26 August 2015

T 1882/12 - Optional claim features

T 1882/12

For the decision, click here (online on 09.07.2015). Also discussed here.

Key points

  • The Board finds that a claim can recite optional features, in particular preferred ranges. This can not be objected to under Rule 43(3) or (4) and is, within limits, acceptable under Art. 84.
  • The obvious advantage is that the clarity of such preferred features can (likely) not be objected to in opposition, based on G3/14.

2. Anforderungen von Artikel 84 EPÜ
2.1 In den Ansprüchen 2 und 4 bis 9 des Hauptantrags werden als fakultative Merkmale nach den Ausdrücken "vorzugsweise", "besonders bevorzugt" und "insbeson­dere" bevorzugte Bereiche (im Hinblick auf Gew.-%, Teilchengröße) oder bevorzugt auszuwählende Komponenten angegeben, die einen gegenüber dem zuerst aufgeführten obligatorischen Merkmal (breitester Bereich oder Klasse von Komponenten) eingeschränkten Umfang aufweisen. Anspruch 3 enthält diese Konstruktion nicht selbst, ist aber rückbezogen auf Anspruch 2.


2.2 Die von der Prüfungsabteilung herangezogene Regel 43(3) EPÜ beinhaltet kein Verbot einer solchen Anspruchsformulierung.
Regel 43(3) EPÜ besagt, dass zu jedem Patentanspruch, der die wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergibt, ein oder mehrere Patentansprüche aufgestellt werden können, die sich auf besondere Ausführungsarten dieser Erfindung beziehen.
Somit erlaubt die Regel die Aufstellung abhängiger Patentansprüche, um besondere Ausführungsarten zu beanspruchen. Dem Wortlaut der Regel ist aber weder zu entnehmen, dass die Aufnahme fakultativer Merkmale in einen Anspruch verboten wäre, noch lässt sich aus ihm ableiten, dass für jede besondere Ausführungsart, die in den Ansprüchen genannt werden soll, zwingend ein separater abhängiger Anspruch erstellt werden müsste.
2.3 Auch die ebenfalls von der Prüfungsabteilung angeführte Regel 43(4) EPÜ enthält keine einschlägige Bestimmung.
Regel 43(4) EPÜ gibt zunächst die allgemeinen Formerfordernisse an abhängige Ansprüche an, stellt sodann fest, dass es zulässig ist, wenn abhängige Ansprüche unmittelbar auf andere abhängige Ansprüche bezogen sind, und fordert schließlich, dass alle abhängigen Ansprüche, die sich auf einen oder mehrere vorangehende Ansprüche beziehen, soweit wie möglich und auf die zweckmäßigste Weise zusammenzufassen sind.
Für die Frage, ob in den vorliegenden Ansprüchen 2 bis 9 durch die Aufnahme fakultativer bevorzugter Ausführungsarten eine Mangel an Klarheit (Deutlichkeit) oder Knappheit entsteht, ist Regel 43(4) EPÜ somit nicht relevant.
2.4 Dass die Aufnahme fakultativer Merkmale in Patent­ansprüche grundsätzlich möglich ist, wird durch die Bestimmungen von Regel 43(3) und 43(4) EPÜ also nicht in Frage gestellt. Daher ist lediglich zu prüfen, ob durch die im vorliegenden Fall für die Ansprüche 2 und 4 bis 9 gewählte Form konkret ein Mangel an Klarheit und/oder Knappheit entsteht.
2.5 Diese Auffassung der Kammer stimmt im übrigen mit dem überein, was in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (Fassung vom April 2010; C-III, 4.9) im Hinblick auf fakultative Merkmale ausgeführt wird, nämlich:
"Ausdrücke wie "vorzugsweise", "zum Beispiel", "wie z.B." oder "insbesondere" sind sorgfältig darauf zu prüfen, ob sie keine Unklarheit hervorrufen. Ausdrücke dieser Art bewirken keine Beschränkung des Schutz­umfangs des Patentanspruchs, d.h. das nach einem derartigen Ausdruck stehende Merkmal ist als ganz und gar fakultativ zu betrachten."
Hieraus geht implizit hervor, dass die Einfügung fakultativer Merkmale im Anschluss an die genannten Ausdrücke nicht automatisch eine Unklarheit hervorruft, sondern dass vielmehr im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Unklarheit entsteht.
2.6 Am Beispiel von Anspruch 2 ist demgemäß festzustellen, dass die darin beanspruchten Zusammensetzungen 12 bis 60 Gew.-% der genannten Polyole (Sorbit und/oder Glycerin und/oder 1,2-Propylenglycol) enthalten, wobei Anspruch 2 somit als Unteranspruch eine bevorzugte Ausführungsform des Hauptanspruchs definiert.
Von der Anmelderin als noch besser geeignet befundene Zusammensetzungen enthalten 15 bis 50 Gew.-% der genannten Polyole.
Von der Anmelderin als wiederum besser geeignet befundene Zusammensetzungen enthalten 17 bis 40 Gew.-% der genannten Polyole.
Von der Anmelderin als wiederum noch besser geeignet befundene Zusammensetzungen enthalten 20 bis 35 Gew.-% der genannten Polyole.
Dabei stellen die Varianten mit 15 bis 50 Gew.-%, 17 bis 40 Gew.-% und 20 bis 35 Gew.-% progressiv bevorzugte Ausführungsformen innerhalb des Unter­anspruchs dar.
Da diese Zusammenhänge gut verständlich sind, kann die Kammer keinen Mangel an Klarheit feststellen:
- Der Anspruchsumfang ist mit dem breitesten Konzentrationsbereich (12 bis 60 Gew.-%) eindeutig definiert.
- Die weiteren genannten Bereiche sind bevorzugte Bereiche. Im Hinblick auf Anspruch 2 handelt es sich um fakultative Merkmale. Diese wurden laut Beschwerde­führerin in den Anspruch aufgenommen, um mögliche Rückzugspositionen anzugeben.
- Alternativ hätten die bevorzugten Konzentrations­bereiche gemäß Regel 43(3) EPÜ auch in separaten abhängigen Ansprüchen aufgeführt werden können. Die bloße Existenz einer solchen formalen Alternative kann aber nicht zu konkreten Zweifeln bezüglich der Zahl der abhängigen Ansprüche Anlass geben.
2.7 Analog wie für Anspruch 2 erläutert sind auch die schrittweise in den Ansprüchen 4 bis 9 aufgeführten Einschränkungen zu verstehen, ohne dass dadurch ein Mangel an Klarheit entstünde.
2.8 Im Hinblick auf die fehlende Knappheit wurde seitens der Prüfungsabteilung beanstandet, dass die als fakultativ aufgeführten technischen Merkmale den Schutzumfang nicht einschränkten und daher überflüssig seien.
Aus Sicht der Beschwerdeführerin erfüllen die fakultativen bevorzugten Merkmale den Zweck, mögliche Rückzugspositionen im weiteren Verfahren oder gegebenenfalls in einem Einspruchsverfahren abzustecken.
Allgemein betrachtet ist es denkbar, dass sich die von der Beschwerdeführerin gewählte Form im Vergleich mit einem Anspruchssatz, der für jedes zusätzliche Merkmal einen separaten abhängigen Anspruch enthält, in bestimmten Fällen als weniger übersichtlich erweisen könnte, insbesondere dann, wenn sehr viele zusätzliche Merkmale unterzubringen sind.
Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die Verwendung der fakultativen bevorzugten Merkmale sich im vorliegenden Fall in vertretbaren Grenzen hält, da die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt und der zur Analyse der Ansprüche erforderliche Aufwand durch die Anwesenheit dieser Merkmale nicht in unzumutbarem Maße erhöht wird.
2.9 Die Kammer teilt aus den genannten Gründen die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass sich bei Prüfung der abhängigen Ansprüche aufgrund der enthaltenen fakultativen bevorzugten Ausführungsformen kein beanstandungswürdiger Mangel an Klarheit oder Knappheit ergibt.
2.10 Die vorliegenden Ansprüche erfüllen somit die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.

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