12 December 2018

T 0221/13 - New attack is new evidence

Key points
  • In this opposition appeal, the Board does not admit a new inventive step attack raised with the Statement of grounds of the opponent which is based on prior art already available in the file. The Board reasons that a document, or a relevant paragraph of it, only becomes evidence in connection with the factual arguments based on it.
  • "Allein der Umstand, dass zu einem Dokument bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen und bestimmte Textstellen oder Figuren daraus als Beweismittel für bestimmten Tatsachenvortrag genannt wurden, schließt es nicht aus, dass neue auf dieses Dokument gestützte Tatsachen und die Benennung des Dokuments bzw. bestimmter Dokumentstellen als Beweismittel für diese neuen Tatsachen im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen werden. Nach Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK kommt es nämlich nicht darauf an, ob ein Dokument verspätet eingereicht wird, sondern maßgeblich ist, ob ein Beweismittel oder Tatsachen verspätet vorgebracht werden. Ein Dokument wird nicht durch die bloße Benennung im Verfahren bzw. durch seine Einreichung zum Beweismittel an sich. Vielmehr ist es notwendig, konkret anzugeben, welche Tatsache durch welchen konkreten Inhalt des Dokuments belegt werden soll. Ein Dokument, bzw. eine bestimmte Textstelle oder Figur darin, wird daher erst aufgrund der Verknüpfung mit einem bestimmten Tatsachenvortrag zum Beweismittel, siehe hierzu auch Bühler in Singer/Stauder, EPÜ, 7. Auflage, Artikel 114, Rn 50 und Fußnote 66. 
  • Ein Beteiligter kann sich dementsprechend nicht darauf beschränken, ein Konvolut von Dokumenten vorzulegen, ohne substantiiert vorzutragen, welche Tatsachen durch welche konkreten Passagen oder Figuren der jeweiligen Dokumente belegt werden sollen." 
  • " Da die Beschwerdeführerin die Dokumente E8 und E10 erstmals im Beschwerdeverfahren als Beleg für das Naheliegen des mit dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands benannt hat, handelt es sich vorliegend um neue Beweismittel." 
  • The present decision appears to be part of a judicial dialogue with recent decision T 1914/12.
  • This decision was temporarily unpublished by the EPO but is now available again (19.12.2018)




EPO T 0221/13 - link (EP1006644).





4. Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK - Verspätetes Vorbringen
4.1 Die Beschwerdeführerin hat erstmals in der Beschwerdebegründung vorgebracht, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit E8 oder E10 nicht erfinderisch sei. Im Einspruchsverfahren beschränkte sich ihr Vorbringen hingegen darauf, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber der aus Dokument E1 bekannten Maschine sei und dass ausgehend von Dokument E2 als nächstliegendem Stand der Technik keine erfinderische Tätigkeit vorliege.
Für das Naheliegen des mit Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands hat die Beschwerdeführerin die Dokumente E8 und E10 im Einspruchsverfahren indes nicht als Beweismittel benannt und auch die zugehörigen Tatsachen nicht vorgetragen und zwar weder ausgehend von E2 noch ausgehend von E1.
4.2 Vorbringen der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Dokument E10 findet sich im Einspruchsverfahren lediglich in Zusammenhang mit ihrem Angriff gegen die erteilten Patentansprüchen 2 bis 8 dahingehend, dass E2 der nächstliegende Stand der Technik sei und dass E10 Figur 1 "verschiedenste Ausführungen von Diffusoren und deren Einsatz in elektrischen Maschinen" zeige. Demgegenüber trägt die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung vor, dass E1 nächstliegender Stand der Technik sei und im Zusammenhang mit der Figur 1 in E10 den mit Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstand nahelege, weil in E10 "ein Diffusor offenbart wird, wobei der Diffusor eine Umlenkung des Kühlgases von einer im Wesentlichen radialen Strömungsrichtung in eine im Wesentlichen axiale Strömungsrichtung bewirkt". Dieses Vorbringen beinhaltet daher sowohl neue Tatsachen als auch ein neues Beweismittel.
Gleiches gilt für das Vorbringen in der Beschwerdebegründung in Zusammenhang mit dem Dokument E8, zu dem die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren lediglich vorgetragen hat, dass es in Spalte 1, Zeile 50 ff die in Anspruch 9 des erteilten Patents beanspruchten Leitschaufeln zeige. Die Behauptung, dass E1 in Kombination mit E8 den beanspruchten Gegenstand nahelege, weil E8 "einen stromaufwärts des Ventilators befindlichen Umlenkdiffusor aufweist, wobei der Diffusor eine Umlenkung des Kühlgases von einer radialen Strömungsrichtung in eine im Wesentlichen axiale Strömungsrichtung bewirkt (siehe Figur 1 der E8)" beinhaltet damit neue Tatsachen und Beweismittel.


4.3 Allein der Umstand, dass zu einem Dokument bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen und bestimmte Textstellen oder Figuren daraus als Beweismittel für bestimmten Tatsachenvortrag genannt wurden, schließt es nicht aus, dass neue auf dieses Dokument gestützte Tatsachen und die Benennung des Dokuments bzw. bestimmter Dokumentstellen als Beweismittel für diese neuen Tatsachen im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen werden. Nach Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK kommt es nämlich nicht darauf an, ob ein Dokument verspätet eingereicht wird, sondern maßgeblich ist, ob ein Beweismittel oder Tatsachen verspätet vorgebracht werden. Ein Dokument wird nicht durch die bloße Benennung im Verfahren bzw. durch seine Einreichung zum Beweismittel an sich. Vielmehr ist es notwendig, konkret anzugeben, welche Tatsache durch welchen konkreten Inhalt des Dokuments belegt werden soll. Ein Dokument, bzw. eine bestimmte Textstelle oder Figur darin, wird daher erst aufgrund der Verknüpfung mit einem bestimmten Tatsachenvortrag zum Beweismittel, siehe hierzu auch Bühler in Singer/Stauder, EPÜ, 7. Auflage, Artikel 114, Rn 50 und Fußnote 66. Ein Beteiligter kann sich dementsprechend nicht darauf beschränken, ein Konvolut von Dokumenten vorzulegen, ohne substantiiert vorzutragen, welche Tatsachen durch welche konkreten Passagen oder Figuren der jeweiligen Dokumente belegt werden sollen.
4.4 Da die Beschwerdeführerin die Dokumente E8 und E10 erstmals im Beschwerdeverfahren als Beleg für das Naheliegen des mit dem erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Gegenstands benannt hat, handelt es sich vorliegend um neue Beweismittel.
4.5 Die Kammer übt daher ihr Ermessen gemäß Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 12 (4) VOBK dahingehend aus, das auf die Dokumente E1 in Kombination mit E8 oder E10 gestützte Vorbringen im Hinblick auf Patentanspruch 1 nicht zuzulassen, weil dieses Vorbringen neue Tatsachen und neue Beweismittel beinhaltet, die bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können.Im Verlauf des Einspruchverfahrens war sowohl aufgrund der Verteidigung des Patentinhabers als auch aufgrund der vorläufigen Einschätzung der Einspruchsabteilung im Ladungszusatz ohne weiteres erkennbar, dass eine Entscheidung dahingehend, dass der Gegenstand nach Anspruch 1 des erteilten Patents ausgehend von E2 als dem nächstliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt wird, in Betracht kommt. Aufgrund dessen bestand schon im Einspruchsverfahren - und damit nicht erst aufgrund der im Ladungszusatz mitgeteilten vorläufigen Rechtsauffassung der Kammer - hinreichende Veranlassung, alternative Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, um einen Widerruf des Patents auf der Grundlage von Artikel 56 EPÜ zu erwirken.
5. Weitere Gründe, warum die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben sei, wurden nicht vorgetragen. Dem Antrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, war damit stattzugeben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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