13 July 2020

T 0073/17 - Not attending oral proceedings and appeal fee

Key points

  • The Board finds that in order to benefit from the 25% partial reimbursement of the appeal fee under Rule 103(4)(c), a party must expressly withdraw the request for oral proceedings. 
  • The Board concludes that " der Gesetzgeber offenbar einen Unterschied zwischen einer bloßen Ankündigung der Nichtteilnahme an einer mündlichen Verhandlung und einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung unterscheidet. Vor diesem Hintergrund versteht die Beschwerdekammer die konkrete Formulierung der Regel 103 (4) c) EPÜ. Diese nennt explizit eine Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung als eine zwingende Voraussetzung für die anteilige Rückzahlung und lässt eben nicht allein das Nichtstattfinden einer mündlichen Verhandlung dafür genügen."
  • The Board also clarifies that the "communication issued by the Board of Appeal in preparation for these oral proceedings" of R.103(3)(a) is the Communication under Art. 15(1) RPBA (second paragraph, i.e. the preliminary opinion).
  • The Board also clarifies that the active withdrawal of the appeal more than one month after notification of the preliminary opinion does not give rise to 50% refund, even if the oral proceedings are cancelled.




EPO T 0073/17 - link








9. Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr

9.1 Durch die am 1. April 2020 in Kraft getretene Neufassung der Regel 103 EPÜ sind neue Tatbestände für eine anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr eingeführt worden. Nach dem vorliegend relevanten Absatz 4 dieser Regel wird die Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % zurückgezahlt, wenn

"a) die Beschwerde nach Ablauf der Frist nach Absatz 3 Buchstabe a, aber vor Verkündung der Entscheidung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wird,
b) die Beschwerde nach Ablauf der Frist nach Absatz 3 Buchstabe b, aber vor Erlass der Entscheidung zurückgenommen wird,
c) ein etwaiger Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Zustellung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen wird und keine mündliche Verhandlung stattfindet."

9.2 Die Einsprechende hat ihre Beschwerde in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 2020 mehr als einen Monat ab Zustellung der Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 14. Januar 2020 zur Vorbereitung der ursprünglich für den 6. Juli 2020 anberaumten mündlichen Verhandlung zurückgenommen.


Der Umstand, dass vor dem Hintergrund der positiven Beurteilung der Beschwerde der Patentinhaberin in der vorgenannten Mitteilung der Beschwerdekammer die Notwendigkeit zur Durchführung der ursprünglich für den 6. Juli 2020 anberaumten mündlichen Verhandlung infolge der Rücknahme der Beschwerde der Einsprechenden obsolet wurde und deshalb der Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben wurde, ändert nichts an der Einschlägigkeit der Regel 103 (4) a) EPÜ.

Auch wenn die vorliegende Entscheidung nunmehr im schriftlichen Verfahren ergeht, greift nach dem für die Beschwerdekammer erkennbaren gesetzgeberischen Willen nicht der Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (3) c) EPÜ ein, der eine hälftige Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorsieht.

Aus den vorbereitenden Arbeiten und den Umständen für die Neufassung der Regel 103 EPÜ (CA/80/19 vom 4. Oktober 2019 und CA/80/19 Korr. 1 vom 8. November 2019: Paket gebührenbezogener Maßnahmen; Beschluss des Verwaltungsrates vom 12. Dezember 2019 zur Änderung der Regel 103 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen CA/D 14/19, ABl. EPA 2020, A5) ist bekannt, dass die Rückzahlungstatbestände und die darin geregelten Rückzahlungshöhen sich daran orientieren, in welchem Verfahrensstadium des Beschwerdeverfahrens die Beschwerderücknahme erfolgt (siehe CA/80/19, supra, Nr. 60).

Dabei werden vier verschiedene Verfahrensstadien definiert: Anfangsphase, Zwischenphase, Prüfungsphase, Entscheidungsphase. Vorliegend relevant sind die beiden letztgenannten.

"Die Prüfungsphase beginnt, wenn der Berichterstatter die Akte in Bearbeitung nimmt und mit der inhaltlichen Prüfung der Beschwerde beginnt. Dazu gehört die Abfassung des internen Votums zum Beschwerdefall und möglicherweise der Versand einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ (über inhaltliche Fragen) oder, wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt ist, der Versand einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK" (CA/80/19, supra, Nr. 70).
"Die Entscheidungsphase beginnt unmittelbar nach Ende der Prüfungsphase. Sie schließt die Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung sowie die Verkündung der Entscheidung über die Beschwerde am Ende der mündlichen Verhandlung und/oder die Abfassung und den Erlass der schriftlichen Entscheidung ein" (CA/80/19, supra, Nr. 78).

Ferner ist bekannt, dass mit der Regel 103 (3) c) EPÜ gesetzgeberisch beabsichtigt ist, Fälle einer Direktentscheidung abzudecken, d.h. Fälle, in denen weder eine mündliche Verhandlung anberaumt noch der Beschwerdeführer zur Stellungnahme aufgefordert werden muss (CA/80/19, supra, Nr. 77). Um eine solche Direktentscheidung handelt es sich aber vorliegend eindeutig nicht, da sie nach Ladung der Parteien zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung und nach Zustellung einer diesen Termin vorbereitenden Mitteilung der Beschwerdekammer ergeht.

Damit erfolgte die Rücknahme der Beschwerde durch die Einsprechende eben nicht mehr während der Prüfungsphase, sondern erst in der Entscheidungsphase des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und ist unter den Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (4) EPÜ zu subsumieren, deren Voraussetzungen evident erfüllt sind.

9.3 Da die Einsprechende in ihrem Schriftsatz vom 25. Mai 2020 zugleich erklärt hat, nicht am ursprünglich anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung teilzunehmen, stellt sich die Frage, ob dadurch daneben auch noch der Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (4) c) EPÜ zum Tragen kommen könnte.

Abgesehen davon, dass der Schriftsatz der Einsprechenden nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 14. Januar 2020 eingereicht wurde, ist die Absichtserklärung der Einsprechenden, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, nicht als eine Rücknahme ihres bereits in ihrer Beschwerdeschrift vom 16. Januar 2017 hilfsweise gestellten Antrages auf mündliche Verhandlung im Sinne der Regel 103 (4) c) EPÜ zu qualifizieren.

Nach ständiger Rechtsprechung kann der Antrag eines Beteiligten auf mündliche Verhandlung nur durch eine eindeutige gegenteilige schriftliche Willenserklärung zurückgenommen werden. Diese Voraussetzung wird in der Rechtsprechung regelmäßig nicht als erfüllt angesehen bei einer bloßen Ankündigung, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, III.C.4.3.1, mit weiteren Nachweisen). Soweit in einzelnen Verfahren eine solche Ankündigung als implizite Rücknahme ausgelegt worden zu sein scheint (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, III.C.4.3.2, mit weiteren Nachweisen), ist diese Rechtsprechung zur Überzeugung der Kammer jedenfalls nicht auf die Regel 103 (4) c) EPÜ übertragbar.

Maßgeblich für die Kammer sind dabei folgende Erwägungen:

Aus vorbereitenden Arbeiten und den Umständen für die Neufassung der Regel 103 EPÜ ergibt sich, dass sich der Gesetzgeber bewusst war, dass Verfahrensbeteiligte insbesondere schon in der Eingangsphase des Beschwerdeverfahrens eine mündliche Verhandlung "oft nur zur Sicherheit ... [beantragen], um zu verhindern, dass die Kammer ohne Vorankündigung eine schriftliche Entscheidung erlässt... Die Beteiligten neigen dazu, die Kammer dann eher kurzfristig über ihre Absicht zu unterrichten, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen" (siehe CA/80/19, supra, Nr. 84). Deshalb war es für den Gesetzgeber offensichtlich wichtig, dass Beschwerdeführer "durch einen entsprechenden Anreiz dazu veranlasst werden sollten, ihre Absicht zur Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung mitzuteilen..." (siehe CA/80/19, supra, Nr. 85, Hervorhebung durch die Beschwerdekammer).

Daraus folgt für die Kammer, dass der Gesetzgeber offenbar einen Unterschied zwischen einer bloßen Ankündigung der Nichtteilnahme an einer mündlichen Verhandlung und einer ausdrücklichen Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung unterscheidet.

Vor diesem Hintergrund versteht die Beschwerdekammer die konkrete Formulierung der Regel 103 (4) c) EPÜ. Diese nennt explizit eine Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung als eine zwingende Voraussetzung für die anteilige Rückzahlung und lässt eben nicht allein das Nichtstattfinden einer mündlichen Verhandlung dafür genügen.
Damit kommt der Rücknahmeerklärung eine entscheidende Bedeutung zu, so dass schon aus Gründen der Rechtssicherheit gerade auch für die Verfahrensbeteiligten eine ausdrückliche und eindeutige schriftliche Rücknahmeerklärung notwendige Tatbestandsvoraussetzung für die anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist.

Vorliegend hat die Einsprechende ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nicht ausdrücklich und eindeutig zurückgenommen, so dass die Voraussetzungen von Regel 103 (4) c) EPÜ nicht erfüllt sind.

9.4 Im Ergebnis ist folglich nur der Rückzahlungstatbestand nach Regel 103 (4) a) erfüllt, nicht dagegen auch der nach Regel 103 (4) c) EPÜ, so dass das Kumulationsverbot nach Regel 103 (5) EPÜ nicht zum Tragen kommt.

9.5 Deshalb entscheidet die Beschwerdekammer nach Regel 103 (6), Satz 2 EPÜ, dass gemäß Regel 103 (4) a) EPÜ die von der Einsprechenden bei der Einreichung ihrer Beschwerde gezahlte Beschwerdegebühr anteilig in Höhe von 25 % zurückgezahlt wird.

Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.
3. Die von der Einsprechenden gezahlte Beschwerdegebühr wird in Höhe von 25 % zurückgezahlt.

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