Key points
- The OD found the claims as granted allowable. The opponent appeals. The Board finds the claims as granted to be obvious. In the first instance proceedings the patentee had filed AR-1 to 9, the patentee had maintained these requests with their Appeal Reply Brief. After the Board's conclusion on the main request, the Patentee requests that the case be remitted for consideration of these requests. The opponent opposes the requested remittal. Note, these requests had not been considered by the OD. So either the Board considers these requests for the first time in appeal or remits the case.
- The Board recalls that under Article 111(1) it has a discretionary power to remit the case or not. The Board does not expressly recall Article 11 RPBA 2020.
- The Board decides to not remit the case. The Board, in translation: “In the present case, auxiliary requests 1-9 undisputedly relate to combinations of granted claims. In addition, the appellant/opponent commented in detail on the dependent claims of the patent in suit in their statement of grounds (pages 19-21). The respondent/patent proprietor was thus prepared to discuss, in particular, the inventive step of these claims. Ultimately, there is a general public interest in achieving legal certainty in the matter as quickly as possible. A remittal, which always opens up the possibility of a further appeal, does not serve this interest and is always weighed against the interest of the parties in being able to present their arguments in two instances. In the present case, it must be taken into account that the opponent did not agree to the request for remittal and the patent has a priority date from 2010 already. In the opinion of the Board, both are weighty reasons that speak against remittal”.
- The Board finds all requests to be obvious starting from the same document D2 as for the main request.
- The Board, on the admissibility of some other auxiliary requests, notes that convergence as a factor for admissibility does not apply to the first instance proceedings and neither to the admissibility in appeal of requests filed and maintained in the first instance proceedings. “Allerdings betrifft die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Nicht-Zulassung von nicht konvergierenden Hilfsanträgen hauptsächlich Anträge, die erst nach Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung eingereicht wurden, und somit dem Ermessen der Kammer nach Artikel 13 VOBK unterlagen, vgl. RdBK V.A.4.12.4 und die darin zitierten Entscheidungen. Diese Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig und stellt kein Hindernis für die Zulassung der Hilfsanträge 3, 8 und 9 dar.”
T 1860/17 -
https://www.epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t171860du1.html
6. Hilfsanträge - Zulassung zum Verfahren
6.1 Die Hilfsanträge 1-9 wurden bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung gestellt und mit der Erwiderung der Patentinhaberin vom 9. März 2018 auf die Beschwerdebegründung erneut gestellt. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet die Zulassung der Hilfsanträge 3, 8 und 9 mit dem Argument, dass die geänderten unabhängigen Ansprüche in diesen Anträgen nicht gegenüber dem in höherrangigen Anträgen beanspruchten Gegenstand konvergieren.
Allerdings betrifft die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Nicht-Zulassung von nicht konvergierenden Hilfsanträgen hauptsächlich Anträge, die erst nach Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung eingereicht wurden, und somit dem Ermessen der Kammer nach Artikel 13 VOBK unterlagen, vgl. RdBK V.A.4.12.4 und die darin zitierten Entscheidungen. Diese Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig und stellt kein Hindernis für die Zulassung der Hilfsanträge 3, 8 und 9 dar. Die Zulassung der Hilfsanträge 1, 2 und 4-7 wurde nicht gerügt, und die Kammer sieht aufgrund der darin enthaltenen Änderungen, die auf Kombinationen von erteilten Ansprüchen gerichtet sind, ebenfalls keinen Grund, der gegen die Zulassung dieser Hilfsanträge zum Beschwerdeverfahren spricht.
Aus diesen Gründen entschied die Kammer, die Hilfsanträge 1-9 in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12(4) VOBK 2020).
6.2 Die Vorlage der Hilfsanträge 0 und 0' erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Diese verspätet vorgelegten Hilfsanträge stellen geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2020 erfolgt.
6.2.1 Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ bestimmten Frist oder, wenn eine solche Mitteilung nicht ergeht, nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
6.2.2 Im vorliegenden Fall erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14. Mai 2020. Zwar teilte die Kammer zusätzlich am 19. Januar 2021 den Parteien in einer Mitteilung nach Artikel 15(1) und 17(2) VOBK 2020 ihre vorläufige und nicht-bindende Auffassung mit. Ob Artikel 13(2) VOBK 2020 auf eine solche Konstellation Anwendung findet (weil es sich um keine Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ handelte, da die Parteien nicht unter Fristsetzung durch die Kammer dazu aufgerufen wurden, eine Stellungnahme einzureichen), oder nicht (weil dieser Fall in der zitierten Vorschrift nicht geregelt ist), kann dahinstehen. In jedem Falle ist nämlich die Vorlage der Hilfsanträge 0 und 0' während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung anzusehen, deren Zulassung einer Rechtfertigung bedarf.
6.2.3 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat in den Hilfsanträgen 0 und 0' jeweils die Alternative "zum Längsschneiden ... und/oder beidseits des Brustbeins (16)" aus den unabhängigen Ansprüchen gestrichen. Sie rechtfertigt die verspätete Vorlage dieser Hilfsanträge mit dem Argument, dass der Fall für sie mit dem negativen Befund der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit eine überraschende Wendung genommen habe. Zudem sei die Mitteilung der Kammer mit einer entsprechenden vorläufigen Einschätzung dieser Frage erst eine Woche vor dem Termin der mündlichen Kammer ergangen. Außerdem widerspräche die Kammer mit ihrer Einschätzung zu den Begriffen Brustbein und Brustknorpel sowohl der wissenschaftlich-anatomischen Sichtweise als auch der technischen Überzeugung der Patentinhaberin, wonach der Brustknorpel als ein Teil des Brustbeins anzusehen sei.
6.2.4 Keines dieser Argumente überzeugt die Kammer. Im Hinblick auf die Auslegung der Begriffe Brustknorpel und Brustbein ist ein eventueller Widerspruch zu einer wissenschaftlich-anatomischen Sichtweise unerheblich, da die Kammer der in Anspruch 1 enthaltenen Definition dieser Begriffe folgt. Aus den in Absatz 3 dieser Entscheidung genannten Gründen ergibt sich bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise dieses Anspruchs, dass diese Begriffe wegen des ebenfalls beanspruchten Verbindungsbereiches zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein zwei einander ausschließende Alternativen betreffen. Die subjektive technische Überzeugung der Patentinhaberin, wonach der Brustknorpel als ein Teil des Brustbeins anzusehen sei, hat die Kammer mangels einer entsprechenden Formulierung in Anspruch 1 bereits bei obiger Merkmalsauslegung nicht überzeugt. Daher kann sie auch bei der Frage der Zulassung der Hilfsanträge 0 und 0' zu keinem anderen Ergebnis führen.
Die Kammer vermag auch keine überraschende Wendung des Falles zu erkennen. In ihrer Einschätzung, dass die auf das Doppelmesser gerichteten Merkmale in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe beitragen, ist die Kammer nämlich einem Argument der Beschwerdeführerin gefolgt, das bereits mit der Beschwerdebegründung, und damit mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen wurde. Siehe dort insbesondere die Seite 14, wo auf das einschlägige Kapitel I.D.9.5 der Rechtsprechung verwiesen wird. Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion der Patentinhaberin - z.B. durch das rechtzeitige Stellen eines entsprechenden Hilfsantrags - auf diesen Einwand der Beschwerdeführerin gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Argument der Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses. Überraschend wäre vielmehr, wenn die Kammer einem von der Einsprechenden vorgebrachten Einwand mit einer anderen als von dieser vorgetragenen Begründung folgte, oder aber ihrerseits einen neuen Einwand erhöbe. Vorliegend war das nicht der Fall.
6.2.5 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der beiden Hilfsanträge 0 und 0' zu rechtfertigen wäre. Somit entscheidet die Kammer, diese Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
7. Zurückverweisung
7.1 Die Patentinhaberin beantragt die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung für eine Prüfung der Hilfsanträge 1-9. Anderenfalls verlöre sie eine Instanz. Zudem sei keine besondere Eile geboten, da keine Verletzungsstreitigkeit anhängig sei. Die Einsprechende ist diesem Antrag entgegengetreten.
7.2 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Es steht somit im Ermessen der Kammer, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden, ob eine Sache zurückzuverweisen oder sachlich zu entscheiden ist.
7.3 Im vorliegenden Fall betreffen die Hilfsanträge 1-9 unbestritten Kombinationen von erteilten Ansprüchen. Zudem hat sich die Beschwerdeführerin Einsprechende in ihrer Beschwerdebegründung ausführlich zu den abhängigen Patentansprüchen des Streitpatents geäußert (Seiten 19-21). Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin war somit vorbereitet, insbesondere die erfinderische Tätigkeit dieser Ansprüche zu diskutieren. Letztlich besteht ein allgemeines öffentliches Interesse daran, möglichst schnell zu Rechtssicherheit in der Sache zu gelangen. Eine Zurückverweisung, die stets auch die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde eröffnet, ist diesem Interesse nicht dienlich und stets gegen das Interesse der Parteien, ihre Argumente in zwei Instanzen vorbringen zu können, abzuwägen. Vorliegend ist zu berücksichtigen, daß sich die Einsprechende dem Antrag auf Zurückverweisung nicht angeschlossen hat und das Patent bereits eine Priorität aus dem Jahre 2010 aufweist. Beides sind nach Auffassung der Kammer gewichtige Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen.
7.4 Aus diesen Gründen entschied die Kammer in der mündlichen Verhandlung, die Sache nicht, wie von der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt, an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sondern selbst die erfinderische Tätigkeit der Hilfsanträge zu prüfen und zu einer Endentscheidung in der Sache zu kommen, Artikel 111(1) EPÜ.
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