- This is a rare kind of appeal: an appeal concerning a refused limitation request under Art. 105a-c.
- Claim 9 as granted specifies a yield strength (Dehngrenze) of "- 190 MPa", the requested amendment is " >= 210 MPa"
- The formulation " - 190 MPa" is unusual.
- The Board: “Die einzig technisch sinnvolle Auslegung ergibt sich durch Konsultation der Beschreibung. [...] Der erteilte Anspruch 9 ist demzufolge so auszulegen, dass die Härte HB >= 80, die Dehngrenze Rp0,2 >= [190*] MPa, [...]". (*= correction at my end, PJL)
- With this interpretation of claim 9 as granted, the amendment into >= 210 is indeed a limitation.
- " Demzufolge sind auch die Bedingungen der Regel 95(2) EPÜ erfüllt, sodass der Beschränkung stattgegeben werden kann, wenn die Bedingungen der Regel 95(3) EPÜ erfüllt werden."
"9. Vormaterial nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der daraus hergestellte ausscheidungsgehärtete Bau- oder Formteil folgende mechanische Kennwerte besitzt
Härte HB - 80
Dehngrenze Rp0,2 - 190 MPa, vorzugsweise = 210
Zugfestigkeit Rm - 240 MPa, vorzugsweise = 260
Gleichmaßdehnung Ag - 12%"
Der der Entscheidung zugrunde liegende Beschränkungsantrag betraf nur die Ansprüche 8 und 9 und enthielt folgende Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen (Hervorhebung durch die Kammer): [...]
"9. [...] Formteil folgende mechanische Kennwerte besitzt
Härte HB >= 80
Dehngrenze Rp0,2 >= 210 MPa
Zugfestigkeit Rm >= 240 MPa, vorzugsweise >= 260
Gleichmaßdehnung Ag >= 12%"
EPO T 2830/18 - link
Entscheidungsgründe
1. Dem Antrag auf Beschränkung kann aus folgenden Gründen stattgegeben werden:
Gemäß Artikel 105b(1) EPÜ prüft das Europäische Patentamt, ob die in der Ausführungsordnung festgelegten Erfordernisse für eine Beschränkung erfüllt sind. Dabei wird nach Regel 95(2) EPÜ geprüft, ob die geänderten Patentansprüche gegenüber den Ansprüchen in der erteilten Fassung eine Beschränkung darstellen und den Artikeln 84 und 123 Absätze 2 und 3 genügen.
Die einzigen Ansprüche, die gegenüber dem erteilten Patent geändert wurden sind vorliegend die Ansprüche 8 und 9, sodass nur diese zu prüfen sind.
1.1 Artikel 84 EPÜ
Die eingefügten Änderungen sind klar, sodass die Bedingungen des Artikels 84 EPÜ bezüglich der Änderungen erfüllt sind.
1.2 Artikel 123(2) EPÜ
Ansprüche 8 und 9 gehen unmittelbar und eindeutig aus den Ansprüchen 9 und 10 der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor. Die Bedingungen des Artikel 123(2) EPÜ sind somit erfüllt.
1.3 Artikel 123(3) EPÜ
Es ist anerkannte Rechtsprechung, dass zum Zwecke des Artikels 123(3) EPÜ ein Anspruch so auszulegen ist, dass er technischen Sinn ergibt und die gesamte Offenbarung des Patents berücksichtigt wird (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9.Auflage, 2019, II, E.2.3.3).
In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungsabteilung das Zeichen "-" entweder (a) als Minus oder (b) als Gleichheitszeichen angesehen.
Ad (a): Im vorliegenden Fall erkennt die Fachperson, dass die Ansprüche 8 und 9 des erteilten Patents fehlerhaft sein müssen, da negative Angaben bezüglich der Härte, Dehngrenze, Zugfestigkeit und Gleichmaßdehnung im beanspruchten Kontext technisch nicht sinnvoll sind.
Ad (b): Auch bei der Deutung als Gleichheitszeichen ist der Wortlaut der Ansprüche mit Widersprüchen behaftet, da die allgemeinen und die bevorzugten, jeweils singulären Werte für die Dehngrenze und die Festigkeit voneinander abweichen (z.B. Dehngrenze Rp0,2= 140 MPa, vorzugsweise = 130 MPa).
Die einzig technisch sinnvolle Auslegung ergibt sich durch Konsultation der Beschreibung. Auf Seite 4, Zeilen 29 bis 34 der B1-Publikation sind die mechanischen Kennwerte der stabilisierten Keimstruktur angegeben, sodass der erteilte Anspruch 8 so auszulegen ist, dass die Härte HB <= 65 (2,5/62,5/16), die Dehngrenze Rp0,2<= 140 MPa, die Zugfestigkeit Rm <= 270 MPa und die Gleichmaßdehnung Ag >= 18% der Keimstruktur sind. Entsprechendes gilt für die mechanischen Kennwerte des ausscheidungsgehärteten Bau- oder Formteils, die auf Seite 4, Zeilen 51 bis 54 der B1-Publikation angegeben sind. Der erteilte Anspruch 9 ist demzufolge so auszulegen, dass die Härte HB >= 80, die Dehngrenze Rp0,2 >= 240 MPa, die Zugfestigkeit Rm >= 240 MPa und die Gleichmaßdehnung Ag >= 12% sind.
Die Ansprüche 8 und 9 des vorliegenden Antrags wurden dahingehend geändert, dass die Dehngrenzen in beiden Ansprüchen auf die bevorzugten Bereiche eingeschränkt sind. Eine Einschränkung gegenüber den erteilten Ansprüchen, wenn auch nur in einem mechanischen Kennwert, liegt somit vor und die Bedingungen des Artikels 123(3) EPÜ sind erfüllt.
1.4 Demzufolge sind auch die Bedingungen der Regel 95(2) EPÜ erfüllt, sodass der Beschränkung stattgegeben werden kann, wenn die Bedingungen der Regel 95(3) EPÜ erfüllt werden.
2. Artikel 112(1)a) EPÜ
Es ist etablierte Rechtsprechung, dass eine Vorlagefrage für die Entscheidung der Beschwerdekammer in der ihr zugrunde liegenden Sache maßgeblich sein muss (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, V.B.2.3.3).
Selbst wenn der im Abschnitt III. zitierte Vorschlag der Patentinhaberin, die angeführten Fragestellungen der Großen Beschwerdekammer vorzutragen, als formaler Antrag angesehen würde, so ist eine derartige Vorlage für die gegenständliche Entscheidung nicht angebracht. Da der vorliegende Fall sich auf etablierte Rechtsprechung bezüglich der Auslegung von Ansprüchen unter Artikel 123(3) EPÜ stützt und durch die Kammer auf der alleinigen Grundlage des vorliegenden Sachverhalts entschieden werden kann, ist eine Vorlage der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer nicht erforderlich.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung das Patent auf Basis der Ansprüche des vorliegenden Antrags eingereicht am 24. Januar 2017 zu beschränken.
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