08 March 2018

T 1666/14 - Binding effect of parent appeal

Key points

  • For this examination appeal of a divisional, the Board had already decided for the parent application in opposition appeal to revoke the patent resulting from that parent application. Is this decision on the parent binding ( res iudicata) for the present appeal?
  • The Board does not need to decide on the issue, because the current claims request are (in a relevant manner) different from the sole request decided on by the Board in the parent opposition appeal case.
  • There was also an examination appeal in the parent case. However, that decision can have no binding effect on the present case, according to the Board, because of the later opposition appeal in the parent case. 


EPO T 1666/14 -  link



2. Zulässigkeit der Beschwerde - res iudicata
2.1 Die Prüfungsabteilung ist für ihre Entscheidung hinsichtlich der vorliegenden Teilanmeldung in puncto Klarheit und erfinderischer Tätigkeit von einer Rechtskraftwirkung der in Bezug auf die Stammanmeldung im Prüfungsbeschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung T 514/08 ausgegangen, die noch zugunsten der dortigen Beschwerdeführerin ausfiel (vgl. Punkt 2.2.4, letzter Absatz der Entscheidungsgründe). 
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass zwischenzeitlich im anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren in Bezug auf die Stammanmeldung (T 936/13) die Entscheidung der Einspruchs­abteilung, das Patent zu widerrufen, bestätigt wurde (vgl. zur Prozessgeschichte näher oben im Sachverhalt Punkt II). Legte man die Möglichkeit der Rechtskraft­wirkung von Entscheidungen der Beschwerdekammer im Verfahren hinsichtlich der Stammanmeldung auch für hieraus erfolgte Teilanmeldungen zugrunde, stellt sich daher die Frage, ob und ggf. wie sich die beiden gerade genannten Kammer­entscheidungen im Prüfungs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren bezüglich der Stammanmeldung auf das hiesige Prüfungsbeschwerde­verfahren für die Teilanmeldung auswirken.


2.2 Entscheidungen der Beschwerdekammer erlangen mit ihrem Erlass grundsätzlich materielle Rechtskraftwirkung ("res iudicata"); hieraus folgt, dass die Rechte der Parteien und der mit ihnen in einer Rechtsbeziehung stehenden Personen hinsichtlich einer Sache, über die ein Gericht rechtskräftig entschieden hat, endgültig festgelegt sind. Ein solches rechtskräftiges Urteil eines zuständigen Gerichts steht somit als absolutes Hindernis einer weiteren Klage bzw. dem Erlass einer erneuten Entscheidung in der Sache entgegen, die denselben Anspruch, Antrag oder Klagegrund betrifft und an der dieselben Parteien oder mit ihnen in einer Rechtsbeziehung stehenden Personen beteiligt sind (vgl. T 934/91, ABl. EPA 1994, 184, Punkt 4 der Entscheidungs­gründe; Günzel/Beckedorf in: Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, 2. Aufl., EPÜ Artikel 111 Rn. 137).
Eine Beschwerde nach Artikel 106 (1) EPÜ gegen eine rechtskräftige Entscheidung der Beschwerdekammer ist in der Konsequenz ausgeschlossen und damit als unzulässig zu verwerfen (vgl. G 1/97, ABl. EPA 2000, 322, Leitsatz Ziffer I sowie Punkt 2. a) der Entscheidungsgründe).
2.3 Die geschilderte Rechtskraftwirkung bindet im anschließend für dieselbe Anmeldung fortgeführten Prüfungsverfahren die Verwaltungsinstanz (vgl. Artikel 111 (2) EPÜ) sowie in einem etwaig sich anschließenden erneuten Prüfungsbeschwerde­verfahren die Beschwerdekammer (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage Juli 2016, Kapitel IV. E. 7.7.2 und 7.7.4 mit weiteren Nachweisen). Dagegen entfällt die Bindungs­wirkung einer Entscheidung im Prüfungsbeschwerde­verfahren für ein eventuell nachfolgendes Einspruchs- und Einspruchsbeschwerde-verfahren, da Einspruchsverfahren unabhängig und verschieden (insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Beteiligten) von Prüfungsverfahren sind und sich durch die Art des öffentlichen Interesses auszeichnen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, a.a.O., Kapitel IV. E. 7.7.3 mit weiteren Nachweisen).
2.4 Darüber hinaus wurde in der Entscheidung T 51/08 - auf die sich die Prüfungsabteilung in der vorliegend angegriffenen Entscheidung ausdrücklich bezog - angenommen, dass Gegenstände, über die eine Beschwerdekammer im Prüfungsbeschwerdeverfahren der Stammanmeldung rechtskräftig entschieden hat, zur res iudicata werden und im Prüfungsverfahren über die Teilanmeldung nicht weiterverfolgt werden können (vgl. Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe; ebenso T 790/10, Punkt 1 der Entscheidungsgründe). Die Entscheidung T 2084/11 hat demgegenüber grundsätzliche Zweifel an der "verfahrensübergreifenden" Anwendbarkeit des res iudicata-Grundsatzes geäußert, da das Verfahren vor dem EPA betreffend eine Teilanmeldung grundsätzlich unabhängig vom Verfahren betreffend die entsprechende Stammanmeldung sei (vgl. Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe); eine Rechtskraftwirkung wurde im dort zu entscheidenden Fall aber jedenfalls deswegen abgelehnt, weil - im Unterschied zur Konstellation, der der Entscheidung T 51/08 zugrunde lag - die in den dortigen Verfahren bezüglich Stamm- und Teilanmeldung zu beurteilenden Anträge (Anspruchssätze) nicht identisch waren. In der Entscheidung T 2112/09 wurde dagegen die Frage, ob ein für die Teilanmeldung relevanter res iudicata-Effekt der zum Stammpatent ergangenen Beschwerdekammerentscheidung zu bejahen ist, deswegen offengelassen, weil der dortige Hauptantrag in der Sache ohnehin nicht das Kriterium der eindeutigen Gewährbarkeit erfüllte (Punkt 2.5 der Entscheidungsgründe).
2.5 Unabhängig davon, ob eine etwaige Rechtskraftwirkung im Verhältnis Stamm- zu Teilanmeldung im vorliegenden Fall in Betracht kommt (siehe hierzu sogleich Punkt 2.6), hält die Kammer fest, dass in Konstellationen wie hier, in denen für die Stammanmeldung sowohl eine Prüfungsbeschwerde- als auch eine nachfolgende und im Ergebnis anderslautende Einspruchsbeschwerde­entscheidung gefällt wurde, eine solche Rechtskraft­-wirkung nur von letzterer ausgehen könnte: Die Beschwerdekammer ist im Einspruchsbeschwerde­verfahren nämlich nicht an die positive Entscheidung im Prüfungsbeschwerdeverfahren gebunden (s.o. Punkt 2.3) und entscheidet - im Unterschied zur positiven Prüfungsbeschwerdeentscheidung, der ggf. noch ein Einspruchsverfahren nachfolgen kann - in jedem Fall endgültig über das Schicksal der Stammanmeldung. Bejahte man also die grundsätzliche Möglichkeit einer verfahrens­über­greifenden Rechtskraftwirkung im Verhältnis Stamm- zu Teilanmeldung und lägen auch die allgemeinen Voraussetzungen der Rechtskraftwirkung vor, wäre zur Vermeidung von sich widersprechenden Entscheidungen im Verfahren zur Teilanmeldung für die Rechtskraftwirkung ausschließlich auf die Entscheidung im Einspruchsbeschwerdeverfahren zur Stammanmeldung abzustellen. Aus diesem Grund müssten dann Entscheidungen für die Teilanmeldung konsequenterweise ggf. ausgesetzt werden, um den endgültigen Ausgang des Verfahrens für die Stammanmeldung als vorgreiflich abzuwarten (vgl. Schäfers in: Benkard, a.a.O., EPÜ Artikel 125 Rn. 27c).
2.6 Der unterschiedliche Charakter von Prüfungs- und Einspruchsverfahren (s.o. Punkt 2.3) könnte jedoch in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der sich die Rechtskraft einer Einspruchsbeschwerdeentscheidung zur Stammanmeldung auf eine Prüfungsbeschwerde-entscheidung zur Teilanmeldung auswirken würde, neben den geäußerten grundsätzlichen Bedenken zusätzlich gegen eine res iudicata-Wirkung im Verhältnis Stamm- zu Teilanmeldung sprechen. Darüber hinaus hätte aber eine solche verfahrensübergreifende Rechtskraftwirkung in jedem Fall zur allgemeinen Voraussetzung, dass es sich in beiden Verfahren um denselben "(Streit-)Gegenstand" bzw. um dieselbe "Sache" handelt, sie also denselben Anspruch, Antrag oder Klagegrund betreffen (s.o. Punkt 2.2).
Dies ist vorliegend für keinen der Anträge der Fall, da (ohne Berücksichtigung von mit "insb." eingeleiteten fakultativen Merkmalen, vgl. hierzu unten Punkt 3.2) stets unterschiedliche Anspruchsfassungen gegeben sind: Während sich der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags im hiesigen Verfahren konkret auf ein "Meßgerät" als elektronisches Gerät "mit einer Meßeinheit" bezieht, welches über einen Anschlussraum verfügt, in dem ein "als ein Klemmenblock ausgebildetes Anschlußelement" angeordnet ist, stellte der unabhängige Anspruch 1 des einzigen Antrags im Einspruchsbeschwerdeverfahren T 936/13 zur Stammanmeldung nur allgemein ein "elektronisches Gerät" ohne Messeinheit unter Schutz, ohne dass das Anschluss­element als ein Klemmenblock ausgebildet war. Die gleichen Unterschiede bestehen zwischen dem unabhängigen Anspruch 1 des Antrags im Einspruchsbeschwerdeverfahren zur Stammanmeldung und dem unabhängigen Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I im hiesigen Verfahren, wobei letzterer zusätzlich bestimmt, dass die druckfeste elektrische Durchführung den Anforderungen der Schutzklasse Ex-d nach der Europäischen Norm EN 50 018 aus dem Jahr 1994 genügen muss. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II im hiesigen Verfahren schließlich stellt im Unterschied zur Anspruchsfassung der Stammanmeldung nicht allgemein ein "elektronisches Gerät", sondern konkret ein "Füllstandsmeßgerät, Druck-, Differenzdruck- oder Durchflußmeßgerät" unter Schutz.
2.7 Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob eine verfahrensübergreifende Rechtskraftwirkung von Beschwerdekammerentscheidungen im Verhältnis Stamm- zu Teilanmeldung (prinzipiell bzw. in der speziellen Verfahrenskonstellation wie der hiesigen) überhaupt möglich ist, da hier jedenfalls die allgemeine Voraussetzung "derselben Sache" nicht gegeben ist. In der Konsequenz ist die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen daher zulässig, nachdem auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 99 EPÜ gegeben sind.
[...]
9. Hilfsantrag II
9.1 Der Hilfsantrag II betrifft die Erteilung eines Patents aufgrund der von der Prüfungsabteilung im zugrundeliegenden Prüfungsverfahren erlassenen Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ vom 19. Dezember 2013. Auf diese Mitteilung hin teilten die Anmelderinnen der Prüfungsabteilung mit Schreiben vom 3. März 2014 mit, dass sie an der mit Schreiben vom 6. März 2012 vorgelegten letzten Fassung festhielten und beantragten, ein Patent gemäß dem in der mündlichen Verhandlung am 15. November 2013 gestellten Hauptantrag zu erteilen.
9.2 Wie in der Entscheidung G 10/93 festgestellt wurde, hat die Prüfungsabteilung bei der Zurückweisung der Anmeldung über den totalen Rechtsverlust entschieden. Eine Änderung dieser Entscheidung zum Nachteil des Anmelders ist - vom Ergebnis her gesehen - im ex-parte Beschwerdeverfahren ausgeschlossen (vgl. Punkt 6 der Entscheidungsgründe). Die Prüfungsabteilung hat mit der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung über den Antrag auf Erteilung eines Patents mit den zuletzt vorgelegten Ansprüchen entschieden. Kommt die Beschwerdekammer zu der Auffassung, dass die Anmeldung nicht patentierbar ist, so kann sie die Entscheidung bestätigen. Eine Verpflichtung zur Zurückverweisung an die erste Instanz besteht auch dann nicht, wenn die Kammer bezüglich einer bestimmten Fassung der Anmeldung, die die Prüfungsabteilung in einer Mitteilung als patentierbar bewertet hatte, zu einem anderen Ergebnis kommt als die Prüfungsabteilung und die Zurückweisungsentscheidung auch auf Grundlage dieser hilfsweise vorgelegten Fassung somit bestätigt (vgl. G 10/93, letzter Absatz der Entscheidungsgründe).

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