5 February 2021

T 1295/20 - Using webform filing in appeal proceedings

 Key points

  • This is an interlocutory decision in examination appeal.  The Notice of appeal lacked the address of the appellant (Rule 99(1)(a). The Registrar invites on 13.07.2020 the applicant to remedy the deficiency within two months (Rule 101(2). The applicant submits the address with a letter of 22.07.2020, however using webform filing. The letter includes the signatures of a European patent attorney.
  • Webform filing is not permitted inter alia for appeal proceedings according to the Decision of the President in OJ 2018, A45. That decision provides that "Documents filed in contravention of paragraph 1 will be deemed not to have been received. The sender, if identifiable, will be notified without delay."
  • In this case, the sender was notified by the Registrar on 22.10.2020, well after the expiry of the two-month period. Hence, the document is in principle deemed not to have been received and the appeal inadmissible. 
  • The appellant files a letter with the address using online filing on 03.11.2020 and (auxiliary) submits a request for further processing with payment of the fee. 
  • The present Board decides that the principle of good faith (legitimate expectations) applies. The EPO should have informed the applicant of the error with the webform letter of 22.07.2020 as the error was clear (e.g. in the footer of the letter, receipt by webform was indicated), the appellant could easily be contacted (it was just the applicant on file) and there was still enough time until the expiry of the period. 
  • The appeal is therefore admissible and the further processing fee is refunded.
  • The Board: “Die Beschwerdeführerin konnte daher erwarten, dass sie unverzüglich auf die nicht statthafte Einreichung ihres Schreibens vom 22. Juli 2020 mittels Web-Einreichung hingewiesen würde. Dies hätte es ihr - angesichts der fast 2 Monate vor Fristende der ihr gesetzten Zweimonatsfrist erfolgten Nachreichung ihrer Anschrift mittels Web-Einreichung - erlaubt, die fehlende Anschrift mittels einer zulässigen Einreichungsform noch fristgerecht nachzureichen.”
  • As a comment, see e.g. also T 1633/18 regarding webform filing for an appeal document, and the principle of protection of legitimate expectations. Moreover, T0662/09 held that “It is standard case law that the provisions of Rule 99(1)(a) EPC [i.e. including the address] are satisfied if the notice of appeal contains sufficient information for the identification of the party.” The Notice of appeal mentioned the name of the appellant, which appears to be the applicant on file, and was submitted by the representative on file. I'm not sure if the invitation of 13.07.2020 was justified from the outset, I'm also not sure if the Board can review the decision of the Registrar to send out the invitation under Rule 101(2).
  • The order of the decision is that “ 1. Die Behebung des Mangels der fehlenden Anschrift ist als rechtzeitig zu betrachten” (and refund of the FP fee)  I note that the Board does not decide that the appeal is admissible. I also note that the Notice of appeal was filed using OLF on 16.04.2020 and already included the grounds such that it may possibly not relevant that a copy of the Notice of appeal was filed with webform filing also on 22.07.2020, so about 4 months after the refusal decision dated 16.03.2020. 



Sachverhalt und Anträge

I. Am 16. April 2020 wurde Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 17 181 318.1 eingelegt.

II. Mit einer Mitteilung gemäß Artikel 108 Satz 1 und Regel 101 (2) EPÜ vom 13. Juli 2020 beanstandete die Geschäftsstelle der Kammer, dass die Beschwerdeschrift entgegen Regel 99 (1) a) EPÜ in Verbindung mit Regel 41 (2) c) EPÜ nicht die Anschrift der Beschwerdeführerin enthielt. Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert, diesen Mangel innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung dieser Mitteilung zu beheben. Sie wurde auch darauf hingewiesen, dass wenn dieser Mangel nicht rechtzeitig behoben werde, die Beschwerde voraussichtlich gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ in Verbindung mit Regel 101 (2) EPÜ als unzulässig zu verwerfen sei.


III. Am 22. Juli 2020 reichte die Beschwerdeführerin über den EPA-Dienst zur Web-Einreichung ("Web-Einreichung") ein Schreiben sowie als Anlage dazu eine Kopie der Beschwerdeschrift ein, die beide die Anschrift der Beschwerdeführerin enthielten.

IV. In einer Mitteilung vom 22. Oktober 2020 informierte die Geschäftsstelle der Kammer die Beschwerdeführerin, dass der EPA-Dienst zur Web-Einreichung für Unterlagen in Bezug auf das Beschwerdeverfahren nicht genutzt werden dürfe (siehe Artikel 3 des Beschlusses des Präsidenten des EPA vom 9. Mai 2018 über die elektronische Einreichung von Unterlagen, "Beschluss des Präsidenten", ABl. EPA 2018, A45), und benachrichtigte sie, dass daher die Unterlagen vom 22. Juli 2020 als nicht eingegangen gelten würden.

V. Am 3. November 2020 reichte die Beschwerdeführerin die Unterlagen vom 22. Juli 2020 mittels der Online-Einreichung des EPA (OLF) ein. Gleichzeitig stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Weiterbehandlung gemäß Artikel 121 EPÜ und bezahlte die entsprechende Gebühr.

Entscheidungsgründe

1. Einziger Gegenstand dieser Zwischenentscheidung der Kammer ist die Frage, ob die Beschwerde gemäß Regel 101 (2) Satz 2 EPÜ als unzulässig zu verwerfen ist, da der in der Mitteilung vom 13. Juli 2020 festgestellte Mangel, dass die Beschwerdeschrift entgegen der Regel 99 (1) a) EPÜ in Verbindung mit Regel 41 (2) c) EPÜ nicht die Anschrift der Beschwerdeführerin enthielt, nicht fristgerecht behoben wurde.

2. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin ihre Anschrift am 22. Juli 2020 und damit innerhalb der in der Mitteilung gemäß Artikel 108 Satz 1 und Regel 101 (2) EPÜ vom 13. Juli 2020 gesetzten Zweimonatsfrist nachgereicht, jedoch mittels Web-Einreichung.

3. Artikel 3 des Beschlusses des Präsidenten lautet:

Absatz 1: "Die Web-Einreichung darf nicht genutzt werden für ... Unterlagen in Bezug auf Beschwerdeverfahren (Artikel 106 bis 112 EPÜ) ..."

Absatz 2: "Unterlagen, die unter Verstoß gegen Absatz 1 eingereicht werden, gelten als nicht eingegangen. Der Absender wird, sofern er ermittelt werden kann, unverzüglich benachrichtigt."

4. Nach Artikel 3 (1) des Beschlusses des Präsidenten durfte die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall die Web-Einreichung für die elektronische Einreichung der Unterlagen zur Angabe ihrer fehlenden Anschrift nicht nutzen. Daher gilt ihr Schreiben vom 22. Juli 2020 gemäß Artikel 3 (2) Satz 1 des Beschlusses des Präsidenten als nicht eingegangen. Die Beschwerdeführerin hat die Unterlagen vom 22. Juli 2020 nochmals am 3. November 2020 mittels der Online-Einreichung des EPA (OLF), die eine im Beschwerdeverfahren zulässige elektronische Einreichungsform ist, eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die in der Mitteilung vom 13. Juli 2020 gesetzte Zweimonatsfrist für das Nachreichen der fehlenden Anschrift der Beschwerdeführerin bereits am 23. September 2020 (Regel 126 (2) EPÜ und Regel 131 (2) und (4) EPÜ) abgelaufen. Somit wäre die Beschwerde gemäß Regel 101 (2) Satz 2 EPÜ als unzulässig zu verwerfen, es sei denn, es ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliegend anzuwenden oder dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Weiterbehandlung gemäß Artikel 121 EPÜ stattzugeben.

5. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes erfordert unter anderem, dass das EPA den Anmelder auf einen drohenden Rechtsverlust hinweist, wenn ein solcher Hinweis nach Treu und Glauben erwartet werden darf. Dies setzt voraus, dass der Mangel für das EPA im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falls in der entsprechenden Verfahrensphase leicht erkennbar ist und der Benutzer ihn noch fristgerecht beheben kann (siehe G 2/97, ABl. EPA 1999, 123, Entscheidungsgründe 4.1).

6. Auf der anderen Seite wies die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 2/97 darauf hin, dass Benutzer des europäischen Patentsystems zu redlichem Verhalten verpflichtet sind und alles tun müssen, um einen Rechtsverlust zu vermeiden. So kann weder ein Hinweis auf einen Mangel innerhalb des Zuständigkeitsbereiches eines Beteiligten erwartet werden, noch kann die Beschwerdeführerin ihre Verantwortung für die Erfüllung der Voraussetzungen einer zulässigen Beschwerde auf die Beschwerdekammer abwälzen (siehe G 2/97, Entscheidungsgründe 4.2).

7. Im vorliegenden Fall durfte jedoch die Beschwerdeführerin sehr wohl einen solchen Hinweis des EPA erwarten, weil eine Benachrichtigung des Absenders, dass die von ihm mittels Web-Einreichung eingereichten Unterlagen als nicht eingegangen gelten, in Artikel 3 (2) Satz 2 des Beschlusses des Präsidenten explizit genannt wird. Diese Benachrichtigung ist zwar davon abhängig, dass der Absender ermittelt werden kann. Dies ist aber vorliegend der Fall, da der Absender des am 22. Juli 2020 mittels Web-Einreichung eingereichten Schreibens durchaus bekannt war, denn ihm war bereits zuvor eine Aufforderung zur Nachreichung der Anschrift der Beschwerdeführerin zugestellt worden.

8. Nach dem Wortlaut des Artikels 3 (2) Satz 2 des Beschlusses des Präsidenten wird der Absender auch "unverzüglich" darüber benachrichtigt, dass die mittels Web-Einreichung eingereichten Unterlagen als nicht eingereicht gelten. Eine Benachrichtigung des Absenders erfolgte aber im vorliegenden Fall nicht unverzüglich, sondern erst mit einer Mitteilung vom 22. Oktober 2020.

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die in der Mitteilung vom 13. Juli 2020 gesetzte Zweimonatsfrist für das Nachreichen der fehlenden Anschrift der Beschwerdeführerin bereits am 23. September 2020 verstrichen und der Mangel konnte von der Beschwerdeführerin nicht mehr fristgerecht behoben werden.

9. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliegend anzuwenden ist, wenn der Mangel, d.h. die Einreichung der Anschrift der Beschwerdeführerin mittels Web-Einreichung, für das EPA im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falls in der entsprechenden Verfahrensphase leicht erkennbar war und noch fristgerecht von der Beschwerdeführerin behoben werden konnte.

10. Die Beschwerdeführerin wurde in der Mitteilung vom 13. Juli 2020 aufgefordert, die fehlende Anschrift der Beschwerdeführerin innerhalb einer Frist von 2 Monaten nachzureichen. Diese Frist endete am 23. September 2020. Die Beschwerdeführerin reichte die fehlende Angabe zu ihrer Anschrift bereits am 22. Juli 2020 mittels Web-Einreichung ein und somit etwa 2 Monate vor Ablauf der Frist zur Nachreichung ihrer Anschrift. Es steht daher außer Frage, dass die Beschwerdeführerin den Mangel (Einreichung der Unterlagen mittels Web-Einreichung) hätte fristgerecht beheben können, wenn sie über ihn unverzüglich informiert worden wäre.

11. Der Mangel (Einreichung der Unterlagen via Web-Einreichung) war auch für die Geschäftsstelle der Kammer im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falls leicht erkennbar. Das folgt daraus, dass

a) das Deckblatt der Einreichung der Unterlagen am 22. Juli 2020 angab: "Subsequently filed documents related to the EP procedure have been submitted via the web-form filing service. Please carry out the necessary formalities checks.",

b) die elektronische Empfangsbestätigung den Vermerk enthielt: "Method of submission: Web form filing", und

c) die am 22. Juli 2020 eingereichten Unterlagen jeweils eine Fußzeile umfassten mit der Angabe: "Received at EPO via Web-Form on Jul 22, 2020".

12. Die Beschwerdeführerin konnte daher erwarten, dass sie unverzüglich auf die nicht statthafte Einreichung ihres Schreibens vom 22. Juli 2020 mittels Web-Einreichung hingewiesen würde. Dies hätte es ihr - angesichts der fast 2 Monate vor Fristende der ihr gesetzten Zweimonatsfrist erfolgten Nachreichung ihrer Anschrift mittels Web-Einreichung - erlaubt, die fehlende Anschrift mittels einer zulässigen Einreichungsform noch fristgerecht nachzureichen.

13. Die Behebung des Mangels der fehlenden Anschrift mit dem mittels der Online-Einreichung des EPA (OLF) am

3. November 2020 eingereichten Schreiben ist daher in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes als rechtzeitig zu betrachten. Die Beschwerde ist deshalb nicht gemäß Regel 101 (2) Satz 2 EPÜ als unzulässig zu verwerfen. Folglich ist eine Weiterbehandlung im Sinne von Artikel 121 EPÜ nicht erforderlich. Die von der Beschwerdeführerin entrichtete Weiterbehandlungsgebühr ist daher zurückzuzahlen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Behebung des Mangels der fehlenden Anschrift ist als rechtzeitig zu betrachten.

2. Die Weiterbehandlungsgebühr wird zurückerstattet.

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