06 June 2018

T 0621/14 - Prior use and witness hearing

Key points

  • In this opposition appeal, witnesses were heard during the first instance proceedings about alleged prior use. The opponent wishes to back-up the prior use with  a further declaration of one of the witnesses during the appeal. The Board does not admit this.
  • The Board, Headnote: The subject-matter of a public prior use, as determined by the opposition division on the basis of a witness hearing for which the minutes were not contested, defines the extent of the prior art disclosed in the prior use for the appeal opposition proceedings if the alleged facts are the same (bei unverändertem Sachverhalt) .
  • In other words, the takes the minutes of a witness hearing by the OD as binding for the appeal proceedings, if the minutes are not contested, and if the alleged facts are the same. The phrase "bei unverändertem Sachverhalt"  is unfortunately only used in the headnote and I'm not sure about the translation. 


Headnote
Der Gegenstand einer offenkundigen Vorbenutzung, der von der Einspruchsabteilung anhand einer Zeugeneinvernahme ermittelt und deren Niederschrift inhaltlich nicht bestritten wurde, stellt bei unverändertem Sachverhalt den Umfang des in der Vorbenutzung offenbarten Stands der Technik im Einspruchsbeschwerdeverfahren dar.

EPO  T 0621/14 - link 


Entscheidungsgründe
1. Neues Vorbringen
Die von der Beschwerdeführerin [opponent] vorgelegten Anträge:
  • - eine neue Erklärung D28 (von Herrn B.N.) betreffend die Viskosität von Straßenmarkierungsmaterial zu berücksichtigen,
  • - Herrn N. zu erlauben, insoweit in der mündlichen Verhandlung als technischer Experte vorzutragen,
  • - farbige Fotos gemäß D16a bis D16h während der mündlichen Verhandlung auf einer Leinwand darzustellen,
  • - den in der Erklärung D28 genannten YouTube-Film in der mündlichen Verhandlung vorzuführen,

sind mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 erstmals im Beschwerdeverfahren und lange nach der Beschwerdebegründung ergänzend zu den offenkundigen Vorbenutzungen VB1 und VB2 gestellt worden.
Nach Prüfung im Rahmen von Artikel 12 (4) bzw. 13 (1) VOBK und Artikel 114 EPÜ gelangt die Kammer aufgrund folgender Überlegungen zu der Entscheidung, dieses späte Vorbringen nicht in das Verfahren zuzulassen.


Zunächst stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin weder das Protokoll der Zeugenvernehmung, noch die von der Einspruchsabteilung daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Zweifel gezogen hat. Der Viskosität als Eigenschaft des Markierungsmaterials hat die Beschwerdeführerin aktenkundig vom Einspruchsverfahren keine besondere Bedeutung zugemessen; sie hat den Zeugen diesbezüglich auch keine gesonderten Fragen gestellt. Auch in der Beschwerdebegründung wurde das im Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 definierte Merkmal der "Hochviskosität" nicht näher diskutiert.
Zudem bezieht sich die nach der Beschwerdefrist vorgelegte Erklärung D28 von Herrn N. keineswegs auf ein von den vorbenutzten Maschinen VB1 und VB2 ausgetragenes Markierungsmaterial, sie gibt vielmehr Hinweise auf allgemein übliche thermoplastische Straßenmarkierungsmaterialien.
Sodann ist das späte Vorbringen der Erklärung D28 weder mit irgendwelchen besonderen Verfahrensumständen zu erklären, noch beinhaltet sie eine besonders relevante Angabe zur Sache. Folglich wird auch dem Vortrag von Herrn N. als technischen Experten und dem Anschauen eines Films, beide auf der Erklärung D28 beruhend, keine Relevanz beigemessen, die eine Zulassung in das Verfahren hätte rechtfertigen können.
Aus den gleichen Gründen wird der Antrag, die während der Zeugenvernehmung in schwarz-weiß und A4-Format berücksichtigten Fotos D16a-D16f nun in Farbe auf eine Leinwand zu projizieren, abgelehnt.
Hätte der Fachmann bzw. mindestens einer der im Einspruchsverfahren vernommenen Zeugen aus einer farbigen Version der Fotos - wie nun behauptet - mehr erkennen können, so hätten die Farbfotos bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt werden müssen. Es wurde seitens der Beschwerdeführerin auch nicht hinreichend dargetan, weshalb dieses farbige Material erst zu einem so späten Zeitpunkt eingereicht werden konnte.
2. Neuheit
2.1 Vorbemerkung - Stand der Technik
Im Einspruchsverfahren wurde nach der Anhörung von drei Zeugen von der Einspruchsabteilung festgestellt, dass die Maschinen VB1 und VB2 jeweils öffentlich vorbenutzt waren, aber nur die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 zeigten.
Die Zeugenvernehmung diente dazu, den Inhalt bzw. die Lehre der zu den geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen vorgelegten Dokumente, insbesondere den Fotos D16a-D16f und der eidesstattlichen Erklärungen D9, D26, D27, zu bestätigen bzw. weiter zu erläutern.
Während der Zeugenvernehmung hatten beide Beteiligten uneingeschränkt die Möglichkeit, Fragen an jeden der drei Zeugen zu richten, welches Recht sie auch, wie in der Niederschrift belegt, ausgeübt haben.
Die Kammer muss also davon ausgehen, dass die Befragung der Zeugen zur Sache ausführlich und umfassend durchgeführt wurde.
Die Einspruchsabteilung hat dann anhand des Ergebnisses der Zeugenvernehmung den Offenbarungsumfang der vorbenutzten Maschinen VB1 und VB2 gewürdigt und darüber entschieden, siehe Abschnitte 3.2 und 3.3 der angefochtenen Entscheidung.
Die Einspruchsabteilung ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass die Maschinen VB1 und VB2 die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Anspruchs 1 erfüllen, jedoch sein kennzeichnendes Merkmal nicht offenbaren.
Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdeführerin die Zeugenvernehmung selbst und auch die diesbezügliche Niederschrift in keiner Weise beanstandet hat. Auch die Beweiswürdigung der Einspruchsabteilung wurde nicht selbstständig angegriffen. Hiervon ist demnach im Weiteren auszugehen, denn das Beschwerdeverfahren dient nicht dazu, eine zweite Beweisinstanz zur Verfügung zu stellen, wenn nicht hinreichende Beschwerdeangriffe dazu Anlass bieten. Das ist vorliegend nicht der Fall. Allein der Wunsch nach einer anderweitigen Beweiswürdigung führt nicht zu einem erneuten Eintritt in das Beweisverfahren bei der Beschwerdekammer.
Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, von dem durch die Einspruchsabteilung anhand der Zeugenvernehmung ermittelten Stand der Technik abzuweichen.
2.2 Die für die Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 zu klärende Frage besteht im Wesentlichen darin, ob die aus VB1 oder VB2 bekannte Vorrichtung auch das konstruktive/funktionelle Merkmal des Kennzeichens aufweist, bzw. ob die Unterscheidung lediglich und ausschließlich in einer neuen Verwendung der bekannten Vorrichtung VB1 oder VB2 besteht.
2.3 Die Kammer ist aufgrund folgender Überlegungen zum Ergebnis gelangt, dass der vorliegende Fall entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin mit der in T 523/89 oder T 15/91 entschiedenen Sache nicht vergleichbar ist bzw. dem in G 2/88 entschiedenen Fall nicht entspricht, dass aber der beanspruchte Gegenstand das Kriterium der Neuheit nach Artikel 54 (2) EPÜ erfüllt.
2.3.1 Das kennzeichnende Merkmal des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents, dass zur Erzeugung von vollflächigen glatten Markierungslinien der Hohlzylinder in eine zu den Durchlassöffnungskanten beabstandete Position
verlagerbar ist, definiert nicht eine reine Zweck- bzw. Verwendungsbestimmung für die beanspruchte Vorrichtung, wie es in den Entscheidungen T 523/89 und T 15/91 der Fall war.
2.3.2 Vielmehr definiert das kennzeichnende Merkmal, nämlich das Verlagern des Hohlzylinders, zumindest in impliziter Weise geeignete technische Mittel zu einem gezielten Verlagern. Derartige Verlagerungsmittel müssen also die Funktion verwirklichen können, den Abstand zwischen dem Hohlzylinder (4) mit seinen Durchlassöffnungen (24) und der schlitzförmigen Öffnung (21) mit ihren Durchlassöffnungskanten (25) derart präzise einzustellen, dass eine vollflächige glatte Straßenmarkierungslinie erzeugt werden kann, welche im Ergebnis den üblichen gesetzlichen Bestimmungen/Anforderungen voll und ganz genügt.

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