13 October 2020

T 0752/16 - Change of preliminary opinion Board

 Key points

  • It's established case law that a change of the opinion of the Board, from favorable to the patentee to unfavorable, does not justify the filing of new requests if the Board does not raise a completely new objection but adopts one of the objections raised earlier by the opponent.
  • The present Board confirms this under Article 13(2) RPBA 2020
  • “Eine Änderung der vorläufigen Meinung der Kammer zu einem bestimmten Einspruchsgrund stellt keinen "außergewöhnlichen Umstand" im Sinne von Artikel 13(2) VOBK 2020 dar” (headnote).
  • In other words, the patentee should not wait for the Board with filing any appropriate auxiliary requests. “Mit anderen Worten kann ein Patentinhaber nicht so lange Änderungen als Reaktion auf die vorgebrachten Einwände eines Einsprechenden zurückhalten bis er sich mit einer für ihn negativen vorläufigen Meinung einer Beschwerdekammer konfrontiert sieht bzw. den Eindruck gewinnt, dass die Kammer nicht seiner Ansicht und Argumentation folgt”



T 0752/16 -  link


3. Hilfsanträge 1, 1A, 1B, 2 und 3 - Zulassung

3.1 Im vorliegenden Fall wurden die Hilfsanträge 1, 1A, 1B, 2 und 3 nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2020 eingereicht. Ihre Zulassung in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher Artikel 13(2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2020 (VOBK 2020), welche zum 1. Januar 2020 in Kraft trat (siehe Artikel 24 und 25 VOBK 2020).


3.2 Gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass "außergewöhnliche Umstände" vorliegen. Bei der Anwendung von Artikel 13(2) VOBK 2020 können wiederum die Kriterien von Artikel 13(1) VOBK 2020 herangezogen werden (siehe z.B. T 989/15, Gründe 16.2). Eines dieser Kriterien bezieht sich im Falle von Patentänderungen auf die Prüfung, ob die Änderungen bereits aufgeworfene Fragen ausräumen und hierbei keinen Anlass zu neuen Einwänden geben.



3.3 Die Beschwerdegegnerin machte geltend, dass die Kammer ihre vorläufige Meinung mit ihrer zweiten Ladung vom 9. Juni 2020 revidiert hätte (siehe Punkt V oben). Die Hilfsanträge 1 bis 3 würden den beanspruchten Gegenstand durch die Anwendung auf eine "Verlaufskurve mit nur einem Minimum" beschränken. Gemäß Anspruch 1 der Hilfsanträge 1A und 1B weise die Verlaufskurve nun "genau ein Minimum" auf.

3.4 Nach Ansicht der Kammer ist es im Hinblick auf Artikel 13(2) VOBK 2020 unerheblich, ob die in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 geäußerte vorläufige Meinung der Kammer von einer vorherigen Stellungnahme oder der angefochtenen Entscheidung abweicht. Mit einer für die Beteiligten ungünstigen vorläufigen Meinung kann jederzeit in den Verfahren vor den Beschwerdekammern vor Verkündung der Entscheidung prinzipiell gerechnet werden. In diesem Zusammenhang ruft die Kammer in Erinnerung, dass die Mitteilung einer vorläufigen Meinung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 primär den Rahmen einer anberaumten mündlichen Verhandlung absteckende und eine die effiziente Vorbereitung der Beteiligten auf diese Verhandlung erleichternde Verfahrensmaßnahme darstellt und keine "Einladung" zu weiteren Änderungen in Reaktion hierauf impliziert (siehe z.B. T 1459/11, Gründe 3.2). Mit anderen Worten kann ein Patentinhaber nicht so lange Änderungen als Reaktion auf die vorgebrachten Einwände eines Einsprechenden zurückhalten bis er sich mit einer für ihn negativen vorläufigen Meinung einer Beschwerdekammer konfrontiert sieht bzw. den Eindruck gewinnt, dass die Kammer nicht seiner Ansicht und Argumentation folgt (siehe z.B. T 136/16, Gründe 3.2.2; T 2072/16, Gründe 4.1.7).

3.5 Im vorliegenden Fall basierte die vorläufige Meinung der Kammer auf bereits in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin genannten Einwänden und Argumentationslinien. Insbesondere wurde dort das Argument ausgeführt, dass ein Dosier-Scan über das relative Minimum hinaus unnötig sei und keinen weiteren Erkenntnisgewinn liefere, welcher für das Verfahren von Anspruch 1 relevant sei (siehe Seite 8, zweiter und dritter Absatz).

Die Beschwerdegegnerin hätte daher bereits mit ihrer Beschwerdeerwiderung auf die Einwände der Beschwerdeführerin reagieren und gegebenenfalls Ansprüche einreichen sollen, die den Einwänden der Beschwerdeführerin Rechnung tragen.

3.6 Die Kammer erachtet daher die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Gründe als nicht stichhaltig bzw. sie erkennt keine "außergewöhnlichen Umstände" im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020, welche die verspätete Vorlage der Hilfsanträge rechtfertigen.

3.7 Im Übrigen ist die Kammer in der Sache nicht überzeugt, dass die Hilfsanträge 1, 1A, 1B, 2 und 3 so verstanden werden können, dass sie das Verfahren auf die Anwendung auf Verlaufskurven mit genau einem Minimum beschränken. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin darin zu, dass die hinzugefügten Merkmale einen Fremdbezug beinhalten. Sie beschränken vermeintlich das beanspruchte Verfahren durch einen Bezug auf das zu behandelnde Fluid, welches jedoch nicht Teil des Verfahrens ist (siehe Schreiben der Beschwerdeführerin vom 24. August 2020, Punkt 3.1).

Damit geben die Änderungen Anlass zu neuen Einwänden. Sie sind somit auch der Verfahrensökonomie abträglich (Artikel 13(1) VOBK 2020).

3.8 Die Hilfsanträge 1, 1A, 1B, 2 und 3 wurden daher nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13(1) und (2) VOBK 2020).

4. Da keine zulässigen bzw. gewährbaren Anspruchssätze vorliegen, ist das Streitpatent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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