29 November 2017

T 1955/13 - In house public prior use

Key points

  • The opponent had submitted a public prior use as state of the art during the procedure before the OD. The alleged public prior use was by himself. The OD had not admitted it, as being late filed. The OD had cited case law about opponents abusively delaying the filing of prior art already known to them There was no indication for such abuse in this case. Nevertheless, the Board considers the OD's approach correct. Public prior use by the opponent himself must be filed with the Notice of opposition, unless it only becomes relevant by developments during the opposition procedure. 


EPO Headnote
In case an opponent submits as prior art a public prior use by himself only late in the opposition procedure, there are good grounds, when deciding on admissibility, to make no difference between the case that the opponent admits that the piece of prior art was consciously hold back, and the case that he indicates that he had merely not earlier searched for it.
This is because fairness and the obligation to cooperate with the procedure require that also an in-house search is carried out within the opposition period. If the late filing of the prior art is  not explainable by developments in the opposition procedure that would have reasonably prompted parties to carry out a search for the first time in a particular direction, it does not seem legally incorrect that the opposition division applied the case law on abusive holding back of known prior art.


Legt der Einsprechende im Einspruchsverfahren eine aus dem eigenen Haus stammende offenkundige Vorbenutzung erst spät vor, so bestehen gute Gründe, bei der Zulassungsentscheidung nicht danach zu differenzieren, ob der Einsprechende ein bewusstes Zurückhalten dieses Standes der Technik einräumt oder ob er angibt, lediglich nicht schon früher nach diesem recherchiert zu haben.
Denn Fairness und Verfahrensförderungspflicht gebieten es, auch eine hausinterne Recherche bereits innerhalb der Einspruchsfrist vorzunehmen. War die späte Vornahme der Recherche daher nicht mit Entwicklungen im Verfahren erklärbar, die vernünftige Parteien zu einer erstmaligen Recherche in eine bestimmte Richtung veranlasst hätten, erscheint es nicht rechtsfehlerhaft, wenn die Einspruchsabteilung bei ihrer Zulassungsentscheidung die zum missbräuchlichen Zurückhalten von bekanntem Stand der Technik ergangene Rechtsprechung anwendet. (siehe Punkte 4.3 bis 4.4)


EPO T 1955/13 - link



3. Dieselbe Situation liegt im Grunde für die offenkundige Vorbenutzung ETV 214 der Einsprechenden vor, dargetan unter Vorlage der Dokumente E8 bis E 16 mit Schreiben vom 18. März 2013 im Verfahren vor der Einspruchsabteilung. Dort bezieht sich die Einsprechende/Beschwerdeführerin auf den Schubmaststapler ETV 214, und behauptet, dass es bei diesem Modell bereits bekannt gewesen sei, die Beschleunigung der Mastbewegung durch entsprechende Parameter abzustimmen.
Dabei ist nicht ausgeführt, auf welche Art und Weise dies geschehen soll. Es ist diesem Schreiben weder eine technische Beschreibung noch eine Konstruktionszeichnung für den ETV 214 beigefügt, um die Behauptungen der Einsprechenden/Beschwerdeführerin zu belegen. Selbst die Behauptung, dass es überhaupt einen Einfluss auf die Beschleunigung des Hubmastes gebe, ist nicht durch entsprechenden Beweisvortrag unterstützt worden.
Damit war die offenkundige Vorbenutzung mangels Substantiierung von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zuzulassen.
3.1 Auch die Vorlage von Dokument E23 (Versuchsbericht der Einsprechenden zum ETV214) mit der Beschwerdebegründung, durch die die Behauptung der Einsprechenden/Beschwerdeführerin aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung angeblich gestützt werden soll, dass es im ETV 214 überhaupt einen Einfluss auf die Beschleunigung des Hubmastes gegeben haben soll, kann den grundsätzlichen Substantiierungsmangel der offenkundigen Vorbenutzung ETV 214 nicht beheben. So offenbart auch E23 keine Details über den technischen Aufbau.
4. Die Einspruchsabteilung hat überdies mit Verweis auf die Richtlinien des Europäischen Patentamtes (RiLi E-II, 8.6) und die Entscheidungen T 534/89 und T 17/91 in der verspäteten Vorlage einer offenkundigen Vorbenutzung aus dem Hause der Einsprechenden einen Verfahrensmissbrauch gesehen und die oben unter Punkt 3 geschilderte Vorbenutzung ETV 214 daher nicht berücksichtigt.
4.1 Die einschlägige - von der Einspruchsabteilung in diesem Zusammenhang zitierte - Rechtsprechung ist jeweils in Fällen ergangen, in denen einer Partei zur Last gelegt wurde, aktiv einen ihr bereits bekannten und aus dem eigenen Hause stammenden Stand der Technik aus verhandlungstaktischen Gründen zurückgehalten zu haben.
4.2 Im vorliegenden Fall bestehen keine Erkenntnisse über ein bewusstes Zurückhalten bereits bekannter Information. Es kann nur festgehalten werden, dass seinerzeit im Verfahren keine Änderung der Sachlage stattgefunden hatte, die eine weitere Recherche hätte geboten erscheinen lassen, die schließlich zur Ermittlung der behaupteten hochrelevanten offenkundigen Vorbenutzung ETV 214 führen konnte: die Anträge der Patentinhaberin waren zu diesem Zeitpunkt unverändert.
4.3 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht auch die Tatsache, dass zu Beginn des Einspruchsverfahrens die Recherche eines hauseigenen Standes der Technik unterlassen wurde und erst später (hier kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) ein hauseigener angeblich neuheitsschädlicher Stand der Technik vorgelegt wird, ein Handeln darstellt, das einem Verfahrensmissbrauch im Ergebnis, nämlich was die Zulassung betrifft, gleichgestellt werden muss.
Für eine derartige Betrachtung gibt es die folgenden Gründe:
4.3.1 Es ist der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer und den anderen Verfahrensbeteiligten nicht möglich, die subjektiven Beweggründe oder die internen Vorgänge im Hause einer Partei in Gänze zu erfassen und zu bewerten.
Sie sind dabei auf den Vortrag der Partei angewiesen und haben i.d.R. keinerlei Möglichkeiten, die Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen zu überprüfen.
4.3.2 Es erscheint unbefriedigend, eine ehrliche Partei, die angibt, einen Stand der Technik schon länger gekannt zu haben, aber seinerzeit noch nicht habe vorlegen wollen, schlechter behandeln zu müssen als eine der Partei, die fälschlich, aber nicht widerlegbar behauptet, dies nicht getan zu haben und erst später auf den internen Stand der Technik gestoßen zu sein.
4.3.3 Fairness und allgemeine Vefahrensförderungspflicht gebieten es, alle Einspruchsgründe, Tatsachen und Beweismittel zum frühestmöglichen Termin darzulegen. Gemäß Regel 76 (2) c) EPÜ sind schon mit der Einspruchs­begründung die Beweismittel anzugeben, die die Einspruchsgründe stützen.
Dies gilt nach Ansicht der Kammer insbesondere für die Beweismittel, die in der alleinigen Dispositionsgewalt der Einsprechenden liegen. So ist eine offenkundige Vorbenutzung meist nicht mit einem vertretbaren Aufwand für Dritte zu ermitteln.
4.3.4 Somit kann zurecht davon ausgegangen werden, dass eine Einsprechende, die auf demselben technischen Gebiet wie die Patentinhaberin wirtschaftlich tätig ist, und für die damit die begründete Vermutung besteht, dass ein kollidierender Stand der Technik im eigenen Haus vorhanden sein könnte, diesen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu recherchieren und darzulegen versucht. Dazu wäre eine geeignete Recherche spätestens mit der Vorbereitung des Einspruchs in Auftrag zu geben.
4.4 Soweit dies bewusst oder aus mangelnder Sorgfalt unterlassen wurde und im Einspruchsverfahren keine Veränderung eintritt, die vernünftige Parteien zu einer erstmaligen Recherche in eine bestimmte Richtung veranlassen würde, erscheint es der Kammer aus den dargelegten Gründen der Fairness und Gleichbehandlung daher nicht geboten, einen erst spät im Verfahren vorgelegten internen Stand der Technik in das Verfahren zuzulassen.
Vor diesem Hintergrund wäre die Entscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Nichtzulassung der Vorbenutzung ETV 214 wohl zu bestätigen, auch wenn sie sich auf Rechtsprechung stützt, die vom Sachverhalt nicht vollkommen einschlägig ist.
4.5 Einer abschließenden Entscheidung darüber bedarf es aber im Ergebnis nicht, da der Vortrag zur angeblichen Vorbenutzung ETV 214 - wie oben 3 ausgeführt - schon aufgrund der fehlende Substantiierung als nicht ausreichend anzusehen ist.

No comments:

Post a Comment

Do not use hyperlinks in comment text or user name. Comments are welcome, even though they are strictly moderated (no politics). Moderation can take some time.