- This decision concerns an opposition appeal. The decision touches upon numerous interesting aspects.
- Firstly, the admissibility of AR-1 to 3, which correspond to requests filed before the OD (one month before the oral proceedings before the OD). The OD had found the Main Request allowable and therefore the OD did not consider these requests. Article 12(4) RPBA 2007 applies. The Board considers that for such a scenario, Article 12(4) RPBA 2007 does not provide a ground for holding the requests inadmissible; the Board also sees no other grounds for excluding these requests.
- I note that the Board does not assess whether the requests were late-filed or not before the OD.
- About admissibility of AR-8 filed at the end of the oral proceedings before the Board: this request can not be held inadmissible only because it was filed late in the procedure, because the matter of how a particular claim feature was to be interpreted, was only raised in the appeal proceedings during the oral proceedings before the Board. Importantly, the Board adds that an earlier discussion of precisely hat issue already before the OD is not relevant for the admissibility.
- The Board: “Grundsätzlich sollte der Beschwerdegegnerin [patentee], die erst während der mündlichen Verhandlung mit diesem Einwand konfrontiert wurde, daher die Gelegenheit gegeben werden, diesen Einwand auszuräumen. Somit kann allein der Umstand der späten Einreichung eine Nichtzulassung des Hilfsantrags 8 nicht rechtfertigen.”
- However, AR-8 is not admitted because it prima facie raises issues of Article 123(2).
- For inventive step, the Board considers the minimum temperature recited in the claim (which is a distinguishing feature) to be an arbitrary choice (or arbitrary variation) which does not contribute to inventive step because choosing arbitrarily is routine.
- “Da insbesondere nicht gezeigt wurde, dass diesem Wert von 90 °C eine besondere Bedeutung zuzumessen ist, ist das Merkmal M2 weder zielgerichtet noch kritisch, sondern als rein willkürlich gewählt zu betrachten. Diese willkürliche Wahl einer hohen Temperatur bei der Polyesterschmelzstrangzerteilung stellt jedoch wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt, ohne dass es ein erfinderisches Zutun seinerseits bedürfte.” (emphasis added).
- The Board also notes that for the question whether the CPA document D2 discloses a certain claim feature, the broadest technically meaningful interpretation of the claim feature is to be used.
- Was den Begriff "Dosiereinrichtung" gemäß Merkmal M7 betrifft, wurde von der Beschwerdegegnerin nicht gezeigt, dass dieser eine eindeutige Bedeutung hat. Somit ist dieser Begriff in seiner breitesten, technisch sinnvollen Bedeutung zu verstehen.
[...] Schließlich teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin nicht, wonach dem Begriff "Dosiereinrichtung" im Hinblick auf die Gesamtoffenbarung der Patentschrift eine eingeschränkte Bedeutung zuzuordnen sei. Wie im vorherigen Absatz ausgeführt, muss diesem Begriff seine breiteste technisch sinnvolle Bedeutung gegeben werden.
EPO T 0939/16 - link
Entscheidungsgründe
Entgegenhaltung D8 - Zulassung
1. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nahm die Beschwerdeführerin, bei der Erörterung der Frage der erfinderischen Tätigkeit Bezug auf die Entgegenhaltung D8, um ihre Argumentation zu stützen, dass das Merkmal M2 des erteilten Anspruchs 1 im Beispiel 3, Variante B, der D2 implizit offenbart sei.
1.1 Jedoch beantragte die Beschwerdegegnerin, die Entgegenhaltung D8 nicht ins Verfahren zuzulassen.
1.2 Was die Zulassung der D8 betrifft, ist zunächst zu klären, wann diese Entgegenhaltung im Verfahren zum ersten Mal herangezogen wurde, was zwischen den Parteien strittig war.
In diesem Zusammenhang brachte die Beschwerdeführerin vor, dass D8 bereits seit dem Beginn des Beschwerdeverfahrens im Verfahren sei, da sie einerseits in D2 zitiert und anderseits das Prioritätsdokument der D3 sei, wobei D2 und D3 zweifellos im Verfahren seien. Jedoch spielt die Tatsache, dass D8 in D2 zitiert ist, oder dass D3 im Verfahren ist, für die Frage, ob das Dokument D8 bereits im Verfahren ist, keine Rolle, und dies, unabhängig davon, ob D8 das Prioritätsdokument von D3 ist oder nicht. Es ist lediglich zu klären, wann die Entgegenhaltung D8 per se zum ersten Mal von einer der Parteien herangezogen wurde. Diesbezüglich kam die Kammer in der mündlichen Verhandlung im Einklang mit den Parteien zu dem Ergebnis, dass die Entgegenhaltung D8 von der Beschwerdeführerin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer herangezogen wurde.
1.3 Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf die Entgegenhaltung D8 stützte, stellte eine Änderung ihres Vorbringens dar, über deren Zulassung nach den Bestimmungen der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) zu entscheiden war.
1.4 Nach dem Artikel 25 (3) der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020), die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, ist der Artikel 13 der VOBK 2007 weiterhin anwendbar, wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor Inkrafttreten der revidierten Fassung zugestellt wurde. Deshalb ist die Frage der Zulassung der D8 nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 zu beurteilen.
1.5 D8 wird in den Absätzen 13 und 14 der D2, die das in den Beispielen der D2 durchgeführte Latentwärmekristallisationsverfahren beschreiben, explizit erwähnt. Da es sich um eine deutsche Patentanmeldung handelt, war diese Entgegenhaltung problemlos zugänglich und hätte jederzeit von der Beschwerdeführerin herangezogen und nach Bedarf eingereicht werden können.
1.6 Die Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgehend vom Beispiel 3 der D2 als nächstliegendem Stand der Technik war bereits Teil der angefochtenen Entscheidung und wurde auch in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin ausdrücklich behandelt. Dabei ist es erforderlich, die Unterscheidungsmerkmale der vorliegenden Ansprüche gegenüber dem Stand der Technik zu identifizieren. Somit hätte die Beschwerdeführerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren oder spätestens in ihrer Beschwerdebegründung die Entgegenhaltung D8 heranziehen müssen, wenn sie der Meinung war, dass diese Entgegenhaltung von Bedeutung sein könnte. Dies wäre zudem in verstärktem Maße angebracht gewesen, da die D8 in der D2 zitiert wird und somit der Beschwerdeführerin ohne weiteres bekannt sein musste.
1.7 Somit gibt es keine Rechtfertigung die Entgegenhaltung D8 erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer heranzuziehen.
1.8 Dies wäre insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren, das die Parteien verpflichtet, alle Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich einzureichen, und auch aus Gründen der Fairness gegenüber der Beschwerdegegnerin, für die so rechtzeitig wie möglich ersichtlich sein soll, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Streitpatents in Frage stellt und welche die Gründe dafür sprechen, geboten gewesen.
1.9 Aus diesen Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 13 (1) VOBK 2007 entschieden, die Entgegenhaltung D8 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Hauptantrag (erteiltes Patent)
2. Priorität und Entgegenhaltung D4
Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass die im Streitpatent beanspruchte Priorität P1 (Anmeldetag: 26. August 2005) nicht anerkannt werden konnte, weil der im erteilten Anspruch 1 genannte Bereich der intrinsischen Viskosität (I.V.) in P1 nicht offenbart sei (vgl. angefochtene Entscheidung, Nummer 5 der Gründe), wurde von den Parteien nicht bestritten. Somit gibt es keinen Grund von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung abzuweichen, wonach D4 zum Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ gehört und für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des erteilten Anspruchs 1 heranzuziehen ist.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass D2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer sieht auch keinen Grund davon abzuweichen.
3.1.2 In diesem Zusammenhang stellt das Beispiel 3, Variante B, von D2 einen besonders gut geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar (siehe Absätze 31, 42, 43, 45 sowie die Tabelle auf Seite 7 und die Figur 1 von D2). Gemäß Beispiel 3, Variante B, der D2 werden Chips nach einer sogenannten Latentwärmekristallisation hergestellt (D2: Absatz 43), wobei ein solches Verfahren in D2 wie folgt beschrieben wird (Absätze 13 und 14):
"[0013] Weiterhin wird in einer noch nicht veröffentlichten deutschen Patentanmeldung, Aktenzeichen DE 103 49 016, ,,Verfahren zur Herstellung von Kunststoffgranulat", beschrieben, dass direkt nach einer Unterwassergranulation die gerade hergestellten Pellets sehr schnell vom Wasser befreit werden und unter Nutzung der Eigenwärme trocknen und kristallisieren. Um ein Verkleben der Chips zu vermeiden, werden die Pellets unmittelbar nach dem Abschleudern des Wassers über einen Vibrations- oder Schwingförderer nach einer ausreichenden Verweildauer zu einer nachgeschalteten Abfüllanlage oder einer Weiterverarbeitungsanlage gefördert. Mit dieser Technologie erfolgt der Kristallisationsvorgang von innen nach außen im Pellet, womit eine gleichmäßigere Kristallisation über den Durchmesser des Granulates erreicht wird.
[0014] Ein solches Verfahren wird im Folgenden als Latentwärmekristallisationsverfahren bezeichnet.".
Im Beispiel 3, Variante B, der D2 wird das aus der Latentwärmekristallisation kommende 140°C warme Granulat ferner über eine geeignete Fördereinrichtung ohne Zwischenlagerung oder zwischenzeitliche Abkühlung in eine Festphasendealdehydisierungsstufe gefördert (Trägergas: Stickstoff mit Taupunkt -30 °C), wobei die Temperatur in der Festphasendealdehydisierungsstufe auf 213°C eingestellt wird und die Verweilzeit 6,7 Stunden beträgt (D2: Absatz 45).
3.2 Unterscheidungsmerkmal(e)
3.2.1 Die einzigen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1, worüber sich die Parteien nicht einig waren, ob sie bei dem Verfahren gemäß Beispiel 3, Variante B, der D2 offenbart sind, sind die Merkmale M2, M5 und M7, wie oben im Absatz III definiert.
3.2.2 Was Merkmal M2 betrifft, wird in D2 lediglich erwähnt, dass die dort verwendeten Granulate nach der Latentwärmekristallisation hergestellt wurden (Absatz 43), ohne jedoch genaue Informationen anzugeben, unter welchen Bedingungen dieses Verfahren durchgeführt wurde. Auch in den Absätzen 13 und 14 der D2, die eine solche Latentwärmekristallisation beschreiben, findet sich keine Angabe, insbesondere bzgl. der Temperatur bei der Zerkleinerung wie im Merkmal M2 definiert.
Diesbezüglich wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht argumentiert, dass eine Unterwassergranulation gemäß Absatz 13 der D2 ausschließlich bei einer Temperatur von mindestens 90°C durchgeführt werden kann, so dass keine Gründe bestehen, das Merkmal M2 in den Absätzen 43 und 13 von D2 als implizit offenbart anzusehen.
Die Beschwerdeführerin argumentierte im schriftlichen Verfahren, dass aufgrund einer vermeintlichen Ähnlichkeit zwischen dem Vergleichsbeispiel 1 aus Dokument D2 und dem Vergleichsbeispiel 2 aus dem Streitpatent, welches mit einer Temperatur von 90 bis 95 °C für das Merkmal M2 durchgeführt wurde (Absatz 90, Zeile 5), ein Fachmann den konkreten Wert aus dem Vergleichsbeispiel 2 des Streitpatents in Dokument D2 mitlesen würde. Jedoch kann aus einem Vergleichsbeispiel des Streitpatents grundsätzlich kein Rückschluss darauf gezogen werden, was ein Fachmann in einem völlig anderen Dokument (hier D2) mitliest. Somit kann diesem Argument nicht gefolgt werden.
Während der mündliche Verhandlung vor der Kammer brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ein Latentwärmekristallisationsverfahren aus D3 bekannt sei, wobei das Merkmal M2 in D3 (Ansprüche 1, 6; Seite 6, Zeilen 18-21) offenbart sei. Jedoch wurde D3 erst im Jahre 2005 veröffentlicht, so dass sein Inhalt für D2, welche im 2004 angemeldet wurde, nicht relevant sein kann. Darüber hinaus wurde von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt, warum der Fachmann die Information der D3 mit der Offenbarung der D2 verknüpfen würde. Schließlich betreffen die von der Beschwerdeführerin zitierten Temperaturangaben der D3 nicht die Temperatur bei der Zerkleinerungsstufe gemäß Merkmal M2, sondern die Temperatur des Granulats beim Verlassen einer Bewegungseinrichtung, welche nach einer Unterwassergranulationsvorrichtung angeordnet ist (D3: Ansprüche 1 und 6; Seite 6, Zeilen 18-21).Somit wird auch dieses Argument zurückgewiesen.
Aus diesen Gründen stellt das Merkmal M2 ein Unterscheidungsmerkmal des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Beispiel 3, Variante B, von D2 dar.
3.2.3 Das Merkmal M5 definiert sowohl die Natur des Spülgases (Luft) als auch die Temperatur dieses Gases beim Eintritt in den Dealdehydisierungsbehälter (zwischen 180 °C und 200 °C).
Obgleich die Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren ausgeführt hat, dass das Merkmal M5 (insgesamt) nicht direkt und unmittelbar im Beispiel 3, Variante B, von D2 offenbart ist (siehe Beschwerdebegründung: Seite 5, letzter Absatz), hat sie während der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Temperaturangabe des Merkmals M5 doch in D2 implizit offenbart sei.
Gemäß dem Beispiel 3, Variante B, von D2 wird die Temperatur in der Dealdehydisierungsstufe auf 213 °C eingestellt (Absatz 45). Diesbezüglich ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass diese Temperatur von 213 °C der Reaktortemperatur und nicht der Temperatur des Spülgases entspricht. Darüber hinaus kann aus der Lehre der D2 nicht geschlossen werden, dass die im Absatz 31 genannte Temperaturangabe von 190-220 °C direkt und unmittelbar der Eintrittstemperatur des Spülgases gemäß Merkmal M5 entspricht (und sich nicht z.B. auf die Reaktortemperatur bezieht). Schließlich beinhaltet der Bereich von 190 °C bis 220 °C Temperaturen, die außerhalb des im Merkmal M5 angegebenen Temperaturbereiches sind. Somit kann für das Beispiel 3, Variante B, von D2 eine Eintrittstemperatur gemäß Merkmal M5 nicht als direkt und unmittelbar offenbart angesehen werden.
Aus diesen Gründen stellt auch das Merkmal M5 (sowohl in Bezug auf die Natur des Spülgases als auch auf die Temperatur dieses Gases) ein Unterscheidungsmerkmal des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Beispiel 3, Variante B, von D2 dar.
3.2.4 Das Merkmal M7 besteht aus zwei alternativen Ausführungsformen, nämlich die "direkte" Zuführung des Granulats in den Dealdehydisierungsbehälter oder die Zuführung mittels einer "Dosiereinrichtung".
Die Parteien sind sich nicht einig, ob die im Beispiel 3, Variante B, von D2 genannte "Fördereinrichtung" (Absatz 45) einer "Dosiereinrichtung" gemäß einer der beiden Alternativen des Merkmals M7 entspricht.
In diesem Zusammenhang sind, gemäß der Rechtsprechung des EPA, bei der Prüfung eines Anspruchs unlogische oder technisch unsinnige Auslegungen auszuschließen. Zudem ist bei der Auslegung des Schutzbereichs nicht die Absicht des Verfassers eines Anspruchs maßgeblich, sondern vielmehr die in einschlägigen Fachkreisen allgemein anerkannte Bedeutung der in diesem Anspruch definierten technischen Merkmale (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage, 2019, II.E.2.3.3).
Was den Begriff "Dosiereinrichtung" gemäß Merkmal M7 betrifft, wurde von der Beschwerdegegnerin nicht gezeigt, dass dieser eine eindeutige Bedeutung hat. Somit ist dieser Begriff in seiner breitesten, technisch sinnvollen Bedeutung zu verstehen. Wie von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dargelegt, ist die Kammer der Meinung, dass eine "Fördereinrichtung" gemäß dem Beispiel 3 der D2, geeignet ist, die Menge eines Granulats zu dosieren. Darüber hinaus wird im Streitpatent (Absatz 43) angegeben, dass der Begriff "Dosiereinrichtung" alle dem Fachmann als "Zuteileinrichtung" bekannte Einrichtungen umfasst. Diesbezüglich wurde von der Beschwerdegegnerin kein Argument vorgebracht, um zu zeigen, dass eine "Fördereinrichtung" gemäß dem Beispiel 3 der D2 keine solche "Zuteileinrichtung" ist. Schließlich teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin nicht, wonach dem Begriff "Dosiereinrichtung" im Hinblick auf die Gesamtoffenbarung der Patentschrift eine eingeschränkte Bedeutung zuzuordnen sei. Wie im vorherigen Absatz ausgeführt, muss diesem Begriff seine breiteste technisch sinnvolle Bedeutung gegeben werden.
Aus diesen Gründen stellt die Ausführungsform "mittels einer Dosiereinrichtung" des Merkmals M7 kein Unterscheidungsmerkmal des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik dar.
3.2.5 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 vom dem Verfahren gemäß dem Beispiel 3, Variante B, der D2 durch die Merkmale M2 und M5.
3.3 Die gegenüber dem Beispiel 3 der D2 gelöste Aufgabe
3.3.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die gelöste technische Aufgabe gegenüber dem Beispiel 3, Variante B, von D2 in der Bereitstellung eines vereinfachten und ökonomisch günstigeren Verfahrens zur Herstellung eines Polyestergranulats mit geringem Acetaldehydgehalt besteht.
3.3.2 Während die Beschwerdeführerin den Teil der Aufgabe betreffend die Bereitstellung eines ökonomisch günstigeren Verfahrens akzeptierte, wurde der Teil der Aufgabe bzgl. eines vereinfachten Verfahrens als zu allgemein formuliert betrachtet. Die Beschwerdeführerin sah eher die Aufgabe, in der Bereitstellung eines günstigeren Verfahrens, wobei die Eigenwärme des Granulats möglichst hoch erhalten wird.
3.3.3 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, ist zu beachten, dass die technische Aufgabe einer Erfindung so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (Rechtsprechung supra, I.D.4.3.1). Aus diesem Grund ist die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Formulierung der Aufgabe bzgl. des Merkmals M2, nämlich einer möglichst hohen Erhaltung der Eigenwärme des Granulats, nicht zulässig (da eine solche hohe Temperatur Teil der Lösung ist).
3.3.4 Obwohl kein direkter Vergleich zwischen einem Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 und einem Verfahren gemäß Beispiel 3, Variante B, von D2 gemacht wurde (es war unstrittig, dass die Vergleichsbeispiele des Streitpatents dem nächstliegenden Stand der Technik nicht entsprechen), ist es für die Kammer glaubhaft, dass eine Vereinfachung des Verfahrens gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik erreicht wird, sowohl durch die Verwendung einer Temperatur von mindestens 90°C bei der Polyesterstrangzerteilung (Merkmal M2: bei solchen hohen Temperaturen in dieser Verfahrensstufe wird eine Abkühlung des Granulats, welche für die Latentwärmekristallisation unerwünscht ist, verhindert, so dass keine Wärme von zusätzlichen Heizvorrichtungen zugeführt werden muss), als auch durch den Ersatz von Stickstoff durch Luft (Merkmal M5: Luft ist immer vorhanden und lässt sich einfacher einsetzen als Stickstoff), erreicht wird. Darüber hinaus ist die Verwendung von Luft anstatt von Stickstoff gleichzeitig eine wirtschaftlich günstigere Ausführungsform eines Verfahrens.
3.3.5 Aus dem vorherigen Absatz geht hervor, dass mindestens ein Teil der Aufgabe, nämlich die Vereinfachung des Verfahrens, sowohl durch das Merkmal M2 als auch durch das Merkmal M5 gelöst wird. Somit ist es nicht nötig, Teilaufgaben zu definieren, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen. Vielmehr wird der Beschwerdegegnerin zugestimmt, dass die gegenüber dem Beispiel 3, Variante B, der D2 gelöste Aufgabe, in der Bereitstellung eines vereinfachten und ökonomisch günstigeren Verfahrens zur Herstellung eines Polyestergranulats mit geringem Acetaldehydgehalt, besteht.
3.4 Naheliegen der Lösung
3.4.1 Die Frage ist zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kam, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.
3.4.2 Was das Merkmal M2 betrifft, ist aus den Absätzen 13 und 14 der D2 zu entnehmen, dass das Latentwärmekristallisationsverfahren darin besteht, die hergestellten Polyestergranulate unter Nutzung der Eigenwärme zu kristallisieren, wobei die für die Kristallisation benötigte Temperatur während des ganzen Verfahrens einzuhalten ist. Obwohl keine konkrete Angabe bzgl. der bei der Polyesterschmelz-strangzerteilung zu verwendenden Temperatur in D2 zu finden ist, ist die Kammer davon überzeugt, dass die gesamte Lehre von D2 darin besteht, eine möglichst hohe Temperatur bei der Unterwassergranulation anzuwenden, wobei eine Höchsttemperatur von 100 °C gilt, da mit Wasser unter atmosphärischem Druck gearbeitet wird.
Insbesondere um ein vereinfachtes Verfahren bereitzustellen, ist es naheliegend, mit einer möglichst hohen Temperatur bereits bei der Unterwassergranulation gemäß D2 (siehe Absatz 13) zu arbeiten, um zu gewährleisten, dass die Kristallisation der hergestellten Granulate unter möglichst günstigen Konditionen stattfindet.
Ferner wurde weder gezeigt, noch argumentiert, dass die im Merkmal M2 angegebene Mindesttemperatur von 90 °C eine besondere Rolle spielt. Da insbesondere nicht gezeigt wurde, dass diesem Wert von 90 °C eine besondere Bedeutung zuzumessen ist, ist das Merkmal M2 weder zielgerichtet noch kritisch, sondern als rein willkürlich gewählt zu betrachten. Diese willkürliche Wahl einer hohen Temperatur bei der Polyesterschmelzstrangzerteilung stellt jedoch wegen ihrer Beliebigkeit lediglich eine Routinetätigkeit dar, die im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns liegt, ohne dass es ein erfinderisches Zutun seinerseits bedürfte.
3.4.3 Was das Merkmal M5 betrifft, ist in D2 selbst angegeben, dass die Dealdehydisierung bei Temperaturen zwischen 190 und 220 °C stattfinden soll (Absatz 31, Zeile 7). Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde von der Beschwerdegegnerin anerkannt, dass obwohl die Eintrittstemperatur des Spülgases und die Temperatur im Dealdehydisierungsreaktor nicht unbedingt identisch sind, diese Temperaturen in der Regel nicht sehr unterschiedlich sind (wie in den Absätzen 67 und 68 für das Streitpatent angegeben). Da der Temperaturbereich von D2 (190-220 °C) mit dem Temperaturbereich gemäß Merkmal M5 überlappt (180-200 °C) und da die Verwendung einer Eintrittstemperatur zwischen 180 °C und 200 °C nicht mit einem weiteren Effekt verbunden ist, ist auch die Verwendung irgendeiner Temperatur im Bereich von ca. 190 bis ca. 200°C, d.h. gemäß Merkmal M5, als willkürliche Auswahl zu betrachten.
In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass auch D4 lehrt, dass für die Dealdehydisierung von Polyestergranulaten Temperaturen von 0 bis 200°C verwendet werden können (Seite 6, Anfang des dritten Absatzes). Zwar gibt D4 an, dass höhere Temperaturen unnötig sein können (Seite 6, Ende des dritten Absatzes). Jedoch bleibt die generelle Lehre der D4, dass Temperaturen von bis zu 200 °C verwendet werden können, d.h. in dem Temperaturbereich gemäß Absatz 31 der D2.
In D4 wird ferner der Fachmann darauf hingewiesen, dass die Verwendung von Spülluft anstatt von Stickstoff mit Kostenvorteilen verbunden ist (Seite 7, Anfang des letzten Absatzes). Zwar wird in D4 auch angegeben, dass die Verwendung von Stickstoff anstatt von Luft bei höheren Temperaturen zu empfehlen ist, insbesondere um Verfärbungen durch Oxidation zu verhindern (Seite 7, Ende des letzten Absatzes). Da die oben definierte gelöste Aufgabe keinen Bezug auf solche Verfärbungen oder auf eine Verhinderung von Oxidation enthält, vermag jedoch das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die möglichen Oxidationsprobleme, die mit der Verwendung von Luft bei hohen Temperaturen verbunden sind, den Fachmann davon abgehalten hätten, Luft bei Temperaturen von 180 bis 200°C zu verwenden, die Kammer nicht zu überzeugen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um mögliche, vom Fachmann im Kauf genommene Nachteile, womit eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden kann.
3.4.4 Aus diesen Gründen ist es ausgehend vom Beispiel 3, Variante B, von D2 naheliegend, die im Absatz 2.3.5 definierte Aufgabe, durch Verwendung einer Temperatur von mindestens 90 °C bei der Polyesterschmelz-strangzerteilung (Merkmal M2) und eines Spülluftstroms im Dealdehydisierungsbehälter mit einer Eintrittstemperatur zwischen 180 und 200 °C (Merkmal M5) zu lösen.
3.4.5 Somit ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend vom Beispiel 3, Variante B, der D2 nicht erfinderisch und der Hauptantrag nicht gewährbar.
Hilfsanträge 1 bis 3 - Zulassung
4. Die Beschwerdeführerin beantragt, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht in das Verfahren zugelassen werden.
4.1 Nach dem Artikel 25 (2) VOBK 2020, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, ist der Artikel 12 (4) der VOBK 2007 weiterhin anwendbar, wenn die Beschwerdebegründung und darauf fristgerecht eingereichte Erwiderungen vor Inkrafttreten der revidierten Fassung eingereicht wurden. Deshalb ist die Frage der Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 bis 3 ins Verfahren, welche von der Beschwerdegegnerin zusammen mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht wurden, nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen.
4.2 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass diese Anträge bereits im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 9. April 2015 eingereicht wurden. Da jedoch der Hauptantrag der Patentinhaberin als gewährbar erachtet wurde, war es im Einspruchsverfahren nicht erforderlich, sich mit diesen Hilfsanträgen zu befassen. Für eine solche Sachverhaltskonstellation bietet Artikel 12 (4) VOBK 2007 keine rechtliche Grundlage, um die Hilfsanträge aus dem Verfahren auszuschließen. Die Kammer sieht auch keine sonstigen Gründe für einen Ausschluss dieser Anträge.
4.3 Somit verbleiben die Hilfsanträge 1 bis 3 im Verfahren.
Hilfsanträge 1 bis 7 - Erfinderische Tätigkeit
5. Hilfsantrag 1
5.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgende Änderungen:
a) im Merkmal b) findet die Abtrennung des Wassers vom Granulat durch eine Zentrifuge statt;
b) im Merkmal c) wird präzisiert, dass der Dealdehydisierungsbehälter oben einen Einlass und unten einen Auslass für die Granulate und einen Einlass und einen Auslass für das Spülgas haben soll;
c) im Merkmal d) wird angegeben, dass der Granulatauslass der Zentrifuge mit dem Granulateinlass des Dealdehydisierungsbehälters entweder nur durch eine passive Leitungseinrichtung oder eine passive Leitungseinrichtung in Kombination mit einer Dosiereinrichtung verbunden ist.
5.2 Es wurde von der Beschwerdegegnerin weder gezeigt noch argumentiert, dass die Änderung a) zur erfinderischen Tätigkeit beiträgt. Es wurde insbesondere nicht gezeigt, inwiefern diese Änderung ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt und/oder eine andere Aufgabe löst als jene, die für den Hauptantrag formuliert wurde. Die Kammer sieht auch keinen Grund, wie diese Änderung zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann, da aus D2 selbst bekannt ist, dass die Abtrennung des Wassers vom Granulat durch eine Zentrifuge stattfinden kann (Absatz 13: "nach dem Abschleudern des Wassers").
5.3 Es wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht gezeigt, dass die im Merkmal c) und d) durchgeführten Änderungen eine andere Aufgabe löst als jene, die für den Hauptantrag formuliert wurde.
5.3.1 Die Kammer stimmt ferner der Beschwerdeführerin zu, dass die im Merkmal c) durchgeführten Änderungen eine Selbstverständlichkeit sind. Insbesondere ist ein Dealdehydisierungsbehälter gemäß Merkmal c) aus dem Stand der Technik wie D4 (Seite 22, 4. Absatz; Seite 23, 2. bis 4. Absatz; Abbildung 2; Granulateinlass und -auslass: Ziffern 101 und 103; Spülgaseinlass und ?auslass: Ziffern 102 und 104) bekannt.
5.3.2 Die Kammer ist ferner der Meinung, dass die im Merkmal d) durchgeführten Änderungen bzgl. der zweiten Alternative (passive Leitungseinrichtung in Kombination mit einer Dosiereinrichtung) immer noch eine Dosiereinrichtung beinhaltet, welche eine Fördereinrichtung gemäß dem Beispiel 3, Variante B, von D2 sein kann. Die im Merkmal d) angegebene kombinierte "passive Leitungseinrichtung" ist entweder bereits in D2 - implizit - vorhanden (um die Granulate vom Unterwassergranulator zu der Fördereinrichtung zu führen) oder stellt eine Selbstverständlichkeit dar. Diesbezüglich wird insbesondere auf Seite 25 von D4 in Bezug auf die Abbildung 2 erklärt, dass, sofern ein üblicher Kristallisationsreaktor (Ziffer 9) verwendet wird (was gemäß Seite 25, 2. Absatz, bedeutet, dass keine Wassertrennvorrichtung - Ziffer 211 - benötigt wird), die Granulate entweder direkt oder indirekt von dem Kristallisationsreaktor in den Dealdehydisierungsbehälter zugeführt werden können (Seite 25, 3. Absatz). Wenn eine Wassertrennvorrichtung - Ziffer 211 - eingesetzt wird, wird angegeben, dass die Granulate von der Wassertrennvorrichtung in den Dealdehydisierungsbehälter zugeführt werden können. Obwohl an dieser Stelle nicht gesagt wird, dass die Zuführung "direkt" sein kann, ist es für die Kammer nicht ersichtlich, warum nicht die gleiche Zuführung wie bei dem Kristallisationsreaktor stattfinden kann. Diesbezüglich hat die Beschwerdegegnerin auch kein Argument genannt, weshalb der Fachmann eine direkte Führung nicht in Betracht ziehen würde.
5.4 Unter diesen Umständen gibt es für die Kammer keinen Grund, für den Hilfsantrag 1 zu einer unterschiedlichen Schlussfolgerung bzgl. der erfinderischen Tätigkeit als für den Hauptantrag zu gelangen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Hilfsantrag 2
6.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 durch die zusätzliche Angabe des Merkmals e), welches definiert, dass "die Differenz zwischen der intrinsischen Viskosität (I.V.) des Polyesters zwischen dem Eintritt in die Zerteilungseinrichtung in Schritt a) und dem Austritt aus dem Dealdehydisierungsbehälter in Schritt d) maximal ± 0,10 dl/g beträgt, wobei die intrinsische Viskosität des Produktes durch die Einstellung des Taupunktes Tp der Spülluft und die Produkttemperatur eingestellt wird".
6.2 Es ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass in der Tabelle auf Seite 7 der D2 offenbart wird, dass die Differenz hinsichtlich der intrinsischen Viskosität des Polyesters zwischen dem Eintritt in die Zerteilungseinrichtung und dem Austritt aus dem Dealdehydisierungsbehälter 0,06 dl/g beträgt, was von der Beschwerdegegnerin, insbesondere während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht in Frage gestellt wurde.
6.3 Ferner wird im Absatz 31 von D2 folgendes angegeben:
"In dieser Stufe wird, wie beispielsweise in der deutschen Patentanmeldung DE 102004010680.0 beschrieben, bei Temperaturen zwischen 190-220 °C über eine Verweilzeit von mindestens 5 Stunden unter geringer mechanischer Störung und mit Stickstoff als Trägergas mit einem gezielt ausgewählten Taupunkt <= -10 °C der AA-Gehalt auf < 1 ppm reduziert und gegebenenfalls die I.V. des Granulates entsprechend dem späteren Einsatzgebiet eingestellt. Die I.V. kann dabei unverändert bleiben oder um bis zu 0,1 dl/g angehoben werden."
Nach Meinung der Kammer entspricht diese Passage von D2 genau dem Merkmal e), wonach "die intrinsische Viskosität des Produktes durch die Einstellung des Taupunktes Tp der Spülluft und die Produkttemperatur eingestellt wird". Insbesondere geht aus dem letzten Satz dieser Passage eindeutig hervor (siehe dem Wort "dabei"), dass die intrinsische Viskosität des Produktes durch die Einstellung des Taupunktes Tp des Spülgases eingestellt wird. Somit teilt die Kammer die während der mündlichen Verhandlung vorgetragene Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht, dass diese Passage der D2 nicht die Einstellung der intrinsischen Viskosität durch die Einstellung des Taupunktes Tp der Spülluft lehrt.
6.4 Unter solchen Umständen stellen die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durchgeführten Änderungen (im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 1) kein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik dar. Da ferner nicht gezeigt wurde, dass diese Änderungen zur erfinderischen Tätigkeit beitragen, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 ebenfalls nicht erfinderisch.
7. Hilfsantrag 3
7.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Angabe, dass die hergestellten Granulate "bei einer Barreltemperatur von maximal 275 °C zu Flaschenpreforms weiterverarbeitet werden" können.
7.2 Was dieses funktionelle Merkmal betrifft, waren die Parteien einverstanden, dass es in D2 nicht explizit offenbart ist. Die Kammer sieht keinen Grund, eine andere Meinung zu vertreten. Obwohl in D2 angegeben wird, dass es nach dem Verfahren gemäß der Variante B möglich ist, Granulate für die Herstellung von Flaschenpreform herzustellen (Absatz 31: letzte drei Sätze), fehlt in D2 jegliche Information bezüglich einer Barreltemperatur.
7.3 Jedoch liegen weder Nachweise noch Anhaltspunkte vor, dass dieses Merkmal mit einer spezifischen Verfahrensmaßnahme oder mit einer spezifischen Struktur der Granulate zusammenhängt. Auch wurde nicht nachgewiesen, dass dieses funktionelle Merkmal von den Granulaten gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik nicht erfüllt ist.
7.4 Zudem wurde von der Beschwerdegegnerin weder gezeigt, dass die durchgeführte Änderung (im Vergleich zum Hauptantrag) ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt, noch vorgetragen, dass eine andere Aufgabe als jene, die für den Hauptantrag formuliert wurde, gelöst wird.
7.5 Somit bleiben sowohl die Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik als auch die Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe im Vergleich zu dem Hauptantrag unverändert und der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 beruht, aus den gleichen Gründen wie die höherrangigen Anträge, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
8. Hilfsanträge 4 bis 7
Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 bis 7 ist identisch mit dem jeweils entsprechenden Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3. Somit sind die Hilfsanträge 4 bis 7 aus den gleichen Gründen wie die vorgenannten höherrangigen Anträge nicht gewährbar.
Hilfsantrag 8 - Zulassung
9. Der Hilfsantrag 8 wurde von der Beschwerdegegnerin in einem sehr späten Stadium, nämlich erst am Ende der mündlichen Verhandlung und erst nach Abschluss der Diskussion über die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 7, eingereicht. Die Beschwerdeführerin rügte diesen Antrag als verspätet und beantragte, ihn nicht ins Verfahren zuzulassen.
9.1 Entsprechend der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegt die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung und der Erwiderung ausdrücklich im Ermessen der Kammer (Artikel 13 (1) VOBK 2007; siehe Punkt 1.4 oben)?. Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sind Änderungen des Vorbringens nicht mehr zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13 (3) VOBK 2007; siehe Punkt 1.4 oben).
9.2 Im vorliegenden Fall rechtfertigte die Beschwerdeführerin das verspätete Einreichen des Hilfsantrags 8 dadurch, dass sie erst während der mündlichen Verhandlung mit der eminenten Bedeutung der Interpretation des Begriffs "Dosiereinrichtung" für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (z.B. des Hauptantrags) konfrontiert wurde.
9.2.1 Diesbezüglich ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass diese Fragestellung im schriftlichen Verfahren des Beschwerdeverfahrens nicht angesprochen wurde, was von den Parteien während der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten wurde. Der Umstand, dass diese Fragestellung im Prüfungs- oder Einspruchsverfahren ggf. bereits angesprochen wurde, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, spielt für das Beschwerdeverfahren keine Rolle. Grundsätzlich sollte der Beschwerdegegnerin, die erst während der mündlichen Verhandlung mit diesem Einwand konfrontiert wurde, daher die Gelegenheit gegeben werden, diesen Einwand auszuräumen. Somit kann allein der Umstand der späten Einreichung eine Nichtzulassung des Hilfsantrags 8 nicht rechtfertigen.
9.2.2 Jedoch ist festzustellen, dass die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 durchgeführte Änderung nicht lediglich in der Streichung jener Alternative besteht, die eine Dosiereinrichtung beinhaltet, sondern auch die Hinzufügung des zusätzlichen Merkmals "nur aufgrund der Schwerkraft" umfasst. Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin nachvollziehbar vorgetragen, dass die Zulassung des Hilfsantrags 8 prima facie neue Fragestellungen aufwerfen würde, insbesondere im Hinblick auf den Artikel 123 (2) EPÜ, weil dieses zusätzliche Merkmal nur einen Teil eines Satzes der ursprünglichen Offenbarung aufnimmt (die Passage betreffend eine Zentrifuge gemäß Seite 13, 2. Absatz, wurde nicht aufgenommen). Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die späte Einreichung des Hilfsantrags 8 nicht durch die Verfahrensentwicklung begründet ist und dieser prima facie nicht eindeutig gewährbar ist, so dass seine Zulassung ins Verfahren gegen die gebotene Verfahrensökonomie sprechen würde.
9.3 Aus diesen Gründen übte die Kammer ihr Ermessen unter Artikel 13 (1) VOBK 2007 dahingehend aus, den Hilfsantrag 8 nicht ins Verfahren zuzulassen.
10. Da der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 7 nicht gewährbar sind und der Hilfsantrag 8 nicht zugelassen wurde, ist das Patent zu widerrufen und die Kammer braucht über weitere Einwände nicht zu entscheiden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
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