03 August 2021

T 0041/19 - Appellate review of findings of fact (III)

 Key points

  • Board 3.2.01 sticks with its earlier decision T1418/17 that the Board should only review the OD's evaluation of the evidence for clear error. The Board does not comment on T 1604/16 of Board 3.2.02.
  • The present Board also considers that a “eidesstattliche Versicherung” (written signed witness declaration) is also valid as evidence, even if the party submitting that evidence does not offer the witness for hearing. Rather the other party must formally request a hearing of the witness (and bear the costs), according to the present Board.


T 0041/19

epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t190041du1.html

2.2 Aus Sicht der Kammer ist es nicht Aufgabe des Beschwerdeverfahrens, die Beweiswürdigung erneut vorzunehmen, sondern die Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung zu überprüfen. Die Entscheidung über die Beweiswürdigung der ersten Instanz wird nur dann aufgehoben, wenn sie nicht rechts- oder logikfehlerfrei ist (siehe hierzu auch T 1418/17, Entscheidungsgründe 1.3).

2.3 Die Kammer konnte in der Entscheidung der Einspruchsabteilung bei der Beurteilung der von den Parteien vorgelegten Beweismitteln jedoch kein fehlerbehaftetes Vorgehen erkennen.

[...]

2.3.2 Das in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vorgetragene Argument, eine eidesstattliche Versicherung dürfe nur dann berücksichtigt werden, wenn parallel dazu die die eidesstattliche Versicherung abgebende Person als Zeuge befragt werden könne, kann nicht gefolgt werden.


Im vorliegenden Fall wurden die Personen, die die Erklärungen abgegeben haben, nicht als Zeugen angeboten. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine eidesstattliche Versicherung eines der möglichen Beweismittel, das unter die in Artikel 117 EPÜ nicht erschöpfend aufgezählten Beweismittel fällt, und darf daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung von der Einspruchsabteilung als eigenständiges Beweismittel in Betracht gezogen werden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, III, G 2.3.1).

Zudem liegen nicht nur die eidesstattlichen Versicherungen vor, sondern es wurden mit den eidesstattlichen Versicherungen auch technische Zeichnungen, Lieferscheine, Rechnungen und Verträge eingereicht, die den Inhalt der eidesstattlichen Versicherungen stützen.

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die aufgrund der vorliegenden Beweismittel die geltend gemachten Vorbenutzungen und ihre Umstände als ausreichend bewiesen ansah (siehe Entscheidungsgründe 14.3, 14.4 und 14.5) ist daher nicht zu beanstanden. Die Argumente der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) wurden auch ausreichend in der Entscheidung gewürdigt.

2.3.3 Auch das von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vorgetragene Argument, durch die Nichtbefragung der Personen, die die eidesstattlichen Erklärungen abgegeben haben als Zeugen sei der Patentinhaberin die Möglichkeit verwehrt worden, die eidesstattlichen Versicherungen inhaltlich zu überprüfen und gegebenenfalls ihren Beweiswert zu erschüttern, kann nicht überzeugen.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe oben, III, G 2.2.1) werden für die von einer Partei gewünschte Vernehmung von Zeugen eindeutige Anträge verlangt. Im vorliegendem Fall hat aber keine der Parteien eine Zeugenbefragung beantragt (siehe Entscheidungsgründe Punkt 14.1.4, vorletzter Absatz auf Seite 11).

2.3.4 Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) führte zudem noch eine Reihe von Punkten an, in der aus ihrer Sicht Unstimmigkeiten in der behaupteten Vorbenutzung vorliegen, so dass die Vorbenutzungen nicht lückenlos bewiesen seien.

Diese Punkte entsprechen den bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Punkten, die von der Einspruchsabteilung in der Entscheidung unter Punkt 14.1.3 zusammengefasst und in Punkt 14.1.4 entschieden wurden. Die Kammer kann auch hier keinen Grund erkennen, warum die Schlussfolgerungen der Einspruchsabteilungen nicht zutreffen sollten.

2.4 Die Kammer kann auch keinen Fehler in der Beweiswürdigung erkennen, als die Einspruchsabteilung entschied, dass es nicht als ausreichend bewiesen angesehen werden kann, dass das im Datenblatt E4A beschriebene elektrisch leitfähige Material durch die Beimengung eines organischen Additivs leitfähig gemacht wurde.

2.4.1 Die Kammer teilte hierzu die Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe 14.1.4, Punkt (c)), dass der E-Mail E4B nicht die gleiche Beweiskraft zugemessen werden kann wie einer eidesstattlichen Erklärung, insbesondere da hier nur vorgegebene Fragen mit Ja/Nein beantwortet wurden.

a) Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 1) argumentierte hierzu zwar, dass die Begründung der Einspruchsabteilung nicht überzeugend sei, da sie nur darauf beruhe, dass die Position des Verfassers der E-Mail im Unternehmen unklar sei, sowie dass die E-mail erst nach dem Prioritätstag des Streitpatents gesendet wurde.

b) Es ist tatsächlich in der vorliegenden Situation irrelevant, wann die E-Mail verfasst wurde. Es ist aber durchaus für die Beweiskraft des Beweismittels relevant, ob der Verfasser ausreichende technische Kompetenz hatte, die Aussagen in der E-Mail zu treffen und ob er unmittelbaren Zugang zu den ausgeführten Informationen hatte, was jedoch beim Verfasser von E4B offen bleibt. Aus der bloßen Tatsache, dass die ursprüngliche Anfrage von einem Mitarbeiter des Unternehmens an einen anderen Mitarbeiter weitergeleitet wurde, kann dies noch nicht geschlossen werden.

c) Vor allem aber ist maßgeblich, dass eine E-Mail wie im vorliegenden Fall mit Antworten Ja/Nein auf eine weitergeleitete externe Anfrage eine sehr geringe Beweiskraft hat.

2.4.2 In diesem Zusammenhang sieht es die Kammer auch nicht als überzeugend an, dass mit E6 eine eidesstattliche Versicherung des kaufmännischen Leiters von KGL vorgelegt wurde, der das Material vom Hersteller RTP kaufte und an ITM weiterleitete, in der die Behauptung aufgestellt wird, dem ABS von RTP sei ein organisches Additiv beigemengt.

a) Nachdem der Angestellter des Herstellers in seiner E-Mail E4B nicht bereit war, das Additiv detailliert zu benennen, ist es ohne weitere Beweismittel unwahrscheinlich, dass der Käufer KGL Details des Polymers kannte, insbesondere da auch er nicht das Additiv konkret benennt in E6.

b) Dabei ist auch unerheblich, ob die Käufer PT Djarum und JTI Polska in der Lage waren, das Material der gelieferten Schragen zu analysieren, insbesondere ob das Additiv mit einem marktüblichen Massenspektrometer technisch nachweisbar gewesen wäre, da entsprechende Analysen zum konkret verwendeten Additiv nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht wurden.

2.5 Daher gab es für die Kammer keinen Grund, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung zu den Vorbenutzungen OV3/OV4 und OV5/OV6 abzuweichen:

Ein vollständig aus elektrisch leitfähigem ABS gefertigter Schragen wurde vor dem Prioritätstag des Streitpatents ohne Geheimhaltungsverpflichtung an PT Djarum bzw. JTI verkauft und dort verwendet.

Es ist jedoch nicht ausreichend bewiesen, dass die elektrische Leitfähigkeit des ABS durch ein organisches Additiv, das dem ABS beigemengt wurde, erzielt wurde.

3. Die im Rahmen von OV3/OV4 bzw. OV5/OV6 vorbenutzten Schragen sind neuheitsschädlich für Anspruch 1 des Hauptantrags, was auch unstrittig zwischen den Parteien war. Daher erfüllte der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

4. Nachdem der vorbenutzte Schragen gemäß OV3/OV4 bzw. OV5/OV6 einstückig aus ein und dem selben Material gefertigt ist, ist hier der gesamte Schragen aus elektrisch leitfähigem Kunststoff gebildet und somit auch neuheitsschädlich für Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 1a und 1b, was ebenfalls nicht strittig zwischen den Parteien war.

Daher erfüllt auch keiner der Hilfsanträge 1, 1a und 1b die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.

1 comment:

  1. In T2702/18, Board 3.2.01 acknowledges that T1604/16 exists, but concludes that it can leave open the question as the factual findings were not disputed in appeal (finding the existence of a tacit secrecy agreement to be a legal conclusion?) (" Daher ... muss auch nicht näher auf die Abgrenzung zur Entscheidung T 1604/16 eingegangen werden").

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