28 March 2022

T 2558/16 - Appeal admissible and admissibility of requests

Key points

  •  The Board: in translation (r.6) " For an appeal to be admissible, it is not necessary for the appellant to challenge the opposition division's decision as erroneous. According to established case law (cf. "Case Law of the Boards of Appeal of the European Patent Office", 9th edition 2019, VA2.6.5 c)), a statement of grounds of appeal can also be regarded as sufficient if new facts are presented which take away the legal basis for the decision. In particular, an appellant [appealing patentee] can present amended sets of claims and explain why these [amendments] are suitable for eliminating the deficiencies complained of in the contested decision. Exceptionally, however, a new request which obviously serves to remove the ground for revocation, for example because a feature objected to by the opposition division under Article 123(2) EPC is replaced by a suitable amendment, can be made without further justification as to why the decision under appeal is considered wrong, constitutes an immediately recognizable and sufficiently direct link between the decision under appeal and the statement of grounds of appeal (see T 1276/05, point 1.2 of the statement of reasons for the decision; T 933/04, point 1.2.3 of the statement of reasons)." 
  • The Board: " The question of admissibility of the appeal does not depend on whether the amended claims are subsequently admitted into the proceedings by the board or whether the appellant's submissions are ultimately convincing."
EPO 
The link to the decision is provided after the jump, as well as (an extract of) the text of the decision.


Zulässigkeit der Beschwerde - Artikel 108 EPÜ Satz 3 i.V.m. Regel 99 (2) EPÜ

4. Die Bestimmungen der Regel 101 (1) EPÜ legen fest, dass eine Beschwerde dann als unzulässig zu verwerfen ist, wenn sie nicht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ, Regel 97 EPÜ, Regel 99 (1) b) oder c) EPÜ oder Regel 99 (2) EPÜ entspricht, es sei denn, dass ein Mangel vor Ablauf der maßgeblichen Frist nach Artikel 108 EPÜ behoben worden ist.

5. Die Beschwerdegegnerin nennt für ihren Einwand der Unzulässigkeit der Beschwerde keine Rechtsgrundlage, jedoch zielt sie auf die Vorschriften des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ ab. Letztere sieht vor, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.

6. Für die Zulässigkeit einer Beschwerde ist es nicht unbedingt erforderlich, dass der Beschwerdeführer die Entscheidung der Einspruchsabteilung als fehlerhaft angreift. Nach der gefestigten Rechtsprechung (vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage 2019, V.A.2.6.5 c)) kann eine Beschwerdebegründung auch dann als ausreichend angesehen werden, wenn ein neuer Sachverhalt vorgebracht wird, der der Entscheidung die rechtliche Grundlage entzieht. Insbesondere kann ein Beschwerdeführer geänderte Anspruchssätze vorlegen und erläutern, warum diese geeignet sind, die in der angefochtenen Entscheidung gerügten Mängel auszuräumen. Ausnahmsweise kann aber ein neuer Antrag, der offensichtlich der Ausräumung des Widerrufsgrunds dient, z.B. weil ein von der Einspruchsabteilung unter Artikel 123 (2) EPÜ beanstandetes Merkmal durch eine passende Änderung ersetzt wird, durchaus ohne weitere Begründung, warum die angefochtene Entscheidung für falsch gehalten wird, einen ummittelbar erkennbaren und ausreichend direkten Zusammenhang zwischen der angefochtenen Entscheidung und der Beschwerdebegründung darstellen (s. T 1276/05, Punkt 1.2 der Entscheidungsbegründung; T 933/04, Punkt 1.2.3 der Entscheidungsbegründung).

Dabei kommt es für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde nicht darauf an, ob die geänderten Ansprüche in weiterer Folge von der Kammer ins Verfahren zugelassen werden oder ob der Vortrag des Beschwerdeführers letztlich überzeugend ist.

7. Im vorliegenden Fall ist das Patent wegen Verstöße gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ in Verbindung mit Änderungen des Patents gemäß dem Hauptantrag und jeden der ersten und zweiten Hilfsanträge, alle in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht, sowie wegen fehlender Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 4 gemäß dem dritten Hilfsantrag, der im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden war, im Hinblick auf die Druckschrift D1 widerrufen worden.

Die Kammer teilt die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdebegründung sich inhaltlich mit den verschiedenen Punkten der Begründung der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat. Zum einen befasst sich der unter der Überschrift "1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ (E Blatt 3 Abschnitt 4)" subsumierte Vortrag mit der detaillierten Analyse des zeitlichen Bewegungsablaufs des Stützkörpers der Klammerstütze relativ zu dem Bereich der Öse. In Verbindung mit dem Verweis in Punkt II.1.5 der Beschwerdebegründung auf "die gegenteilige Auffassung der Einspruchsabteilung (E Abschnitt 4.2.2)", wertet die Kammer diesen Vortrag als einen klaren Versuch, die angebliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit der Änderungen des damals vorliegenden Hauptantrags, der gegenüber den erteilten Ansprüchen um das Merkmal des Stützkörpers ergänzt worden war, darzutun. Zum anderen enthält auch der zweite Abschnitt der Beschwerdebegründung mit der Überschrift "2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 54, 56 EPÜ)" einen direkten Verweis auf die entsprechende Begründung der angefochtenen Entscheidung: "E Abschnitt 5.2". Insbesondere in Punkt II.2.1.e) argumentiert die Beschwerdeführerin, aus welchen Gründen sie die Ansicht der Einspruchsabteilung, wonach die Druckschrift D1 das Merkmal offenbare, dass die Klammerstütze erst dann aus dem Bereich der Ringöse herausbewegt wird, wenn die durch das blattförmige Material hindurch tretenden Schenkel der Ringösenklammern weitgehend umgebogen sind, als fehlerhaft betrachtet: "Daraus ist zweifelsfrei ersichtlich, daß der Rückzug des Stützkörpers 85 aus der Öse 156 gleichzeitig mit dem Rückzug der Klammerstütze 80 aus dem zwischen den Klammerschenkeln 151 begrenzten Raum zu einem Zeitpunkt vollendet ist, zu dem das Umbiegen der Schenkel 151 noch andauert (Spalte 11, Zeilen 25 bis 31)". Daher kann die Kammer aus der Beschwerdebegründung unmittelbar ersehen, warum die Entscheidung nach Auffassung der Beschwerdeführerin aufzuheben ist.

8. Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung geänderte Ansprüche in Form von vier neuen Hilfsanträgen eingereicht. Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung wurde im Einzelnen dargelegt, warum die Neuformulierung der Ansprüche in den Hilfsanträgen 1 bis 4 geeignet sei, die von der Einspruchsabteilung gerügten Mängel bezüglich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ auszuräumen. Überdies gelten die auf Seiten 6 und 7 der Beschwerdebegründung vorgelegten Argumente zur Neuheit gegenüber der Druckschrift D1 auch für die neuen Hilfsanträge, deren Verfahrensansprüche jeweils das Merkmal des Rückzugs der Klammerstütze aus dem Bereich der Ringöse aufweisen.

9. Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerde bereits deshalb unzulässig sei, weil die Beschwerdeführerin mit dem neuen Hauptantrag auf erteilte Ansprüche zurückgreife, die nicht der angefochtenen Entscheidung zugrunde lägen, kann die Kammer nicht folgen. Dies ist vielmehr eine Frage der Zulassung des Hauptantrags ins Beschwerdeverfahren (s. dazu Punkt 14. infra; s. T 755/00, Punkt 3 der Entscheidungsgründe) und nicht eine Frage der Zulässigkeit der Beschwerde, die unter anderem die Übereinstimmung mit den Artikeln 107 und 108 EPÜ, sowie die Regel 99 (2) EPÜ betrifft. Selbst wenn die Kammer einen solchen Antrag später in Ausübung ihres Ermessens im Verfahren unberücksichtigt ließe, könnte dies die einmal gegebene Zulässigkeit der Beschwerde nicht rückwirkend beseitigen. Ebenso hat die Kammer in der von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung T 528/93 über die Zulassung eines im erstinstanzlichen Verfahren zurückgenommenen Antrags im Beschwerdeverfahren entschieden, ohne vorher die Zulässigkeit der Beschwerde in Frage zu stellen.

10. In Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Prinzipien sind die Vorschriften des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ in der vorliegenden Beschwerdesache somit erfüllt. Da die Beschwerde auch den übrigen Voraussetzungen der Artikel 106 bis 108 und Regel 97 und 99 EPÜ genügt, hat die Kammer entschieden, dass die Beschwerde zulässig ist.

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