Key points
- The claim of the granted is directed to a method of making dental replacement parts. According to the Board, the claim has an implicit surgical method and this forms a ground for revocation under Article 53(c) EPC.
- The present Board: "Zwar stellt Art. 84 EPÜ keinen Einspruchsgrund dar, der einen Widerruf des Patents rechtfertigen könnte. Wenn aber wesentliche Merkmale der Erfindung im Anspruch fehlen, müssen diese bei der Interpretation des Anspruchs im Hinblick auf Artikel 53(c) EPÜ mitgelesen werden. Dabei ist es gleichbedeutend, ob das wesentliche Merkmal von Anfang an nicht im Anspruch enthalten war, oder ob es nachträglich gestrichen wurde."
- The Board, in translation: "Hence, it must be considered whether the claimed invention is fully and comprehensively defined by the wording of claim 1".
- As a comment, here it is apparently not the 'invention as defined in the claim' that is examined, but the 'claimed invention' which appears to be something different.
- The Board studies the description and finds an essential method step which is also important for novelty and inventive step (but is not recited in the claim), "weil dieser Schritt genau den Beitrag darstellt, der über den Stand der Technik hinausgeht"
- "as beanspruchte Verfahren kann nicht durchgeführt werden ohne die unmittelbare Durchführung des Zwischenschrittes der Präparation der Zähne, weil sonst die zweite Abformung nicht erstellt werden könnte. Ohne diesen Verfahrensschritt wäre die Erfindung im Sinne der G 1/07 daher auch nicht vollständig und umfassend beschrieben. Er ist also ebenfalls implizit im beanspruchten Verfahren enthalten."
- "Naturgemäß wird die Präparation der Zähne direkt am Patienten durchgeführt und stellt einen chirurgischen Verfahrensschritt dar, weil dabei invasiv und in erheblichem Maße Körpergewebe entfernt wird."
- Hence, the claimed method is excluded from patentability under Article 53(c).
T 1631/17 - https://www.epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t171631du1.html
V. Die unabhängigen Verfahrensansprüche haben folgenden Wortlaut:
a) Hauptantrag (erteilte Fassung)
"Verfahren zum Herstellen von Zahnersatzteilen, bei dem in eine erste Abformung eines Teils des menschlichen Gebisses erhärtbares Zahnersatzmaterial eingegeben wird, in dieses Material ein aus einer zweiten Abformung hergestelltes Positivmodell hineingedrückt wird, und das nach dem Hineindrücken übrig gebliebene Zahnersatzmaterial zum Bilden des/der Zahnersatzteile erhärten gelassen wird, wobei als zweite Abformung die Abformung eines menschlichen Gebisses verwendet wird, das zur Anbringung des/der Zahnersatzteile präpariert ist, dadurch gekennzeichnet, dass als erste Abformung die Abformung eines menschlichen Gebisses verwendet wird, in dem fehlende Zahnsubstanz ergänzt ist."
Entscheidungsgründe
1. Explizite Verfahrensschritte
Es ist unbestritten, dass der Wortlaut von Anspruch 1 keinen expliziten Verfahrensschritt beinhaltet, der im Sinne von Artikel 53(c) EPÜ als chirurgisch anzusehen wäre.
2. Implizite Verfahrensschritte
2.1 Es ist nicht notwendig, dass ein Anspruch explizit einen chirurgischen Verfahrensschritt aufweist, damit er von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist. Hierfür genügt es, dass das beanspruchte Verfahren einen solchen Schritt umfasst (siehe G 1/07, Gründe 4.1 - 4.3).
Die Große Beschwerdekammer führte unter Punkt 4.3.1 folgendes aus:
"Nach Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 43 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Das heißt, der Anspruch sollte alle wesentlichen Merkmale ausdrücklich angeben, die zur Definition der Erfindung erforderlich sind. Außerdem muss der Anspruch klar sein (G 1/04, a. a. O., Nr. 6.2 der Entscheidungsgründe). Ob ein Schritt, der einen von der Patentierbarkeit ausgeschlossenen chirurgischen Verfahrensschritt darstellt oder umfasst, durch eine positive Formulierung wie "vorher verabreicht" oder durch einfaches Weglassen aus dem Anspruch ausgeklammert werden kann, hängt nach Artikel 84 EPÜ davon ab, ob die beanspruchte Erfindung auch ohne diesen Schritt durch die übrigen Anspruchsmerkmale vollständig und umfassend beschrieben ist. Dies muss jeweils im Einzelfall entschieden werden."
Zwar stellt Art. 84 EPÜ keinen Einspruchsgrund dar, der einen Widerruf des Patents rechtfertigen könnte. Wenn aber wesentliche Merkmale der Erfindung im Anspruch fehlen, müssen diese bei der Interpretation des Anspruchs im Hinblick auf Artikel 53(c) EPÜ mitgelesen werden. Dabei ist es gleichbedeutend, ob das wesentliche Merkmal von Anfang an nicht im Anspruch enthalten war, oder ob es nachträglich gestrichen wurde.
Es ist deswegen zu klären, ob die beanspruchte Erfindung durch den Wortlaut des Anspruchs 1 vollständig und umfassend definiert wird oder nicht. Dafür ist unter anderem die Beschreibung zu Rate zu ziehen.
2.2 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Zahnersatzteilen. Ziel der Erfindung ist es, ein Verfahren zu schaffen, mit dem die Herstellung von Zahnersatzteilen wesentlich einfacher ist als bei existierenden Verfahren, die dem Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 entsprechen (siehe die Beschreibung des im Streitpatent als nächstliegender Stand der Technik zitierten Dokuments WO98/35630). Das dort beschriebene Verfahren beinhaltet ein erstes Abformen der Zähne im Originalzustand, das Präparieren der Zähne und ein zweites Abformen der präparierten Zähne sowie die Herstellung des Zahnersatzes mit Hilfe dieser beiden Abformungen.
Gemäß den Absätzen [0008] und [0026]-[0029] der Beschreibung beginnt das erfindungsgemäße Verfahren damit, dass die erste Abformung von einem Gebiss genommen wird, in dem zunächst provisorisch die fehlende Zahnsubstanz ergänzt wurde. Dies entspricht dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs und wird vor der Präparation der Zähne durchgeführt.
Die Zahnsubstanz wird also zuerst (provisorisch) ergänzt, dieses "fertige" Gebiss wird abgeformt und erst danach werden die Zähne für die zweite Abformung präpariert. Dadurch kann die gewünschte äußere Form des Zahnersatzes direkt vom Zahnarzt am Patienten gestaltet und die Herstellung der Zahnersatzteile durch den Zahntechniker wesentlich vereinfacht werden.
Daraus ergibt sich, dass das Ergänzen der fehlenden Zahnsubstanz ein wesentliches Merkmal der Erfindung darstellt. Im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb, weil dieser Schritt genau den Beitrag darstellt, der über den Stand der Technik hinausgeht. Dieser Verfahrensschritt muss daher bei der Auslegung des Anspruchs mitgelesen werden.
Das beanspruchte Verfahren beginnt daher implizit, d.h. nicht ausdrücklich aber zwangsläufig, bereits mit dem Ergänzen der fehlenden Zahnsubstanz.
2.3 Die Präparation der Zähne, die nach der ersten Abformung stattfindet (siehe Absatz [0027] der Beschreibung) liegt damit auch zeitlich und räumlich innerhalb des beanspruchten Verfahrens. Das beanspruchte Verfahren kann nicht durchgeführt werden ohne die unmittelbare Durchführung des Zwischenschrittes der Präparation der Zähne, weil sonst die zweite Abformung nicht erstellt werden könnte. Ohne diesen Verfahrensschritt wäre die Erfindung im Sinne der G 1/07 daher auch nicht vollständig und umfassend beschrieben. Er ist also ebenfalls implizit im beanspruchten Verfahren enthalten.
2.4 Naturgemäß wird die Präparation der Zähne direkt am Patienten durchgeführt und stellt einen chirurgischen Verfahrensschritt dar, weil dabei invasiv und in erheblichem Maße Körpergewebe entfernt wird. Außerdem ist nicht in Frage gestellt worden, dass die Präparation der Zähne einen chirurgischen Schritt darstellt.
2.5 Anders als von der Beschwerdeführerin vorgetragen, kann also das Verfahren nicht ausschließlich im Labor, in Abwesenheit des Patienten stattfinden. Ohne die Herstellung der Abformungen - die am Patienten stattfindet - kann das labortechnische Verfahren nicht durchgeführt werden.
2.6 Folglich umfasst das beanspruchte Verfahren einen chirurgischen Schritt und ist deswegen infolge von Artikel 53 (c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.