Key points
- This case illustrates that undisclosed disclaimers arguably belong to the don't-try-this-at-home category.
- The patentee added an undisclosed disclaimer in the independent claim to restore novelty over an Article 54(3) document during the first instance opposition proceedings. The opponent appealed, the patentee did not.
- The Board judges that the disclaimer removes more than necessary and is hence not allowable under G 1/03. This created a trap for the patentee/respondent. Because of the prohibition of reformatio in peius (G1/99) the patentee can not simply narrow or delete the disclaimer. The Board turns to the exceptions indicatedin G1/99 and finds that patentee could amend the claim to restrict to basically the embodiment of the example thereby deleting the disclaimer while still being novel. Accordingly, patentee can use option 1 of the headnote of G1/99 and may not use option 2 and 3 of that headnote and may not delete the disclaimer.
- The Board considers that for the the phrase “ if such a limitation is not possible” in G1/99, hn., the question how much scope of protection remains after an amendment of the first categeory of that headnot is not relevant.
- The present Board considers the phrase “A disclaimer should not remove more than is necessary either to restore novelty ” in G1/03 hn. II.2 to be a strict requirement.
- As a comment, T 1399/13 (not cited in the present decision) held that “ In other words, a disclaimer removing more than strictly necessary to restore novelty would not be in contradiction with the spirit of G 1/03, if it were required to satisfy Article 84 EPC and it did not lead to an arbitrary reshaping of the claims.”
T 2277/18 -
https://www.epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t182277du1.html
Entscheidungsgründe
Abhaltung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz
[...]
Der Disclaimer der aufrechterhaltenen Anspruchsfassung
2. Im Vergleich zur erteilten Fassung enthält der unabhängige Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen damaligen und jetzigen Hilfsantrags 2 einen Disclaimer, der Implantate aus den spezifischen Mg-Zn-Ca Legierungen der Ausführungsbeispiele 2, 5, 6 und 8 des Artikel 54(3) EPÜ Dokuments E1 vom Schutzbereich ausnimmt.
Dieser Disclaimer ist in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart.
3. In G 1/16 (AB 2018, A70, Leitsatz) wurde bestätigt, dass für einen solchen nicht offenbarten Disclaimer weiterhin die Kriterien von G 1/03 (AB 8-9/2004, 413) anzuwenden sind.
Nach letzterer Entscheidung sollte ein Disclaimer nicht mehr ausschließen als nötig, um die Neuheit wiederherzustellen (Leitsatz II.2).
Im vorliegenden Fall sind zumindest die Drähte zur Fixierung von Knochenfrakturen aus der Legierung des Ausführungsbeispiels 8 von E1 ("to produce wires for fixation of bone fractures" auf Seite 24, Zeilen 23 und 24; Übersetzung durch die Kammer: "um Drähte für die Fixierung von Knochenbrüchen herzustellen") neuheitsschädlich für das Implantat von Anspruch 1 der erteilten Fassung des Streitpatents:
- Dass die Legierung aus Beispiel 8 unter den Wortlaut von Anspruch 1 der erteilten Fassung fällt, ist unbestritten.
- Darüber hinaus werden diese Drähte auch unzweifelhaft wirklich hergestellt, wie auf Seite 24 in den Zeilen 23 und 24 ausgesagt wird: "The 8 mm diameter rod was also subjected to a wire drawing process to produce wires for fixation of bone fractures" (Übersetzung durch die Kammer: "Der Stab mit 8 mm Durchmesser wurde ebenfalls einem Drahtziehprozess unterworfen, um Drähte für die Fixierung von Knochenbrüchen herzustellen").
Da der Disclaimer in der aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents jedoch nicht nur Drähte zur Fixierung von Knochenfrakturen aus dieser Legierung ausnimmt, sondern jegliche Implantate, schließt er mehr aus als nötig. Somit sind die Bedingungen von G 1/03 nicht erfüllt und die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ verletzt.
4. Die Beschwerdegegnerin betont, dass ein Disclaimer nach G 1/03, Leitsatz II.2, nicht mehr ausschließen sollte als nötig, um die Neuheit wiederherzustellen. Dies gäbe der Kammer einen gewissen Ermessensspielraum, in dem auch der Verhältnismäßigkeit und der Billigkeit Rechnung getragen werden sollten.
Die Kammer stimmt dem nicht zu. Die Leitsätze von G 1/03 müssen in ihrem Kontext gelesen werden. Nach Punkt 3 der Entscheidungsgründe schränkt ein zulässiger Disclaimer lediglich den beantragten Patentschutz ein und ist nur gerechtfertigt, um eine neuheitsschädliche Offenbarung oder einen nicht patentfähigen Gegenstand auszuschließen. Dies bedeute nicht, dass die Ansprüche willkürlich geändert werden dürfen. Der Disclaimer darf daher nicht mehr ausklammern als notwendig, um die Neuheit wiederherzustellen oder den aus nichttechnischen Gründen vom Patentschutz ausgenommenen Gegenstand auszuschließen.
Auch in T 8/07 (Entscheidungsgründe 2.3 und 2.4) wird festgestellt, dass die Schlussfolgerung aus G 1/03, nicht mehr auszuklammern als notwendig, nicht nur ein Desideratum darstellt. Analoges gilt auch für T 795/05 (Entscheidungsgründe 3.5).
Die jetzige Kammer kommt zum selben Schluss.
Bedingungen für zulässige Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot nach G 1/99
5. Sind, wie im vorliegenden Fall, die Einsprechenden die alleinigen Beschwerdeführerinnen gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist die Patentinhaberin nach G 9/92 (AB 12/1994, 875) primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Änderungen, die die Patentinhaberin als Beteiligte nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind.
6. Nach G 1/99 (AB 8-9/2001, 381) kann von diesem Grundsatz unter bestimmten Bedingungen abgewichen werden, um einen im Beschwerdeverfahren von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müsste.
Nach dem Leitsatz dieser Entscheidung kann es der Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin unter diesen Umständen zur Beseitigung des Mangels gestattet werden, folgendes zu beantragen:
- in erster Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken;
- falls eine solche Beschränkung nicht möglich ist, eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung erweitern, ohne jedoch gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu verstoßen;
- erst wenn solche Änderungen nicht möglich sind, die Streichung der unzulässigen Änderung, sofern nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßen wird.
Nach G 1/99 ist ein Änderungsantrag dieser Art im Sinne des Leitsatzes II von G 9/92 "sachdienlich" und "erforderlich" und daher zulässig.
7. Im vorliegenden Fall haben die Beteiligten nicht bestritten, dass die Grundsätze von G 1/99 auch dann gelten, wenn es sich bei dem unzulässigen Merkmal um einen Disclaimer handelt.
Die Kammer teilt diese Auffassung.
8. Es stellt sich also die Frage, ob im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit der ersten Option aus G 1/99 die Aufnahme von ursprünglich offenbarten, den Schutzumfang der aufrechterhaltenen Fassung einschränkenden Merkmalen den Mangel beseitigen kann.
Dies muss bejaht werden, denn in Tabelle 1 auf Seite 7 der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, wird ein bestimmtes Implantat aus einer spezifischen Mg-Zn-Ca-Legierung offenbart, genauer gesagt ein Nagel aus MgZn0.4Ca0.4.
Die Aufnahme der Merkmale dieses Beispiels würde in der Tat den Schutzumfang des Patents im Vergleich zur aufrechterhaltenen Fassung weiter einschränken und gleichzeitig den unzulässigen Disclaimer überflüssig machen.
Somit wäre der Mangel des zu breiten Disclaimers behoben und gleichzeitig wären die Bedingungen der ersten Option aus G 1/99 erfüllt.
9. Die Tatsache, dass diese Möglichkeit besteht, bedeutet aber wegen der klaren Rangfolge der Optionen im Leitsatz von G 1/99, dass Anträge der folgenden Art unzulässig sind:
- Anträge mit der Aufnahme von ursprünglich offenbarten Merkmalen, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung erweitern würden, und
- Anträge mit einer Streichung der unzulässigen Änderung.
10. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin entspräche die Einschränkung auf das Ausführungsbeispiel der ursprünglich offenbarten Beschreibung jedoch weder dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch dem der Billigkeit.
Dabei sei die Billigkeit nach G 1/99 ausdrücklich zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerinnen hätten ja ihrerseits die Möglichkeit, ihre Beschwerden zurückzuziehen oder ihre Interessen vor nationalen Gerichten geltend zu machen.
Dieses Argument ist nicht überzeugend. Am Ende von Punkt 12 von G 1/99 wird zwar in der Tat folgendes präzisiert: "Doch insbesondere wenn der Aufrechterhaltung des Patents Gründe entgegenstehen, die in der ersten Instanz nicht vorgebracht wurden, verdient der nicht beschwerdeführende Patentinhaber aus Gründen der Billigkeit Schutz" (Hervorhebung durch die jetzige Kammer).
Andererseits stellt die Große Beschwerdekammer unter Punkt 15 aber gleichzeitig folgendes klar: "Da sich die Beschwerdekammern an den Grundsatz des Verschlechterungsverbots halten müssen, darf eine solche Ausnahmeregelung nur eng ausgelegt werden" (Hervorhebung eingefügt).
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kommt die Große Beschwerdekammer dann zum Schluss, dass unter bestimmten Umständen vom Prinzip des Verschlechterungsverbots abgewichen werden kann. Entsprechend präzise werden die drei Optionen (und deren Rangfolge) aufgezeigt, um den Mangel zu beheben.
In diesem Zusammenhang wird klar ausgesagt, dass die zweite Option (Aufnahme eines den Schutzbereich erweiternden Merkmals) nur dann zu gestatten ist, wenn sich die erste Option (Aufnahme eines den Schutzbereich einschränkenden Merkmals) "als unmöglich erweist" (G 1/99, Leitsatz). Während der völlige Verlust des Patentes also unter Umständen als unbillig erachtet wird, spielt die Frage, wie viel vom Schutzbereich der aufrechterhaltenen Fassung nach der Änderung übrig bleibt, keine Rolle.
Die Kammer merkt auch an, dass die Verantwortung für den unzulässigen Disclaimer letztlich die Beschwerdegegnerin trägt.
Unter diesen Umständen ist es den Beschwerdeführerinnen nicht zuzumuten, dass sie ihre Beschwerden zurückziehen oder dass sie ihre Interessen vor nationalen Gerichten durchsetzen, nur damit der Verlust des Schutzbereiches des Streitpatents für die Beschwerdegegnerin in einem subjektiv erträglichen Rahmen bleibt.
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