9 November 2020

T 1610/15 - Withdrawal request oral proceedings

 Key points

  • R. 103(4)(c) provides that the appeal fee is reimbursed at 25% "if any request for oral proceedings is withdrawn within one month of notification of the communication issued by the Board of Appeal in preparation for the oral proceedings, and no oral proceedings take place".
  • In this case, the Board addresses the question whether this means that also the respondent must withdraw its request for oral proceedings within said time limit.
  • The Board, in translation of the headnote: "According to the wording of Rule 103 (4) (c) EPC, it is not a prerequisite that all requests for oral proceedings must be withdrawn within one month of the notification of a communication issued by the Board of Appeal in preparation for the oral proceedings. Rather, it is sufficient that a request for oral proceedings is withdrawn in due time so that the first requirement for a partial reimbursement of the appeal fee under Rule 103 (4) c) EPC is met."
    • As a comment, I think that it is required that the party benefiting from the partial reimbursement withdraws its own request for oral proceedings in due time

  • The application was filed in 2006. The opposition was filed in 2010. The appeal decision was issued in October 2020 so more than 10 years after filing the opposition. The case is remitted because the OD had only dealt with Article 123(2). The Board sees a 'special reason' for remittal in this fact, in combination with the parties not having commented on novelty and inventive step in the appeal submissions. 

  • About Article 123(2): "nach Ansicht der Kammer [ist] die Frage, ob unter einen geänderten Anspruch denkbare, aber nicht ursprünglich offenbarte Ausführungsformen fallen, in der Regel kein geeigneter Maßstab für die Prüfung von Änderungen hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ"
  • The Board also comments on admissibility of the appeal.
  • About transitional provisions: "Für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde gelten die Rechtsvorschriften des EPÜ, denn die Zulässigkeit einer Verfahrenshandlung ist auf der Grundlage des zum Zeitpunkt dieser Handlung herrschenden Rechts zu beurteilen".
    • Which makes sense. However, note that the RPBA 2020 are also applied to submissions filed before 01.01.2020, arguably retroactively.  





Entscheidungsgründe



1. Anzuwendendes Recht

Die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung wurde am 14. März 2006 eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 1, S. 196) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 1, S. 197) die Artikel 54 (1) und (2), 56, 100, 111 und 113 EPÜ 1973 weiterhin anzuwenden.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde gelten die Rechtsvorschriften des EPÜ, denn die Zulässigkeit einer Verfahrenshandlung ist auf der Grundlage des zum Zeitpunkt dieser Handlung herrschenden Rechts zu beurteilen (vgl. J 10/07, T 1366/04, T 1279/05).


2. Zulässigkeit der Beschwerde

2.1 Die Bestimmungen der Regel 101 (1) EPÜ legen fest, dass eine Beschwerde dann als unzulässig zu verwerfen ist, wenn sie nicht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ, Regel 97 EPÜ, Regel 99 (1) b) oder c) EPÜ oder Regel 99 (2) EPÜ entspricht, es sei denn, dass ein Mangel vor Ablauf der maßgeblichen Frist nach Artikel 108 EPÜ behoben worden ist.

2.2 Die Beschwerdegegnerin II nennt für ihren Einwand der Unzulässigkeit der Beschwerde keine Rechtsgrundlage, jedoch scheint sie sich auf die Vorschriften des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ zu beziehen. Letztere sieht vor, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darzulegen hat, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt. Nach der gefestigten Rechtsprechung (vgl. Recht­sprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, V.A.2.6.5 c)) kann eine Beschwerdebegründung auch dann als ausreichend angesehen werden, wenn ein neuer Tatbestand vorgebracht wird, der der Entscheidung die rechtliche Grundlage entzieht, insbesondere durch die Einreichung neuer Anspruchssätze. Dem Patentinhaber stehen als Beschwerde­führer in der Regel zwei Möglichkeiten für eine Beschwerdebegründung offen: Entweder greift er die Entscheidung der Einspruchsabteilung so als fehlerhaft an, dass die Beschwerdekammer, folgte sie dem Sachvortrag des Beschwerdeführers, die Entscheidung in allen Punkten aufheben könnte und müsste. Dies setzt seitens des Beschwerdeführers einen schlüssigen Sachvortrag im Hinblick auf alle die Entscheidung tragenden Gründe voraus. Oder aber der Beschwerdeführer legt geänderte Anspruchssätze vor, die den von der Einspruchsabteilung in der Entscheidung gerügten Mängeln aus seiner Sicht Abhilfe zu schaffen geeignet sind. In diesem Fall sind in der Beschwerdebegründung ausreichende Gründe anzugeben, warum die Änderungen geeignet sind, die von der Einspruchsabteilung gerügten Mängel auszuräumen. Dabei kommt es für die Zulässigkeit der Beschwerde nicht darauf an, ob der Vortrag des Beschwerde­führers letztlich überzeugend ist oder ob die geänderten Ansprüche in weiterer Folge von der Kammer ins Verfahren zugelassen werden.

Nach der Rechtsprechung (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, V.A.2) kann die Zulässigkeit einer Beschwerde zudem nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Das EPÜ bietet keinerlei Grundlage für die "teilweise Zulässigkeit" einer Beschwerde.

2.3 In Anwendung dieser Rechtsprechung sind die Vorschriften des Artikels 108 Satz 3 EPÜ und der Regel 99 (2) EPÜ in der vorliegenden Beschwerdesache erfüllt. In der Beschwerdebegründung legt die Be­schwerde­führerin dar, warum die zugleich vorgelegten geänderten Anspruchssätze geeignet seien, die von der Einspruchs­abteilung gerügten Mängel auszuräumen. Dies trifft insbesondere auch auf den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 5 zu, der dem nunmehrigen Hauptantrag entspricht. Diesbezüglich führt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde­begründung (vgl. Seiten 4 und 8 (unten)) aus, warum ihrer Auffassung nach die Feststellung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkt 3.2.2) unrichtig sei.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der vorliegende Hauptantrag nur auf die erteilten Vorrichtungsansprüche 1 bis 17 gerichtet ist. Folglich bleibt das Vorbringen der Beschwerdeführerin diesbezüglich in dem im Einspruchsverfahren abgesteck­ten faktischen und rechtlichen Rahmen.

2.4 Die Beschwerde erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen der Artikel 106 bis 108 und Regel 97 und 99 EPÜ und ist daher zulässig.

3. Hauptantrag, Auslegung

3.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung (vgl. Punkt 3.1 der angefochtenen Entscheidung), dass das Merkmal "eine weitere der Schichten" im kennzeichnenden Teil vom erteilten Anspruch 1 als eine der mindestens zwei Schichten, die im Oberbegriff des Anspruchs eingeführt werden, zu verstehen sei und nicht als eine zusätzliche Schicht. Das Gewebegitter sah die Einspruchsabteilung als zusätzliches Element der Schichtstruktur der Datenseite an, das nicht zu den "Schichten" gehöre, die im Anspruch 1 genannt werden.

3.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass dieses Anspruchsmerkmal schon aufgrund der Formulierung "eine weitere der Schichten" (im Unterschied zu "eine weitere Schicht") Bezug nimmt auf die mindestens zwei Schichten, die im Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags eingeführt werden, zumal der Oberbegriff nicht nur auf die "wenigstens zwei [...] Schichten" abstellt sondern auch auf "den Rand einer der Schichten". In diesem Kontext würde der Fachmann die Formulierung "eine weitere der Schichten" im ersten Merkmal des kennzeichnenden Teils so verstehen, dass dieses die "wenigstens zwei [...] Schichten" aus dem Obergriff betrifft. Dieses Verständnis steht zudem nicht in Widerspruch zu der Beschreibung des Streitpatents.

Damit behält die Kammer die von der Einspruchsabteilung vorgenommene Auslegung von Anspruch 1 bei.

4. Hauptantrag, Änderungen

4.1 Wie oben dargelegt, entspricht der vorliegende Hauptantrag dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 5 und enthält nur die erteilten Vorrichtungsansprüche 1 bis 17. Die Ein­spruchs­abteilung war der Auffassung, dass der Gegen­stand des erteilten Anspruchs 1 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe (vgl. Punkt 3.2.2 der angefochtenen Entscheidung).

4.2 Die Kammer entnimmt dem Vorbringen der Beschwerde­gegnerin I, dass diese offensichtlich irrtümlicherweise davon ausgegangen ist, dass in den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfs­anträgen 5 bis 9 lediglich sämtliche Verfahrens­ansprüche gestrichen worden sind und dass die Vor­richtungs­ansprüche dieser Anträge den Vorrichtungs­ansprüchen der mit der Beschwerdebegründung einge­reichten Hilfsanträge 1 bis 4 entsprechen, gegen die sie wegen des Merkmals "Inlett (32)" einen Einwand sowohl nach Artikel 123 (2) EPÜ als auch nach Artikel 123 (3) EPÜ erhoben hatte.

Die Kammer stellt dazu fest, dass den Vorrichtungsansprüchen der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4 nur die Vorrichtungsansprüche der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 6 bis 9 entsprechen und dass das Merkmal "Inlett (32)" nur in diesen Vorrichtungsansprüchen vorkommt. "Inlett (32)" ist jedoch kein Merkmal des unabhängigen Anspruchs 1 oder der unabhängigen Ansprüche 2 bis 17 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 5, dem der nunmehr vorliegende und mit Schreiben vom 14. März 2016 eingereichte Hauptantrag entspricht. Schon aus diesem Grund kann der auf das Merkmal "Inlett (32)" gestützte Einwand nach Artikel 123 (2) bzw. (3) EPÜ nicht greifen.

Darüber hinaus wird angemerkt, dass die Prüfung der Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ im Hinblick auf die Offenbarung in der gesamten ursprünglichen Anmeldung und nicht nur in den ursprünglich einge­reichten Ansprüchen vorzunehmen ist. Auch führt die Aufnahme eines zusätzlichen strukturellen Merkmals in einen unabhängigen Anspruch in der Regel zu einer Einschränkung des Schutzbereichs und somit nicht zu einem Verstoß gegen die Bestimmungen von Artikel 123 (3) EPÜ.

4.3 Hinsichtlich der Argumente der Beschwerdegegnerin II gegen den erteilten Anspruch 1 ist nach Ansicht der Kammer die Frage, ob unter einen geänderten Anspruch denkbare, aber nicht ursprünglich offenbarte Ausführungsformen fallen, in der Regel kein geeigneter Maßstab für die Prüfung von Änderungen hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ bzw. hinsicht­lich des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 ist. So scheint das vorliegend genannte fiktive Beispiel mit genau einer Datenschicht und einer zweiten Schicht auch unter den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 zu fallen. Jedoch stellt der Wortlaut des Artikels 100 c) EPÜ 1973 bzw. des Artikels 123 (2) EPÜ nicht auf den Schutzbereich des Anspruchs ab, sondern darauf, ob der Gegenstand der Ansprüche des Patents wie erteilt bzw. des Patents in geänderter Fassung über den Inhalt der (gesamten) Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

4.4 Im vorliegenden Fall sieht die Beschwerdeführerin den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag als eine Kombination des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 mit dem dritten Absatz auf Seite 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung an. Letzterer offenbart, dass

"zur Erhöhung der Festigkeit der Befestigungszone zusammen mit dem Gewebegitter wenigstens eine Schicht der Schichtstruktur über den Rand der Datenseite herausgeführt [wird]. In einer besonders vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, die als Befestigungszone herausgeführten Schichten einem Preßvorgang zu unterziehen, um die Stärke der Befestigungszone zu verringern."

Diese Offenbarungsquelle zeigt, dass neben dem Gewebegitter (50) wenigstens eine weitere der Schichten (40, 42) ebenfalls über den Rand (26) zumindest einer der Schichten (40, 42, 44) hervorsteht und Teil der Befestigungszone (36) ist.

4.5 Hinsichtlich der von der Beschwerdegegnerin II vorgenommenen Auslegung des Wortlauts "eine weitere der Schichten" im Anspruch 1 wird auf Punkt 3.2 oben verwiesen.

4.6 Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sind mithin erfüllt.

Da der Anspruch 1 nach dem vorliegenden Hauptantrag dem Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung entspricht, liegt keine Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents und damit auch kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vor.

5. Behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs

5.1 Die Beschwerdeführerin sieht es als fraglich an, ob sie sich in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchs­abteilung zu allen Gründen, aus denen der damalige Hauptantrag und die damaligen Hilfsanträge zurückgewiesen worden seien, überhaupt habe äußern können.

5.2 Die Kammer stellt hierzu fest, dass die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkte 3.2.1, 3.2.2, 3.3, 3.4.1 und 3.5) darlegt, warum sie den damaligen Hauptantrag und die damaligen Hilfsanträge 1 bis 3 im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ als nicht gewährbar angesehen hat und warum sie den diesbezüglichen Argumenten der Beschwerde­führerin nicht gefolgt ist. Auch hin­sichtlich ihrer Entscheidung, den damaligen Hilfsantrag 4 nicht zuzulassen, setzt sie sich mit dem dies­bezüglichen Vortrag der Beschwerde­führerin auseinander (vgl. Punkt 3.6). Dies belegt, dass die Beschwerde­führerin die Gelegenheit hatte, sich im Einspruchs­verfahren zu diesen Punkten zu äußern und dass sie dies offenbar auch getan hat.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ 1973 liegt somit nicht vor.

6. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung

In der angefochtenen Entscheidung hat sich die Einspruchsabteilung nicht mit den von den Einsprechen­den geltend gemachten Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) i.V.m Artikel 54 bzw. 56 EPÜ auseinander gesetzt, weshalb die Beschwerdeführerin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur Prüfung der Patentfähigkeit beantragt. Vor diesem Hintergrund haben sich auch die Beschwerdegegnerinnen in ihren jeweiligen Beschwerdeerwiderungen nicht bzw. nicht umfassend zu den Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit geäußert.

Unter diesen Umständen liegen besondere Gründe vor, die im Sinne von Artikel 11 VOBK 2020, der gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 vorliegend anzuwenden ist (die Ausnahmebestimmungen gemäß Artikel 25 (2) und (3) VOBK 2020 greifen nicht), für eine Zurück­verweisung nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ 1973 sprechen.

Daher erachtet es die Kammer als angemessen, die Angelegenheit nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ 1973 zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

7. Teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr

7.1 Am 1. April 2020 ist die neu gefasste Regel 103 EPÜ in Kraft getreten (siehe Artikel 1 und Artikel 2 (1) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 12. Dezember 2019 zur Änderung der Regel 103 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (CA/D 14/19, ABl. EPA 2020, A5). Nach Artikel 2 (2) dieses Beschlusses gilt die neu gefasste Regel 103 EPÜ für bei ihrem Inkrafttreten anhängige Beschwerden und daher auch für die vorliegende Beschwerde.

Regel 103 (4) c) EPÜ sieht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % vor, wenn ein etwaiger Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Zustellung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen wird und keine mündliche Verhandlung stattfindet. Ein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß Regel 103 EPÜ nicht erforderlich.

7.2 Im vorliegenden Fall nahm die Beschwerdeführerin am 29. April 2020 und damit innerhalb eines Monats nach Zustellung der auf den 20. April 2020 datierten ersten Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung schriftlich zurück. Auch die am 30. April 2020 eingegangene schriftliche Erklärung der Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung seitens der Beschwerdegegnerin I erfolgte innerhalb dieser Frist.

Die Beschwerdegegnerin II hingegen nahm erst am 25. Juni 2020 ihren Antrag auf mündliche Verhandlung schriftlich zurück. Damit erfolgte diese Rücknahme nach Ablauf der einmonatigen Frist nach Regel 103 (4) c) EPÜ, deren Lauf gemäß Artikel 120 b) i.V.m. Regel 131 (2) EPÜ mit der Zustellung der ersten Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 ausgelöst wurde. Selbst wenn der Lauf der einmonatigen Frist nach Regel 103 (4) c) EPÜ durch die Zustellung der auf den 29. April 2020 datierten zweiten Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 erneut ausgelöst wurde, wäre auch dann die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung am 25. Juni 2020 seitens der Beschwerdegegnerin II erst nach Ablauf dieser (zweiten) einmonatigen Frist erfolgt. Daher kann vorliegend die Frage, ob die Frist nach Regel 103 (4) c) EPÜ durch jede vorbereitende Mitteilung der Kammer erneut ausgelöst wird, dahingestellt bleiben.

Nach Ansicht der Kammer wirkt sich die verspätete Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung der Beschwerdegegnerin II nicht nachteilig für die Beschwerdeführerin aus. Nach dem Wortlaut von Regel 103 (4) c) EPÜ ist es nicht Voraussetzung, dass alle vorliegenden Anträge auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Zustellung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen werden. Es reicht vielmehr aus, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung fristgerecht zurückgenommen wird, damit die erste Voraussetzung für eine anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ erfüllt ist. Dies ist hier der Fall.

7.3 Die zweite Voraussetzung der Regel 103 (4) c) EPÜ ist, dass keine mündliche Verhandlung stattfindet.

Die von allen Beteiligten erklärten Rücknahmen des Antrags auf mündliche Verhandlung erfolgten unter der Voraussetzung, dass die Angelegenheit, wie von der Kammer in Aussicht gestellt, zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werde. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt (siehe Punkt 6 oben). Da somit kein Antrag auf mündliche Verhandlung mehr vorliegt, kann nach Artikel 12 (8) VOBK 2020, der gemäß Artikel 25 (1) VOBK 2020 vorliegend anzuwenden ist, die vorliegende Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung auf der Grundlage des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten ergehen. Daher ist auch die zweite Voraussetzung der Regel 103 (4) c) EPÜ vorliegend erfüllt.

7.4 Da sämtliche Voraussetzungen der Regel 103 (4) c) EPÜ vorliegend erfüllt sind, ist der Beschwerdeführerin die Beschwerdegebühr in Höhe von 25% zurückzuerstatten.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

3. Der Beschwerde­führerin ist die Beschwerdegebühr in Höhe von 25% zurückzuerstatten.

No comments:

Post a Comment

Do not use hyperlinks in comment text or user name. Comments are welcome, even though they are strictly moderated (no politics). Moderation can take some time.