18 January 2019

T 1389/18 - Interruption of proceedings

Key points

  • The Board confirms that the Legal Division can also retroactively conclude that an interruption of proceedings took place under Rule 142 EPC (this was not contested by the parties). In this case, the LD had found an interruption of proceedings due to insolvency proceedings being opened against one of the parties. The difficulty of the case that the LD found this on 04.01.2018, with effect of 01.08.2017, wheres oral proceedings had taken place on 12.09.2017 wherein the OD had pronounced the (interlocutory) decision that the patent can be maintained in amended form. Notices of appeals were filed on 15.01.2018 and 16.01.2018. 
  • The Board concludes that any oral proceeding and any decision pronounced during such oral proceedings become non-existent if they take place during an interruption of proceedings.
  • Hence, in the present case, with a retroactively found interruption of proceedings, there is no valid decision of the OD. Hence, the appeal is moot ("gegenstandslos"), the appeal proceedings are terminated "without a decision on the matter".
  • As a comment, Rule 101(1) stipulates that an appeal is rejected as inadmissible if it does not comply with Article 106 EPC stating that "appeal shall lie from decisions".
  • The Board refunds the appeal fee. The Board distinguishes from J 12/16, wherein the Legal Board had also found the appeal to be moot ("gegenstandslos") but had not refunded the appeal fee, because in J12/16 the appeal (concerning a request for registration of a transfer of an application) became moot during the appeal procedure (by the publication of the mention of the grant). 
  • A further matter is that on the Legal Division had found on 31.07.2018 a further interruption of proceedings with effect of 01.06.2018 (again due to the insolvency of the patentee). The present Board finds that the Board needs to comply with this interruption, thereby distinguishing from T854/12 (r. 1.2.6.b; as a comment I think that there the reverse torpedo of the appeal procedure is meant). In T854/12, the Board found that it needs to decide itself on a possible interruption of proceedings in view of the devolutive effect of appeal. The present Board concludes that the devolutive effect is restricted for the case of a moot appeal, precisely in order to avoid that parties can "torpedo" the first instance proceedings simply by filing a  document called "appeal" thereby taking away the competence of the first instance departments. 



EPO T 1389/18 -  link


Headnote
1. Die Rechtsabteilung ist grundsätlich befugt, eine Unterbrechung des Verfahrens nach Regel 142(1)b EPÜ auch rückwirkend festzustellen (Gründe 4.).

2. Aus dem Wortlaut der geltenden Vorschrift "Unterbrechung des Verfahrens" und aus dem Gesamtzusammenhang der Regel 142 EPÜ kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass auch eine, während der Unterbrechung stattgefundene mündliche Verhandlung und eine in der Verhandlung verkündete Entscheidung der Einspruchsabteilung rückwirkend als nicht existent betrachtet werden müssen (Gründe 7.).

3. Dies bedeutet, dass es keine rechtswirksame Entscheidung der Einspruchsabteilung gibt. Folglich sind auch die Beschwerden vor der Kammer gegenstandslos, so dass das Beschwerdeverfahren ohne Entscheidung in der Sache beendet werden muss (Gründe 10.).


Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegenden Beschwerden betreffen die am 6. November 2017 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts betreffend die Aufrechterhaltung des Europäischen Patents Nr. 2220689 in geänderter Form.
II. Die für die Beschwerden relevanten Ereignisse lassen sich wie folgt zusammenfassen.
III. Am 12. September 2017 fand eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Patentinhaberin und der Einsprechenden 1 und 4 statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung verkündet. Die schriftliche Entscheidung wurde am 6. November 2017 zur Post gegeben, so dass die Beschwerdefrist am 16. Januar 2018 endete.
IV. Die Rechtsabteilung teilte den Parteien in einer Mitteilung vom 7. November 2017 mit, dass gegen eine der Patentinhaberinnen ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde. Damit musste die Rechtsabteilung prüfen, ob die Voraussetzungen für die Unterbrechung des Verfahrens nach Regel 142 (1) b) EPÜ vorlagen. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme, nach Aktenlage gingen jedoch keine Stellungnahmen beim EPA ein.


V. Die Rechtsabteilung stellte in einer Mitteilung vom 4. Januar 2018 fest, dass das Verfahren rückwirkend zum 1. August 2017 unterbrochen worden sei und am 1. August 2018 wieder aufgenommen werde (erste Unterbrechung). In der Mitteilung wurde auf Regel 142(4) EPÜ und die Hemmung der laufenden Fristen verwiesen. Weiter stellte die Mitteilung fest, dass während der Unterbrechung zugegangene Mitteilungen und Entscheidungen des EPA gegenstandslos seien und nach Wiederaufnahme des Verfahrens erneut zugestellt würden.
VI. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung wurde am 15. Januar 2018 von der Patentinhaberin und am 16. Januar 2018 von der Einsprechenden 1 Beschwerde eingelegt.
VII. Mit Schreiben vom 25. Januar 2018 beantragte die Patentinhaberin, die Entscheidung der Rechtsabteilung, das Verfahren zu unterbrechen, zurückzunehmen oder zumindest festzustellen, dass das Verfahren am 8. August 2017 wieder aufgenommen wurde.
VIII. Die Einsprechende 4 argumentierte mit Schreiben vom 14. Februar 2018, dass die Unterbrechung gerechtfertigt gewesen sei, und erklärte, dass sie noch keine Beschwerde eingelegt habe, im Vertrauen auf die Mitteilung der Rechtsabteilung.
IX. In einer Mitteilung vom 8. März 2018 wies die Rechtsabteilung die Anträge der Patentinhaberin zurück, änderte jedoch das Datum der Wiederaufnahme des Verfahrens auf den 3. April 2018.
X. Mit Schreiben vom 7. Mai 2018 argumentierte die Patentinhaberin, dass die Entscheidung der Rechtsabteilung, das Verfahren zu unterbrechen, ihrer Meinung nach keine Rechtsgrundlage hatte. Ein formaler Antrag wurde in diesem Schreiben nicht gestellt.
XI. Mit Schreiben vom 29. Mai 2018 machte die Einsprechende 4 geltend, dass die Unterbrechung gerechtfertigt gewesen sei, und legte vorsorglich eine Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein. Sie beantragte auch eine mündliche Verhandlung. Sie stellte fest, dass die Frist für die Einreichung einer Beschwerdeschrift ihrer Ansicht nach nicht begonnen habe, da die Entscheidung der Einspruchsabteilung noch nicht erneut zugestellt worden sei.
XII. Die Beschwerdekammer informierte die Parteien in einer Mitteilung vom 29. Juni 2018 über ihre Einschätzung des Falles und forderte die Parteien auf, Stellung zu nehmen. Die Mitteilung enthielt im Wesentlichen die entscheidungserheblichen Überlegungen der Kammer, auf welchen die vorliegende Entscheidung basiert. Den Parteien wurde eine Frist von zwei Monaten für die Stellungnahme eingeräumt.
XIII. Mit Schreiben vom 17. Juli 2018 erklärte die Einsprechende 4, dass sie mit der rechtlichen Würdigung der Beschwerdekammer einverstanden sei.
XIV. Mit Schreiben vom 11. Juli 2018 wurde dem EPA mitgeteilt, dass ein Insolvenzverfahren gegen die Patentinhaberin SolarWorld Industries GmbH eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter forderte eine zügige Schließung einer möglichen Unterbrechung, die sich aus dem genannten Insolvenzverfahren ergeben könnte. Daraufhin hat die Rechtsabteilung in einer Mitteilung vom 31. Juli 2018 festgestellt, dass das Verfahren rückwirkend zum 1. Juni 2018 unterbrochen wurde und am 1. Oktober 2018 wieder aufgenommen wird (zweite Unterbrechung). Die Mitteilung verwies wieder auf Regel 142(4) EPÜ und stellte erneut fest, dass während der Unterbrechung zugegangene Mitteilungen und Entscheidungen des EPA gegenstandslos seien und nach Wiederaufnahme des Verfahrens erneut zugestellt würden.
XV. Mit einer Mitteilung vom 4. Oktober 2018 hat die Kammer ihre frühere Mitteilung (siehe Punkt XII oben) erneut erlassen, und räumte den Parteien eine Frist von zwei Monaten für eine eventuelle Stellungnahme ein.
XVI. Mit Schreiben vom 26. November 2018 und eingegangen am 30. November 2018 beim EPA trug die Patentinhaberin vor, dass eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens auch in Betracht käme, zumindest bis die Frage der Unterbrechung endgültig entschieden sei.
XVII. Von den Parteien wurden keine weiteren Schriftsätze zu den zugrunde liegenden Sachverhalten eingereicht. Für keine der vorliegenden Beschwerden wurde eine Beschwerdebegründung eingereicht.
Entscheidungsgründe
Existenz und Zulässigkeit der Beschwerden
1. Ausgehend vom Datum der Zustellung der Entscheidung wurden die Beschwerdeschriften rechtzeitig eingereicht (für Einsprechende 4 zumindest unter Berücksichtigung der am 1. April 2018 zu Ende gegangenen Unterbrechung) und die Beschwerdegebühren bezahlt, so dass die Beschwerden vorerst ohne Bedenken als eingelegt gelten. Die Beschwerdebegründungen wurden nicht eingereicht, aber dies hat keine Auswirkungen, wie unten erläutert.
2. Nach Artikel 107 EPÜ können nur durch eine Entscheidung beschwerte Parteien Beschwerde einlegen. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet. Wie in der Entscheidung G12/91 der Großen Beschwerdekammer erläutert, wird die Entscheidung mit der Verkündung wirksam (Punkt 2 der Gründe, s. auch RdBK, 8. Auflage 2016, Kap. III.K.3.1). Während die Rechtsabteilung in ihrer Mitteilung ausdrücklich erklärt hat, dass Mitteilungen und Entscheidungen des EPA, die während der Unterbrechung zugegangen sind (Hervorhebung durch die Kammer), als gegenstandslos zu betrachten sind, hat sie die Rechtswirkung der mündlichen Verhandlung und die mündlich verkündete Entscheidung nicht explizit angesprochen. Daher konnten die Parteien zum Zeitpunkt der Einreichung ihrer Beschwerden die angefochtene Entscheidung zurecht als (weiterhin) existent und rechtswirksam ansehen. Daran hätte auch die Tatsache nichts geändert, dass die Frist für die Einreichung einer Beschwerde möglicherweise noch nicht begonnen hatte, z.B. weil die schriftlichen Entscheidungsgründe noch nicht zugestellt worden waren, s. T 389/86, Gründe 1., zitiert auch in der RdBK supra, Kap. IV.E.2.5.3. Daraus folgt, dass die von der Rechtsabteilung angekündigte Verzögerung der Zustellung der (schriftlichen) Entscheidung an sich die Rechtswirkung der mündlich verkündeten Entscheidung nicht berührt hätte, so dass die weiteren Rechtsfolgen der Unterbrechung in dieser Hinsicht zumindest nicht klar vorhersehbar waren. Dementsprechend stellt die Kammer fest, dass die Parteien die Beschwerden damals - unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer, durch eine rechtswirksame Entscheidung bedingte Beschwer - in gutem Glauben als zulässig ansehen konnten.
Auswirkungen der ersten Unterbrechung des Verfahrens
3. Die Beschwerdekammer muss jedoch prüfen, wie sich die durch die Rechtsabteilung später festgestellte rückwirkende Unterbrechung des Einspruchsverfahrens auf die angefochtene Entscheidung an sich und damit unmittelbar auf die vorliegenden Beschwerden auswirkt.
4. Nach Aktenlage war die (erste) Unterbrechung rechtswirksam durch die Rechtsabteilung festgestellt. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Rechtsabteilung vom 4. Januar 2018 war das Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung formal noch nicht abgeschlossen, sondern noch anhängig. Dementsprechend war die Rechtsabteilung für die Frage der Unterbrechung nach Regel 142 EPÜ zuständig. Die grundsätzliche Befugnis der Rechtsabteilung, die Unterbrechung rückwirkend festzustellen, wurde bisher von keiner der Parteien in Frage gestellt, und die Kammer sieht auch keinen Grund, dies zu tun.
5. Die Kammer kann die Rechtswirkungen der Unterbrechung nicht außer Acht lassen. Selbst wenn sich die Kammer für die Frage der Unterbrechung nach Regel 142 EPÜ für zuständig halten könnte - wie etwa als unmittelbare Folge der Eröffnung des Beschwerdeverfahrens -, würde dies ihre Zuständigkeit nicht auf die Überprüfung von Entscheidungen des EPA ausweiten, die noch vor der Eröffnung des Beschwerdeverfahrens erlassen wurden und offensichtlich in Kraft getreten sind.
6. Die Kammer hat auch keine Befugnis, die - formal als Mitteilung ausgegebene - Entscheidung der Rechtsabteilung über die Unterbrechung im Rahmen der vorliegenden Beschwerden aufzuheben. Die bisher eingereichten Beschwerden richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, und nichts anderes. Gegen die Unterbrechungsentscheidung gibt es keine Beschwerden und auch keinen formellen Antrag auf eine beschwerdefähige Entscheidung. Im Übrigen wäre im vorliegenden Fall eine gezielte Beschwerde auch zwecklos gewesen, da eine Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich ex nunc hätte erfolgen können (s. J 09/06, Gründe 5.), so dass eine rechtswirksame Wiederaufnahme des Verfahrens zu einem früheren Zeitpunkt als den im Verfahren bisher genannten Terminen, das heißt dem 3. April 2018 oder dem 1. August 2018, nicht hätte erzielt werden können.
7. Auf dieser Grundlage muss die Kammer feststellen, dass das Verfahren am 1. August 2017 in Form einer rechtlichen Fiktion wirksam unterbrochen und mindestens bis zum 3. April 2018 noch nicht wieder aufgenommen wurde. Aus dem Wortlaut der geltenden Vorschrift "Unterbrechung des Verfahrens" und aus dem Gesamtzusammenhang der Regel 142 EPÜ kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass auch eine, während der Unterbrechung stattgefundene mündliche Verhandlung und eine in der Verhandlung verkündete Entscheidung der Einspruchsabteilung rückwirkend als nicht existent betrachtet werden müssen.
8. Eine Unterbrechung nach Regel 142(1)b EPÜ dient dabei nicht nur den Interessen des Patentinhabers, sondern auch denen seiner Gläubiger. Diese Interessen sollen dadurch geschützt werden, dass die Regelung jede Rechtshandlung, sei es durch den Patentinhaber oder durch das Europäische Patentamt, zu verhindern sucht, die geeignet ist, das Patent als Vermögensgegenstand zu beeinträchtigen. Diese Regelung zielt damit auf die materiellen Rechte, die ein Patent gewährt. Deshalb können während einer Unterbrechung keine Schritte unternommen werden, die den Schutzumfang des Patents betreffen. Die faktische Handlungsfähigkeit des Patentinhabers ist dabei nicht entscheidend: Regel 142(1)b EPÜ sieht vor, dass der Patentinhaber "aus rechtlichen Gründen" verhindert sein soll.
9. Die mündliche Verhandlung ist ein wesentlicher Bestandteil des Einspruchsverfahrens und hat regelmäßig erhebliche Auswirkungen auf die endgültige Entscheidung. Somit ist klar, dass sie während einer Unterbrechung nicht durchgeführt werden kann. So kam beispielsweise auch die Entscheidung T 854/12 vom 8. August 2016 zu diesem Ergebnis ("Liegt nach Überzeugung der Kammer ein Unterbrechungstatbestand vor, so werden nicht nur die laufenden Fristen gehemmt ...; die Kammer ist auch gehindert, eine mündliche Verhandlung durchzuführen...", Gründe 1.2.8).
10. Dies bedeutet, dass es keine rechtswirksame Entscheidung der Einspruchsabteilung gibt. Folglich sind auch die Beschwerden vor der Kammer gegenstandslos, so dass das Beschwerdeverfahren ohne Entscheidung in der Sache beendet werden muss. Aus rein formaler Sicht sind die Beschwerden - mangels Beschwer - auch unzulässig.
11. Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, dass die fehlenden Beschwerdebegründungen für die vorliegende Entscheidung keine Rolle spielen, da die Beschwerden mit oder ohne diese ohnehin unzulässig sind.
Rückzahlung der Beschwerdegebühren
12. Wie die Analyse der Kammer zeigt, wurden die Beschwerden nicht erst rückwirkend unzulässig, sondern waren zum Zeitpunkt ihrer Einreichung bereits unzulässig, da die Unterbrechung bereits rechtswirksam war. Dies würde in der Regel zur Verwerfung der Beschwerden ohne Rückerstattung der Beschwerdegebühr führen. Der Kammer ist die Entscheidung J 0012/16 vom 25. April 2017 bekannt, in der die zuständige Beschwerdekammer entschieden hat, dass die Beschwerde gegenstandslos ist, sich aber gegen die Rückerstattung der Beschwerdegebühr aussprach. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden jedoch schon deshalb nicht vergleichbar, weil dort die Beschwerde erst während des Beschwerdeverfahrens gegenstandslos wurde. Angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall die zugrundeliegende Entscheidung im Wege einer Rechtsfiktion nichtig geworden ist und diese Rechtswirkung weder klar vorhersehbar war noch irgendeiner der Parteien zugerechnet werden kann, scheint der Kammer eine Einbehaltung der Beschwerdegebühren offensichtlich unangemessen zu sein. Unter diesen Umständen hält es die Kammer für gerechtfertigt, auch die Rechtsgrundlage für die Zahlung der Beschwerdegebühr als nichtig anzusehen.
13. Daher entscheidet die Kammer, dass die Beschwerdegebühren mangels Rechtsgrundlage zurückzuzahlen sind. Nach Ansicht der Kammer gilt diese Überlegung auch für die Beschwerde der Einsprechenden 4, die ihre Beschwerde lediglich als vorsorgliche Maßnahme eingereicht hat, in voller Kenntnis der bereits bestehenden, aber im Lichte der Einwände der Patentinhaberin noch nicht endgültig entschiedenen Unterbrechung. Denn insbesondere im Hinblick auf die unklaren Rechtswirkungen der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung konnte die Einsprechende 4 nicht von einer klaren und eindeutigen Rechtslage ausgehen, zumal die angefochtene Entscheidung unmittelbar bei der Wiederaufnahme des Verfahrens nach der ersten Unterbrechung nicht erneut zugestellt worden ist, entgegen der Ankündigung der Rechtsabteilung.
14. Auch wenn die Kammer akzeptieren würde, dass die mündliche Verhandlung vom 12. September 2017 bei Wiederaufnahme des Verfahrens als rechtswirksam angesehen werden konnte, muss die Kammer dennoch feststellen, dass die Entscheidung noch nicht erneut zugestellt wurde. Es ist offensichtlich Aufgabe der erstinstanzlichen Instanz, dies zu tun, und es ist auch Aufgabe der ersten Instanz, zu entscheiden, ob die mündliche Verhandlung wiederholt werden muss oder nicht.
Auswirkungen der zweiten Unterbrechung des Verfahrens
15. Die zweite Unterbrechung wirkt sich weder auf die ersten Unterbrechung noch auf ihre Rechtswirkungen aus und ändert daher nicht die Beurteilung der Beschwerden.
16. Während der zweiten Unterbrechung haben die Parteien keine Sachvorträge zum Gegenstand des Patents gemacht, und weder die Einspruchs- noch die Rechtsabteilung hat Verfahrensschritte unternommen (außer der Feststellung der Unterbrechung). Die zweite Unterbrechung wurde jedoch erneut rückwirkend festgestellt und zwar für den Zeitraum, in dem die Kammer ihre Mitteilung zu den wesentlichen Fragen herausgegeben hat (siehe Punkt XII oben). Somit musste entschieden werden, ob die Kammer verpflichtet ist oder nicht, im Beschwerdeverfahren eine - von der Rechtsabteilung während des Beschwerdeverfahrens festgestellte - Unterbrechung nach Regel 142 EPÜ zu berücksichtigen.
17. Diese Frage hat die Entscheidung T 854/12 (supra) ablehnend beantwortet (Gründe 1.2). Die vorliegende Kammer hat jedoch Zweifel, ob die Begründung der Entscheidung T 854/12 auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. T 854/12 geht offensichtlich davon aus, dass die Beschwerde vor der entscheidenden Kammer existiert und zulässig ist, und die Kammer daher wirksame Entscheidungsbefugnisse über den Gegenstand der Beschwerde und dadurch über das ganze Verfahren hat, einschliesslich die Unterbrechung des Verfahrens.
18. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren offensichtlich nicht gegeben. Im Gegenteil, die Kammer ist der Auffassung, dass eine gegenstandslose Beschwerde die Befugnisse der Kammer nicht auf beliebige Aspekte des erstinstanzlichen Verfahrens erstrecken kann. Andernfalls wäre es möglich, die Befugnisse eines Organs der ersten Instanz in jeder Phase des Verfahrens durch ein Dokument zu umgehen, das nur den Titel einer " Beschwerde " trägt, was einen wirksamen "Torpedo" gegen das Vorgehen des Organs darstellen würde. Die Entscheidung T 854/16 selbst warnte vor einem solchen Torpedoeffekt, siehe Gründe 1.2.6.b).
19. Es wäre der Kammer noch offen gestanden, zu prüfen, ob der in der Entscheidung der Rechtsabteilung ersichtliche Tatbestand eine "gesonderte" Unterbrechung begründet hätte, die lediglich das Beschwerdeverfahren vor der Kammer beträfe und damit ausdrücklich nicht die Unterbrechung des Einspruchsverfahrens in seiner Gesamtheit berührte. Eine solche Vorgehensweise hätte jedoch zu einer noch weiteren Verlängerung des Verfahrens vor der Kammer geführt und die ohnehin schon unübersichtliche Verfahrenssituation für die Parteien unnötigerweise noch komplizierter gemacht. So konnten die Parteien nach Erhalt der zweiten Unterbrechung beispielsweise nicht wissen, ob diese einen Einfluss auf die in der ersten Mitteilung der Kammer genannte Frist haben würde oder nicht.
20. Daher entschied die Kammer, die Feststellung der Rechtsabteilung über die zweite Unterbrechung nicht außer Acht zu lassen. Stattdessen hat die Kammer ihre frühere Mitteilung erneut veröffentlicht, um zu verhindern, dass die Parteien mit einer unklaren Verfahrenssituation konfrontiert sind, und dass das Verfahren sich unverhältnismäßig verzögert.
21. Die von der Patentinhaberin vorgeschlagene Aussetzung des Beschwerdeverfahrens erscheint der Kammer zwar als eine mögliche, jedoch nicht unbedingt vorteilhafte Lösung. Eine solche Vorgehensweise könnte so gedeutet werden, dass die Kammer eine "Wiederherstellung" der in der mündlichen Verhandlung angekündigten Entscheidung erwartet und damit als einer Entscheidung der Einspruchsabteilung vorgreifend empfunden werden. Der rechtliche Rahmen für eine solche "Wiederherstellung" ist für die Kammer derzeit nicht ersichtlich. Sollte die Einspruchsabteilung jedoch eine entsprechende Lösung finden, würde die vorliegende Beendigung des Verfahrens ohne Entscheidung der Kammer über die Beschwerden weder zu einem Rechtsverlust der Parteien noch zu einem finanziellen Nachteil führen. Sie könnten die Beschwerden erneut einlegen.
Würde dagegen nach dem Vorschlag der Patentinhaberin das Beschwerdeverfahren ausgesetzt und käme die Einspruchsabteilung zu dem Entschluß, die mündliche Verhandlung zu wiederholen, würden die ausgesetzten Beschwerden offensichtlich gegenstandslos. Als Folge müsste dann das Beschwerdeverfahren mit demselben Ergebnis, d.h., ebenfalls ohne Entscheidung, beendet werden. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühren wäre in diesem Fall jedoch erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens möglich.
22. Alle Parteien, die eine mündliche Verhandlung beantragt haben, haben ihre Zustimmung gegeben, dass die Kammer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet. Dementsprechend kann die Entscheidung der Kammer im schriftlichen Verfahren ergehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerden sind gegenstandslos.
2. Das Beschwerdeverfahren wird ohne Entscheidung in der Sache beendet.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühren wird angeordnet.


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