decision text omitted.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde (Artikel 108, Satz 3 in Verbindung mit Regel 99 (2) EPÜ)
1.1 Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und hinreichend begründet.
1.2 Artikel 108 Satz 3 EPÜ verlangt, dass die Beschwerde zu begründen ist. Regel 99 (2) EPÜ präzisiert dies dahingehend, dass in der Beschwerdebegründung darzulegen ist, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel die Beschwerde gestützt wird. In der Beschwerdebegründung sind daher die Argumente des Beschwerdeführers so deutlich und genau vorzubringen, dass die Beschwerdekammer und der Beschwerdegegner ohne eigene Ermittlungen erkennen können, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung falsch sein soll und auf welche Tatsachen die Argumente gestützt sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, V.A.2.6.3 a), d), e) m.w.N.).
1.3 Wenn die Einsprechende Beschwerdeführerin ist, genügt es, wenn sie hinreichend zu einem Aspekt vorträgt, der geeignet ist, der angefochtenen Entscheidung betreffend die Aufrechterhaltung des erteilten Patents bzw. des Patents in geänderter Fassung, die Grundlage zu entziehen (T 767/14, Entscheidungsgründe 1.2). Wenn erkennbar ist, auf welche Rechtsgrundlage sich diese Ausführungen beziehen, ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin - weder die konkrete Benennung des entsprechenden Artikels des EPÜ noch die Zitierung von Rechtsprechung zwingend erforderlich. Ebenso wenig müssen die Ausführungen in der Beschwerdebegründung tatsächlich überzeugend sein, um die Zulässigkeitshürde zu überwinden.
1.4 Da für die Beschwerde der einsprechenden Partei bereits ein substantiiert vorgetragener Grund genügt, um die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der ursprünglichen bzw. in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung in Frage zu stellen, ist es für eine solche Beschwerde auch unerheblich, wenn der Vortrag zu anderen in der angefochtenen Entscheidung genannten Aspekten unzureichend ist. Eine lediglich zu Teilaspekten unzureichende Beschwerdebegründung steht der Zulässigkeit der Beschwerde der einsprechenden Partei nicht entgegen, da die Zulässigkeit der Beschwerde nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden kann (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, V.A.2.6.8 m.w.N.).
1.5 Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Einsprechende zumindest zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument D7 substantiiert vorgetragen. Sie hat insbesondere im Einzelnen dargelegt, welche Merkmale des Streitpatents dieses Dokument offenbart, welche Unterschiede hierzu bestehen, welche Aufgabe daraus folgt, welches Dokument der Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe heranziehen würde und welche Merkmale das beizuziehende Dokument (D8) offenbart.
1.6 Der Umstand, dass es sich bei D7 und D8 um neue Dokumente handelt, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens waren, ist für die Frage, ob die Beschwerde im vorliegenden Verfahren hinreichend begründet wurde, unerheblich.
Eine Beschwerdebegründung kann nämlich auch dann zulässig sein, wenn sie sich im Zusammenhang mit einem bereits verfahrensgegenständlichen Einspruchsgrund auf neue Tatsachen und Beweismittel stützt, die geeignet wären, der angefochtenen Entscheidung die Grundlage zu entziehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, V.A.2.6.5 a), b) m.w.N.). Die spätere, im Ermessen der Kammer stehende Entscheidung darüber, ob derartiges neues Vorbringen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 vom Beschwerdeverfahren auszuschließen ist, hat insoweit keinen rückwirkenden Einfluss auf die Zulässigkeit der Beschwerde.
2. Zulassung der Dokumente D7, D8 und D9 in das Beschwerdeverfahren (Artikel 12 (4) VOBK 2007)
2.1 Die Beschwerdeführerin hat erstmals mit der Beschwerdebegründung die Dokumente D7, D8 und D9 vorgelegt und hierzu im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit vorgetragen.
2.2 Die Zulassung dieses neuen Vortrags richtet sich im vorliegenden Verfahren gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 12 (4) VOBK 2007 steht es im Ermessen einer Beschwerdekammer, neues Vorbringen vom Beschwerdeverfahren auszuschließen, wenn dieses schon im vorhergehenden Einspruchsverfahren hätte vorgebracht werden können und sollen.
2.3 Vorliegend hat die Einspruchsabteilung bereits in ihrer Mitteilung vom 29. November 2016 verdeutlicht, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt von der Einsprechenden vorgelegten Dokumente keinen Erfolg haben würde. Spätestens dann hätte für sie Veranlassung bestanden, eine zusätzliche Recherche durchzuführen und weitere Dokumente vorzulegen.
Vor diesem Hintergrund sind Gründe, die die verspätete Vorlage rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich, zumal es sich bei den Dokumenten um ältere Patente handelt und D9 zudem ein eigenes Patent der Beschwerdeführerin ist.
Die Beschwerdeführerin hat in ihren schriftlichen Ausführungen auch nicht dargelegt, aus welchem Grund sie die neuen Dokumente erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt hat. Obwohl die Kammer bereits in ihrer Mitteilung darauf hingewiesen hat, dass es im Rahmen von Artikel 12 (4) VOBK 2007 maßgeblich darauf ankommt, ob die Einreichung der neuen Dokumente schon im Einspruchsverfahren hätte erfolgen können und sollen, hat sich die Beschwerdeführerin in ihrem schriftlichen Vortrag darauf beschränkt, zur prima facie Relevanz der verspätet vorgelegten Dokumente vorzutragen.
Das Kriterium der prima facie Relevanz führt im Rahmen von Artikel 12 (4) VOBK 2007 indes nicht stets zur Zulassung neuen Vorbringens. Insoweit ist das Regelungsziel von Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu berücksichtigen. Dieser soll gewährleisten, dass die Beschwerde der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient, indem der Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend den des Beschwerdevefahrens absteckt. Die Einordnung des Beschwerdeverfahrens als Überprüfungsverfahren lag auch schon der VOBK 2007 zugrunde und entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (zur Einordnung des Beschwerdeverfahrens als Überprüfungsverfahren vgl. G 9/91, Entscheidungsgründe 18, Abl. 1993, 408; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.A.4.11.1). Dadurch soll verhindert werden, dass erstmals in der Beschwerdeinstanz ein völlig neuer Sacherhalt präsentiert wird, zu dem eine erstinstanzliche Entscheidung fehlt. Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, wenn neues Vorbringen, das erstmals mit der Beschwerdebegründung oder -erwiderung erfolgt, stets zugelassen würde, wenn es prima facie relevant wäre. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern führt die prima facie Relevanz eines Dokuments daher nicht zwingend dazu, dass die Kammer ihr Ermessen dahingehend ausübt, dieses in das Verfahren zuzulassen (T 724/08, Entscheidungsgründe 3.4). Wenn - wie vorliegend - keinerlei Gründe für die verspätete Vorlage ersichtlich sind und aufgrund der Mitteilung der Einspruchsabteilung zudem frühzeitig erkennbar war, dass die Patentfähigkeit des Streitpatents durch die im Verfahren befindlichen Dokumente nicht in Frage gestellt wird, kann eine Kammer diese Dokumente daher ungeachtet ihrer Relevanz vom Verfahren ausschließen (vgl. im Ergebnis ebenso: T 2471/13, Entscheidungsgründe 1.8;, T 1314/12, Entscheidungsgründe 8.1.5). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin widerspricht dieses Ergebnis einem fairen Verfahren nicht. Vielmehr dient es diesem, indem gewährleistet wird, dass die Parteien ihrer Beibringungspflicht im Einspruchsverfahren rechtzeitig nachkommen, so dass das Vorbringen in zwei Instanzen geprüft werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin für die Ermessensentscheidung nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 auch irrelevant, dass die Dokumente bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens mit der Beschwerdebegründung vorgelegt wurden. Artikel 12 (4) VOBK 2007 soll nämlich in erster Linie die Funktion des Beschwerdeverfahrens als Überprüfungsverfahren absichern und betrifft daher gerade auch solches neues Vorbringen, das bereits mit der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wird. Vorbringen, das erst später, also nach der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wird, muss die zusätzlichen Voraussetzungen des Artikels 13 VOBK 2007 bzw. des Artikels 13 VOBK 2020 erfüllen, um zugelassen zu werden. Insoweit liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch kein Widerspruch zwischen Artikel 12 und Artikel 13 VOBK vor. Der Maßstab des Artikels 12 (4) VOBK 2007 gilt nämlich erst recht auch für neues Vorbringen, das erst nach der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wird (T 1162/12, Entscheidungsgründe 1. m.w.N.). Unter Artikel 13 VOBK 2007 bzw. Artikel 13 VOBK 2020 ist das Vorliegen von prima facie Relevanz im Übrigen ebenfalls kein Aspekt, der automatisch zur Zulassung des verspäteten Vorbringens führt; vielmehr handelt es sich um ein zusätzliches Zulassungskriterium, bei dessen Fehlen - wegen der negativen Auswirkung auf die Verfahrensökonomie - in der Regel keine Zulassung erfolgt, ohne dass ein entsprechender Umkehrschluss im Hinblick auf die Zulassung zwingend wäre.
2.4 Die Beschwerdeführerin hat erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer ergänzend vorgetragen, dass die neuen Dokumente eine Reaktion auf die schriftliche Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung gewesen seien, weil die Einspruchsabteilung unter Punkt 4.2 der Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2016 die vorläufige Meinung vertreten habe, dass weder das Dokument D2 noch das Dokument D3 die Merkmale bezüglich einer "Anlage" offenbarten, da dort keine zwei Anlagepositionen und keine drei Anlageelemente gemäß den Merkmalen 1.5 und 1.5.1 offenbart seien. Die Beschwerdeführerin habe demgegenüber die Auffassung vertreten, dass eine funktionelle und nicht nur eine strukturelle Anlage, im Sinne eines tatsächlichen physischen Kontakts, unter den Wortlaut des Anspruchs 1 falle. In der angefochtenen Entscheidung sei die Einspruchsabteilung, insbesondere auf Seite 7, nicht auf die Argumente der Beschwerdeführerin eingegangen und habe darüber hinaus weitere Unterscheidungsmerkmale genannt. Die Einreichung der Dokumente D7, D8 und D9 stelle somit eine Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung dar, in welcher eine "Anlage" im Sinne des Anspruchs 1 ausschließlich in struktureller Hinsicht interpretiert und das Argument der Beschwerdeführerin in Bezug auf eine funktionelle Auslegung des Begriffs nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin gezielt nach Dokumenten gesucht, die Anlagepositionen und Anlageelemente in einem strukturellen Sinne offenbaren. Dabei sei sie auf das Dokument D7 gestoßen, welches eine entsprechende strukturelle Anlage im Sinne eines tatsächlichen Kontakts des Anlageelements in der Anlageposition offenbare. Die Einreichung der neuen Dokumente stelle somit eine gerechtfertigte Reaktion auf die angefochtene Entscheidung dar.
2.5 Die Frage, ob dieser neue Vortrag als Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (2) i.V.m. 25 (1) VOBK 2020 einzustufen ist und wegen Verspätung nicht in das Verfahren zugelassen werden sollte, kann dahinstehen, da der Vortrag jedenfalls nicht geeignet ist, die verspätete Vorlage der Dokumente zu rechtfertigen.
2.6 Die Kammer ist nicht überzeugt, dass die Einreichung der Dokumente D7, D8 und D9 als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung gerechtfertigt ist.
Unter Punkt 4.2 der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung war bereits ausgeführt worden, dass weder das Dokument D2 noch das Dokument D3 die Merkmale betreffend eine "Anlage" im Sinne des Anspruchs 1 offenbaren, da dort keine zwei Anlagepositionen und keine drei Anlageelemente beschrieben seien. Etwas anderes ergibt sich auch aus der angefochtenen Entscheidung nicht. Dort hat die Einspruchsabteilung unter Punkt 7 bis 9 ausgeführt, weshalb eine Kombination der Dokumente D2 und D3 den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelege. Insbesondere hat sie in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass das Dokument D3 keine Anlagepositionen im Sinne des Anspruchs 1, sondern vielmehr Haltepositionen offenbare. Aus Seite 7 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, auf welche die Beschwerdeführerin verwiesen hat, ergibt sich nichts anderes. Die Entscheidungsgründe stehen damit im Einklang mit den vorläufigen Ausführungen der Einspruchsabteilung und führen keine neuen Gesichtspunkte an.
2.7 Die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung enthält somit keine von ihrer vorläufigen Meinung abweichenden Feststellungen, die die Einreichung neuer Beweismittel und zugehörigen Tatsachenvortrags erst mit der Beschwerdebegründung rechtfertigen könnten. Vielmehr war bereits der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung unmittelbar zu entnehmen, dass nach vorläufiger Ansicht der Einspruchsabteilung weder das Dokument D2 noch das Dokument D3 Anlageelemente oder Anlagepositionen im Sinne des Anspruchs 1 offenbart (siehe insbesondere die Merkmale 1.3, 1.5 und 1.5.1). Spätestens nach Kenntnisnahme der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung hätte somit für die Beschwerdeführerin Veranlassung bestanden, eine zusätzliche Recherche im Hinblick auf die Merkmale "Anlagepositionen" und "Anlageelemente" durchzuführen und darauf basierend ergänzend vorzutragen.
2.8 Die Kammer hat daher ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, die Dokumente D7, D8 und D9 gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, Artikel 25 (2) VOBK 2020 vom Beschwerdeverfahren auszuschließen.