7 February 2022

T 1365/18 - Inventive step of intermediate products

Key points

  • Claim 1 is directed to a solvent-free polyisocyanate mixture. Claim 4 is directed to a method of preparing lightfast polyurethane compositions by reacting the polyisocyanate mixture of claim 1 with (slightly simplified) a polyol. Claim 9 is directed to the use of the lightfast polyurethane composition for producing transparent mouldings. The mouldings can be used as a lightweight glass substitute e.g. as optical lense (claims 10 and 11). 
  • The Board, in translation: “2.1.4 In this context, the arguments put forward by the [opponent] Respondent against the applicable claim 1 in accordance with Section X a), last paragraph, must be viewed in the light of the case law relating to intermediate products (case law, supra: I.D.9.8.4, in particular T 65/82, OJ 1983, 327). In particular, in the present case, two different areas are to be considered as prior art with regard to the intermediates defined in claim 1 (namely the polyisocyanate mixtures A) which can be used for the production of polyurethane compositions, see e.g. claim 4 of the main request). On the one hand, the "intermediate product-related" state of the art has to be considered. These are all polyisocyanate mixtures whose chemical constitution comes close to the intermediate products and the task to be solved with the intermediate products. On the other hand, the "product-related" state of the art must also be taken into account. These are those compounds which, in their chemical constitution, come close to the products for further processing, namely the polyurethanes produced with them, and the problem to be solved with these products. From this prior art, it should first be determined which documents are relevant in view of the task set in the patent in suit. From these documents, the one that requires the fewest structural and functional changes should then be identified.”
  • The parties debated about whether D9 was suitable as closest prior art. The Board: “Document D9, which is disputed between the parties, relates to two-component, solvent-free polyurethane adhesives for composite films with an excellent appearance and stable adhesive properties, even after a sterilization treatment carried out at high temperature. However, D9 does not relate to the "intermediate product" task mentioned in the patent in suit of providing solvent-free, low-monomer polyisocyanate mixtures containing a polyisocyanate based on highly viscous or solid araliphatic diisocyanates, nor the "product-related" task mentioned in the patent in suit of the solvent-free production of lightfast, weather-resistant polyurethane compositions which can be used for the production of transparent compact or foamed moldings.
  • After some further detailed analysis, the Board finds that D9 is neither similar to the intermediate, nor similar to the end product. The Board concludes: “Since D9 does not represent a suitable state of the art for the subject matter of claim 1 of the main request, the objection of lack of inventive step based on D9 cannot be successful.”
  • T 65/82 is not cited very frequently, perhaps precisely because it is settled case law. T65/82 is also instructive about obviousness and the technical effect of intermediate compounds.
EPO -  T 1365/18
Link to the decision after the jump, as well as an extract of the decision text.


2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D9 - Anspruch 1

2.1 D9 als nächstliegender Stand der Technik

2.1.1 Es war zwischen den Parteien strittig, ob D9 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellen kann. Nach Meinung der Beschwerdeführerin seien eher D4 oder D5 zu betrachten (Beschwerdebegründung: Abschnitt 2.3.3).

2.1.2 Bei der Wahl des nächstliegenden Standes der Technik kommt es im Allgemeinen darauf an, dass er zum gleichen Zweck oder mit dem gleichen Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erfordert (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, I.D.3.1).

2.1.3 Es ist aus den Absätzen 10, 11 und 17 des Streitpatents herleitbar, dass die erste Aufgabe des Streitpatents darin bestand, lösemittelfreie, monomerarme Polyisocyanatgemische auf Basis hochviskoser oder fester araliphatischer Diisocyanate zur lösemittelfreien Herstellung von lichtechten, wetterbeständigen Polyurethanmassen, welche zur Herstellung von transparenten kompakten oder geschäumten Formkörpern verwendet werden können, bereitzustellen. Diesbezüglich geht ferner aus den Absätzen 9 und 11 des Streitpatents hervor, dass die Suche nach monomerarmen Polyisocyanatgemischen mit der Fragestellung der Toxizität solcher Monomere zusammenhängt. Eine Aufgabe lag ferner darin, solche lösemittelfreien, monomerarmen Polyisocyanatgemische für die Vorbereitung von Polyurethanmassen zur Herstellung von Formkörpern mit guten optischen Eigenschaften bereitzustellen (Streitpatent: Absätze 11-13, 17, 76-79, Beispiele).

Zwar wird im Absatz 72 des Streitpatents erwähnt, wie von der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung angegeben (angefochtene Entscheidung: Seite 11, zweiter voller Absatz), dass sich die beanspruchten Polyisocyanatgemische unter Verwendung von üblichen Lösemitteln auch zur Herstellung von Lack und Klebstoffanwendungen einsetzen lassen. Jedoch stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu (Beschwerdebegründung: Abschnitt 2.3.1), dass die Angabe des Absatzes 72, welche auf eine mögliche weitere Verwendung der beanspruchten Polyisocyanatgemische hinweist, nicht geeignet ist, um die gestellte subjektive Aufgabe so breit zu formulieren, wie von der Beschwerdegegnerin oder der Einspruchsabteilung vorgeschlagen (nämlich in der Bereitstellung eines lösemittelfreien, monomerarmen Polyisocyanatgemisches, und deren Verwendung zur Herstellung einer Polyurethanmasse). Dieser Absatz des Streitpatents weist eher auf eine mögliche weitere Anwendung (unter Verwendung von Lösemittel) des beanspruchten Gegenstands, jedoch nicht auf eine der zu lösenden Aufgaben (welche lösemittelfreie Gemische und Herstellungsverfahren betreffen), hin.

2.1.4 In diesem Zusammenhang sind die von der Beschwerdegegnerin gegen den geltenden Anspruch 1 vorgebrachten Argumente gemäß oberem Abschnitt X a), letzter Absatz im Lichte der Rechtsprechung betreffend Zwischenprodukte zu betrachten (Rechtsprechung, supra: I.D.9.8.4, insbesondere T 65/82, ABl. 1983, 327). Insbesondere sind im vorliegenden Fall als Stand der Technik in Bezug auf die im Anspruch 1 definierten Zwischenprodukte (nämlich die Polyisocyanatgemische A), die zur Herstellung von Polyurethanmassen eingesetzt werden können, siehe z.B. Anspruch 4 des Hauptantrags) zwei verschiedene Bereiche in Betracht zu ziehen. Einmal ist der "zwischenproduktnahe" Stand der Technik zu betrachten. Dies sind alle Polyisocyanatgemische, die in ihrer chemischen Konstitution den Zwischenprodukten und der mit den Zwischenprodukten zu lösende Aufgabe nahekommen. Zum anderen muss auch der "produktnahe" Stand der Technik berücksichtigt werden. Dies sind diejenigen Verbindungen, die in ihrer chemischen Konstitution den Weiterverarbeitungsprodukten, nämlich den damit hergestellten Polyurethanen, und der mit diesen Produkten zu lösenden Aufgabe nahekommen. Aus diesem Stand der Technik sollte zunächst ermittelt werden, welche Dokumente angesichts der im Streitpatent gestellte Aufgabe relevant sind. Aus diesen Dokumenten sollte dann jenes identifiziert werden, welches die wenigsten strukturellen und funktionellen Änderungen erfordert.

2.1.5 Das zwischen den Parteien umstrittene Dokument D9 betrifft 2K-lösemittelfreie Polyurethan-Klebstoffe für Verbundfolien mit hervorragendem Aussehen und stabilen Haftungseigenschaften, auch nach einer bei hoher Temperatur durchgeführten Sterilisationsbehandlung (D9: Absätze 1, 13, 21, 82, 91, 98, Beispiele). Jedoch betrifft D9 weder die im Streitpatent genannte "zwischenproduktnahe" Aufgabe der Bereitstellung lösemittelfreie, monomerarme Polyisocyanatgemische enthaltend ein Polyisocyanat auf Basis hochviskoser oder fester araliphatischer Diisocyanate, noch jene im Streitpatent genannte "produktnahe" Aufgabe der lösemittelfreien Herstellung von lichtechten, wetterbeständigen Polyurethanmassen, welche zur Herstellung von transparenten kompakten oder geschäumten Formkörpern verwendet werden können.

a) Was die "zwischenproduktnahe" Aufgabe betrifft, brachte die Beschwerdegegnerin vor (Schreiben vom 26. Juli 2021: Absatz 4, beginnend auf Seite 6), dass D9 sich wohl mit der Problematik der hohen Viskosität monomerarmer araliphatischer Diisocyanat-Derivate befasse.

Jedoch offenbart D9 ausschließlich die Viskosität des Endprodukts (Absätze 13, 80, 81, 187, 188; Tabelle 5), was mit der Frage der Verarbeitkeit der Zusammensetzung zusammenhängt, und enthält keine Information bezüglich der Vorbereitung von lösemittelfreien Polyisocyanatgemischen aus hochviskosen oder festen araliphatischen Diisocyanaten.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin selbst verschiedene Dokumente (D5, D11, D12, D15), die sich mit der Problematik der hohen Viskosität monomerarmer Derivate von araliphatischen Diisocyanaten befassen, zitiert hat (Schreiben vom 26. Juli 2021: Seite 8, vierter Abschnitt), wobei D9 nicht erwähnt wurde.

Somit ist das Argument der Beschwerdegegnerin nicht überzeugend.

b) Was die "produktnahe" Aufgabe betrifft, offenbart D9 keine Polyisocyanatgemische zur Herstellung von transparenten kompakten oder geschäumten, licht-beständigen Polyurethankörpern, wobei der Beschwerdeführerin zugestimmt werden kann (Beschwerdebegründung: Seite 8, erster voller Absatz), dass die in D9 beschriebenen laminierten Produkte eher sogar von einer Verwendung der dort offenbarten Reaktionsgemische zur Herstellung von kompakten oder geschäumten Formkörpern wegführen. Die im Streitpatent angegebene Problematik der Lichtbeständigkeit und/oder der Transparenz ist ferner für Anwendungen gemäß D9 irrelevant. Somit befasst sich D9 nicht mit den oben angegebenen, im Streitpatent gestellten, Aufgaben.

Zwar betrifft D9 die Bereitstellung von Klebstoffen, gemäß der im Absatz 72 des Streitpatents angegebenen möglichen weiteren Anwendung der beanspruchten Polyisocyanatgemische. Da aber diese Anwendung angesichts der im Streitpatent angegebenen gestellten Aufgabe nicht relevant ist (siehe Abschnitt 2.1.3, zweiter Absatz, oben), kann die Auswahl von D9 als nächstliegender Stand der Technik nur auf einer ex-post facto Analyse beruhen, was nicht zulässig ist.

c) Angesichts der vorstehenden Ausführungen spielt die Frage, ob sich D9 - ebenso wie das Streitpatent - mit monomerarmen Polyisocyanatgemischen, mit der Toxizität der verwendeten Komponenten oder mit lösungsmittelfreien Verfahren befasst (Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 26. Juli 2021: Abschnitte III.2 bis III.4 auf Seiten 5 bis 7), keine bedeutende Rolle.

d) Der Umstand, dass D9 ein nahestehendes technisches Gebiet betrifft und daher vom Fachmann herangezogen wird (Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 26. Juli 2021: Abschnitte III.6 auf Seiten 7 bis 9), wird hier nicht bestritten. Aus der o.a. Analyse folgt jedoch, dass der Fachmann D9 angesichts der gestellten "zwischenproduktnahen" als auch "produktnahen" Aufgabe(n) - nicht als geeigneten Ausgangspunkt betrachten würde. In diesem Zusammenhang wird ferner angemerkt, dass die Schlussfolgerung, dass D9 keinen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt, aus der Analyse von D9 selbst gezogen wird und nicht auf den Umstand, dass es diesbezüglich besser geeignete Dokumente gibt, zurückgeführt wird.

2.1.6 Die o.a. Analyse gründet sowohl auf der im Streitpatent angegebenen zu lösenden Aufgabe in ihrem breitesten Sinne als auch auf dem im Anspruch 1 definierten Gegenstand. Somit stehen nach Meinung der Kammer die oben gezogenen Schlussfolgerungen - entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin (Schriftsatz vom 26. Juli 2021: Seiten 3-4) - mit der Begründung der Entscheidung T 2255/10 (siehe insbesondere Abschnitte 2.2.4 und 2.2.5) im Einklang, wonach bei der Bestimmung des nächstliegenden Standes der Technik Zweckangaben in Verbindung mit den Ansprüchen zu lesen sind. Es ist demnach zu fragen, was sich durch die in den Ansprüchen definierte Erfindung im Lichte der Anmeldung (beziehungsweise im vorliegenden Fall das Streitpatent) in ihrer Gesamtheit erreichen lässt (Stichwort von T 2255/10: zweiter Absatz).

Diesbezüglich teilt die Kammer die während der mündlichen Verhandlung geäußerte Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Sachverhalt der Entscheidung T 2255/10 mit dem des vorliegenden Falles nicht gleichzusetzen ist. Insbesondere betrifft T 2255/10 einen Fall, in dem nicht glaubhaft war, dass die Erfindung, so wie sie im Anspruch 1 definiert war, den in der Beschreibung des Streitpatents angegebenen Zweck tatsächlich erfüllte. Von Bedeutung war, dass während der von der Beschwerdeführerin/Patentinhaberin betrachtete Zweck durch die Durchführung eines zwei-stufigen Verfahrens erreicht wurde, der angefochtene Anspruch 1 nur ein ein-stufiges Verfahren betraf. Somit beschäftigte sich die Entscheidung T 2255/10 nicht mit der für den vorliegenden Anspruch 1 relevanten Frage, nämlich mit der Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik für einen Zwischenprodukt, welches ohne Bezug auf den für das Endprodukt relevanten Zweck definiert wird.

2.1.7 Somit beruht die Auswahl des Beispiels 17 der D9 als nächstliegender Stand der Technik für den geltenden Anspruch 1 auf einer ex-post facto Analyse, was nicht zulässig ist.

2.1.8 Da D9 für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags keinen geeigneten Stand der Technik darstellt, kann der auf D9 beruhende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit keinen Erfolg haben.

3. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D9 - Ansprüche 4 und 7 bis 9

Ansprüche 4 und 7 bis 9 des Hauptantrags betreffen ein Verfahren zur Herstellung lichtechter Polyurethanmassen durch lösemittelfreie Umsetzung der monomerarmen Polyisocyanatgemische gemäß Anspruch 1, beziehungsweise die Verwendung der gemäß Anspruch 4 erhältlichen lichtechten Polyurethanmassen entweder zur Herstellung transparenter kompakter oder geschäumter Formkörper oder als Glasersatz, als optische Linsen oder Brillengläser. Somit wird der Gegenstand der Ansprüche 4 und 7 bis 9 durch Bezug auf die Polyisocyanatgemische gemäß Anspruch 1 definiert. Ferner befasst sich D9 weder mit der Herstellung von lichtechten Polyurethanmassen gemäß Anspruch 4, noch mit transparenten kompakten oder geschäumten Formkörpern gemäß Anspruch 7 oder mit Glasersatz, optischen Linsen oder Brillengläser gemäß der Ansprüche 8 und 9 (siehe Abschnitt 2.1.5 oben). Unter solchen Umständen muss die für Anspruch 1 gezogene Schlussfolgerung, dass D9 keinen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt (siehe Abschnitt 2), auch für die Gegenstände der Ansprüche 4 und 7 bis 9 gelten. Der auf D9 beruhende Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit bezüglich der Gegenstände der Ansprüche 4 und 7 bis 9 des Hauptantrags kann daher keinen Erfolg haben.

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