1 August 2016

T 1954/14 - Appeal against summons

Key points

  • This is an appeal against a decision of the OD to hear witnesses about public prior use (the summons to the witnesses had been issued). The appeal is inadmissible because this decision is not a final decision (Article 106 EPC). 
  • As a comment, the patentee has been successful to the extent that the proceedings were delayed by two years. 

EPO T 1954/14 - link



Sachverhalt und Anträge
I. Die am 27. August 2014 eingelegte und begründete Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung über eine Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme (Regel 117 EPÜ) und die angebliche Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der prima facie Relevanz, wie enthalten in dem der Ladung beigelegtem Bescheid, beide Schriftstücke mit Datum vom 17. Juli 2014.


Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die vorliegende Beschwerde betrifft die Frage, ob die der Beschwerdeführerin von der Einspruchsabteilung zugestellte Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2014 zusammen mit der der Ladung beigefügten Mitteilung und der Entscheidung über die Beweisaufnahmen als eine Zwischenentscheidung mit gesonderter Beschwerdemöglichkeit (oder Zwischenentscheidungen mit gesonderten Beschwerdemöglichkeiten) zu bewerten ist.
1.2 Entscheidungscharakter der in Frage stehenden Schriftstücke
1.2.1 Nach Artikel 106 (1) EPÜ sind Entscheidungen der Einspruchsabteilung mit der Beschwerde anfechtbar. Da der Begriff der Entscheidung im EPÜ nicht definiert ist, stellt sich die Frage, ob den angegriffenen Schriftstücken der Charakter einer beschwerdefähigen Entscheidung zukommt. Es ist in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern anerkannt, dass dies nicht primär von der Form oder Überschrift des Schriftstücks abhängt, sondern grundsätzlich von seinem im verfahrensrechtlichen Zusammenhang zu würdigenden Inhalt. Insbesondere stellt ein Schriftstück eine Entscheidung dar, wenn der behandelte Sachverhalt gegenüber einer Beteiligten abschließend geregelt wird.


1.2.2 Weder dem Inhalt der der Ladung beigefügten Mitteilung noch dem der anderen genannten Schriftstücke vermag die Beschwerdekammer zu entnehmen, dass eine abschließende Entscheidung von der Einspruchsabteilung getroffen worden ist.
1.2.3 Die von der Einspruchsabteilung mitgeteilten Äußerungen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung haben keinen Entscheidungscharakter. Dies ergibt sich eindeutig, wie von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aus dem einleitenden Punkt 3 der der Ladung beigefügten Mitteilung : "Nach Prüfung des sich darstellenden Sachverhalts kommt die Einspruchabteilung zu folgender ... vorläufiger und nicht bindender Beurteilung der Sachlage ...". Zu der offenkundigen Vorbenutzung I wird auch in Punkt 3.4.6 mitgeteilt, dass "Die Einspruchsabteilung ... der vorläufigen Auffassung [ist], dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung ... für die Beurteilung der Patentierbarkeit relevant sein könnte." Die Beschwerdekammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass bezüglich der offenkundigen Vorbenutzungen II, III und IV die Formulierungen in der Mitteilung ("Die Einspruchsabteilung hält die behauptete offenkundige Vorbenutzung zumindest prima facie für relevant" oder "Die behauptete offenkundige Vorbenutzung wird daher trotz verspäteten Vortrags zum Verfahren zugelassen") in dieser Hinsicht teilweise unglücklich gewählt sind. Auf jeden Fall geht aus der der Ladung beigefügten Mitteilung hervor, dass die Einspruchsabteilung in Kenntnis der Argumente der Patentinhaberin (siehe zum Beispiel zur offenkundige Vorbenutzung IV, Punkte 3.7.5 und 3.7.6) eine "mögliche Vernehmung von .. Zeugen" (von der Kammer hervorgehoben) in Aussicht gestellt hat (siehe Punkt 4.3 der Mitteilung). Aus dem Gesamtzusammenhang der Mitteilung erschließt sich somit zweifelsfrei, dass den sachlichen Ausführungen der Einspruchsabteilung kein "abschließender" Entscheidungscharakter beigemessen werden kann. Im Übrigen teilt die Beschwerdekammer die schriftlich und mündlich vorgetragene Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass die Ladung von Zeugen aus verfahrenökonomischen Gründen auch für verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel sinnvoll sein kann, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die für die Ladung von Zeugen anfallenden Kosten von der Einsprechenden selbst zu tragen sind.
1.2.4 Die Schlussfolgerung zum "abschließenden" Entscheidungscharakter gilt auch für die von der Einspruchsabteilung getroffenen Maßnahmen bezüglich der offenkundigen Vorbenutzungen, nämlich für die Entscheidung über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme (Regel 117 EPÜ) und die fünf Ladungen zur Beweisaufnahme (Regel 118 EPÜ). Eine Entscheidung über die Beweisaufnahme oder ein Beweisbeschluss ist weder eine anfechtbare Entscheidung gemäß Artikel 106 (1) EPÜ noch eine Zwischenentscheidung mit zugelassener gesonderter Beschwerde im Sinne des Artikel 106 (2) EPÜ. Der Beweisbeschluss ist vielmehr eine verfahrensleitende Anordnung, die einer Sachentscheidung vorausgeht und einer Überprüfung während des laufenden Verfahrens entzogen ist. Diese Auffassung wird auch eindeutig in der Fachliteratur vertreten, siehe Bühler in Singer/Stauder ,,Kommentar zum EPÜ", 7. Auflage, Artikel 106, Randnummer 20 und Artikel 117, Randnummern 79 und 81, Schäfers in Benkard, ,,Europäisches Patentübereinkommen", 2. Auflage, Artikel 117, Randnummer 80 sowie Moufang in Schulte ,,Patentgesetz mit EPÜ", 9. Auflage, Art. 106 EPÜ - Anhang zu § 73, Randnummer 22. Dies ergibt sich auch aus nationalen Zivilprozessordnungen (ZPO), vgl. z.B. § 355 (2) der deutschen Zivilprozessordnung.
1.3 Zulassung der gesonderten Beschwerde
1.3.1 Nach Artikel 106 (2) EPÜ ist eine Entscheidung, die ein Verfahren gegenüber einem Beteiligten nicht abschließt, nur zusammen mit der Endentscheidung anfechtbar, sofern nicht in der Entscheidung die gesonderte Beschwerde zugelassen worden ist. Das EPÜ kennt keine ausdrückliche Vorschrift, in welchen Fällen die gesonderte Beschwerde gegen sogenannte Zwischenentscheidungen zuzulassen ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich in das pflichtgemäße Ermessen des entscheidenden Organs gestellt ("Travaux Préparatoires" zum EPÜ 1973, Bericht über die zweite Sitzung des Koordinierungsausschusses vom 15. bis 19. Mai 1972, Dok. BR/209/72, Punkt 67).
1.3.2 Die Beschwerdekammer vermag an der der Ladung beigefügten Mitteilung und der Entscheidung über die Beweisaufnahmen - auch für den Fall, dass sie als Zwischenentscheidungen zu werten wären - nicht zu erkennen, dass eine gesonderte Beschwerde beantragt oder zugelassen worden ist. Diesbezüglich ist auch kein Ermessensfehler der Einspruchsabteilung ersichtlich.
1.4 Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Ablauf des bisherigen Einspruchsverfahrens, insbesondere der Erlass der Mitteilung, der Entscheidung über die Beweisaufnahme und der Zeugenladungen, eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte darstellen würde. Auch der von der Beschwerdeführerin angezogenen Entscheidung T 857/06 liegt ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde, weshalb sich deren Schlussfolgerungen nicht ohne Weiteres auf die hier zu entscheidenden Fragen übertragen lassen. Ohne Belang für die hierzu entscheidende Frage der Zulässigkeit der Beschwerde sind auch die genauen Umstände der Entrichtung der Einspruchsgebühr.
1.5 Die Beschwerde ist infolgedessen als unzulässig zu verwerfen.
2. Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer
2.1 Eine Befassung der Großen Beschwerdekammer durch eine von einer Beschwerdekammer setzt voraus, das eine rechtwirksame eingelegte Beschwerde zulässig ist. Dies wurde in den Entscheidungen der Große Beschwerdekammer G 2/90 (ABl. EPA 1992,10, Nr. 1 der Entscheidungsgründe), G 8/92 vom 5. März 1993 (Nr. 3 der Entscheidungsgründe), G 3/99 (ABl. EPA 2002, 347, Nr. 4 der Entscheidungsgründe) und G 1/12 (ABl. 2014, A114, Nr. 9 der Entscheidungsgründe) ausdrücklich hervorgehoben, indem zum Ausdruck gebracht wurde, dass eine Vorlage nur dann zulässig ist, wenn die anhängige Beschwerde zulässig ist, es sei denn, dass die vorzulegenden Rechtsfragen gerade ein Aspekt der Zulässigkeit der Beschwerde betrifft.
2.2 Im vorliegenden Fall befassen sich die gestellten Rechtsfragen nicht mit Fragen über die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern betreffen Fragen der prima facie Prüfung eines Beweismittels in Zusammenhang mit einem Beweisbeschluss und des Unterschriftserfordernisses zur Abbuchung der Einspruchsgebühr von einem laufenden Konto, so dass schon aus diesen Gründen der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer zurückzuweisen ist.
3. Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr
Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr setzt unter anderem voraus, dass der Beschwerde stattgegeben wird. Da dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, ist der Antrag allein schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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