partiality objection is not justified.
- The
Board in the original composition will now decide on the still pending
first partiality objection. Hence, I refrain from commenting on this aspect.
- However,
as a general point, even a successful partiality objection does not affect
the already taken interlocutory decision to admit AR-1 in any way, as I
understand it. "A decision given by a board orally becomes effective,
binding and final by virtue of being pronounced" (T0449/15).
- This
is a very lengthy decision about a partiality objection in appeal. The
published decision is anonymised, also omitting the application and patent
number.
Sachverhalt und Anträge
I. Das vorliegende Verfahren wurde eingeleitet durch den weiteren, d.h. zweiten Antrag der Einsprechenden nach Artikel 24 (3) EPÜ vom 24. Dezember 2021. Damit lehnt diese das juristische Mitglied der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung ebenso wie die gesamte ursprüngliche Besetzung der Beschwerdekammer in der betreffenden Einspruchsbeschwerdesache wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Im Folgenden wird zwischen der Beschwerdekammer (oder Kammer) "in der ursprünglichen Besetzung" und der "erkennenden" Beschwerdekammer (oder Kammer) unterschieden.
II. Dieser zweite Ablehnungsantrag wurde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gestellt, welchem sowohl die Beschwerde der beiden Patentinhaber als auch der Einsprechenden zugrunde liegen. Gegenstand der Beschwerden ist die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung gemäß Art. 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ. Damit hatte die Einspruchsabteilung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der "vom Patentinhaber" im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügten.
III. Den ersten Ablehnungsantrag nach Artikel 24 (3) EPÜ wegen Besorgnis der Befangenheit stellte die Einsprechende schriftlich am 12. April 2021 nach der ersten mündlichen Verhandlung der Kammer in der ursprünglichen Besetzung vom 21. Januar 2021.
Lt. Protokoll reichten in dieser Verhandlung die Patentinhaber einen neuen Hilfsantrag I ein, der lediglich die erteilten Verfahrensansprüche als Ansprüche 1 bis 6 umfasste; die Vorrichtungsansprüche wurden gestrichen.
Die Einsprechende wandte sich gegen eine Zulassung des Hilfsantrags und beantragte Vertagung der mündlichen Verhandlung. Es sei für sie nicht zumutbar, sich in dieser mündlichen Verhandlung zu den Verfahrensansprüchen zu äußern oder sich erstmalig mit Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen.
Im Protokoll heißt es dann weiter wörtlich (ab Mitte von Seite 7):
Nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung teilte der Vorsitzende den Beteiligten mit, dass die Kammer beabsichtige, den neuen Hilfsantrag I in das Verfahren zuzulassen und die mündliche Verhandlung zu vertagen. ...
Die Einsprechende fragte die Kammer, welche konkrete Rechtsprechung es trotz des eindeutigen Wortlauts des Artikels 13 (3) VOBK 2007 erlaube, einen in der mündlichen Verhandlung erstmals gestellten Antrag zuzulassen, auch wenn dies zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen würde.
Die mündliche Verhandlung wurde von 12.57 - 13.14 Uhr unterbrochen.
Nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung teilte die Kammer den Beteiligten mit, dass sie auf Anhieb keine konkrete Entscheidung nennen könne. Dies sei aber auch nicht notwendig, denn die Kammer sei der Auffassung, dass sie auch dann ein Ermessen nach Artikel 13 VOBK 2007 habe, den Hilfsantrag I in das Verfahren zuzulassen, wenn es zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung komme. Der Absatz 3 des Artikels 13 VOBK 2007 müsse in Zusammenschau mit dem Absatz 1 des Artikels 13 VOBK 2007 gelesen werden. Der Artikel 13 (3) VOBK 2007 könne auch im Hinblick auf Artikel 114 (2) EPÜ das Ermessen der Kammer, verspätetes Vorbringen zuzulassen, nicht völlig einschränken.
Die Einsprechende kündigte daraufhin an, einen Befangenheitsantrag stellen zu wollen.
Die mündliche Verhandlung wurde von 13.25 - 14.40 Uhr unterbrochen.
Nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erklärte die Einsprechende, doch keinen Befangenheitsantrag stellen zu wollen und machte weitere Ausführungen zu der Frage der Zulassung des neuen Hilfsantrags I im Hinblick auf den Artikel 13 (3) VOBK 2007. ...
[Die Patentinhaber machten hierzu Ausführungen, und die Einsprechende erwiderte hierauf.]
Beide Beteiligten stellten einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung. ...
Die mündliche Verhandlung wurde von 15.09 - 15.28 Uhr zur Beratung der Kammer unterbrochen.
Nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung teilte der Vorsitzende den Beteiligten mit, dass die Kammer der Ansicht sei, dass sie ein Ermessen auch dann nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe, wenn die mündliche Verhandlung verlegt werde. Im vorliegenden Fall ginge es nicht nur um die Streichung von erteilten Ansprüchen, sondern es gebe auch besondere Umstände. Zu den erteilten Verfahrensansprüchen gebe es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung und dazu hätten die Pateninhaber Stellung genommen.
Die Kammer habe deshalb in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2007 entschieden, den von den Patentinhabern in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag I in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die mündliche Verhandlung werde vertagt.
Außerdem werde der Einsprechenden die Gelegenheit gegeben, zu der Gewährbarkeit des Hilfsantrags I schriftlich Stellung zu nehmen ...
[Um 15.33 Uhr schloss der Vorsitzende die Verhandlung.]
IV. Mit dem Antrag der Einsprechenden nach Artikel 24(3) EPÜ vom 12. April 2021 lehnte diese die Mitglieder der Beschwerdekammer nach Artikel 24 (3) EPÜ wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Nach der Entscheidung T 1257/14 sei die Besorgnis der Befangenheit dann anzunehmen, wenn eine Partei unter anderem bewusst begünstigt werde. Anders als mit persönlicher Befangenheit lasse es sich nicht erklären, wenn das juristische Mitglied der Beschwerdekammer zunächst auf ihren (ersichtlich falschen) Erinnerungseindruck verweise und die Existenz einschlägiger Rechtsprechung als Grundlage für die Zulässigkeit eines Vertagens und gleichzeitigen Zulassens des erst in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebrachten Hilfsantrags I anführe, und dann, obwohl es ihr auch nach einer Verfahrensunterbrechung nicht möglich gewesen sei, diese Rechtsprechung zu identifizieren, und auch nach Hinweis der Einsprechenden auf den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK weiterhin an diesem Vorgehen festhalte.
Für einen objektiven Betrachter dränge sich dabei als einzig denkbare Begründung auf, dass das juristische Mitglied offenbar nicht bereit gewesen sei, ihre zunächst aus dem Erinnerungseindruck wiedergegebene, aber ersichtlich falsche erste rechtliche Einschätzung zu korrigieren, und auch die weiteren Mitglieder der Beschwerdekammer offenbar nicht bereit gewesen seien, korrigierend einzugreifen. Dem objektiven Betrachter bleibe keine andere Möglichkeit, als anzunehmen, dass die gesamte Besetzung der Beschwerdekammer die für sie in der Verfahrensordnung (VOBK 2007) kodifizierten Grenzen mit Absicht aufgrund persönlicher Befangenheit durchbrochen habe, und den Patentinhabern damit einen ungebührlichen Vorteil verschafft habe, der ihr tatsächlich nicht zugestanden habe.
Der Befangenheitsantrag sei auch nicht nach Art. 24 (3) Satz 2 EPÜ verspätet, da die Tatsache, dass die Beschwerdekammer sich tatsächlich bewusst über den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK 2007 hinwegsetzen würde, erst durch die (vorläufige) Zulassung des Hilfsantrags I und das Vertagen der Verhandlung herausgestellt habe und die Einsprechende daher keine Verfahrenshandlungen vorgenommen habe, nachdem sie von den Gründen, welche den vorliegenden Befangenheitsantrag stützen, Kenntnis erlangt habe.
Insbesondere sei die Einsprechende auch nicht dadurch präkludiert, dass sie in der mündlichen Verhandlung bereits einen Befangenheitsantrag angekündigt, diesen dann aber doch nicht gestellt habe. Denn zu diesem Zeitpunkt wäre ein Befangenheitsantrag noch verfrüht gewesen, da man sich in diesem Stadium des Verfahrens noch mitten in der Diskussion über diesen strittigen Punkt befunden habe und ein möglicherweise den Antrag begründendes Verhalten der Kammer noch gar verwirklicht, sondern nur zur Diskussion gestellt worden sei. Auch sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen, ob es die von dem juristischen Mitglied behauptete Rechtsprechung, so unwahrscheinlich dies im Hinblick auf den entgegenstehenden Wortlaut von Artikel 13 (3) VOBK 2007 auch gewesen sei, nicht doch geben könnte.
Die Ankündigung der Kammer, eventuell den Hilfsantrag I bei dadurch erforderlicher gleichzeitiger Vertagung zuzulassen, sei daher von völlig anderer Qualität gewesen, als dies tatsächlich auch nach Abschluss der Diskussion umzusetzen. Das bloße Kundtun einer solchen Überlegung der Kammer hätte noch nicht ausgereicht, ein begründetes Ablehnungsgesuch vorzubringen. Erst die tatsächliche Verwirklichung und die damit tatsächlich belegte Befangenheit stellte einen Grund für das Ablehnungsgesuch dar.
V. Die Kammer in der ursprünglichen Besetzung lud zu einer - zweiten - mündlichen Verhandlung. In der der Ladung beigefügten Mitteilung (im Folgenden: "Ladungsbescheid") machte die Kammer in der ursprünglichen Besetzung u.a. Ausführungen zur Zulässigkeit des ersten Ablehnungsantrags, welche nachstehend (mit eigenen Hervorhebungen) wiedergegeben werden.
3.7 Hinsichtlich der Zulässigkeit der Ablehnung wird nach Ansicht der Kammer in der zweiten mündlichen Verhandlung vor der Kammer in unveränderter Besetzung zu diskutieren sein, ob die Einsprechende Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, obwohl sie bereits den Ablehnungsgrund kannte.
Es stellt sich die Frage, ob die Einsprechende von dem von ihr vorgetragenen Ablehnungsgrund in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 (erste mündliche Verhandlung) nicht bereits dann Kenntnis erlangt hat, als die Kammer nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung um 13.14 Uhr den Beteiligten mitteilte, "dass sie auf Anhieb keine konkrete Entscheidung nennen könne. Dies sei aber auch nicht notwendig, denn die Kammer sei der Auffassung, dass sie auch dann ein Ermessen nach Artikel 13 VOBK 2007 habe, den Hilfsantrag I in das Verfahren zuzulassen, wenn es zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung komme. Der Absatz 3 des Artikels 13 VOBK 2007 müsse in Zusammenschau mit dem Absatz 1 des Artikels 13 VOBK 2007 gelesen werden. Der Artikel 13 (3) VOBK 2007 könne auch im Hinblick auf Artikel 114 (2) EPÜ das Ermessen der Kammer, verspätetes Vorbringen zuzulassen, nicht völlig einschränken." (s. Protokoll über die erste mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2021, den die Seite 7 und Seite 8 überbrückenden Absatz).
Es ist dem Protokoll über die erste mündliche Verhandlung (S. 8 und 9) auch zu entnehmen, dass die Einsprechende danach Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, ohne jedoch die Mitglieder der Kammer abzulehnen. So hat sie einen Befangenheitsantrag angekündigt und danach mitgeteilt, dass sie doch keinen derartigen Antrag stellen wolle. Dann hat sie weitere Ausführungen zu der Frage der Zulassung des neuen Hilfsantrags I im Hinblick auf den Artikel 13 (3) VOBK 2007 gemacht. Danach stellte die Einsprechende, wie die Patentinhaber auch vorgebracht haben, einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung.
In diesem Zusammenhang wird auch das Argument der Einsprechenden zu erörtern sein, dass ihre Ablehnungsanträge nicht nach Artikel 24 (3) Satz 2 EPÜ verspätet seien, da die Tatsache, dass die Beschwerdekammer sich tatsächlich bewusst über den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK 2007 hinwegsetzen würde, erst durch die (vorläufige) Zulassung des Hilfsantrags I und das Vertagen der Verhandlung herausgestellt habe. Diesbezüglich weist die Kammer darauf hin, dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit nicht erst dann existiert, wenn ein Beteiligter durch die Entscheidung der Kammer beschwert wurde (s. T 49/15; ähnlich auch T 1677/11, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).
3.8 Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich für die Einsprechende erst um 15.28 Uhr durch die Zulassung des Hilfsantrags I in das Verfahren und das Vertagen der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, dass die Beschwerdekammer sich tatsächlich bewusst über den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK 2007 hinwegsetzen würde, wird zu diskutieren sein, ob die Einsprechende nicht ihre Pflicht zur sofortigen Erklärung der Ablehnung verletzt hat, indem sie ihre Ablehnung nicht sofort in der ersten mündlichen Verhandlung, nachdem ihr die Ablehnungsgründe bewusst geworden sind, erklärt hat, sondern erst in ihrem Schreiben vom 12. April 2021.
3.9 Es wird möglicherweise in der mündlichen Verhandlung auch zu erörtern sein, ob die von der Einsprechenden erklärte Ablehnung nach Artikel 24 (3) EPÜ die übrigen von der Rechtsprechung aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt.
VI. Mit Schreiben vom 24. Dezember 2021 nahm die Einsprechende Stellung zum Ladungsbescheid und stellte in diesem Zusammenhang den oben (unter Nr. 1) genannten weiteren Antrag nach Artikel 24 (3) EPÜ wegen Besorgnis der Befangenheit. Sie führte (in Teil C) wörtlich aus (Hervorhebungen durch die Kammer):
Da die Kammer die (vorläufige) Auffassung vertritt, dass entgegen der einschlägigen oben diskutierten Rechtsprechung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, Abschnitt III. J.5.2.1) auch eine vorläufige Meinung der Beschwerdekammer Basis für einen zulässigen und begründeten Ablehnungsantrag bilden kann, sehen wir uns gezwungen, einen solchen auf die nun vorliegende vorläufige Auffassung der Beschwerdekammer gestützten Antrag bereits jetzt vorzubringen.
Da angesichts des bisherigen Verhandlungsverlaufs auch ernsthaft davon auszugehen ist, dass die Kammer sich über die herrschende Meinung in willkürlicher Art hinwegsetzen wird, wird in Bezug auf die oben diskutierte vorläufige Meinung der Kammer zu den Zulassungsvoraussetzungen des mit Schreiben vom 12.04.2021 gestellten Ablehnungsantrag (vgl. Punkt 3.8 des Vorbescheids) ein weiterer Ablehnungsantrag nach Art. 24 (3) EPÜ gestellt.
Dieser weitere Ablehnungsantrag ist zulässig, da die Kammer ihre in der vorläufigen Auffassung geäußerte Meinung, dass auch vorläufige Auffassungen während der Entscheidungsfindung der Kammer als Ablehnungsgrund herangezogen werden können, auch in diesem Fall gegen sich gelten lassen muss.
Er stellt auch die erste Verfahrenshandlung nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes dar, da der Antrag auf Verlegung des Termins ohne eine nähere Durchsicht der vorläufigen Auffassung der Beschwerdekammer unmittelbar in Reaktion auf die Ladung als solche gestellt wurde.
Der Ablehnungsantrag richtet sich zum einen gegen das juristische Mitglied, da davon auszugehen ist, dass dieses die entsprechenden Passagen der vorläufigen Auffassung erstellt hat, und zum anderen gegen die gesamte Kammer, da diese das Vorgehen des juristischen Mitglieds erneut billigt.
Zur Substantiierung dieses weiteren Ablehnungsantrags ist auszuführen, dass die Kammer an die Zulässigkeit unseres ersten Ablehnungsantrags über das EPÜ hinausgehende Anforderungen ansetzt, die zudem keinerlei Grundlage in der einschlägigen Rechtsprechung besitzen.
Es ist nicht anders zu erklären als mit einer absichtlichen Missachtung der uns zustehenden Rechte, wenn an den Zulässigkeitsvoraussetzungen unseres ersten Ablehnungsantrags Maßstäbe angesetzt werden, die keine rechtliche Grundlage besitzen und offensichtlich nur dem Zweck dienen, eine Überprüfung des beanstandeten Vorgehens durch eine unbelastete Ersatzkammer zu verhindern.
So wird in dem mit Schreiben vom 29.10.2021 übersandten Vorbescheid unter Punkt 3.8 wie folgt ausgeführt:
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich für die Einsprechende erst um 15.28 Uhr durch die Zulassung des Hilfsantrags I in das Verfahren und das vertagen der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat, dass die Beschwerdekammer sich tatsächlich bewusst über den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK 2007 hinwegsetzen würde, wird zu diskutieren sein, ob die Einsprechende nicht ihre Pflicht zur sofortigen Erklärung der Ablehnung verletzt hat, indem sie ihre Ablehnung nicht sofort in der ersten mündlichen Verhandlung, nachdem ihr die Ablehnungsgründe bewusst geworden sind, erklärt hat, sondern erst in ihrem Schreiben vom 12. April 2021.
Aus dieser vorläufigen Auffassung der Beschwerdekammer ist ganz klar die Tendenz zu erkennen, dass der von uns gestellte erste Ablehnungsantrag um jeden Preis als unzulässig zu qualifizieren ist, und uns dabei das Recht nach Art. 24 (3) EPÜ verwehrt werden soll, obwohl der Wortlaut zur Zulässigkeit eines solchen Ablehnungsgrunds die zeitlich sofortige Ablehnung nicht kennt und auch die hierzu zitierte Rechtsprechung die von der Kammer in den Raum gestellten Anforderungen ersichtlich nicht trägt. Zulassungsvoraussetzung ist lediglich, dass der Ablehnungsantrag nicht nach Vornahme eines weiteren Verhandlungsschritts vorgebracht wird.
Die Forderung, wonach nach einer Entscheidung in einer mündlichen Verhandlung und sich unmittelbar daran anschließender Vertagung und Schließen der Verhandlung ein Ablehnungsgrund noch in der mündlichen Verhandlung vorzubringen ist, missachtet die Rechte der Partei, da nach einem Schließen der mündlichen Verhandlung ein Vorbringen eines solchen Ablehnungsgrunds in der mündlichen Verhandlung schlicht nicht mehr möglich ist.
Die vorläufige Auffassung der Kammer ist ein weiterer Beleg für das parteiische Verhalten der Kammer, das die Einsprechende systematisch benachteiligt. In vollem Bewusstsein des uns unrechtmäßig benachteiligenden Verhaltens wird versucht, eine Überprüfung ihres Verhaltens durch eine unbelastete Ersatzkammer zu verhindern.
Dieses unsere Rechte absichtlich missachtende Verhalten der Kammer (vgl. T 1257/14) begründet die Besorgnis der Befangenheit.
VII. In der Mitteilung der Beschwerdekammer in ihrer ursprünglichen Besetzung durch ihren Vorsitzenden vom 8. Februar 2022 wurden die Beteiligten davon in Kenntnis gesetzt, dass gemäß Artikel 24 (4) EPÜ und dem Geschäftsverteilungsplan der Technischen Beschwerdekammern für 2022 der Vorsitzende durch seinen Vertreter ersetzt werde. Letzterer werde sich mit der Zusammensetzung der Kammer im Ablehnungsverfahren befassen und die entsprechenden Verfügungen treffen.
VIII. Der in der letztgenannten Mitteilung bestimmte Vorsitzende der erkennenden Kammer verfügte daraufhin die Zusammensetzung der erkennenden Kammer. Die beiden weiteren Mitglieder wurden ersetzt. Im Auftrag des Vorsitzenden der erkennenden Kammer ersuchte die Geschäftsstelle die Mitglieder der Kammer in der ursprünglichen Besetzung, zu dem weiteren Antrag nach Artikel 24 (3) EPÜ wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Mitglieder gaben innerhalb dieser Frist Erklärungen ab. Diese wurden den Beteiligten zusammen mit dem diesbezüglichen Ersuchen als Anlage zu einer Mitteilung der erkennenden Kammer (in der Mitteilung als "Ersatzkammer" bezeichnet) vom 9. März 2022 zugestellt. Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass die erkennende Kammer beabsichtige, im schriftlichen Verfahren über den vorgenannten weiteren Antrag der Einsprechenden zu entscheiden. Dies solle rechtzeitig vor der von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung terminierten mündlichen Verhandlung geschehen.
IX. Mit Schreiben vom 18. März 2022 äußerte sich die Einsprechende zur Mitteilung der erkennenden Kammer vom 9. März 2022. Die Abschnitte A bis F sind unten wiedergegeben bzw. (bezüglich Abschnitten A und A.1) zusammengefasst.
X. Die Einsprechende sprach sich (in Abschnitt A) gegen die in der Mitteilung der erkennenden Kammer zum Ausdruck gebrachte Absicht aus, im schriftlichen Verfahren vor der terminierten mündlichen Verhandlung lediglich über den weiteren Antrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ vom 24. Dezember 2021 (im Folgenden: "der weitere Antrag/die weitere Ablehnung" oder "der zweite Antrag/die zweite Ablehnung") und nicht auch über den Antrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ der Einsprechenden vom 12. April 2021 zu entscheiden (im Folgenden: "der ursprüngliche Antrag/die ursprüngliche Ablehnung" oder "der erste Antrag/die erste Ablehnung"). Offenbar solle nach einer Ablehnung des weiteren Antrags durch die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung wieder durch die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die mit dem ursprünglichen Antrag erhobenen Einwände entschieden werden. Ein solches Vorgehen wäre in mehrfacher Hinsicht unzulässig.
XI. Zunächst liege keine Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit vor (Abschnitt A.1).
XII. Artikel 24 (4) EPÜ definiere kein Verfahren, welches durch die ursprüngliche Beschwerdekammer erst eröffnet würde, wenn ein zulässiger Antrag nach Artikel 23 (3) EPÜ vorliege, sondern gebe lediglich an, in welcher Besetzung die Beschwerdekammer über einen solchen Antrag zu entscheiden habe. Diese Regelung des Artikel 24 (4) EPÜ beziehe sich dabei allgemein auf "Fälle der Absätze 2 und 3" und damit ersichtlich auch auf die Frage der in Artikel 24 (3) EPÜ geregelten Zulässigkeit.
XIII. Des Weiteren wäre eine Prüfung der Zulässigkeit der Ablehnung durch die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung auch mit der ratio legis des Art. 24 (4) EPÜ ersichtlich nicht vereinbar. Denn Sinn und Zweck dieser Zuständigkeitsregelung sei es gerade, dass ein Mitglied der Beschwerdekammern, welches wegen Befangenheit abgelehnt werde, an der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag nicht beteiligt sein dürfe, da die besorgte Befangenheit auch diese Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers beeinflussen könnte. Die gegenteilige Meinung aus T 1028/96 (vom 15. September 1999, ABl. EPA 2000, 475, siehe Nr. 1) könne nicht überzeugen.
XIV. Weiter führt die Einsprechende zur Frage der Zulässigkeit einer isolierten Entscheidung der erkennenden Kammer über den weiteren Antrag nach Artikel 24 (3) EPÜ Folgendes wörtlich aus (Hervorhebungen in Fettdruck durch die erkennende Kammer):
A.2 Jedenfalls aber Zuständigkeit der Beschwerdekammer in der neuen Besetzung für sämtliche Fragen der Ablehnung
Selbst wenn man jedoch der Entscheidung T1028/96 folgen wollte, gemäß welcher eine Vorab-Prüfung der Zulässigkeit durch die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung erfolgen muss, bevor ein "Verfahren nach Art. 24 (4) EPÜ" eingeleitet werden kann, so ist gemäß der Entscheidung T 1028/96 mit der Einleitung eines solchen "Verfahrens" die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung jedenfalls insgesamt für die Frage der Ablehnung der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung zuständig. Eine Einschränkung dieser Zuständigkeit auf einzelne Anträge oder Begründungslinien ist hierbei gemäß der T 1028/96 explizit ausgeschlossen.
Der Entscheidung T 1028/96 lag dabei eine mit der vorliegenden Fallkonstellation unmittelbar vergleichbare Ausgangslage zugrunde, da dort der ursprüngliche Vorsitzende der Beschwerdekammer in der Einspruchsbeschwerde zunächst gestützt auf Art. 24 (1) EPÜ in einem ersten Antrag deshalb abgelehnt wurde, weil er bereits im Erteilungsverfahren im Rahmen der dortige Beschwerde mitgewirkt hatte, und sodann im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung mit einem zweiten Antrag aufgrund seines Verhaltens bei der Behandlung dieses ersten Ablehnungsantrags gestützt auf Art. 24 (3) EPÜ als befangen abgelehnt wurde.
In T 1028/96 wurde, nachdem in Abschnitt 4.2 die Rechtzeitigkeit des zweiten Antrags im Sinne von Art. 24 (3) EPÜ als Reaktion auf das Verhalten in der mündlichen Verhandlung und in Abschnitt 4.3 dessen sonstige Zulässigkeit durch den Zusammenhang mit dem ursprünglichen Ablehnungsgesuch festgestellt wurde, in Abschnitt 4.4 sodann folgende rechtliche Konsequenz festgestellt:
Ist wie im vorliegenden Fall die Ablehnung nach Artikel 24 (3) EPÜ im Antrag der Beschwerdegegnerin zulässig, so erstreckt sich diese Zulässigkeit auch auf den gesamten Antrag, also auch auf die erste Ablehnung nach Artikel 24 (1) EPÜ, die allein darauf beruhte, daß der ursprüngliche Vorsitzende in der Kammer mitgewirkt hatte, die die Entscheidung über die Patenterteilung getroffen hat.
Die Beschwerdekammer in der neuen Zusammensetzung ist daher, ist sie erst einmal mit dem Fall befasst, auch nach T 1028/96 für die Entscheidung über die Ablehnung insgesamt zuständig, und nicht nur im Hinblick auf einen diesbezüglichen Antrag, welcher zu ihrer Befassung führte.
Dies ist sowohl im Hinblick auf die rechtliche Ausgangslage, als auch im Hinblick auf die in T 1028/96 angeführten prozessökonomischen Aspekte auch ersichtlich zwingend, will man der T 1028/96 im Hinblick auf eine grundsätzlich vorgeschaltete Prüfung der Zulässigkeit vor Einleitung eines "Verfahrens" nach Art. 24 (4) EPÜ überhaupt folgen.
Denn zum einen kann ersichtlich keine Entscheidung über einen zeitlich späteren "weiteren Antrag" erfolgen, bevor nicht über den "ursprünglichen" Antrag in der Sache entschieden wurde. Denn die Entscheidung über den ersten Antrag ist schlicht Voraussetzung dafür, dass das Verfahren vor der Beschwerdekammer weitergeführt werden kann, da ansonsten offen bliebe, welcher Spruchkörper für das Verfahren zuständig wäre. Dies wird auch durch Art. 3 (3) VOBK deutlich, gemäß welchem vor der Entscheidung über die Ausschließung oder Ablehnung das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt wird. Eine andere Handhabung würde ersichtlich auch dem Gebot des gesetzlichen Richters widersprechen, da es im Belieben der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung liegen würde, festzulegen, über welche Aspekte der gerügten Befangenheit die gemäß dem Gesetz zuständige Kammer zu befinden hätte.
Weiterhin würde eine singuläre Entscheidung nur über den "weiteren" Antrag bei einer abschlägigen Entscheidung und der dann erfolgenden Zurückverweisung an die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung zur Entscheidung über eine erneute "Einleitung eines Verfahrens" nach Art. 24 (4) EPÜ zum "ursprünglichen" Antrag dazu führen, dass eine massive Verfahrensverzögerung zu befürchten wäre. Denn befindet die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung den "ursprünglichen" Antrag sodann als zulässig, müsste erneut die Kammer in der neuen Besetzung auch über diesen Antrag befinden. Dies widerspricht jedoch eklatant der Begründung, welche in T 1028/96 überhaupt dazu führen soll, dass eine Art "Vorprüfung" durch die ursprünglich zuständige Kammer erfolgen kann, bevor sich eine Kammer in einer neuen Besetzung mit dem Fall beschäftigt.
Damit ist gemäß der eindeutigen Festlegung der T 1028/96 sowie gemäß den dort aufgeführten Gründen jedenfalls eine isolierte Entscheidung nur über den "weiteren" Antrag durch die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung in jedem Fall unzulässig.
Vielmehr ist die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung insgesamt für die Entscheidung zuständig, ob berechtigte Gründe vorlagen, die Kammer in der ursprünglichen Besetzung abzulehnen.
A.3 Enger Zusammenhang zwischen den beiden Befangenheitsanträgen auch hier
Soweit in der T 1028/96 an unterschiedlichen Stellen auf den inhaltlichen Zusammenhang zwischen den beiden Anträgen nach Art. 24 (1) EPÜ bzw. Art. 24 (3) EPÜ abgestellt wird, sei zunächst angemerkt, dass dies ausschließlich im Hinblick darauf erfolgt, dass die Begründung zum "ursprünglichen" Antrag gemäß Art. 24 (1) EPÜ auch den "weiteren" Antrag nach Art. 24 (3) EPÜ zumindest mittelbar stützt, nicht dagegen als Voraussetzung dafür, dass nach der "Einleitung des Verfahrens" nach Art. 24 (4) EPÜ auch über den "ursprünglichen" Antrag zu befinden ist.
Selbst wenn man einen solchen inhaltlichen Zusammenhang jedoch auch im Hinblick auf die Entscheidung durch die Beschwerdekammer in der neuen Zusammensetzung fordern würde, ist dieser vorliegend ersichtlich gegeben.
Zum einen bezieht sich der "weitere" Antrag auf eine Äußerung der Beschwerdekammer in der Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK, die für die Zulässigkeit des "ursprünglichen Antrags" zusätzliche Anforderungen fordert, welche vom EPÜ nicht gedeckt sind und daher offensichtlich darauf abzielen, den ursprünglichen Antrag bereits als unzulässig ablehnen zu können, um eine Befassung einer nicht befangenen Beschwerdekammer mit dem gerügten Verhalten zu verhindern. Denn insbesondere sollte für die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs nicht mehr nur geprüft werden, ob dieses mit dem nächsten Verfahrensschritt erhoben worden ist, sondern es wurde ein nicht im EPÜ verordnetes strengeres Kriterium angelegt, welches eine sofortige Reaktion bereits in der mündlichen Verhandlung erforderte, vgl. Abschnitt 3.8 in der angesprochenen Mitteilung. Hier bildet daher das Verhalten der Beschwerdekammer im Hinblick auf den "ursprünglichen" Antrag den Grund für den "weiteren" Antrag.
Dies entspricht exakt der auch der T 1028/96 zugrunde liegenden Situation.
A.4 Gemeinsame Entscheidung durch den rechtlichen Zusammenhang zwingend
Weiterhin ist der mit dem "weiteren Antrag" aufgeworfene zentrale rechtliche Punkt, ob eine gegenüber den Parteien geäußerte vorläufige Auffassung der Beschwerdekammer bzw. des Kammermitglieds unsere Pflicht zum unverzüglichen Erheben eines Ablehnungsgesuchs auslöst oder nicht, auch für die Zulässigkeit unseres "ursprünglichen Antrags" entscheidungserheblich, so dass beide Anträge zwingend gemeinsam entschieden werden müssen.
Hierbei wird von der ursprünglichen Beschwerdekammer in ihrer Mitteilung nach Art. 15 (1) VOBK vom 29.10.2021 bereits die Tendenz geäußert, dass der "ursprüngliche Antrag" als unzulässig anzusehen ist, da uns der Grund für die Ablehnung bereits in der zur Entscheidung führenden Diskussion bekannt hätte sein müssen und nicht erst mit Verkündung der Entscheidung (Zulassung des Hilfsantrags I und Vertagung) bekannt geworden ist, vgl. u.a. Abschnitt 3.7, letzter Absatz in der angesprochenen Mitteilung.
Mit der Stellung des "weiteren Antrags" wurde von unserer Seite gleichzeitig auf die einschlägige Rechtsprechung hingewiesen, wonach Stellungnahmen zu Rechtsfragen, geäußert in einer der Meinungsbildung zuträglichen vorläufigen Auffassung, nicht als parteiisch angesehen werden können, vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Aufl. 2019, III. J.5.2.1 (dort mit weiteren Nachweisen).
Der "weitere Antrag" besitzt also auch einen den "ursprünglichen Antrag" stützenden Effekt, da dieser der Beschwerdekammer in Bezug auf die Beurteilung der Zulässigkeit des "ursprünglichen Antrags" aufzeigen soll, dass während einer Diskussion zu einem strittigen Punkt geäußerte Rechtsauffassungen eines Mitglieds oder der Beschwerdekammer nicht als Ablehnungsgrund herangezogen werden können, da diese per se nicht als parteiisch anzusehen sind. Wenn solche während der Diskussion geäußerten Rechtsauffassungen nicht als parteiisch anzusehen sind, kann das Erheben eines Ablehnungsgesuchs in Erwiderung auf die ergangene Entscheidung nicht deswegen verspätet sein, weil uns die während der Diskussion geäußerte vorläufige (!) Rechtsauffassung eines Mitglieds oder der Beschwerdekammer zu einem strittigen Punkt bereits bekannt gewesen ist.
Das isolierte, vorgezogene Entscheiden über den "weiteren Antrag" ist daher ersichtlich nicht statthaft.
Dieser "weitere Antrag" beruht auf der in der Zwischenmeinung erkennbaren Tendenz, dass die vom Ablehnungsgesuch betroffene Beschwerdekammer den "ursprünglichen Antrag" mit der Begründung als unzulässig zurückweisen könnte, dass bereits während einer Diskussion geäußerte vorläufige Rechtsauffassungen einen Ablehnungsgrund darstellen. An dieser entgegen der herrschenden Meinung getroffenen Entscheidung müsste sich eine über diesen ersten Antrag befindende Beschwerdekammer auch für den "weiteren" Antrag festhalten lassen.
Entscheiden dagegen zwei unterschiedliche Besetzungen, könnte ein von Willkür geleiteter Verfahrensablauf entstehen, bei dem die ursprüngliche Besetzung der Beschwerdekammer das rechtzeitig vorgebrachte und in der Sache begründete "ursprüngliche" Ablehnungsgesuch als verspätet (nach der von ihr exklusiv vertretenen Mindermeinung) zurückweisen könnte, da die Ablehnung vermeintlich bereits in Kenntnis der vorläufigen Auffassung hätte erfolgen müssen, obwohl die neue Besetzung der Beschwerdekammer den weiteren Antrag (nach der herrschenden Meinung) als unbegründet verworfen hatte, da er lediglich auf eine vorläufige Auffassung abstellte.
Die beiden Begründungslinien der Anträge stellen daher auch diesbezüglich einen einheitlichen Sachverhalt dar, über welchen zwingend durch die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung zu entscheiden ist.
B. Keine Prüfung der mit dem "ursprünglichen" Antrag vorgebrachten Gründe auf Verspätung
Gemäß der Entscheidung T 1028/96 sind nach der Feststellung, dass ein zulässiger Befangenheitsantrag vorliegt, für die Prüfung der Begründetheit alle zur Stützung der Befangenheit vorgebrachten Gründe zu prüfen, ohne dass hierfür das rechtzeitige Vorbringen der einzelnen Gründe eine Rolle spielen würde.
Insbesondere wurde nämlich in T 1028/96 die Zulässigkeit des Befangenheitsantrags und insbesondere die hierfür nach Art. 24 (3) EPÜ notwendige Rechtzeitigkeit der Erhebung im Hinblick auf den "weiteren" Antrag festgestellt, da sich dieser auf Begebenheiten aus der mündlichen Verhandlung bezog, von welcher die Antragsstellerin naturgemäß vorher keine Kenntnis haben konnte. Die Begründetheit des Antrags wurde dagegen allein aufgrund der zum "ursprünglichen" Antrag vorgebrachten Argumente zu Art. 24 (1) EPÜ bejaht, und zwar ohne hierfür zu prüfen, ob diese mit dem ursprünglichen Antrag rechtzeitig vorgebracht wurden oder nicht.
Die [sic] entspricht auch den Vorgaben des Art. 24 (3) EPÜ, welcher die Rechtzeitigkeit des Antrags nur im Hinblick auf die Zulässigkeit fordert. Liegt dagegen ein zulässiger Antrag vor, ist schlicht die Befangenheit insgesamt zu prüfen. Denn mit der Forderung der rechtzeitigen Erhebung eines Befangenheitsantrags soll lediglich eine bei der Möglichkeit einer nachträglichen Erhebung zu befürchtende Verzögerung des Verfahrens vermieden werden. Ist jedoch aufgrund eines zulässigen Antrags ohnehin die Befangenheit zu prüfen, wäre es mit dem Sinn und Zweck des Art. 24 EPÜ, gemäß welchem es einem Beteiligten nicht zumutbar ist, dass sein Fall von einer Beschwerdekammer entschieden wird, an deren Unbefangenheit er berechtigte Zweifel hat, nicht vereinbar, wenn einzelne Aspekte der die Besorgnis begründenden Sachverhalts von vornherein ausgespart würden.
Im vorliegenden Fall kann wie in T 1028/96 an der Rechtzeitigkeit des "weiteren" Antrags kein Zweifel bestehen, wurde er doch in unmittelbarer Reaktion auf die Zwischenmeinung, auf deren Inhalt er sich stützt, erhoben. Weiterhin basiert auch hier der "weitere" Einwand inhaltlich und sachlich auf den für den "ursprünglichen" Antrag vorgebrachten Gründen. Wie in T 1028/96 sind diese Gründe daher vollumfänglich darauf zu prüfen, ob sie eine Besorgnis der Befangenheit begründen, ohne dass es darauf ankommen würde, ob sie mit dem "ursprünglichen" Antrag rechtzeitig vorgebracht wurden.
Im übrigen sei jedoch auch noch einmal darauf verwiesen, dass auch der "ursprüngliche" Antrag ersichtlich nicht verspätet war, stütze er sich doch darauf, dass die Beschwerdekammer sich im Hinblick auf die Zulassung des Hilfsantrags und die Vertagung der Verhandlung bewusst zum Nachteil der Einsprechenden über verbindliche Vorgaben der Verfahrensordnung hinweggesetzt hat, was der Einsprechenden ersichtlich erst mit dieser Entscheidung bekannt sein konnte. Eine Erhebung des Befangenheitsantrags unmittelbar im Anschluss an diese Vorgänge noch im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung konnte dabei schon deshalb nicht gefordert werden, weil die Verhandlung bereits vertagt und damit geschlossen war.
C. Auch der "weitere" Antrag ist ersichtlich begründet
Weiterhin ergibt sich die Begründetheit des Befangenheitsantrags nicht nur aus den mit dem ursprünglichen Antrag vorgebrachten Argumenten (was wie oben dargelegt jedoch ausreichen würde), sondern auch aus dem mit dem "weiteren" Antrag gerügten Verhalten der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung bei der Behandlung des "ursprünglichen" Antrags und insbesondere dem aus der Zwischenmeinung in vielfacher Hinsicht erkennbaren Versuch, jede inhaltliche Diskussion über ihr Verhalten im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung von vornherein zu verhindern, indem zum einen der "ursprüngliche" Antrag bereits als unzulässig abgelehnt werden soll und zum anderen die diesen begründende Zulassung des Hilfsantrages als nicht mehr rückgängig zu machende endgültige Entscheidung dargestellt wird.
Die Einsprechende kann mit gutem Recht besorgen, dass eine Beschwerdekammer, welche eine inhaltliche Bewertung des gerügten Verhaltens mit solcher Vehemenz zu verhindern versucht, weder über die Frage der Zulässigkeit des Befangenheitsantrags noch über das weitere Verfahren unbefangen entscheiden können wird.
Weiterhin ist eine solche Befangenheit auch deshalb zu besorgen, weil die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung entgegen den eindeutigen Vorgaben der Verfahrensordnung das Verfahren mit der Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags in der Zwischenmeinung in der Sache weitergeführt hat. Art. 3 (3) VOBK lautet jedoch
Vor der Entscheidung über die Ausschließung oder Ablehnung wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Die für die Beschwerdekammer verbindliche Verfahrensordnung schließt es also aus, dass die Beschwerdekammer das Verfahren in der Sache weiterführt und beispielsweise eine vorläufige Auffassung zur Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu erkennen gibt, bevor überhaupt geklärt ist, ob sie für die Entscheidung über diese Frage überhaupt zuständig ist.
Damit hat sich die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung auch hier in dem erkennbaren Willen, den Befangenheitsantrag der Einsprechenden "in einem Aufwasch" als unzulässig abzutun, erneut über verbindliche Vorgabe der Verfahrensordnung hinweggesetzt.
D. Das Verhalten der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung bei "Einleitung des Verfahrens" nach Art 24 (4) EPÜ
Falls die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung sich also nicht ein weiteres Mal über die auch für sie verbindliche Fassung der Verfahrensordnung in frappierender Art und Weise hinweggesetzt hat, kann das Abgeben des Beschwerdeverfahrens an die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung nur so gemeint sein, dass damit insgesamt die Befangenheit ihrer Mitglieder und damit auch die in dem "ursprünglichen Antrag" nach Art. 24 (3) EPÜ vorgebrachte Begründung auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen ist.
Sollte hingegen die Abgabe des Verfahrens an die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung unter der uns nicht bekannten Maßgabe erfolgt sein, dass vorliegend gezielt über den "weiteren Antrag" zu entscheiden wäre, bitten wir um eine entsprechende Mitteilung, sowie Übersendung der entsprechenden an die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung gerichteten Dokumente.
Selbstverständlich wäre dies dann für sich gesehen ebenfalls ein Grund die ursprüngliche Beschwerdekammer in ihrer Gänze nach Art. 24 (3) EPÜ abzulehnen, den wir bereits jetzt vorsorglich erheben, falls es tatsächlich eine entsprechende Kommunikation von der ursprünglichen Beschwerdekammer an die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung gegeben haben sollte.
Der Versuch einer gezielten Einflussnahme der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung auf die Entscheidungsfindung durch die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung, welcher mit einer solchen Einschränkung der Abgabe nur zur Entscheidung über den "weiteren" Antrag verbunden wäre, würde einen so schwerwiegenden und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unbefangenheit erschütternden Tatbestand darstellen, dass man nicht umhinkommen wird, eine objektiv bestehende Besorgnis der Befangenheit zu bejahen.
Da wir aber in Ermangelung anderslautender Hinweise derzeit davon ausgehen, dass es eine solche Vorgabe der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung nicht gegeben hat, ist die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung schon deshalb zur Entscheidung über die Befangenheit insgesamt und damit auch über die in unserem "ursprünglichen Antrag" vorgebrachten Gründe verpflichtet, weil ihr der Fall insgesamt übergeben wurde und auch sie den ursprünglich gestellten Antrag nicht einfach übergehen und isoliert über einen späteren Antrag entscheiden darf.
Im übrigen würde aber auch der Versuch einer gezielten Beschränkung des Verfahrens durch die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung nicht dazu führen, dass die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung hierdurch tatsächlich gebunden wäre. Vielmehr wurde in T 1028/96 festgestellt, dass die Entscheidung der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über die "Einleitung des Verfahrens" nach Art. 24 (4) EPÜ keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidung der Beschwerdekammer in der neuen Besetzung hat, und diese daher insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Prüfungsumfang binden kann.
E. Stellungnahmen der Kammermitglieder
Die jeweiligen Stellungnahmen der Kammermitglieder in der ursprünglichen Besetzung sind inhaltsleer und weisen keinen Sachbezug zu dem zugrunde liegenden "weiteren Antrag" nach Art. 24 (3) EPÜ auf.
Dies ist umso verwunderlicher, da die ursprüngliche Beschwerdekammer die Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ, gegen die von uns erhobenen Vorwürfe Stellung zu nehmen und diese aus ihrer Sicht darzustellen.
F. Hilfsweise: Vorlage an die große Beschwerdekammer
Sollte die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung trotz der vorgebrachten Argumente und entgegen T 1028/96 beabsichtigen, isoliert über den "weiteren" Antrag zu entscheiden, wäre das Verfahren jedenfalls zuvor der großen Beschwerdekammer vorzulegen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern und die entscheidungserhebliche Frage des Vorgehens im Hinblick auf einen Befangenheitsantrag, welche ersichtlich von grundsätzlicher Bedeutung ist, höchstrichterlich zu klären.
Entscheidungsgründe
1. Zuständigkeit der Kammer
In der vorliegenden Besetzung der erkennenden Kammer sind alle drei Mitglieder der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung, die von der Einsprechenden gemäß Artikel 24 (3) EPÜ mit dem zweiten Befangenheitsantrag vom 24. Dezember 2021 abgelehnt wurden, ersetzt worden. Gemäß Artikel 24 (4) EPÜ wurde der Vorsitzende durch seinen Vertreter nach dem Geschäftsverteilungsplan der Technischen Beschwerdekammern für 2022 (Zusatzpublikation 1 ABl. EPA 2022, Teil II.3, Seiten 15 ff.) ersetzt; dieser verfügte sodann die Ersetzung der übrigen beiden Mitglieder.
2. Gegenstand der Prüfung
2.1 Allgemeines
Gegenstand der Prüfung ist ausschließlich der weitere (zweite) Ablehnungsantrag. Dabei geht es um die Frage, ob sich eine Befangenheit der drei Mitglieder der Beschwerdekammer in ihrer ursprünglichen Besetzung aus dem Ladungsbescheid allein ergibt. Im Ladungsbescheid äußerte die Kammer u.a. Zweifel an der Zulässigkeit des ersten Ablehnungsantrags, die in einer (zweiten) mündlichen Verhandlung erörtert werden sollen. Der Ladungsbescheid war der Ladung zu dieser Verhandlung beigefügt, welche noch nicht stattgefunden hat. Das bedeutet, dass über den ersten Ablehnungsantrag weder bezüglich der Zulässigkeit noch der Begründetheit entschieden worden ist.
Die Frage, ob die im ersten Ablehnungsantrag geltend gemachten Gründe für eine Befangenheit der abgelehnten Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 durchgreifen, kann im vorliegenden Verfahren nicht behandelt werden.
Dementsprechend hatte die erkennende Kammer in ihrer Mitteilung vom 9. März 2022 angekündigt, dass sie beabsichtige, im schriftlichen Verfahren über den weiteren Antrag der Einsprechenden nach Artikel 24 (3) EPÜ wegen Besorgnis der Befangenheit vom 24. Dezember 2021 im schriftlichen Verfahren rechtzeitig vor der von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung terminierten mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
2.2 Mit Schreiben vom 18. März 2021 (siehe oben, Nr. IX ff.) hat sich die Einsprechende allerdings dem von ihr der Mitteilung vom 9. März 2022 zutreffend entnommenen Vorhaben der erkennenden Kammer, über den zweiten Ablehnungsantrag isoliert zu entscheiden, widersetzt und in Teil A ausführlich begründet, warum sie eine derartige Entscheidung für "unzulässig" und eine gemeinsame Entscheidung der erkennenden Kammer über beide Anträge für zwingend erforderlich hält.
2.3 Ihr diesbezüglich erstes Argument in Abschnitt A.1 ist, es liege keine Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit vor. Insbesondere wäre eine solche Prüfung mit der ratio legis des Art. 24 (4) EPÜ nicht vereinbar, wonach ein Mitglied der Beschwerdekammern, welches wegen Befangenheit abgelehnt wird, an der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag nicht beteiligt sein dürfe, da die besorgte Befangenheit auch diese Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers beeinflussen könnte. Die gegenteilige Meinung aus T 1028/96 (siehe Nr. 1) könne nicht überzeugen.
Hierzu ist von Seiten der erkennenden Kammer lediglich auszuführen, dass sie die Begründung in dieser Entscheidung teilt, wonach die Kammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit einer Ablehnung wegen Befangenheit entscheidet. Das ist ständige Rechtsprechung. R 9/12 mag es an einer eigenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem durch den Antragsteller explizit anerkannten Vorgehen mangeln, worauf die Einsprechende hinweist. Allerdings haben auch spätere Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer T 1028/96 in dieser Frage ausdrücklich - wenn auch ebenfalls erneut ohne inhaltliche Auseinandersetzung - bestätigt. Siehe R 2/14, Nr. 10.1, und R 3/16, Nr. 21.
Auch die erkennende Kammer hält eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt von Nr. 1 der Entscheidungsgründe von T 1028/96 nicht für veranlasst, da sie die dort vertretene Auffassung teilt. In Artikel 24 EPÜ mag - wie die Einsprechende vorträgt - von der in der Entscheidung angenommenen "Einleitung eines Verfahrens" vor einer Kammer, in der ein oder mehrere Mitglieder gemäß Artikel 24 (4) EPÜ ausgewechselt wurden, nach positiver Prüfung der Zulässigkeit eines Befangenheitsantrags durch eine Kammer in der ursprünglichen Besetzung nicht ausdrücklich die Rede sein. Allerdings ist die von der Kammer im Fall T 1028/96 gefundene Auslegung von Artikel 24 EPÜ in ihrem Ergebnis nicht zu beanstanden.
Auch die weiteren Argumentationslinien in Abschnitten A.2, A.3 und A.4 überzeugen nicht.
2.4 Zu Abschnitt A.2: "Jedenfalls aber Zuständigkeit der Beschwerdekammer in der neuen Besetzung für sämtliche Fragen der Ablehnung"
Es kann dahingestellt bleiben, ob der der Entscheidung T 1028/96 zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden vergleichbar ist. Wie die Einsprechende ausgeführt hat, wurde dort der ursprüngliche Vorsitzende der Beschwerdekammer in der Einspruchsbeschwerde zunächst gestützt auf Artikel 24 (1) EPÜ in einem ersten Antrag deshalb abgelehnt, weil er bereits im Erteilungsverfahren im Rahmen der dortige Beschwerde mitgewirkt hatte. Sodann wurde er im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung mit einem zweiten Antrag aufgrund seines Verhaltens bei der Behandlung dieses ersten Ablehnungsantrags gestützt auf Artikel 24 (3) EPÜ als befangen abgelehnt.
Vorliegend bezieht sich der zweite Befangenheitsantrag auf die Behandlung der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags durch die Kammer in der ursprünglichen Besetzung.
Aus Sicht der erkennenden Kammer ist jedenfalls die Rechtsauffassung in T 1028/96 (Nr. 4.4) auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, wonach dann, wenn die Ablehnung nach Artikel 24 (3) EPÜ im Antrag der Beteiligten zulässig ist, sich diese Zulässigkeit auch auf den gesamten Antrag, also auch auf die erste Ablehnung, erstreckt.
Zunächst überzeugt das diesbezügliche Argument der Einsprechenden betreffend die rechtliche Ausgangslage nicht, wonach keine Entscheidung über einen zeitlich späteren weiteren Antrag erfolgen könne, bevor nicht über den ursprünglichen Antrag in der Sache entschieden worden sei. Ihrer Meinung nach ist die Entscheidung über den ersten Antrag Voraussetzung dafür, dass das Verfahren vor der Beschwerdekammer weitergeführt werden kann, da ansonsten offen bliebe, welcher Spruchkörper für das Verfahren zuständig wäre. Vorliegend wird nämlich das Verfahren im Fall einer dem zweiten Befangenheitsantrag stattgebenden Entscheidung von der erkennenden Kammer fortgeführt, andernfalls von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung, welche dann zunächst über den ersten Befangenheitsantrag - und dabei zuerst über dessen Zulässigkeit - zu entscheiden hat.
Zu der weiter von der Einsprechenden befürchteten Verfahrensverzögerung könnte es lediglich dann kommen, wenn die ursprüngliche Kammer den ersten Befangenheitsantrag in der mündlichen Verhandlung als zulässig erachtete. Würde die erkennende Kammer sich dann mit dem ersten Befangenheitsantrag am selben Verhandlungstag befassen und darüber entscheiden, könnte das Verfahren in der Sache - je nach Ausgang der Entscheidung über den Befangenheitsantrag - entweder von der ursprünglichen oder der erkennenden Kammer mit Fragen betreffend den Hilfsantrag I fortgesetzt werden. Sollte ein Verhandlungstag nicht ausreichen, würde dies immer noch nicht zwingend zu der von der Einsprechenden befürchteten "massiven Verfahrensverzögerung" führen.
2.5 Zu Abschnitt A.3: "Enger Zusammenhang zwischen den beiden Befangenheitsanträgen auch hier"
Entgegen der Auffassung der Einsprechenden ist ein solcher enger Zusammenhang nicht ersichtlich. Die beiden Befangenheitsanträge betreffen unterschiedliche Lebenssachverhalte.
Der ursprüngliche Antrag bezieht sich in seinem Schwerpunkt auf eine geltend gemachte Verschaffung eines ungebührlichen Vorteils für die Patentinhaber - und damit eine Benachteiligung der Einsprechenden - durch ein Beharren der Kammer in der ursprünglichen Besetzung auf einer dem Wortlaut widersprechenden Auslegung von Artikel 13 (3) VOBK 2007.
Der weitere Antrag betrifft die Zulässigkeitsvoraussetzungen des ersten Antrags, namentlich ob eine Ablehnung "sofort" erfolgen müsse und ob die Kammer an die Einsprechende die unmöglich zu erfüllende Forderung gerichtet habe, der Antrag sei nach Verkündung des Beratungsergebnisses und Schließung der mündlichen Verhandlung zu stellen.
Angesichts der unterschiedlichen Lebenssachverhalte, welche den beiden Anträgen zu Grunde liegen, ist ein enger Zusammenhang zwischen ihnen nicht erkennbar.
2.6 Zu Abschnitt A.4: "Gemeinsame Entscheidung durch den rechtlichen Zusammenhang zwingend"
Ein rechtlicher Zusammenhang der beiden Anträge wird nicht dadurch hergestellt, dass der weitere Antrag lt. Einsprechender die Frage betrifft, ob "eine gegenüber den Parteien geäußerte vorläufige Auffassung der Beschwerdekammer bzw. des Kammermitglieds unsere Pflicht zum unverzüglichen Erheben eines Ablehnungsgesuchs auslöst". Denn diese im Ladungsbescheid betreffend die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags angenommene Pflicht ist lediglich der Anlass für den von der Einsprechenden vorsorglich gestellten weiteren Befangenheitsantrag. Die Gründe für die beiden Anträge sind, wie oben zu A.3 dargelegt, völlig unterschiedlich.
Die Befürchtung der Einsprechenden, bei Entscheidungen über die beiden Anträge durch die Kammer in unterschiedlichen Besetzungen "könnte ein von Willkür geleiteter Verfahrensablauf entstehen", teilt die erkennende Kammer nicht. Sollte sie den zweiten Antrag als unbegründet zurückweisen, da er lediglich auf eine vorläufige Auffassung abstelle, würde sie damit der Einsprechenden insoweit Recht geben, die diesen zweiten Antrag nur vorsorglich gestellt hatte. Die Kammer in der ursprünglichen Besetzung würde sich dann mit dem ersten - und aus Sicht der Einsprechenden einzig erforderlichen - Antrag befassen, und zwar zunächst mit dessen Zulässigkeit. Das Beschwerdeverfahren würde damit wieder auf den Stand vor der Stellung des zweiten Befangenheitsantrags zurückgesetzt. Der Einsprechenden wäre dann die Möglichkeit gegeben, ihren Standpunkt vor der Kammer in der ursprünglichen Besetzung zu vertreten und sich dabei auf ein ihr Recht gebendes Ergebnis der Entscheidung der erkennenden Kammer zu berufen. Sollte die Kammer in der ursprünglichen Besetzung weiter an ihrer dann abweichenden Auffassung festhalten, wäre das im Hinblick auf die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder hinzunehmen, welche divergierende Entscheidungen zu identischen Rechtsfragen, aber unterschiedlichen Lebenssachverhalten - wie hier gegeben - ermöglicht.
2.7 Zu Teil B.: Keine Prüfung der mit dem "ursprünglichen" Antrag vorgebrachten Gründe auf Verspätung
Die Einsprechende weist darauf hin, dass gemäß der Entscheidung T 1028/96 nach der Feststellung, dass ein zulässiger Befangenheitsantrag vorliegt, für die Prüfung der Begründetheit alle zur Stützung der Befangenheit vorgebrachten Gründe zu prüfen seien, ohne dass hierfür das rechtzeitige Vorbringen der einzelnen Gründe eine Rolle spielen würde. Im Fall T 1028/96 sei die Begründetheit des (dementsprechend beide Befangenheitsanträge umfassenden einheitlichen) Befangenheitsantrags allein aufgrund der zum ursprünglichen Antrag vorgebrachten Argumente zu Artikel 24 (1) EPÜ bejaht worden, ohne Prüfung, ob diese mit dem ursprünglichen Antrag rechtzeitig vorgebracht worden seien.
Aus Sicht der erkennenden Kammer genügt es, hierzu auf die Ausführungen oben zu Abschnitten A.3 und A.4 hinzuweisen, wonach den beiden Ablehnungsanträgen unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde liegen. Diese schließen eine gemeinsame Entscheidung über beide Anträge aus. Zusätzlich ist Folgendes zu berücksichtigen: Würde man dennoch den ersten Antrag - unabhängig von der Frage, ob er rechtzeitig erhoben wurde - für zulässig erachten, würde man Missbrauch dadurch ermöglichen, dass ein erster Antrag durch einen zweiten, zwar nicht identischen, aber eng verwandten ergänzt wird. (Ein identischer zweiter Antrag wäre wegen Verfahrensmissbrauchs unzulässig; s.u. Nr. 3.2.)
2.8 Zu Teil F.: Hilfsweise: Vorlage an die große Beschwerdekammer
Die Einsprechende beantragt hilfsweise für den Fall, dass die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung trotz der vorgebrachten Argumente und entgegen T 1028/96 beabsichtigen sollte, isoliert über den "weiteren" Antrag zu entscheiden, das Verfahren zuvor der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern und die entscheidungserhebliche Frage des Vorgehens im Hinblick auf einen Befangenheitsantrag, welche ersichtlich von grundsätzlicher Bedeutung ist, höchstrichterlich zu klären.
Artikel 112 (1) EPÜ lautet auszugsweise:
Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt,
a) befasst die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält ...
Die erkennende Kammer sieht für eine derartige Befassung keinen Grund.
Soweit der Antrag der Einsprechenden betroffen ist, ist bereits nicht klar, was sie konkret mit der
"entscheidungserhebliche Frage des Vorgehens im Hinblick auf einen Befangenheitsantrag" meint und damit, unter welchen Gesichtspunkten sie eine Befassung zur einheitlichen Rechtsanwendung für erforderlich hält oder welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sich stellen sollte.
Der Großen Beschwerdekammer können nur Fragen zu einem bestimmten Thema vorgelegt werden, aber nicht der ganze Fall (siehe T 184/91 vom 25. Oktober 1991, Nr. 7, T 198/12, Nr. 4) und nach Auffassung der erkennenden Kammer auch nicht Teilkomplexe eines Falles, ohne konkrete Fragen zu einem bestimmten Thema zu benennen.
Lässt man diesen Aspekt beiseite und geht man davon aus, dass die Einsprechende beantragt, die Große Beschwerdekammer mit sämtlichen im Zusammenhang mit dem Verfahren in Abschnitten A und B des Schreibens vom 18. März 2022 aufgeworfenen und in diesem Teil 2 der Entscheidungsgründe erörterten Fragen, über welche die Kammer nicht im Sinne der Einsprechenden zu entscheiden beabsichtigt, zu befassen, dann sieht die erkennende Kammer hierfür jedenfalls keine Notwendigkeit - unabhängig davon, ob es um die Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geht.
Denn - wie die obige Darstellung belegt - kann die Kammer die Antwort auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Zweifel dem EPÜ entnehmen und hält daher eine Befassung der Großen Beschwerdekammer hiermit nicht für erforderlich (siehe in diesem Sinne G 1/12, ABl. EPA 2014, A 114, Nr. 10 und J 5/81, ABl. EPA 1982, 155).
2.9 Ergebnis
Die erkennende Kammer prüft im vorliegenden Verfahren lediglich die zweite, im Schreiben vom 24. Dezember 2021 erklärte Ablehnung.
3. Zulässigkeit
3.1 Die Einsprechende hat ihren zweite Ablehnungsantrag im Hinblick auf den Ladungsbescheid mit Schreiben vom 24. Dezember 2021 gestellt. In diesem Schreiben hat sie auch zum Ladungsbescheid in der Sache Stellung genommen, und zwar sowohl zur Zulässigkeit des ersten Ablehnungsantrags als auch zur Zulassung des aktuellen Hilfsantrags. Sie hat demnach die zweite Ablehnung zusammen mit weiteren Verfahrenshandlungen und nicht nach diesen Handlungen vorgenommen. Nach Artikel 24 (3) EPÜ ist eine Ablehnung unzulässig, wenn der Beteiligte Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, obwohl er bereits den Ablehnungsgrund kannte. Die vorliegend gleichzeitige Ablehnung fällt nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht hierunter.
Auf die Äußerung der Einsprechenden, der Ablehnungsantrag stelle "die erste Verfahrenshandlung nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes dar, da der Antrag auf Verlegung des Termins ohne eine nähere Durchsicht der vorläufigen Auffassung der Beschwerdekammer unmittelbar in Reaktion auf die Ladung als solche gestellt wurde", kommt es daher nicht an. Einen Antrag auf eine Verlegung des Termins hat die Einsprechende im Schreiben vom 24. Dezember 2021 übrigens nicht ausdrücklich gestellt.
3.2 Die Rechtsprechung hat in T 281/03 vom 17. Mai 2006 (unter Nr. 3) eine Ablehnung auch dann als - verfahrensmissbräuchlich und damit - unzulässig angesehen, wenn er sich auf einen Ablehnungsgrund stützt, über den im Verfahren bereits schon einmal entschieden worden war. Die erneute Ablehnung erfolgte in jenem Fall unmittelbar nach der Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung nach Zurückweisung des vorhergehenden Ablehnungsantrags.
So liegt es hier nicht: Wie ausgeführt, wurde vorliegend zwar bereits ein erster Befangenheitsantrag gestellt, über diesen aber nicht entschieden. Der zweite Befangenheitsantrag bezieht sich auf Äußerungen der Kammer im Rahmen der vorläufigen Beurteilung des ersten im Ladungsbescheid.
3.3 Weitere Kriterien der Rechtsprechung
3.3.1 Allgemeines
In T 1028/96 hielt die Kammer fest, dass das EPÜ zusätzlich zu den zwei in Artikel 24 (3) EPÜ genannten Zulässigkeitskriterien in aller Regel verlangt, dass Einwände begründet, d. h. Tatsachen und Argumente zu ihrer Stützung angegeben werden. Daraus ergebe sich zum einen, dass eine Ablehnung, die auf rein subjektiven, unbegründeten Zweifeln basiert ("purely subjective unreasonable doubts"), als unzulässig zurückgewiesen werden sollte. Zum anderen sei auch eine Ablehnung unzulässig, die durch die vorgelegten Tatsachen und Beweismittel nicht gestützt werde. In R 12/09 vom 3. Dezember 2009 (unter Nr. 2) verwies die Große Beschwerdekammer auf T 1028/96 und befand, dass die Frage der Zulässigkeit einschließt, ob der Antrag auf Ablehnung ausreichend substantiiert wurde. Ob ein Ablehnungsantrag ausreichend substantiiert ist, heißt nach der Meinung der Großen Beschwerdekammer lediglich darüber zu entscheiden, ob der Antrag den minimalen Anforderungen an eine sachliche Begründung genügt, nicht jedoch, ob die Gründe überzeugen.
3.3.2 Vorläufige Auffassungen
Die Einsprechende ist der Meinung, dass vorläufige Auffassungen keine Grundlage für einen zulässigen Ablehnungsantrag bilden können (Schreiben vom 24. Dezember 2021, Seite 4 unten bis Seite 5 oben sowie Schreiben vom 18. März 2022, Abschnitt A.4). Sie beruft sich insoweit auf die in Abschnitt III.J.5.2.1 der EPA-Veröffentlichung "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage 2019 (im Folgenden: "Rechtsprechung") wiedergegebene Rechtsprechung, welche ihrer Meinung nach eindeutig ist. Ihr Zitat lautet wie folgt (Unterstreichung durch die Einsprechende):
In T 241/98 vom 22. März 1999 wies die Beschwerdekammer daraufhin, dass die Meinungsbildung zu den wichtigsten Aufgaben einer Kammer zählt. Die Äußerung einer vorläufigen Auffassung ist vor diesem Hintergrund und daher nicht als parteiisch anzusehen.
Die erkennende Kammer ergänzt: In T 355/13 hat die Kammer (unter Nr. 2.3) die Ablehnung des für den Ladungsbescheid verantwortlichen Kammermitglieds als unzulässig verworfen. Der Inhalt des Bescheids sei klar als lediglich vorläufige, unverbindliche Meinung verfasst, welche als Grundlage für die Vorbereitung und weitere Erörterung in der mündlichen Verhandlung dienen solle. Der Ladungsbescheid könne die in Bezug auf den Ablehnungsantrag gemachten Behauptungen nicht stützen, so dass dieser Antrag als nicht ausreichend substantiiert anzusehen sei.
3.4 Anwendung der weiteren Kriterien auf den vorliegenden Fall
3.4.1 Grundsätze
Die Kammer entnimmt der soeben referierten Rechtsprechung zu vorläufigen Auffassungen in Bescheiden (T 241/98, Nr. 4 a.E., und T 355/13, Nr. 2.3) den Grundsatz, dass Ausführungen, welche die Debatte während der mündlichen Verhandlung nur vorbereiten sollen, als solche eine Voreingenommenheit des Autors oder der Kammer nicht begründen können.
Auch vorliegend wird die Ablehnung der drei Mitglieder der ursprünglichen Kammer auf eine lediglich vorläufige, unverbindliche Meinung gestützt, welche als Grundlage für die Vorbereitung und weitere Erörterung in der mündlichen Verhandlung dienen soll.
So heißt es in jedem der drei Punkte betreffend die Zulässigkeit im Ladungsbescheid, dass bestimmte Fragen in der mündlichen Verhandlung zu erörtern sein werden (Nr. 3.7, erster Satz: "... wird ... zu diskutieren sein ...; vierter Absatz: "... wird ... zu erörtern sein ..."; Nr. 3.8: "... wird zu diskutieren sein ...", Nr. 3.9: "... möglicherweise ... auch zu erörtern sein ...").
Daraus folgt aber nicht ohne Weiteres, dass der zweite Ablehnungsantrag - nach der vorzitierten Rechtsprechung der Kammern - als unzulässig zu verwerfen wäre.
Denn aus dem Ladungsbescheid lässt sich - worauf die Einsprechende zu Recht hinweist - folgern, dass auch lediglich vorläufige, unverbindliche Meinungen Gegenstand eines Ablehnungsantrags sein können. Konkret hat die Kammer in der ursprünglichen Besetzung im Ladungsbescheid (unter Nr. 3.7 a.E., eigene Hervorhebung) ausgeführt:
Der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit existiert nicht erst, wenn eine Beteiligte durch die Entscheidung der Kammer beschwert wurde (s. T 49/15; ähnlich auch T 1677/11, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).
Das ist offenkundig als allgemeiner Grundsatz zu verstehen, für den die Kammer in der ursprünglichen Besetzung die in Klammern aufgeführten Entscheidungen T 49/15 sowie Nr. 3 der Entscheidung im Fall T 1677/11 als Beleg nennt. Ob die Ableitung eines solchen Grundsatzes aus diesen Entscheidungen überzeugen kann oder ob dieser sich anderweitig überzeugend begründen lässt, oder ob besondere Umstände des vorliegenden Falles eine Abweichung von der oben referierten Rechtsprechung zu vorläufigen Auffassungen in Bescheiden (T 241/98, Nr. 4 a.E., und T 355/13, Nr. 2.3) erfordern, bedarf im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags keine Entscheidung. (Die Frage wird aber unten, bei dessen Begründetheit unter Nr. 4.3.1, beantwortet werden.)
Im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht der Einsprechenden, welche die Berücksichtigung der letztgenannten Ausführungen der Beschwerdekammer in ihrer ursprünglichen Besetzung (unter Nr. 3.7 a.E.) erfordert, ist im vorliegenden Fall die Vorläufigkeit des Ladungsbescheids kein Grund, die Zulässigkeit des Ablehnungsantrags zu verneinen.
3.4.2 Substantiierung
Weiter zu prüfen bleibt, ob der Ablehnungsantrag gegen die Äußerungen der Kammer im Ladungsbescheid ausreichend substantiiert ist, d.h. den minimalen Anforderungen an eine sachliche Begründung genügt, nicht jedoch, ob die Gründe überzeugen (siehe R 12/09, oben, Nr. 3.3.1). Aus Sicht der Kammer bedeutet das, dass die geltend gemachten Ablehnungsgründe nicht von vornherein ungeeignet sein dürfen, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Das ist der Fall. Denn die Einsprechende rügt, dass die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung an die Zulässigkeit ihres ersten Ablehnungsantrags über das EPÜ hinausgehende Anforderungen ansetze, die zudem keinerlei Grundlage in der einschlägigen Rechtsprechung besäßen. Mit ihren beiden Ablehnungsgründen rügt sie dabei namentlich den Inhalt von Nr. 3.8 des Ladungsbescheids.
Der erste Ablehnungsgrund betrifft die in Nr. 3.8 genannte Pflicht zur sofortigen Erklärung der Ablehnung. Der Wortlaut von Artikel 24 (3) EPÜ zur Zulässigkeit kenne die zeitlich sofortige Ablehnung nicht, und die hierzu zitierte Rechtsprechung diese Anforderungen ersichtlich ebenfalls nicht. Zulassungsvoraussetzung sei lediglich, dass der Ablehnungsantrag nicht nach Vornahme eines weiteren Verhandlungsschritts vorgebracht werde.
Mit dem zweiten Ablehnungsgrund wendet sich die Einsprechende gegen die ihrer Meinung nach in Nr. 3.8 des Ladungsbescheids gestellte Forderung, wonach nach einer Entscheidung in einer mündlichen Verhandlung und sich unmittelbar daran anschließender Vertagung und Schließen der Verhandlung ein Ablehnungsgrund noch in der mündlichen Verhandlung vorzubringen sei. Denn nach einem Schließen der mündlichen Verhandlung sei ein Vorbringen eines solchen Ablehnungsgrunds in der mündlichen Verhandlung schlicht nicht mehr möglich.
Aus Sicht der Kammer ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass zumindest einer der beiden Ablehnungsgründe durchgreift. Das gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass ein Ladungsbescheid grundsätzlich - im Gegensatz zu den oben zitierten Entscheidungen T 241/98 und T 355/13 - Grundlage für einen Ablehnungsantrag sein kann. Das wird - wie ausgeführt - bei der vorliegenden Prüfung der Zulässigkeit zugunsten der Einsprechenden unterstellt.
3.5 Ergebnis
Nach alledem ist der verfahrensgegenständliche zweite Ablehnungsantrag zulässig.
4. Begründetheit
4.1 Rechtsprechung: subjektive und objektive Prüfung
In T 190/03 (ABl. EPA 2006, 502), unter Nr. 9, hat die Beschwerdekammer grundlegende Ausführungen zur Frage gemacht, ob Befangenheit im Sinne des Artikels 24 EPÜ vorliegt. Dies sei anhand einer zweifachen Prüfung zu bestimmen; siehe Leitsatz I, der Nr. 9 zusammenfasst (amtliche deutsche Übersetzung des englischen Originals, Hervorhebungen durch die Kammer):
- erstens im Rahmen einer "subjektiven" Prüfung, welche den Beweis für eine tatsächliche Befangenheit des betreffenden Kammermitglieds erfordert,
- zweitens im Rahmen einer "objektiven" Prüfung, bei der die Kammer beurteilt, ob irgendwelche Umstände des Falls Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben.
Im Einzelnen hat sie unter Nr. 9 u.a. ausgeführt:
Tatsächliche Befangenheit ist ein inneres Wesensmerkmal des Kammermitglieds, und ihr Vorliegen ist zu beanstanden, weil es dem Grundsatz des fairen Verfahrens widerspricht. Verdacht und äußerer Anschein reichen jedoch nicht aus, um tatsächliche Befangenheit nachzuweisen. ...
Der Anschein von Befangenheit bringt dagegen äußerliche Aspekte ins Spiel und zeigt - unabhängig davon, ob das Mitglied tatsächlich voreingenommen ist -, welches Vertrauen die Kammer in der Öffentlichkeit genießt ...
Da dieser Aspekt von Befangenheit den äußeren Anschein betrifft, muss er nicht in gleicher Weise nachgewiesen werden wie tatsächliche Befangenheit; vielmehr sind die Umstände daraufhin zu prüfen, ob sie Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben. ...
Nach G 1/05 (vom 7. Dezember 2005, ABl. EPA 2007, 362, Nr. 20) lautet die Frage, ob eine vernünftige, objektive und informierte Person angesichts der Sachlage mit gutem Grund befürchten würde, dass der Richter den Fall nicht unvoreingenommen behandelt hat oder behandeln würde. Rein subjektive Eindrücke oder allgemeine Verdächtigungen sind dabei nicht ausreichend.
4.2 Subjektive Prüfung
Vorliegend hat die Einsprechende keinen Beweis für eine innere negative Haltung eines oder mehrerer der Kammermitglieder erbracht. Diese haben eine solche Haltung in ihren Stellungnahmen nach Artikel 3 Absatz 2 VOBK verneint. Diese Stellungnahmen enthalten übrigens keine inhaltlich weitergehenden Aussagen, worauf die Einsprechende (in ihrem Schreiben vom 18. März 2022 in Abschnitt E) hinweist.
Eine tatsächliche Befangenheit kann demnach vorliegend nicht angenommen werden.
Die Einsprechende selber geht von der Besorgnis einer Befangenheit aus. So hat sie aufgrund vor allem von Ziffer 3.8 des Ladungsbescheides unter Bezugnahme auf T 1257/14 gefolgert (unten auf Seite 10 des Schreibens vom 24. Dezember 2021, Hervorhebung durch die erkennende Kammer):
Dieses unsere Rechte absichtlich missachtende Verhalten der Kammer (vgl. T 1257/14) begründet die Besorgnis der Befangenheit.
Die von der Einsprechenden damit angesprochene Passage der Entscheidung im Fall T 1257/14 vom 5. Februar 2018 (welche sich T 261/88 vom 16. Februar 1993 und T 843/91 vom 17. März 1993, ABl. EPA 1994, 818, Nr. 10 [sic, gemeint ist offenbar Nr. 8] anschließen will) bezieht sich allerdings offensichtlich auf die subjektive Seite, also eine tatsächliche Befangenheit und nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dort heißt es (Hervorhebung durch die erkennende Kammer):
Befangenheit liegt nach Ansicht der Kammer dann vor, wenn eine Partei bewusst begünstigt wird, in dem ihre Rechte eingeräumt werden, die ihr nicht zustehen, oder wenn die Rechte der anderen Partei absichtlich missachtet werden.
Diese Passage ist demnach vorliegend - mangels eines Nachweises einer bewussten Begünstigung oder absichtlichen Missachtung - nicht von Belang.
4.3 Objektive Prüfung
Vorab wird darauf hingewiesen, dass der zweite Ablehnungsantrag nicht deswegen unschlüssig ist, weil die Einsprechende einerseits - unter Berufung auf die Rechtsprechung - der Auffassung ist, vorläufige Meinungen seien nicht als parteiisch anzusehen (siehe oben, Nr. 3.3.2), dann aber ihren zweiten Ablehnungsantrag auf eben die vorläufige Meinung der Kammer in der ursprünglichen Besetzung im Ladungsbescheid stützt. Denn auch im Rahmen der Prüfung der Begründetheit entspricht dies - ebenso wie für die Zulässigkeit (oben Nr. 3.4) - ihrer Sorgfaltspflicht.
4.3.1 Grundsätze betreffend vorläufige Meinungen von Kammermitgliedern
Hier ist auf das Vorbringen der Einsprechenden, wonach vorläufige Meinungen nicht als parteiisch anzusehen seien, nach Auffassung der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung aber auch eine vorläufige Meinung Basis für einen zulässigen und begründeten Ablehnungsantrag bilden könne, einzugehen.
Oben (unter Nr. 3.4) hat die Kammer im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags der referierten Rechtsprechung zu vorläufigen Auffassungen in Bescheiden den Grundsatz entnommen, dass danach Ausführungen, welche die Debatte während der mündlichen Verhandlung nur vorbereiten sollen, als solche eine Voreingenommenheit des Autors oder der Kammer nicht begründen können.
Das ließe sich auf Debatten während der mündlichen Verhandlung, die die Grundlage einer späteren Entscheidung der Kammer bilden sollen, erweitern.
Laut Ladungsbescheid, Nr. 3.7 a.E. gilt andererseits:
Der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit existiert nicht erst, wenn eine Beteiligte durch die Entscheidung der Kammer beschwert wurde (s. T 49/15; ähnlich auch T 1677/11, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).
Dieser Satz ist wörtlich der Entscheidung im Fall T 49/15, Nr. 3.3 a.E., entnommen. Die Einsprechende hat T 49/15 wie folgt zusammengefasst:
In ... [T 49/15] wurde der Ablehnungsgrund von dem dortigen Antragsteller darin gesehen, dass die Beschwerdekammer in einem der mündlichen Verhandlung vorausgehenden Bescheid einen Antrag diskutiert hat, der sich noch nicht im Verfahren befand, wodurch nach Ansicht des Antragstellers die Gegenpartei des Antragsstellers ungebührlich bevorzugt worden sei. Das Ablehnungsgesuch wurde erst nach Vorbringen eines entsprechenden Antrags durch die Gegenpartei und der darauffolgenden Zulassung durch die Beschwerdekammer in der mündlichen Verhandlung vorgebracht.
Die Kammer war der Auffassung, dass die Beteiligte von dem von ihr vorgetragenen Ablehnungsgrund mit Erhalt des Bescheids der Kammer in Kenntnis gesetzt wurde. Die Beteiligte habe selbst darauf hingewiesen, dass sie nach Erhalt des Bescheids Verfahrenshandlungen vorgenommen habe, ohne jedoch die Mitglieder der Kammer abzulehnen. Die Kammer sah die Ablehnung vor diesem Hintergrund als unzulässig an (Nr. 3.2 a.E.). Dem Argument, wonach die Zulassung des neuen Hauptantrags in das Verfahren eine notwendige Voraussetzung für den Ablehnungsantrag gewesen sei, da erst durch diese Entscheidung die Begünstigung des Beschwerdeführers erfolgt sei, konnte die Kammer nicht folgen (Nr. 3.3).
Zu T 1677/11, Nr. 3, hat die Einsprechende wie folgt referiert:
... die Einsprechenden [hatten sich] dort doch in vielfältiger Weise und über einen langen Zeitraum an zwei Beschwerdeverfahren beteiligt, welche ähnliche Sachverhalte betrafen, und für welche die mündlichen Verhandlungen vor der gleichen Beschwerdekammer auf kurz aufeinanderfolgende Termine festgesetzt wurden, den Befangenheitsantrag für das später verhandelte Verfahren aber erst gestellt, nachdem die Kammer in der ersten Verhandlung gegen sie entschieden hatte. Die Kammer hatte vor diesem Hintergrund erläutert, dass es nicht darauf ankommen würde, dass alle Einsprechenden tatsächlich auch in diesem Verfahren eine spezifische Verfahrenshandlung vorgenommen hätten, da zumindest die Teilnahme an der ersten mündlichen Verhandlung als eine Verfahrenshandlung im faktischen Kontext des zweiten Verfahrens darstellen würde.
Die erkennende Kammer teilt die Auffassung der Einsprechenden, dass die letztgenannte Passage mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist (Schreiben vom 24. Dezember 2021, Seite 6 unten). Darüber hinaus hält die erkennende Kammer die Passage auch allgemein für die Frage der Relevanz vorläufiger Meinungen nicht unmittelbar nutzbar, da sie den Sonderfall der Auswirkung von Äußerungen der Kammer in einem Parallelverfahren betrifft.
Aus den Ausführungen der Kammer in T 49/15 ist zu folgern, dass die Kammer davon ausgegangen ist, dass ein Ablehnungsgrund grundsätzlich auf eine vorläufige Meinung in einem Ladungsbescheid gestützt werden kann. Damit trifft die Aussage in der von der Einsprechenden für wesentlich gehaltenen Entscheidung im Fall T 241/98, vorläufige Meinungen könnten nach der Rechtsprechung keine Grundlage für einen Ablehnungsantrag bilden, in dieser Allgemeinheit nicht zu.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer bieten vorläufige Aussagen in Ladungsbescheiden, die sich auf die durch einen Fall bezogenen Fragen beziehen, zwar grundsätzlich keinen Anlass für eine Ablehnung des Autors oder der Kammer.
- · einen Beteiligten nicht bevorzugen, etwa indem sie Hinweise gibt, die nicht von Artikel 114 (1) EPÜ gedeckt sind,
- · sachlich gehalten sind, also nicht etwa abwertende Bemerkungen im Hinblick auf einen Beteiligten oder dessen Vertreter enthalten und
- · nicht eine Rechtsanwendung darstellen, welche so grob falsch ist, dass sie den Schluss auf Willkür zulässt.
Sachlichkeit der vorläufigen Meinung wurde auch in R 2/12 vom 26. September 2012, Nr. 2.2 a.E. geprüft und bestätigt:
... the communication ... itself does not contain any bold contention, nor has been substantiated in "such outspoken, extreme or unbalanced terms" that it would preclude the capacity of the member concerned from dealing with the pending petition with an open mind and without preconceived thoughts.
Diese Grundsätze können auf sonstige vorläufige Aussagen von Kammermitgliedern - wie etwa solche im Verlaufe mündlicher Verhandlungen - oder, darüber hinaus auf Handlungen von Kammermitgliedern allgemein, erweitert werden.
Die von der Einsprechenden geltend gemachten Gründe für den zweiten Befangenheitsantrag sind daher in der Sache zu prüfen und nicht - wie diese es im Hinblick auf ihre Interpretation der Rechtsprechung der Kammern für möglich gehalten hat (oben, Nr. 2 zu Abschnitt A.4) - von vornherein wegen ihrer Vorläufigkeit zurückzuweisen.
4.3.2 Anwendung der obigen Grundsätze
Die Frage ist, ob der vorliegende Ladungsbescheid - trotz seiner Vorläufigkeit - unmittelbar die Einsprechende benachteiligen und dadurch - oder unabhängig davon - den Patentinhabern einen Vorteil verschaffen könnte. Das wird nachstehend untersucht.
a) "Sofort" versus "ohne Vornahme weiterer Verfahrenshandlungen"
Lt. Einsprechender soll das Recht nach Artikel 24 (3) EPÜ verwehrt werden,
obwohl der Wortlaut zur Zulässigkeit eines solchen Ablehnungsgrunds die zeitlich sofortige Ablehnung nicht kennt und auch die hierzu zitierte Rechtsprechung die von der Kammer in den Raum gestellten Anforderungen ersichtlich nicht trägt. Zulassungsvoraussetzung ist lediglich, dass der Ablehnungsantrag nicht nach Vornahme eines weiteren Verhandlungsschritts vorgebracht wird.
Damit nimmt die Einsprechende Bezug auf die Passage am Ende von Nr. 3.8 des Ladungsbescheids (Hervorhebung durch die Kammer):
... Ablehnung nicht sofort in der ersten mündlichen Verhandlung, nachdem ihr die Ablehnungsgründe bewusst geworden sind, erklärt hat, sondern erst in ihrem Schreiben vom 12. April 2021.
Die "hierzu zitierte Rechtsprechung" nämlich G 5/91 hat sie unter Nr. B I d) ihrer Antwort vom 24. Dezember 2021 auf den Ladungsbescheid erörtert.
Das fragliche Zitat aus G 5/91 (vom 5. Mai 1992, ABl. EPA 1992, 617, Nr. 4, deutsche Übersetzung, Hervorhebung durch die erkennende Kammer) lautet:
Es sei hinzugefügt, daß es trotz der Beschränkung der Anwendbarkeit des Artikels 24 EPÜ auf das Beschwerdeverfahren gerechtfertigt erscheint ["it seems to be justified"], die dem Artikel 24 (3) Satz 2 und 3 EPÜ zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze dahingehend anzuwenden, daß eine in der ersten Instanz erklärte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht berücksichtigt zu werden braucht, wenn die Erklärung nicht sofort, nachdem den Beteiligten der Ablehnungsgrund bewußt geworden ist, abgegeben wird oder wenn die Ablehnung aus Gründen der Nationalität erfolgt.
Die Einsprechende meint hierzu: In der zur Begründung der Pflicht sofortigen Ablehnung herangezogenen kurzen Passage in G 5/91 werde nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als dass mit der analogen Anwendung von Artikel 24 EPÜ auf Mitglieder der ersten Instanz auch die Schranken des Artikel 24 (3) Satz 2 und 3 EPÜ in analoger Weise für das Verfahren in erster Instanz gelten müssen, um einen Missbrauch zu vermeiden. Irgendeinen Hinweis, dass die Große Beschwerdekammer damit für das Beschwerdeverfahren strengere als die in Artikel 24 (3) Satz 2 und 3 EPÜ aufgestellten Kriterien zur Anwendung bringen wollte, seien der Entscheidung nicht zu entnehmen.
Die erkennende Kammer ist der Auffassung, dass die Kammer in der ursprünglichen Besetzung die Passage in der von der Einsprechenden vorgenommenen Auslegung angewendet hat: Sie hat dem Begriff "sofort" die Bedeutung "ohne Vornahme weiterer Verfahrenshandlungen" zugemessen, wenn sie unter Nr. 3.7 ausführt, die Einsprechende habe während der (ersten) mündlichen Verhandlung Verfahrenshandlungen vorgenommen (3. Abschnitt von Nr. 3.7), ohne die Mitglieder der Kammer abzulehnen. Dabei stelle sich die Frage, ob die Einsprechende bereits vorher dem von ihr vorgetragenen Ablehnungsgrund in der Kenntnis erlangt habe (2. Abschnitt von Nr. 3.7).
Wenn man hingegen der Einsprechenden folgen und davon ausgehen würde, die Kammer in der ursprünglichen Besetzung hätte den Begriff "sofort" tatsächlich wörtlich angewendet, dann würde sie lediglich die in diesem Punkt nicht völlig klare Entscheidung der Großen Beschwerdekammer wörtlich anwenden, ohne eine Begründung zu geben, warum dies im Hinblick auf den abweichenden Wortlaut von Artikel 24 (3) EPÜ gerechtfertigt sein sollte. Jedenfalls würde die wörtliche Anwendung der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer im Hinblick auf die Autorität von Entscheidungen dieses Spruchkörpers keinen objektiven Hinweis auf Befangenheit vermitteln.
Nach Alledem vermag die Kammer in Nr. 3.8 des Ladungsbescheids im Hinblick auf den Ausdruck "sofort" keinen objektiven Hinweis auf eine Befangenheit der Kammermitglieder erkennen.
b) Vorbringen "Unmögliches wird verlangt"
Lt. der Einsprechenden missachtet die Forderung, wonach nach einer Entscheidung in einer mündlichen Verhandlung und sich unmittelbar daran anschließender Vertagung und Schließen der Verhandlung ein Ablehnungsgrund noch in der mündlichen Verhandlung vorzubringen ist, die Rechte der Partei, "da nach einem Schließen der mündlichen Verhandlung ein Vorbringen eines solchen Ablehnungsgrunds in der mündlichen Verhandlung schlicht nicht mehr möglich ist."
Die erkennende Kammer ist zwar der Auffassung, dass die vorstehend hervorgehobene Folgerung der Einsprechenden zutrifft. Möglich wäre lediglich ein Ins-Wort-Fallen beim Abschlussvortrag des Vorsitzenden, in dem dieser das Ergebnis der Verhandlung bekannt gibt. Das wäre aber mit einem sachlichen Verlauf der Verhandlung nicht vereinbar und auch dem Beteiligten nicht zumutbar.
Die erkennende Kammer ist allerdings auch der Auffassung, dass sich die in der Passage genannte Forderung dem Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung bei verständiger Auslegung nicht entnehmen lässt. Vielmehr ist Nr. 3.8 im Zusammenhang mit dem vorangehenden Abschnitt 3.7 zu lesen.
Denn es heißt in dem beanstandeten Abschnitt 3.8: "Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich für die Einsprechende erst um 15.28 Uhr ... herausgestellt hat, dass die Beschwerdekammer sich tatsächlich bewusst über den eindeutigen Wortlaut des Artikels 13 (3) VOBK 2007 hinwegsetzen würde, wird zu diskutieren sein, ob die Einsprechende nicht ihre Pflicht zur sofortigen Erklärung der Ablehnung verletzt hat, indem sie ihre Ablehnung nicht sofort in der ersten mündlichen Verhandlung, nachdem ihr die Ablehnungsgründe bewusst geworden sind, erklärt hat".
Im vorhergehenden Abschnitt 3.7 wurde bezüglich dieses Bewusstwerdens auf die Erklärungen des Vorsitzenden ab 13.14 Uhr Bezug genommen.
Der beanstandete Abschnitt 3.8 ist demnach so zu verstehen, dass der Ablehnungsgrund bereits um 13.14 Uhr bestand, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, dass die Kammer sich um 15.28 Uhr tatsächlich bewusst über den Wortlaut von Artikel 13 (3) VOBK 2007 hinweggesetzt hätte. Die Kammer hat ja unter Hinweis auf T 49/15 und T 1677/11, Nr. 3, ausgeführt (Nr. 3.7 a.E.), dass der Ablehnungsgrund der Besorgnis der Befangenheit nicht erst dann existiert, wenn ein Beteiligter durch die Entscheidung der Kammer beschwert wurde.
Die Kammer vermag daher in Nr. 3.8 des Ladungsbescheids auch im Hinblick auf den Vorwurf der Einsprechenden, mit dem Verlangen der Ablehnung vor Schluss der mündlichen Verhandlung werde Unmögliches verlangt, keinen objektiven Hinweis auf eine Befangenheit der Kammermitglieder erkennen.
c) Ausführungen im Ladungsbescheid zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit betreffend Hilfsantrag I
Erstmals in ihrem Schreiben vom 18. März 2022 (in Teil C) macht die Einsprechende geltend, Befangenheit sei auch deshalb zu besorgen, weil die Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung entgegen den eindeutigen Vorgaben der Verfahrensordnung das Verfahren mit der Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags in der Zwischenmeinung in der Sache weitergeführt habe. Nach Artikel 3 (3) VOBK werde "[v]or der Entscheidung über die Ausschließung oder Ablehnung ... das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt."
Unabhängig von der Frage, ob dieser Ablehnungsgrund wegen Verspätung als unzulässig zurückzuweisen wäre, weil er die beiden anderen Gründe (oben 4.3.2a) und 4.3.2b)) nicht lediglich ergänzt, ist der Ablehnungsgrund jedenfalls offensichtlich unbegründet. Er gibt keinen objektiven Hinweis auf die Befangenheit von Kammermitgliedern, weil die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung Ausführungen zu Neuheit und erfinderischen Tätigkeit bezüglich Hilfsantrag I ausdrücklich lediglich für den Fall gemacht hat, dass sie hierüber zu befinden hat, falls sie zum Ergebnis gelangt, dass der erste Befangenheitsantrag unzulässig ist (siehe Ladungsbescheid, Nr. 4 a.E.).
d) Abgabe der Angelegenheit durch Kammer in ursprünglicher Besetzung mit bestimmten Maßgaben
Die Einsprechende trägt in ihrem Schreiben vom 18. März 2022 (in Teil D) vor, dass bei einer Abgabe des Verfahrens an die Beschwerdekammer in der neuen Besetzung unter einer ihr nicht bekannten Maßgabe, dass vorliegend gezielt über den weiteren Antrag zu entscheiden wäre, das für sich gesehen ebenfalls ein Grund wäre, die ursprüngliche Beschwerdekammer in ihrer Gänze nach Artikel 24 (3) EPÜ abzulehnen. Sie mache diesen Grund bereits vorsorglich geltend für den Fall, dass es tatsächlich eine entsprechende Kommunikation von der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung an die erkennende Kammer gegeben haben sollte.
Die erkennende Kammer hat derartige Hinweise von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung nicht erhalten. Ihr Vorsitzender hat von letzterer lediglich - ebenso wie die Beteiligten in Kopie - die Mitteilung vom 8. Februar 2022 erhalten. Diese vorsorgliche Ablehnung ist daher gegenstandslos.
4.4 Ergebnis
Nach Alledem erweist sich der zweite Ablehnungsantrag ohne Weiteres als unbegründet.
5. Gesamtergebnis
Der zulässige zweite Ablehnungsantrag der Einsprechenden ist als unbegründet zurückzuweisen. Einer Stellungnahme der Patentinhaber zum Schreiben der Einsprechenden vom 18. März 2022 bedurfte es nicht.
6. Weiteres Verfahren
Das Einspruchsbeschwerdeverfahren ist somit von der Kammer in der ursprünglichen Besetzung fortzusetzen. Soweit dem Vorbringen der Einsprechenden ein Antrag auf Verlegung des Termins für die anberaumte mündliche Verhandlung (siehe oben, Nr. 3.1 a.E.) zu entnehmen ist, wird dieser abgelehnt. Hierfür hat die Einsprechende weder einen Grund genannt noch kann die erkennende Kammer einen solchen erkennen. Wie ausgeführt (oben Nr. 2), ist der vorliegend behandelte weitere Ablehnungsantrag vom ersten unabhängig, und die Entscheidung über diesen Antrag ergeht rechtzeitig vor der anberaumten zweiten mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer wird abgelehnt.
2. Der Ablehnungsantrag betreffend die Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung vom 24. Dezember 2021 (zweiter oder weiterer Ablehnungsantrag) wird zurückgewiesen.
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