16 April 2020

T 2069/18 - The rationale for renewal fees

Key points

  • The applicant requests a refund of the renewal fees paid during seven years of inactivity of the EPO.
  • The Board refuses the application. The invention appears to relate to user interface software for touch displays for vehicles.
  • The Board considers the request for refund admissible but unallowable.
  • The Board: “Der Antrag auf Rückzahlung von 7 Jahresgebühren ist entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung zulässig. Wie die Prüfungsabteilung als solches im Ergebnis zwar zutreffend gesehen hat, ist eine Rechtsgrundlage für einen solchen Antrag nicht gegeben. Dies hindert jedoch nicht die verfahrensrechtliche Zulässigkeit eines solchen Antrags, sondern gegebenenfalls seine Begründetheit.”
  • The Board explains that the renewal fees ensure both that only economically valuable patent applications (and patents) are kept in force and, together with the other fees, the general financing of the EPO. The renewal fees become due independently of any activity of the EPO other than the mere keeping of the file (r. 7.11).
  • The inactivity was from May 2007 to February 2016. The application was handled by in house counsel of the applicant.


EPO Headnote
Die ursprünglich mit Rechtsgrund angeforderten und gezahlten Jahresgebühren wandeln sich durch eine zögerliche Tätigkeit des Amts im Prüfungsverfahren nicht nachträglich in rechtsgrundlos geleistete um (Punkt 7 der Entscheidungsgründe).


EPO T 2069/18 -  link



6. Da keiner der vorliegenden Anträge gewährbare Ansprüche beinhaltet, bleibt die Beschwerde in dieser Hinsicht ohne Erfolg.

7. Antrag auf Rückzahlung von Jahresgebühren

7.1 Die Prüfungsabteilung hat mit der angefochtenen Entscheidung auch den Antrag der Anmelderin auf Rückzahlung von 7 Jahresgebühren wegen wenigstens 7jähriger Untätigkeit der Abteilung im Prüfungsverfahren als unzulässig verworfen. Dazu hat sie als Begründung ausgeführt, dass die von der Anmelderin zitierten Vorschriften keinerlei Rechtsgrundlage für die Rückzahlung der mit Rechtsgrund gezahlten Jahresgebühren ergäben.


7.2 Der Antrag auf Rückzahlung von 7 Jahresgebühren ist entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung zulässig. Wie die Prüfungsabteilung als solches im Ergebnis zwar zutreffend gesehen hat, ist eine Rechtsgrundlage für einen solchen Antrag nicht gegeben. Dies hindert jedoch nicht die verfahrensrechtliche Zulässigkeit eines solchen Antrags, sondern gegebenenfalls seine Begründetheit.

7.3 Die Beschwerdeführerinnen haben sich zur Begründung dieses Antrags auf die Verletzung von Artikel 1 ,,Schutz des Eigentums" des Zusatzprotokolls der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in Folgenden: EMRK) in Verbindung mit den Travaux préparatoires, Art. 86 D, Ergebnisse der vierten Sitzung der Arbeitsgruppe ,,Patente" vom 8. bis 19. Januar 1962 in Brüssel, VI/215/62-D, gestützt.

7.4 Sie haben ausgeführt, die Erhebung einer Jahresgebühr beruhe nach dem legislatorischen Willen, der sich aus den zitierten Travaux préparatoires ergebe, nicht darauf, die Kosten des Europäischen Patentamts bis zu der Patenterteilung zu decken. Sie diene vielmehr einzig und allein dazu, den Anmelder zu zwingen, zu seiner Anmeldung Stellung zu nehmen. Dies hätten sie, die Beschwerdeführerinnen, jedoch im Prüfungsverfahren stets getan, so dass die Zahlung während der jahrelangen Untätigkeit der Prüfungsabteilung (von Mai 2007 bis Februar 2016) ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Damit sei in das Eigentum der Beschwerdeführerinnen eingegriffen worden, ohne dass hierfür ein ggf. rechtfertigendes öffentliches Interesse bestanden hätte. Die EMRK sei im Rahmen des EPÜ unmittelbar anwendbares Recht und letzterem gegenüber vorrangig. Ebenso sei der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelte "Grundsatz der praktischen Anwendbarkeit der gewährten Rechte" anwendbar. Der enteignete Betrag sei daher zu erstatten.

7.5 Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Der mit der Überschrift "Schutz des Eigentums" versehene Artikel 1 Abs.1 des Zusatzprotokolls zur EMRK bestimmt, dass jede natürliche oder juristische Person das Recht auf Achtung ihres Eigentums hat. Niemandem darf danach sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Rechte aus derartigen übergeordneten Rechtsvorschriften können generell nur insoweit hergeleitet werden, als die einschlägigen gesetzlichen Regelungen ihnen in sinnwidriger Weise entgegenstehen. Absatz 2 dieser Regelung hebt jedoch das Recht des Staates hervor, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums unter bestimmten Interessengesichtspunkten für erforderlich hält.

7.6 Hieraus ergibt sich unter keinem der von den Beschwerdeführerinnen erwähnten Gesichtspunkte eine Rechtsgrundlage für die Rückzahlung der Jahresgebühren.

7.7 Rechte aus derartigen übergeordneten Rechtsvorschriften können generell nur insoweit hergeleitet werden, als die einschlägigen gesetzlichen Regelungen ihnen in sinnwidriger Weise entgegenstehen. Davon kann hier keine Rede sein.

7.8 Die Zahlung der Jahresgebühren beim EPA richtet sich nach Artikel 86 EPÜ. Dass dies die Rechtsgrundlage für die Anforderung von Jahresgebühren ist, haben die Beschwerdeführerinnen auch nicht bestritten. Danach sind für die europäische Patentanmeldung nach Maßgabe der Ausführungsordnung Jahresgebühren an das Europäische Patentamt zu entrichten. Sie werden für das dritte und jedes weitere Jahr, gerechnet vom Anmeldetag an, geschuldet. An eine bestimmte Tätigkeit oder Untätigkeit der beteiligten Personen ist diese Bestimmung nicht gekoppelt, und zwar weder seitens des Anmelders, noch der Prüfungsabteilung. Daher kommt es allgemein für die Fälligkeit von Jahresgebühren auf die Frage, welchen Zeitraum die Prüfungsabteilung bis zur endgültigen Bearbeitung der Anmeldung gebraucht hat, ebenso wenig an wie auf den Zeitraum, die der Anmelder zur Beantwortung von Bescheiden benötigt hat. Das läuft vorliegend darauf hinaus, dass die hier betroffenen Jahresgebühren rechtmäßig entstanden und zu Recht angefordert worden sind. Dies hat die Prüfungsabteilung zutreffend festgestellt.

7.9 Es sind in der Gebührenordnung zwar Rückerstattungsregelungen wie z.B. Artikel 9 bis 11 GebO vorgesehen. Diese sind hier nicht einschlägig, auf sie haben sich die Beschwerdeführerinnen auch nicht berufen. Diese Regelungen zeigen aber, dass der Gesetzgeber des EPÜ 1973 die Möglichkeiten der Rückzahlung von Gebühren gesehen und auch für bestimmte Fälle geregelt hat. Auch im Übrigen erstattet das EPA regelmäßig rechtsgrundlos geleistete Zahlungen aus Billigkeitsgründen von sich aus, wie auch die Beschwerdeführerinnen zutreffend vorgetragen haben.

7.10 Die ursprünglich mit Rechtsgrund angeforderten und gezahlten Jahresgebühren wandeln sich durch eine zögerliche Tätigkeit des Amts im Prüfungsverfahren nicht nachträglich in rechtsgrundlos geleistete um. Derartiges ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht aus den von ihnen in Bezug genommenen Dokumenten der Travaux préparatoires. Den zitierten Protokollstellen lässt sich zwar im Sinne des Vortrags der Beschwerdeführerinnen entnehmen, dass der Präsident der Arbeitsgruppe Patentrecht im Jahr 1962 der Auffassung war, dass die Jahresgebühren nicht der Finanzierung des EPA während der Prüfungsphase dienten, sondern den Anmelder zur Reaktion auf Beanstandungen des EPA zwingen sollten.

Auf diesem Hintergrund lässt sich jedoch kein Rückzahlungsanspruch aus einem Eingriff in das Eigentum konstruieren. Die zitierten Hintergrundgespräche aus dem Jahr 1962 - 11 Jahre vor dem Inkrafttreten des EPÜ 1973 - mögen zwar so stattgefunden haben, zeigen aber keineswegs, dass der dort genannte Grund der einzige für das Vorsehen von Jahresgebühren war, und ebenso auch nicht, dass bei Verzögerungen im Verfahren vor dem EPA trotz stets rechtzeitiger Reaktionen des Anmelders Gebühren zu erstatten wären.

7.11 Tatsächlich soll zum einen durch die Entrichtung von Jahresgebühren sichergestellt werden, dass nur die wirtschaftlich wertvollen Anmeldungen (und Patente) am Leben gehalten werden. Durch die regelmäßige Zahlung zeigt der Anmelder dem EPA und der Öffentlichkeit, dass er noch immer an der Anmeldung interessiert ist. Weiterhin dient die Jahresgebühr zusammen mit weiteren nach dem EPÜ vorgesehenen Gebühren der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs, der bei der Unterhaltung einer Behörde wie des EPA, das Monopolrechte erteilt und aufrechterhält, zwangsläufig entsteht. Dass dies dem gesetzgeberischen Willen entsprach, zeigt sich auch darin, dass die Jahresgebühr - anders als z. B. die Prüfungsgebühr - abgesehen von der reinen Aktenverwaltung als solcher gerade unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit des Amts fällig wird

(Singer / Stauder - Preller, EPÜ, 8. Aufl. 2019, Art.2 GebO, Rn. 134, 163).

7.12 Eine Enteignung kann darin nicht gesehen werden. Eine solche setzt einen rechtswidrigen Eingriff voraus. Die Gebührenanforderung war jedoch, wie bereits ausgeführt, nach den bestehenden Normen rechtmäßig.

7.13 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ergibt sich auch aus den beiden Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts G 1/05 vom 7. Dezember 2006 und G 2/08 vom 15. Juni 2009 nichts Gegenteiliges. In beiden Entscheidungen wird zwar Artikel 6 EMRK zitiert. Diese Vorschrift befasst sich aber mit der Gewährleistung von zwingenden Verfahrensgrundrechten wie etwa dem Grundsatz der Gleichbehandlung und des Rechts der Beteiligten auf ein faires Verfahren. Daraus lässt sich für die vorliegende Fragestellung nichts Weiterführendes entnehmen.

7.14 Daher ist die Beschwerde auch in diesem Punkt unbegründet.

8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr

Gemäß Regel 103(1)a) EPÜ kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur in Betracht, wenn sie wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers der Billigkeit entspricht und der Beschwerde stattgegeben wird. Da letzteres nicht der Fall ist, ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr schon aus diesem Grund nicht anzuordnen.

9. Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer

9.1 Eine Beschwerdekammer kann die Große Beschwerdekammer nach Artikel 112(1)a) EPÜ befassen, wenn eine Rechtsfrage fallentscheidend ist, deren Beantwortung nach Auffassung der Kammer für eine einheitliche Rechtsanwendung oder wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung erforderlich ist.

9.2 Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerinnen keine konkrete Rechtsfrage formuliert haben, die nach ihrer Auffassung vorzulegen wäre, sieht die Kammer für eine Vorlage auch von Amts wegen keine Veranlassung. Die Kammer vermag nicht zu erkennen, dass sich vorliegend eine Rechtsfrage von "übergeordneter Bedeutung" stellt, die - nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen - zudem eine Vielzahl von Fällen betreffen sollte. In diesem Sinne ist eine uneinheitliche Rechtsprechung der Beschwerdekammern betreffend die Rückzahlung von Jahresgebühren nicht feststellbar. Derartiges haben auch die Beschwerdeführerinnen selbst nicht behauptet.

9.3 Soweit die Beschwerdeführerinnen weiter eine "komplizierte Rechtslage" gesehen haben, ergibt sich daraus ebenfalls keine Vorlagepflicht der Kammer. Diese hat die Rechtslage selbständig zu klären und hat dies auch getan. Die Feststellung der Tatsache, dass es für das vorliegende Rückzahlungsbegehren betreffend die Jahresgebühren keine Rechtsgrundlage gibt, hat für die Kammer keine vorzulegende Rechtsfrage aufgeworfen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung von Jahresgebühren wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag, die Frage der Rückzahlung der Jahresgebühren der Grossen Beschwerdekammer vorzulegen, wird zurückgewiesen.
4. Die Beschwerdegebühr wird nicht erstattet.

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