23 February 2021

T 0966/17 - Legal basis inadmissibility amended claims in opposition

Key points

  • Article 114(2) EPC is about the admissibility (late filed) facts and evidence, not about amended claims. Rule 137 is about the admissibility of claim amendments in examination.  So what is the legal basis for holding amended claims inadmissible in opposition?
  • The present Board explains that the legal basis is Article 123(1) EPC, first sentence in combination with Rule 79(1) and Rule 81(3) EPC 2000.
  • This is fully in line with T0406/86 which is the foundational decision though not frequently cited any more since about 2005.
    • Rule 81(3) reads: “In any communication under Article 101, paragraph 1, second sentence, the proprietor of the European patent shall, where necessary, be given the opportunity to amend, where appropriate, the description, claims and drawings. Where necessary, the communication shall contain a reasoned statement covering the grounds against the maintenance of the European patent.”
    • T0406/86 derived from the phrase “where necessary, be given the opportunity to amend, where appropriate” that any amended claims filed by the patentee without such an invitation from the OD (the vast majority of amended claims in practice) are admissible at the discretion of the OD. This discretion is restricted by Article 113(1) EPC.
    • Rule 81(3) also applies in opposition appeal by way of at least Article 111(1), second sentence, in my view. 
  • The Board, further in the headnote in translation: “A change in the opinion of the opposition division in the oral proceedings with regard to its preliminary opinion communicated with the summons cannot, by itself, mean that any requests must be admitted in the oral proceedings without any discretion for the opposition division”
  • “Insofar as the patent proprietor reacts with new requests to a new line of attack by the opponent and a newly filed document, the decision on admission can take into account whether the requests appear prima facie allowable or whether they should be rejected anyway due to other objections that have been in the proceedings for some time”
  • “In inter partes proceedings, the parties have no right to "detailed instructions" from the deciding panel to remedy the deficiency discussed. Instead, it is up to each party to respond adequately to the  submission of the adverse party”
  • The issue is that the OD had found the main request to be not novel over E1, cited in the notice of opposition, the opponent had filed D18 shortly before the hearing before the OD, and the OD decided not to admit some auxiliary requests filed during the oral proceedings as being not prima face allowable.
EPO T 0966/17



Entscheidungsgründe

Hauptantrag

Neuheit gegenüber E1

1. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 wie erteilt ist nicht neu gegenüber E1 (Artikel 54 EPÜ). Die Kammer folgt hierbei im Wesentlichen der Argumentation der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung.

...

Rüge des schwerwiegenden Verfahrensfehlers

2. Es liegt kein schwerwiegender Verfahrensfehler im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vor und insbesondere wurde auch nicht der Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör verletzt (Artikel 113 EPÜ).

Dem Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird daher nicht stattgegeben.

2.1 Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen moniert, dass die Einspruchsabteilung bei der Entscheidung über die Zulassung der erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge IV und V zum Verfahren kein Ermessen gehabt habe. Die Hilfsanträge IV und V hätten zwingend zugelassen und geprüft werden müssen.

Da jedoch keine vollständige Prüfung der Hilfsanträge IV und V stattgefunden habe, habe die Beschwerdeführerin die konkreten Einwände nicht kennen können und somit auch keine Gelegenheit zum Ausräumen der während der mündlichen Verhandlung geäußerten Einwände durch weiter beschränkte Hilfsanträge gehabt. Folglich sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.

2.2 Zunächst ist festzustellen, dass die Einspruchsabteilung ein Ermessen hatte, über die Zulassung der erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge IV und V zu entscheiden.

2.2.1 Das Ermessen der Einspruchsabteilung, geänderte Anträge zum Verfahren zuzulassen, ergibt sich grundsätzlich aus Artikel 123(1) EPÜ (erster Satz) in Verbindung mit Regeln 79(1) und 81(3) EPÜ.


Nach Artikel 123(1) EPÜ kann die europäische Patentanmeldung und das europäische Patent im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt nach Maßgabe der Ausführungsordnung geändert werden.

Regel 79(1) EPÜ eröffnet darüber hinaus im Einspruchsverfahren dem Patentinhaber die Möglichkeit, innerhalb einer von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist die Beschreibung, die Patentansprüche und die Zeichnungen zu ändern.

Die Zulassung späterer Änderungen steht dagegen im Ermessen der Einspruchsabteilung, wie sich etwa aus Regel 81(3) EPÜ ("wird gegebenenfalls Gelegenheit gegeben") erkennen lässt.

2.2.2 Zum Zeitpunkt der Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war im vorliegenden Fall die Frist von Regel 79(1) EPÜ unbestritten bereits abgelaufen.

2.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Vorlage der Hilfsanträge IV und V dennoch nicht verspätet erfolgt sei.

2.3.1 Die Vorlage der Hilfsanträge IV und V erst in der mündlichen Verhandlung sei ausschließlich in direkter Reaktion auf die verspätete Vorlage des Dokuments D18 wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung erfolgt, von dem die Einsprechende behauptete, dass es den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neuheitsschädlich treffe.

2.3.2 Zudem sei die Beschwerdeführerin davon überrascht worden, dass die Einspruchsabteilung in der Verhandlung nicht mehr ihrer vorab mitgeteilten vorläufigen Meinung folgte, sondern E1 als neuheitsschädlich ansah.

2.3.3 Entsprechend habe sich der Sachverhalt geändert, so dass die Vorlage dieser Hilfsanträge nicht verspätet erfolgt sei und die Einspruchsabteilung folglich kein Ermessen gehabt habe, über die Zulassung der Hilfsanträge IV und V in das Verfahren zu entscheiden.

2.4 Dieser Sichtweise folgt die Kammer nicht. Insbesondere hat sich die Sachlage nicht geändert:

2.4.1 Zum einen verteidigte sich die Beschwerdeführerin mit den Hilfsanträgen IV und V auch gegen den von der Einsprechenden 1 in deren Einspruchsschrift bereits vorgetragenen Neuheitsangriff auf Grundlage des Dokuments E1 und nicht nur gegen das kurzfristig von der Einsprechenden vorgelegte Dokument D18. Diese von Anfang an vorgetragene, auf E1 beruhende Argumentationslinie war letztlich ja auch durchgreifend, wie die Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat, als sie entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht neu ist gegenüber E1.

2.4.2 Zum anderen kann allein eine Änderung der Auffassung der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf ihre mit der Ladung kommunizierte vorläufige Meinung nicht dazu führen, dass in der mündlichen Verhandlung beliebige Anträge ohne ein Ermessen der Einspruchsabteilung zugelassen werden müssen.

a) So kann sich die Beschwerdeführerin nicht auf die in der Ladung ausgeführte vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung verlassen, gemäß der die Neuheit gegenüber E1 gegeben zu sein schien. Es liegt in der Natur einer vorläufigen Meinung, dass diese nicht endgültig ist und sich im Lauf des Verfahrens noch ändern kann, wie es die Kammer beispielsweise auch schon in T 0558/95 entschied (siehe Abschnitt 2.4 der Entscheidungsgründe).

b) Die von der Beschwerdeführerin angezogene Entscheidung T 0688/16 ist vorliegend nicht einschlägig.

i) In dem der T0688/16 zugrundeliegenden Sachverhalt hat nach einem positiven Bescheid zur Ladung die Einspruchsabteilung ihre Auffassung zur Frage der Neuheit in der mündlichen Verhandlung geändert. Daraufhin reichte die Inhaberin einen Hilfsantrag ein, der die Neuheit angeblich hätte herstellen sollen. Dieser Hilfsantrag wurde lediglich prima facie geprüft und wegen offensichtlicher Nicht-Gewährbarkeit nicht in das Verfahren zugelassen. In T0688/17 ist festgestellt worden, dass der betreffende Hilfsantrag in das Verfahren hätte zugelassen werden müssen, da die Einspruchsabteilung kein Ermessen gehabt habe.

ii) Auch im vorliegenden Fall ist im Bescheid zur Ladung von der Einspruchsabteilung die Meinung vertreten worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt (Hauptantrag) neu ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Einspruchsabteilung jedoch ihre Auffassung diesbezüglich zum Nachteil der Patentinhaberin geändert.

Die Diskussion der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung auf den Hauptantrag folgenden Hilfsanträge I bis III (in der Entscheidung der Einspruchsabteilung als "Hilfsanträge 1 bis 3" bezeichnet) drehte sich dann aber nicht mehr um Neuheit, sondern um mehrere - in den Hilfsanträgen I bis III jeweils unterschiedliche - unzulässige Zwischenverallgemeinerungen, die dadurch entstanden sind, dass Merkmale aus ein und dem selben, in Figur 1 gezeigten Ausführungsbeispiel der Beschreibung in den jeweiligen Anspruch 1 übernommen wurden. Dieser Einwand der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung aus diesem Ausführungsbeispiel wurde bereits von der Einsprechenden 2 im schriftlichen Verfahren vor der mündlichen Verhandlung in Hinblick auf die Hilfsanträge I - III erhoben (siehe Schreiben der Einsprechenden 2 vom 25. November 2016 auf Seite 1, letzter Absatz sowie Abschnitte III.1, IV.1 und V.1).

Insofern hätten die Hilfsanträge IV und V, die erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung der Einspruchsabteilung vorgelegt wurden, bereits die von der Einsprechenden 2 zuvor beschriebene Problematik der Zwischenverallgemeinerung berücksichtigen müssen.

Daher ist die der Entscheidung T0688/16 zugrundeliegende Situation nicht mit der vorliegenden Sache vergleichbar.

c) Soweit die Patentinhaberin mit neuen Anträgen auf eine neue Angriffslinie der Einsprechenden und ein insoweit neu eingereichtes Dokument reagiert, kann bei der Entscheidung über die Zulassung somit berücksichtigt werden, ob die Anträge prima facie gewährbar erscheinen oder ohnehin aufgrund anderer schon länger im Verfahren befindlicher Einwände zurückzuweisen wären.

d) Die Sache ist vorliegend aber auch anders gelagert als in der von der Beschwerdeführerin ebenfalls angezogenen Entscheidung T 623/12.

i) Im zur Entscheidung T 623/12 führenden Verfahren wurde die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung bei der Diskussion des letzten von der Einspruchsabteilung zugestandenen Hilfsantrags 8 erstmalig mit einem gänzlich neuen Einwand einer unzulässigen Änderung bezüglich eines bisher nicht in Frage stehenden Merkmals konfrontiert - obwohl dieses Merkmal auch in höherrangigen Anträgen bereits enthalten war, aber dort nicht von der Einsprechenden gerügt wurde.

Gleichzeitig ließ die Einspruchsabteilung aber keine weiteren Änderungen mehr zu, so dass die Patentinhaberin keine Möglichkeit mehr hatte, auf den neu vorgebrachten Mangel zu reagieren.

Die Kammer sah in der Verweigerung der Möglichkeit, auf den neu vorgebrachten Mangel zu reagieren, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

ii) Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführerin dagegen zu keinem Zeitpunkt die Vorlage weiterer neuer Hilfsanträge oder die Modifikation bestehender Hilfsanträge verweigert, wie die Beschwerdeführerin selbst bestätigte.

2.5 Aus Sicht der Kammer ist es auch unerheblich, ob nun in den Hilfsanträgen IV und V exakt die selben Merkmale im jeweiligen Anspruch 1 zum Mangel der unzulässigen Erweiterung geführt haben wie in den Hilfsanträgen I bis III, da während oder nach der Diskussion über die Hilfsanträge IV und V - auch wenn diese, wie vorgebracht, nur kurz war - die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt hätte, einen Antrag auf Änderung der Hilfsanträge IV und/oder V zu stellen.

2.5.1 So ist ausweislich des Protokolls von der Einsprechenden 1 gerügt worden, dass es "im Absatz [0037] der Patentanmeldung weitere Merkmale gibt, die in Kombination mit den aufgenommenen Merkmalen beschrieben wurden, jedoch nicht im Anspruch 1 wiederzufinden sind", vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Punkt 5.3, zweiter Absatz.

2.5.2 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Einspruchsabteilung vor einer Entscheidung zu den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ bezüglich der Hilfsanträge IV und V den Parteinen eine vollständige Aufzählung aller im Ausführungsbeispiel genannten Merkmale geben hätte müssen, die aus ihrer Sicht untrennbar miteinander verbunden sind und so nur zusammen in den unabhängigen Anspruch aufgenommen werden hätten dürfen.

Die Parteien haben insbesondere in einem strittigen Verfahren kein Anrecht auf eine "detaillierte Anleitung" durch das entscheidende Organ zur Behebung des diskutierten Mangels. Stattdessen obliegt es jeder Partei, selbst auf den Vortrag des Verfahrensgegners adäquat zu reagieren.

2.5.3 Somit war die Problematik, dass in den Ansprüchen der Hilfsanträge IV und V zwar ein Datenspeicher genannt wurde, aber nicht alle damit untrennbar verbundenen Merkmale des Absatzes [0037] der Beschreibung in den Anspruch aufgenommen wurden, der Beschwerdeführerin zumindest aus der detaillierten Diskussion der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ in Hinblick auf die Hilfsanträge I bis III bekannt. Damit hatte sie - auch ohne eine eingehende Prüfung der Hilfsanträge IV und V - die Möglichkeit, auf die mit Bezug auf die Hilfsanträge IV und V erhobenen Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ in Form von weiteren Änderungen zu reagieren, was die Beschwerdeführerin aber ihren Angaben zufolge gar nicht erst versucht hat.

Hilfsanträge VI - XI

3. Die Hilfsanträge VI - XI wurden mit der Beschwerdebegründung vorgelegt und die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung für den Fall, dass die Kammer einen schwerwiegenden Verfahrensfehler bejahe, diese Anträge zu dessen Heilung zum Verfahren zuzulassen.

Nachdem kein Verfahrensfehler vorliegt, ist die Voraussetzung unter der die Hilfsanträge VI - XI gestellt wurden, nicht erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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