11 July 2018

T 2238/15 - Refusing witness

Key points

  • The OD had refused a request of an opponent to hear a witness in order to further substantiate the alleged public prior use. 
  • The Board considers this incorrect, and also deems this to be a substantial procedural violation. The impugned decison is set aside and remitted.
  • The Board: (informal translation) " Contrary to what is stated in the contested decision, the facts to be assessed need not first be established with the help of the witnesses and, for the first time, brought into the proceedings. The subject of prior use was set out by submitting photos [and ]the design drawing. It would only be necessary to verify the claim that in the period from the transfer of the vehicle and the photos  no structural changes were made to the vehicle and that the vehicle was originally equipped with a tarp according to [the drawing]. To this end, the witnesses have been named. Precisely because the opponent has substantiated that the subject-matter of the prior use discloses all the features of granted claim 1, it would have been the task of the opposition division to obtain the offered evidence by interrogation of the witnesses." 
  • Furthermore, about late-filed arguments: "The EPC makes a clear distinction between "facts and evidence" on the one hand and "arguments" on the other hand (see T 92/92, point 2: comparing the English versions of Article 114 (1) EPC and Article 114 (2) EPC). There is no basis for not admitting arguments, even late-filed, into the proceedings. The discretion conferred by Article 114 (2) EPC to disregard late-filed facts and evidence is not applicable to arguments, even if those arguments are submitted belatedly."




EPO T 2238/15 - link

Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Wesentlicher Verfahrensmangel
2.1 Nach Meinung der Einspruchsabteilung fehlten der Einspruchsschrift mehrere der zum Nachweis der behaupteten öffentlichen Vorbenutzung zu klärenden Sachverhalte, mit denen Zeitpunkt und Gegenstand der Benutzung sowie die Umstände der Benutzungshandlung zu klären sind. Die durch Dokumente MB 1.1 bis 1.13 beschriebene offenkundige Vorbenutzung sei deshalb nicht ausreichend bewiesen.


Die Einspruchsabteilung benennt eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen Herr Georg Rolle als Stützung der angeblich offenkundigen Vorbenutzung, führt dann aber aus, dass Zeugen nur Tatsachenbehauptungen erhärten und nicht Sachverhalte selbst vortragen könnten. Deshalb sei nicht bekannt, ob das Fahrzeug mit der Fzg.-IdentNr. WK0S0002400121095 seit der Übernahme am 21. November 2008 wirklich ohne bauliche Veränderungen eingesetzt werde, insbesondere ob das Fahrzeug gemäß den nicht datierten Fotos MB 1.5 bis 1.13 mit der ursprünglich ausgelieferten Seitenplane ausgestattet sei. Die Ladung des Zeugen sei deshalb wenig zielführend gewesen. Die Einsprechende habe eine offenkundige Vorbenutzung lückenlos nachzuweisen. Der Gegenstand der Vorbenutzung scheine jedoch nicht sicher zu sein. Die Konstruktionszeichnung MB 1.3 sei nicht zu berücksichtigen, da sie das angeblich vorbenutzte Fahrzeug nicht darstelle (siehe Punkt 2.3.1 der Entscheidungsgründe).
Der neu angebotene Zeuge, Herr Reinhard Kreis, sei nicht geladen worden, weil nach Auffassung der Einspruchsabteilung die Einsprechende keine überzeugenden Argumente vorgebracht habe, um die Anberaumung einer Zeugeneinvernahme ausreichend zu begründen. Die Einspruchsabteilung könne zwar akzeptieren, dass das Fahrzeug mit der genannten Fzg.-IdentNr. am 21. November 2008 im Speditionsverkehr eingesetzt und damit offenkundig zugänglich gemacht worden sei. Neben den bereits angesprochenen fehlenden Hinweisen, dass das genannte Fahrzeug ohne bauliche Veränderungen eingesetzt und mit der ursprünglich ausgelieferten Seitenplane ausgestattet sei, habe die Einsprechende noch nicht nachgewiesen, dass die in der Zeichnung MB 1.3 dargestellte Seitenplane derjenigen auf dem genannten Fahrzeug entspreche. Da Zeugen nur die Tatsachenbehauptungen erhärten und nicht Sachverhalte selbst vortragen könnten, sei es wenig zielführend gewesen, den neu angebotenen Zeugen zu laden (vgl. Punkt 2.3.2 der Entscheidungsgründe).
2.2 Die Kammer kann die Sichtweise der Einspruchsabteilung nicht teilen, wie nachfolgend anhand einer Zusammenfassung des erstinstanzlichen Verfahrens dargelegt.
2.2.1 Wie im Einspruchsschriftsatz vom 19. Dezember 2013 ausgeführt (Punkte 20 bis 22), sollen die baulichen Merkmale M bis M6 eines Planenaufbaus eines Nutzfahrzeugs gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 wie erteilt (also eine Rahmenkonstruktion mit Eckrunge und Längsholm, eine Planeneinheit mit Längsholmverbindungs­mitteln am oberen Rand sowie Eckrungenverbindungsmittel zur Verbindung mit der Eckrunge im geschlossenen Zustand) bereits aus der Übergabebestätigung MB 1.1 bekannt sein, wobei der Zeitpunkt und die Umstände der Benutzung zusätzlich durch die Zulassungsbescheinigung MB 1.2 des Fahrzeugs belegt wurden (Punkte 14 bis 16 im Einspruchsschriftsatz). Ein Aussteifungselement gemäß Merkmal M7 soll aus den Fotos MB 1.5 bis 1.13 hervorgehen(Punkte 23 bis 26 im Einspruchsschriftsatz), wobei diesbezüglich auch auf die Konstruktionszeichnung MB 1.3 verwiesen wurde (Punkt 27). Gleichzeitig wurde als Beweis dafür, dass das Fahrzeug seit dem Datum der Übergabe an die Schenker Deutschland AG ohne bauliche Veränderungen im Straßenverkehr eingesetzt wurde, Zeugeneinvernahme des Herrn Georg Rolle, Betriebsleiter bei der Schenker Deutschland AG, angeboten und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung MB 1.4 des benannten Zeugen angeboten (Punkt 17). Zum Nachweis der baulichen Merkmale des offenkundig vorbenutzten Fahrzeugs wurde ferner Inaugenscheinnahme angeboten (Punkt 18).
2.2.2 Die Einspruchsabteilung schien in ihrer vorläufigen Stellungnahme vom 13. Mai 2015 (siehe Punkt 3.3.1) im Übrigen die Merkmale des Oberbegriffs - mit Ausnahme eines an einem seitlichen Ende der Planeneinheit vorgesehenen Eckrungenverbindungsmittels - dem Dokumentenkonvolut MB 1.1, 1.2 und 1.5 bis 1.13 entnehmen zu können. In Bezug auf die behauptete Vorbenutzung wurde ausgeführt (ohne dies näher zu konkretisieren), dass in der Einspruchsschrift mehrere der zu klärenden Sachverhalte fehlten und die behauptete Vorbenutzung deshalb nicht ausreichend bewiesen sei. Zeugen könnten nur Tatsachenbehauptungen erhärten und nicht selbst Sachverhalte vortragen. Insbesondere sei es nicht möglich festzustellen, ob das in den nicht datierten Fotos MB 1.5 bis 1.13 dargestellte Fahrzeug mit der ursprünglich ausgelieferten Seitenplane ausgestattet sei. Deshalb schien es nicht zielführend, den Zeugen Herrn Georg Rolle zu laden. Weiterhin sei Konstruktionszeichnung MB 1.3 nicht zu berücksichtigen, da es sich um ein Prototyp-Fahrzeug handele.
2.2.3 Die Einsprechende reagierte mit Schreiben vom 2. Juli 2015 auf den Einwand hinsichtlich des Prototypenvermerks auf der Konstruktionszeichnung MB 1.3 und bot, zusammen mit einer eidesstattlichen Versicherung MB 1.14 zur Glaubhaftmachung, den Zeugen Herrn Reinhard Kreis zum Beweis an. Dieser habe die Zeichnung MB 1.3 im Januar 2008 erstellt, die dann ab Juni 2008 an mehrere Zulieferer zur Produktion von Seitenplanen gemäß dieser Zeichnung (Beginn Juli 2008) versandt worden sei. Die Auslieferung von Planen nach MB 1.3 sollte, zusammen mit einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn Daniel Bielohlawek MB 1.15, mit einer Liste MB 1.16 aller mit einer Plane gemäß MB 1.3 ausgestatteten Fahrzeuge belegt werden, worin auch das Fahrzeug mit der Fzg.-IdentNr. WK0S0002400121095 genannt ist.
Mit diesen ergänzend eingereichten Beweismitteln sollten nach Auffassung der Kammer Unstimmigkeiten in den eingereichten Unterlagen ausgeräumt werden, insbesondere zwischen dem nach Aussage der Einsprechenden in den Fotos MB 1.5 bis 1.13 gezeigten, bei dem zugelassenen Fahrzeug angeblich vorhandenen Aussteifungselement und der mit einem Prototypenvermerk versehenen Konstruktionszeichnung MB 1.3.
2.2.4 Die Einsprechende hat nach Auffassung der Kammer mit dem Einspruchsschriftsatz die für die Beurteilung der Vorbenutzung relevanten Tatsachen im Detail vorgetragen und auf den Hinweis der Einspruchsabteilung zu Unstimmigkeiten in den eingereichten Unterlagen durch Nachreichen von weiteren Unterlagen reagiert. Zudem wurde zur Erhärtung von Tatsachenbehauptungen (und zwar, dass das auf den Fotos dargestellte Fahrzeug mit der ursprünglich ausgelieferten Seitenplane und diese mit dem Aussteifungselement nach Konstruktionszeichnung MB 1.3 ausgestattet war) Zeugeneinvernahme angeboten (Herr Rolle, Herr Kreis). Es liegt daher ein hinreichend substantiierter Vortrag dazu vor, warum der Gegenstand der Vorbenutzung alle Merkmale des Anspruchs 1 des Patents erkennen lasse. Auch wenn es sich dabei um behauptete Tatsachen oder Sachverhalte handelt, die einer Verifizierung bedürfen, so ist diese Verifizierung auf der Grundlage der angebotenen Beweismittel durchzuführen und stellt einen Akt der Beweiswürdigung dar, mit der die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung festgestellt wird.
2.2.5 Entgegen der Behauptung in der angefochtenen Entscheidung müssen die zu bewertenden Tatsachen nicht erst mit Hilfe der Zeugen ermittelt und erstmals in das Verfahren eingebracht werden. Der Gegenstand der Vorbenutzung ist durch das Einreichen der Fotos MB 1.5 bis 1.13, der Konstruktionszeichnung MB 1.3 sowie der Lieferliste MB 1.16 von Fahrzeugen, die mit einer Plane gemäß MB 1.3 ausgestattet waren, dargelegt. Es müsste nur noch die Behauptung überprüft werden, dass im Zeitraum von der Übergabe des Fahrzeugs gemäß MB 1.1 mit der Fzg.-IdentNr. WK0S0002400121095 und der Aufnahme der Fotos MB 1.5 bis 1.13 keine baulichen Veränderungen an dem Fahrzeug vorgenommen wurden und dass das Fahrzeug ursprünglich mit einer Plane gemäß Zeichnung MB 1.3 ausgestattet war. Hierzu sind die Zeugen benannt worden. Gerade weil die Einsprechende substantiiert vorgetragen hat, der Gegenstand der Vorbenutzung ließe alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 erkennen, wäre es die Aufgabe der Einspruchsabteilung gewesen, die zu ihrem Nachweis angebotenen Beweise durch Vernehmung der Zeugen zu erheben.
2.2.6 Die Ablehnung der Zeugeneinvernahme hat die Einspruchsabteilung letztlich damit begründet, dass die offenkundige Vorbenutzung nicht ausreichend bewiesen sei und die Zeugen die erforderlichen Beweise nicht hätten erbringen können, nämlich dass das Fahrzeug ohne bauliche Veränderung und dass die Seitenplane gemäß MB 1.3 ausgeführt gewesen sei. Gerade dafür waren aber die Zeugen Herr Georg Rolle und Herr Reinhard Kreis angeboten. Keine Vorschrift des EPÜ verlangt, dass das zu einer behaupteten Vorbenutzung gemachte Vorbringen innerhalb der Einspruchsfrist bereits bewiesen sein muss, damit die Vorbenutzung substantiiert wird. Die Einspruchsabteilung vermengt in ihrer Argumentation betreffend das nach den Richtlinien nicht zulässige Vortragen von Sachverhalten durch Zeugen den Vortrag von Sachverhalten und deren Beweis.
Es obliegt der Einsprechenden, alle für eine behauptete Vorbenutzung relevanten Tatsachen vorzutragen und hierzu geeignete Beweismittel (gemäß Artikel 117 (1) EPÜ unter anderem Urkunden, Augenscheinsobjekte und Zeugen) anzubieten. Sollen Zeugen lediglich die zuvor bereits vorgetragenen Sachverhalte bestätigen, so werden die relevanten Sachverhalte nicht erst durch die Zeugen in das Verfahren eingebracht, sondern von diesen nur bestätigt, wodurch (Glaubwürdigkeit der Zeugen und Glaubhaftigkeit ihrer Aussage vorausgesetzt) der Beweis als erbracht gelten kann.
Dabei ist es nicht zulässig, im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung Mutmaßungen anzustellen, woran ein Zeuge sich wird erinnern können und woran nicht. Das Prinzip der freien Beweiswürdigung ist erst nach Erhebung der Beweismittel anwendbar und kann nicht zur Rechtfertigung verwendet werden, angebotene Beweise nicht zu erheben (vgl. T 474/04, Gründe Punkt 8 mit Verweis auf G 3/97, Gründe Punkt 5). Sofern ein vollständiger Tatsachenvortrag vorliegt, sind die zu seinem Beweis angebotenen Beweismittel daher zu erheben und können erst danach gewürdigt werden.
2.2.7 Die Einspruchsabteilung hat mit ihrer Weigerung, die Zeugen Rolle und Kreis zu laden, im Ergebnis somit willkürlich die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Behauptungen der Einsprechenden durch die Zeugen bestätigt werden können. Eine derartig vorweggenommene Beweiswürdigung war nicht gerechtfertigt. Die angebotenen Beweise sind zu erheben, wenn die vorgetragenen und zu Beweis gestellten Tatsachen im Falle ihrer Bestätigung die geltend gemachte (und für die Entscheidung möglicherweise relevante) Vorbenutzung tragen würden. Zwar wurde mit der angefochtenen Entscheidung der erteilte Anspruch 1 wegen mangelnder Neuheit gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik MB 6 zurückgewiesen. Es war aber nicht auszuschließen, dass die Zulassung des Beweisangebots für den Gegenstand des im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Hilfsantrags 1 relevant gewesen wäre und zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung geführt hätte.
Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass - wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert - die Neuheit des erteilten Anspruchs 1, die mit der behaupteten Vorbenutzung angegriffen wurde, nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und die zusätzlichen Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht in Bezug auf die behauptete Vorbenutzung vorgetragen wurden. Denn Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2, welche im Einspruchsschriftsatz bereits wegen mangelnder Neuheit gegenüber MB 6 angegriffen wurde. Ein fehlender Angriff zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem erteilten Anspruch 2 unter Berücksichtigung der behaupteten Vorbenutzung war deshalb entbehrlich und kann nicht zum Nachteil der Einsprechenden ausgelegt werden.
2.2.8 Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Einspruchsabteilung mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung ohne Anhörung der angebotenen Zeugen Rolle und Kreis den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß den Artikeln 117 (1) EPÜ und 113 (1) EPÜ verletzt hat (vgl. T 716/06, Gründe Punkt 4). Die Ablehnungsbegründung war daher rechtswidrig. Die Entscheidung ist daher aufzuheben.
3. Ob das Verfahren vor der Einspruchsabteilung noch weitere Verfahrensmängel aufwies, wie von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf den abgelehnten Antrag auf Beweissicherung, die angebliche Nichtberücksichtigung von eidesstattlichen Versicherungen sowie die Nichtzulassung einer Argumentationslinie zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination der Dokumente MB 3 und MB 8 vorgetragen, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
4. Gleichwohl möchte die Kammer anmerken, dass die Einspruchsabteilung die Argumentation zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Kombination MB 3 mit MB 8 fälschlicherweise als verspätet eingereichte Tatsache behandelt hat.
Zum einen scheint es bereits fraglich, ob diese Argumentation nicht eine Reaktion auf den erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 darstellt und somit nicht als verspätetes Vorbringen zu werten ist. Dann wäre auch die Anwendung des Kriteriums der prima facie Relevanz fehlerhaft (in der grundlegenden Entscheidung T 1002/92 zur prima facie Relevanz geht es um "neue Tatsachen, Beweismittel und diesbezügliche Argumente").
Zum anderen stellt dieser Einwand zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit allenfalls ein neues Argument gegenüber bereits im Verfahren befindlichen Dokumenten dar. Im Einspruchsschriftsatz wurde für den erteilten Anspruch 1 bereits mangelnde Neuheit gegenüber der Druckschrift MB 3 (siehe Punkt IV.2.2) sowie fehlende erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Druckschrift MB 8 (siehe Punkt V.) geltend gemacht. Dabei wurden insbesondere eine über Spannrohre mit der Eckrunge verbindbare Seitenplane und Rollwagenelemente in MB 3 identifiziert, ebenso in MB 8 eine Eckrunge sowie Aussteifungselemente zwischen den Führungsrollen der Seitenplane. Nach Auffassung der Kammer wurde damit der wesentliche Inhalt dieser Entgegenhaltungen in Bezug auf den erteilten Anspruch 1 und auch in Bezug auf den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 (mit den zusätzlichen Merkmalen M8 bis M10, durch die geführte Schlitten als Längsholmverbindungsmittel, eine Spannstange als Eckrungenverbindungsmittel und schließlich die Position des Aussteifungselements näher spezifiziert werden) bereits im Einspruchsschriftsatz analysiert, so dass ihr Inhalt keine neue Tatsache darstellt (vgl. auch T 131/01, Punkt 4.1).


Das EPÜ unterscheidet klar zwischen einerseits "Tatsachen und Beweismitteln" und andererseits "Argumenten" (vgl. T 92/92, Punkt 2: im Vergleich der englischen Fassungen von Artikel 114 (1) EPÜ und Artikel 114 (2) EPÜ) und bietet keine Grundlage dafür, selbst verspätet vorgebrachte Argumente nicht in das Verfahren zuzulassen. Das mit Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen, verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht zu berücksichtigen, ist also nicht auf Argumente anwendbar, auch wenn diese verspätet vorgebracht sind. Dies gilt gleichermaßen für nach dem in der Ladung zur mündlichen Verhandlung festgesetzten Zeitpunkt vorgebrachte neue Argumente (siehe Regel 116 EPÜ). Insbesondere kann die Kammer keine höheren Anforderungen an die Zulassung der neuen Argumentationslinie MB 3 mit MB 8 in Reaktion auf den erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 erkennen, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet.
Es kann aber vorliegend dahingestellt bleiben, ob dies als wesentlicher Verfahrensfehler zu werten ist oder lediglich als ein Bewertungsfehler bzw. eine fehlerhafte Auslegung einer Bestimmung des EPÜ.
5. Artikel 11 VOBK (Verfahrensordnung der Beschwerdekammern) sieht vor, dass eine Kammer die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweist, wenn das Verfahren vor der ersten Instanz wesentliche Mängel aufweist und keine besonderen Gründe dagegen sprechen.
Die Beschwerdeführerin hat zwar angeregt, die Beweisaufnahme vor der Beschwerdekammer durchzuführen, um weitere Verzögerungen des Verfahrens zu vermeiden. Die Kammer kann allerdings nicht erkennen, dass eine Weiterbehandlung ohne Zurückverweisung an die erste Instanz das Verfahren wesentlich beschleunigen würde. Denn zur Anhörung der Zeugen im Beschwerdeverfahren wäre eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich, was auch zu einer zeitlichen Verzögerung führen würde. Aus diesem Grund hält die Kammer es für sinnvoll, in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
6. Da der Beschwerde stattgegeben wird und die Entscheidung der ersten Instanz an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, hält es die Kammer gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ für billig, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (so auch T 1198/97, Gründe Punkt 7 und T 1101/92, Gründe Punkt 5).
Wie bereits weiter oben ausgeführt, mag die durch die Einspruchsabteilung nicht berücksichtige Vorbenutzung für den Gegenstand des im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Hilfsantrags 1 relevant sein und zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung führen. Die Kammer kann deshalb dem Argument der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass kein Grund für die Zurückerstattung der Beschwerdegebühr zu erkennen sei.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückverwiesen, das Einspruchsverfahren fortzusetzen.
3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

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