28 July 2015

T 0614/13 - Admissibility of intervention

T 0614/13 



Key points
  • The case is about admissibility of an intervention by an alleged infringer, since the three month  period of Rule 89 EPC was triggered by the serving of a writ in China of which the precise date was difficult to prove. 
  • A party intervening in opposition can appeal the decision of the OD holding the intervention to be inadmissible as being late filed after the three month period of Rule 89. 
  • In this case, the period of about six months between the filing of the complaint with the German court and the serving the writ in China under the 1965 The Hague Service Convention, does not change the fact that the three month period of Rule 89 started from the receipt of the writ by the defendant.  
  • The case is interesting since the patentee disputed admissibility of the appeal, of the intervention, and of the documents filed as evidence of the date of serving of the writ. 
  • Refusal of the remittal to the OD requested by patent proprietor and intervener (not by other opponent). 


Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden/Beitretenden Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. (Beitretende) richtet sich gegen die auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 ergangene Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Januar 2013. Mit dieser Entscheidung hat die Einspruchsabteilung u.a. den "… Einspruch der Einsprechenden Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. … als unzulässig verworfen". Die Beitretende habe nicht hinreichend nachgewiesen, dass ihr die Klageschrift (beim Landgericht Düsseldorf von der Patentinhaberin gegen die Beitretende eingereichte Klage auf Verletzung des Streitpatents) erst am 3. Juli 2012 zugestellt wurde, und damit die Erklärung des Beitritts mit Schreiben vom 27. September 2012 rechtzeitig erfolgte.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung zugleich den Einspruch der Einsprechenden Arkema France (Einsprechende 1) zurückgewiesen. Die Einsprechende 1 hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ebenfalls Beschwerde erhoben.
II. Mit ihrem Schreiben vom 27. September 2012 hat die Beitretende u.a. die Dokumente D 13 und D 14 vorgelegt. Danach - insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig - hat die Patentinhaberin gegen die Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. am 3. November 2011 auf der Grundlage des Streitpatents eine Verletzungsklage beim Landgericht Düsseldorf (Az: 4b O 168/11) eingereicht (D 13). Das Landgericht Düsseldorf hat dann mit Datum vom 11. Januar 2012 einen Antrag auf Zustellung der Klage an das Bureau of International Judicial Assistance, Ministry of Justice der Volksrepublik China nach dem "Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelsachen, unterzeichnet in Den Haag am 15. November 1965" ("Haager Zustellungsübereinkommen") gerichtet (D 14).


III. Die Beitretende hat mit ihrem Schreiben vom 27. September 2012 weiterhin zum Nachweis des Eingangs der Klageschrift eine Bestätigung (D 15) im chinesischen Original und in englischer Übersetzung eingereicht. Die Einspruchsabteilung hat dieses Dokument jedoch nicht als hinreichenden Beweis dafür angesehen, dass die Klageschrift der Beitretenden erst am 3. Juli 2012 zugestellt wurde, u.a., weil D 15 nicht das Aktenzeichen des Landgerichts Düsseldorf, die Angabe der Klägerin oder des Klagegegenstands enthalte.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 27. Mai 2013 hat die Beitretende zum Nachweis der Zustellung der Klageschrift am 3. Juli 2012 als D 20 bezeichnete Dokumente eingereicht. D 20 enthält u.a. in englischer Übersetzung ein "Statement" von He Leixing, executor of delivery of Department of Acceptance, Intermediate People's Court, Guangzhou City, People's Republic of China, vom 19. März 2013. In diesem "Statement" erklärt He Leixing, dass die hier als D 13 und D 14 bezeichneten Dokumente an Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. geliefert worden seien, und Li Yihang, legal affairs manager von Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd., diese Dokumente am 3. Juli 2012 empfangen und den Empfangsschein unterzeichnet habe. In der Beschwerdebegründung wird das "Statement" D 20 als "notarized affidavit … giving evidence that the lawsuit indeed has been delivered to the intervenient on July 3, 2012" bezeichnet.
V. Mit Mitteilung nach Regel 100(2) EPÜ vom 21. Juni 2013 hat die Kammer eine vorläufige Bewertung der Beschwerde abgegeben. Sie hat ausgeführt, dass die Beschwerde zulässig, nach vorläufiger Auffassung die Einspruchsabteilung jedoch zu Recht das als D 15 eingereichte Dokument nicht als hinreichenden Beweis dafür angesehen hat, dass die Klageschrift der Beitretenden erst am 3. Juli 2012 zugestellt worden ist. Weiterhin hat die Kammer darauf hingewiesen, dass dem "Statement" vom 19. März 2013 nicht die Bedeutung und Beweiskraft eines "affidavit" beigemessen werden könne. In dieser mit Einschreiben zugestellten Mitteilung hat die Kammer den Beteiligten und insbesondere der Beitretenden eine Frist von zwei Monaten zur Stellungnahme eingeräumt.
VI. Mit Schreiben vom 30. August 2013 reichte die Beitretende daraufhin u.a. als D 22 eine "Sworn Declaration" von He Leixing, executor of delivery of Department of Acceptance, Intermediate People's Court, Guangzhou City, People's Republic of China, vom 28. August 2013 in Form einer "scanned copy" ein, die inhaltlich die Erklärung ("Statement") vom 19. März 2013 wiederholt. Mit gleichem Schreiben wurde als D 24 ein Auszug aus der Akte des Landgerichts Düsseldorf betreffend das hier relevante Patentverletzungsverfahren (Az: 4b O 168/11) eingereicht. Die vorgelegte Kopie von Blatt 125 der Akte des Landgerichts Düsseldorf zeigt das "Zustellungszeugnis" nach Artikel 6 des "Haager Zustellungsübereinkommens", ausgefertigt in Beijing am 28. Februar 2013. Weitere handschriftliche Einträge betreffen das Datum der Erledigung des Antrags "July.3, 2012" und die Zustelladresse. Nach dem auf der Kopie (Blatt 125 der Akte) befindlichen Stempelaufdruck ist das "Zustellungszeugnis" am 12. März 2013 beim Landgericht Düsseldorf eingegangen.
VII. Die Beitretende hält jedenfalls aufgrund der D 22 und D 24 eine Zustellung der Klage am 3. Juli 2012 und damit die rechtzeitige Erklärung des Beitritts für nachgewiesen. Sie hat ferner eine Verletzung der Regel 77(2) EPÜ durch die Einspruchsabteilung geltend gemacht, da die Zurückweisung des Einspruchs ohne vorherigen Beanstandungsbescheid erfolgt sei. Dadurch sei auch ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden, da ihr durch die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung verkündete Entscheidung über die Unzulässigkeit des Beitritts die Gelegenheit verwehrt worden sei, weitere Nachweise zur Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Beitritts vorzulegen. Die Beschaffung der als D 24 vorgelegten Schriftstücke sei nicht in der Beschwerdebegründungsfrist möglich gewesen, da nicht der patentanwaltliche Vertreter der Beitretenden, sondern nur der rechtsanwaltliche Vertreter das Recht zur Akteneinsicht in die Akten des Verletzungsverfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf habe. Trotz mehrfacher vorheriger Anfragen beim Landgericht Düsseldorf habe der Rechtsanwalt erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer vom 21. Juni 2013 eine geeignete Kopie der als D 24 vorgelegten Dokumente erhalten.
VIII. Die Argumente der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) können im wesentlichen wie folgt zusammengefasst werden:
a) Die Beschwerde der Beitretenden sei nicht zulässig, da diese wegen des nicht rechtzeitig erfolgten Beitritts nie Partei im Verfahren vor der Einspruchsabteilung geworden sei und ihr damit die Beschwerdeberechtigung nach Artikel 107 EPÜ fehle.
b) Da nach den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen worden sei, dass die Einspruchsgebühr im vorliegenden Falle des Beitritts innerhalb der Frist der Regel 89(1) EPÜ entrichtet wurde, gelte der Beitritt erst gar nicht als erfolgt.
c) Die mit Schreiben der Beitretenden vom 30. August 2013 eingereichten Dokumente D 22 und D24 hätten schon mit der Beschwerde eingereicht werden müssen. Die Dokumente könnten die Zustellung der Verletzungsklage an die Beitretende und somit die Rechtzeitigkeit der Beitrittserklärung nicht belegen, da sie prima facie keine Beweiskraft hätten und seien daher als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen. Wenn man der Argumentation der Beitretenden folge, sei das Zertifikat beim Landgericht Düsseldorf am 12. März 2013 und damit mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung eingegangen. Die Dokumente D 24 hätten daher ohne weiteres vor Ablauf dieser Frist von der Beitretenden beschafft und vorgelegt werden können.
Die Beschwerdegegnerin beantragte im schriftsätzlichen Verfahren, die Dokumente D 24 und D 22 wegen Verspätung nicht in das Verfahren zuzulassen.
d) Die Beschwerdegegnerin bestreitet erstmals im Schreiben vom 25. August 2014 mit Nichtwissen, "dass die Dokumente gemäß D 24 tatsächlich in der Akte des Landgerichts sind." Darüber hinaus ließen die das Dokument D 24 ausmachenden Schriftstücke sowie die D 13 bis D 15, D 20 und D 22 keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Verletzungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf (Az: 4b O 168/11) und der Zustellung der Klage an die Beitretende am 3. Juli 2012 erkennen und stellten daher keinen Beweis für die behauptete Zustellung dar. Insbesondere gebe es keinen Zusammenhang zwischen der nicht nummerierten zweiten Seite der D 24 und deren Seiten 125-127. Auch stimme die auf der nicht nummerierten Seite 2 korrekt angegebene Adresse der Beitretenden nicht mit der Adresse auf der Seite 125 der D 24 überein. Die nicht nummerierte zweite Seite der D 24 trage ein Datum vom 11. Januar 2012, d.h. viel früher als Seite 125 mit Datum 28. Februar 2013, so dass auch insoweit kein eindeutiger Zusammenhang zwischen diesen beiden Seiten bestehe.
IX. Die Kammer hat in ihrer Mitteilung vom 28. März 2014 die Beteiligten u. a. darüber informiert, dass nach ihrer vorläufigen Meinung aufgrund der D 24 in Verbindung mit D 22 nunmehr ein ausreichender Nachweis für die Zustellung der Verletzungsklage an die Beitretende am 3. Juli 2012 vorliege und der Beitritt demnach als rechtzeitig erklärt anzusehen wäre.
X. Mit Mitteilung der Kammer vom 31. Oktober 2014 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung geladen, die am 2. Juli 2015 stattfand. Eine Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
XI. Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende 1) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 988 13, hilfsweise die Vertagung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.
Die Beschwerdeführerin II (Beitretende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zulassung des Beitritts und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde der Einsprechenden 1 als unbegründet zurückzuweisen und die Beschwerde der Beitretenden als unzulässig zu verwerfen oder die mangelnde Zulässigkeit des Beitritts/Einspruchs der Beitretenden festzustellen. Sollte der Beitritt als zulässig erachtet werden, beantragte sie die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Gegenstand der Entscheidung
1. Gegenstand dieser (Zwischen-)Entscheidung ist die Zulässigkeit der Beschwerde der Beitretenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Januar 2013, mit der der Einspruch der Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. als unzulässig verworfen worden ist, sowie die Zulässigkeit und Wirksamkeit des Beitritts.
Zulässigkeit der Beschwerde der Beitretenden
2. Nach Artikel 107 Satz 1 EPÜ steht die Beschwerde denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zu der Entscheidung geführt hat, soweit sie durch die Entscheidung beschwert sind. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kann die Zulässigkeit der Beschwerde der Beitretenden nicht deshalb verneint werden, weil diese - im Falle des nicht fristgerecht und damit nicht wirksam erklärten Beitritts - nicht Partei im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war und ihr damit die Beschwerdeberechtigung nach Artikel 107 EPÜ fehle.
2.1 Da der Einspruch der Beitretenden durch die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung als unzulässig verworfen wurde, liegt eine Beschwer der Beitretenden vor.
2.2 Die Einspruchsabteilung hat aufgrund des bei ihr anhängigen Verfahrens entschieden, dass der Einspruch der Beitretenden mangels Nachweises einer fristgerechten Beitrittserklärung unzulässig ist. An diesem Verfahren war die Beitretende durch die abgegebene Beitrittserklärung und die Zahlung der Einspruchsgebühr am 27. September 2012 beteiligt. Ist die Frage der Berechtigung zur Teilnahme am (Einspruchs-)Verfahren aber gerade Gegenstand der dieses Verfahren (vorläufig) abschließenden Entscheidung der Einspruchsabteilung und wird diese für die Beschwerdeführerin (Beitretende) nachteilige Entscheidung mit der Beschwerde angriffen, um genau diese streitige Frage der Verfahrensbeteilung überprüfen zu lassen, würde eine Verneinung der Beschwerdeberechtigung einer Verweigerung des vom Gesetz vorgesehenen Rechtsschutzes in Form der Beschwerde gleichkommen. Denn eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass die angegriffene Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtskräftig würde, ohne dass eine rechtliche Überprüfung der streitigen Frage durch die Beschwerdekammer stattgefunden hätte. Ein solches Ergebnis wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
2.3 Sollte Ergebnis der Entscheidung der Beschwerdekammer sein, dass die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung bestätigt wird, der Einspruch der Beitretenden also zu Recht als unzulässig verworfen wurde, bedeutete dies nicht, dass die Beitretende nie eine Verfahrensbeteiligte war, sondern nur, dass sie vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beschwerdeentscheidung nicht mehr berechtigt wäre, am (weiteren) Verfahren teilzunehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre die Verfahrensstellung der Beitretenden darauf beschränkt, eine Klärung zu ermöglichen, ob sie zur Teilnahme am Verfahren berechtigt war (vgl. hierzu auch T 1178/04 ABl EPA 2008, 80, Punkt 3 der Gründe).
2.4 Aus den gleichen Erwägungen kann der Beitretenden von vornherein auch nicht die Beschwerdeberechtigung nach Artikel 107 EPÜ mit der Begründung abgesprochen werden, der Beitritt gelte mangels rechtzeitiger Entrichtung der Einspruchsgebühr nach Regel 89(2) EPÜ als nicht erklärt und die Beitretende habe deshalb nicht die Stellung einer Verfahrensbeteiligten erlangt. Da die Beitretende zugleich mit der Beitrittserklärung am 27. September 2012 die Einspruchsgebühr entrichtet hat, hängt die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Einspruchsgebühr unmittelbar und untrennbar mit der Beantwortung der Frage der fristgerechten Erklärung des Beitritts zusammen. Letztere Frage ist - wie ausgeführt - gerade Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, für das aus den genannten Gründen die Beschwerdeberechtigung der Beitretenden anzuerkennen ist.
Die Beschwerde der Beitretenden ist damit zulässig.
Rechtswirksamkeit des Beitritts
3. Gemäß Artikel 105(1)a in Verbindung mit Regel 89(1) EPÜ ist der Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag zu erklären, an dem die Klage erhoben worden ist. Nach Ansicht der Kammer, hat die Beitretende durch Vorlage der D 24 in Verbindung mit D 22 nunmehr einen ausreichenden Nachweis für die Zustellung und somit Erhebung der Verletzungsklage an die Beitretende am 3. Juli 2012 erbracht.
Rechtzeitigkeit der Vorlage von D 22 und D 24
4. Nach Maßgabe des Artikels 114(2) EPÜ sowie der Artikel 12(4) VOBK in Verbindung mit 12(2) VOBK bzw. aufgrund Artikel 13(1) VOBK können nicht rechtzeitig vorgebrachte Beweismittel von der Kammer unberücksichtigt bleiben. In Ausübung des durch diese Vorschriften eingeräumten Ermessens gelangt die Kammer zu der Entscheidung, dass der Berücksichtigung der Dokumente D 22 und D 24 nicht entgegen steht, dass diese nicht bereits im Einspruchsverfahren oder mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden sind und folglich, dass insoweit ein verspätetes Vorbringen im Sinne der genannten Rechtsvorschriften nicht vorliegt.
4.1 Zunächst ist grundsätzlich festzustellen, dass sowohl Regel 76(2)c) EPÜ für das Einspruchsverfahren als auch Regel 99(2) EPÜ für das Beschwerdeverfahren lediglich die Angabe von Beweismitteln verlangen. Die tatsächliche Vorlage der genannten Beweismittel, d.h. deren Einreichung zur Akte des Europäischen Patentamts, kann dagegen auch nach Ablauf der Einspruchs- bzw. Beschwerdefrist später im Verfahren, gegebenenfalls nach Aufforderung durch das EPA, erfolgen. Regel 76 EPÜ ist für die Erklärung und Begründung des Beitritts nach Regel 89(2) Satz 1 EPÜ ausdrücklich entsprechend anwendbar.
4.2 Mit Schreiben vom 27. September 2012 hat die Beitretende zum Nachweis der Voraussetzungen für den erklärten Beitritt die Dokumente D 13, D 14 und D 15 vorgelegt. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2012 verkündeten Entscheidung den notwendigen Nachweis der Voraussetzungen für einen wirksamen Beitritt durch diese Dokumente als nicht erbracht angesehen, ohne der Beitretenden zuvor diese Einwände schriftlich mitgeteilt oder angegeben zu haben, welche Beweismittel sie als geeignet ansehen würde. Die Beitretende konnte daher erst mit ihrer Beschwerde hierzu Stellung nehmen und war dabei in der Wahl der aus ihrer Sicht geeigneten Beweismittel nach Artikel 117(1) EPÜ frei.
4.3 Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 27. Mai 2013 hat die Beitretende als Reaktion auf die angefochtene Entscheidung als weiteren Beleg für die darin als nicht nachgewiesen erachtete Zustellung der Klageschrift am 3. Juli 2012 die - aus ihrer Sicht beweiskräftigen - Dokumente D 20 eingereicht und insoweit auch die Voraussetzungen nach Artikel 12(2) VOBK erfüllt.
4.4 In der vorläufigen Stellungnahme und Mitteilung nach Regel 100(2) EPÜ vom 21. Juni 2013 hat die Kammer jedoch auch das weitere Dokument D 20 als zum Nachweis der Einhaltung der Beitrittsfrist als ungeeignet angesehen und die Auffassung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Dokumente D 13, D 14 und D 15 bestätigt. Als unmittelbare Reaktion auf diese Mitteilung der Kammer und innerhalb der darin für eine Äußerung gesetzten Frist von zwei Monaten (Regel 126(2) EPÜ) hat die Beitretende dann mit Schreiben vom 30. August 2013 die Dokumente D 24 und D 22 eingereicht, die - wie unten dargelegt - nach Ansicht der Kammer insgesamt als hinreichender Nachweis für die Einhaltung der Beitrittsfrist nach Regel 89(1) EPÜ anzusehen sind.
4.5 Zunächst schließt die Tatsache, dass das "Zustellungszeugnis" ausweislich "Blatt 125" der Akte des Landgerichts Düsseldorf erst am 12. März 2013 dort eingegangen ist und somit erst ab diesem Zeitpunkt der Beitretenden als Beweismittel zugänglich war, die Annahme aus, dieses Beweismittel hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können und sei deshalb gemäß Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12(4) VOBK als verspätet zurückzuweisen. Vielmehr hat die Kammer in Ausübung des ihr nach dem hier relevanten Artikel 13(1) VOBK eingeräumten Ermessens unter Berücksichtigung der dort genannten Kriterien der Komplexität des neuen Vorbringens, des Standes des Verfahrens und der Verfahrensökonomie keine Bedenken gegen die Zulassung von D 22 und D 24. Dies gilt erst recht, wenn, wie hier, eine Stellungnahme bzw. die Nachreichung von Beweismitteln auf eine erste Mitteilung der Kammer nach Regel 100(2) EPÜ innerhalb der darin bestimmten Frist erfolgt.
4.6 Die Beitretende hat schließlich glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass die Beschaffung der als D 24 vorgelegten Schriftstücke innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist zwar mehrfach beim Landgericht Düsseldorf versucht wurde, jedoch erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer vom 21. Juni 2013 durch den im Verletzungsverfahren beauftragten Rechtsanwalt eine geeignete Kopie der als D 24 vorgelegten Dokumente beschafft werden konnte.
4.7 Der Antrag der Beschwerdegegnerin, die D 22 bis D24 wegen Verspätung nicht in das Verfahren zuzulassen, wird daher zurückgewiesen.
5. Die Frage, ob die Einspruchsabteilung nach Auffassung der Beitretenden, durch das Unterlassen einer Mitteilung nach Regel 77(2) EPÜ und einer Aufforderung zur Nachreichung weiterer geeigneter Beweismittel den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat und somit die angefochtene Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben ist, kann angesichts des Ergebnisses der hier getroffenen Beschwerdeentscheidung dahingestellt bleiben. Allerdings bestehen durchaus Zweifel an einem solchen Verfahrensfehler. Denn Regel 89(2) Satz 1 EPÜ erklärt die Regel 77 EPÜ für den Beitritt für entsprechend anwendbar, deren Absatz 1 wiederum u.a. auf Artikel 99(1) EPÜ und somit auf die (neunmonatige) Frist zur Einlegung des Einspruchs verweist. Für die in Regel 77(1) EPÜ bezeichneten Mängel ist jedoch - anders als nach Regel 77(2) EPÜ - keine Mitteilung zur Behebung der Mängel vorgesehen. Vielmehr ist danach der Einspruch als unzulässig zu verwerfen, wenn die Mängel nicht innerhalb der Einspruchsfrist beseitigt werden. Der Einspruchsfrist entspricht für den hier relevanten Beitritt die dreimonatige Frist nach Regel 89(1) EPÜ. Dies würde, soweit es in analoger Anwendung von Regel Regel 77(1) EPÜ um die Einhaltung der dreimonatigen Frist für die Erklärung des Beitritts geht, gegen die Notwendigkeit einer Mitteilung an die Beitretende sprechen. Jedenfalls läge danach in der Unterlassung einer solchen Mitteilung kein eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung rechtfertigender "wesentlicher" Mangel im Sinne von Artikel 11 VOBK in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beitretenden.
Zustellung der Verletzungsklage an die Beitretende, Rechtzeitigkeit der Beitrittserklärung
6. Die Beschwerdegegnerin hat mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei den genannten Auszügen um Kopien von Schriftstücken aus der das hier zugrundeliegende Verletzungsverfahren betreffenden Akte des Landgerichts mit dem Aktenzeichen 4b O 168/11 handelt. Hierzu bemerkt die Kammer, dass dieses Bestreiten mit Nichtwissen erstmals mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 25. August 2014 erfolgte, nachdem sie zuvor im Schreiben vom 10. September 2013 inhaltlich zu der mit Schreiben der Beitretenden vom 20. August 2013 vorgelegten D 24 Stellung genommen hatte, ohne die nun bestrittene fragliche Tatsache in Frage zu stellen. Die Beschwerdegegnerin hat weder Gründe, warum Zweifel daran bestehen sollten, dass die als D 24 vorgelegten Auszüge Bestandteile der Akte 4b O 168/11 des Landgerichts Düsseldorf sind, genannt, noch wurden hierzu Beweisanträge gestellt.
7. Es kann dahingestellt bleiben, ob das mit Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 25. August 2014 erklärte Bestreiten wegen Verspätung zurückzuweisen ist. Unter den hier vorliegenden Umständen ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls der entsprechende Vortrag der Beitretenden und die Zuordnung der Dokumente D 24 zur Akte des Landgerichts allein aufgrund des nicht weiter substantiierten Bestreitens mit Nichtwissen durch die Beschwerdegegnerin nicht in Zweifel zu ziehen. Die Kammer sieht vielmehr im Wege der freien Beweiswürdigung und aufgrund der nach ihrer Ansicht schlüssigen Nachweise in Form der vorgelegten Dokumente D 24, insbesondere des "Zustellungszeugnisses" (Blatt 125 der Akte) und des "Antrags" (von der Beschwerdegegnerin als "nicht nummerierte" oder "zweite Seite" bezeichnet), sowie aufgrund des Zusammenhangs dieser Dokumente es nunmehr als hinreichend nachgewiesen an, dass die Verletzungsklage der Beitretenden am 3. Juli 2012 zugestellt wurde.
8. Das "Zustellungszeugnis" (Bl 125) enthält das handschriftlich eingesetzte Datum "July.3, 2012", an dem "der Antrag erledigt worden ist". Unmittelbar darunter befindet sich zur Angabe des Orts der Zustellung die ebenfalls handschriftlich eingefügte Zustellungsadresse. Diese stimmt zwar nicht wortwörtlich, jedoch in ihren wesentlichen und für die Feststellung der Identität der Adresse ausreichenden Bestandteilen mit der im "Antrag" angegebenen Anschrift der Beitretenden und Zustellungsadressatin überein. Folglich bestehen insoweit keine begründeten Zweifel, dass es sich bei der im "Zustellungszeugnis" vermerkten Adresse um diejenige der Beitretenden handelt. Im übrigen findet sich der Bestandteil "No.38, Gaopu Road", der bei der Adresse auf Bl 125, nicht aber auf dem "Antrag" wiedergegeben ist, auch auf der Empfangsbestätigung D 15.
9. Aus dem "Antrag" ist neben dem Aktenzeichen des Landgerichts (4b O 168/11) auch ersichtlich, dass zu den übersandten Schriftstücken die Klageschrift vom 3. November 2011 gehörte. Aufgrund dieser Angaben im "Antrag" und der unbestrittenen Zugehörigkeit des "Zustellungszeugnisses" zur Akte des Verletzungsverfahrens 4b O 168/11 vor dem Landgericht Düsseldorf, ist eine Grundlage für berechtigte Zweifel daran, dass sich die Angaben zum Datum und Ort der Zustellung im "Zustellungszeugnis" (Blatt 125 der Verletzungsakte) auf die gegen die Beitretende am 3. November 2011 erhobene Verletzungsklage beziehen, nicht erkennbar.
10. Soweit die Beschwerdegegnerin schriftsätzlich (Schreiben vom 25. August 2014, 3 letzter Absatz) vorträgt, die nicht nummerierte zweite Seite der D 24 trage ein Datum vom 11. Januar 2012, d.h. "viel früher" als Seite 125 mit Datum 28. Februar 2013, so dass auch insoweit kein eindeutiger Zusammenhang zwischen diesen beiden Seiten bestehe, vermag die Kammer auch hierin keinen Grund zu erkennen, der eine Zusammengehörigkeit der genannten Schriftstücke ausschließt. Vielmehr ergibt sich aus den in dem "Zustellungszeugnis" und dem "Antrag" genannten Daten eine logische und in sich stimmige zeitliche Abfolge der Geschehnisse, die die Annahme eines Zusammenhangs zwischen diesen Schriftstücken stützt. So wurde zunächst der "Antrag" auf Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift vom 3. November 2011 vom Landgericht Düsseldorf am 11. Januar 2012 ausgefertigt. Die Zustellung an die Beitretende erfolgte am 3. Juli 2012, also etwa ein halbes Jahr später. Wiederum rund ein halbes Jahr später erfolgte die Ausfertigung des "Zustellungszeugnisses" in Beijing am 28. Februar 2013, welches dann am 12. März 2013 beim Landgericht Düsseldorf zu den dortigen Akten des Verletzungsverfahrens gelangt ist. Dass das Datum der Ausfertigung des "Antrags" durch das Landgericht Düsseldorf am 11. Januar 2012 "viel früher" als das Datum der Ausfertigung des "Zustellungszeugnisses" durch die zuständige Behörde in Beijing am 28. Februar 2013 lag, ist zwar zutreffend, ist jedoch wohl durch die verhältnismäßig lange Bearbeitungszeit bei den chinesischen Behörden bedingt. Der Zeitraum von über einem Jahr zwischen der Ausfertigung des Antrags durch das Landgericht Düsseldorf und der Ausfertigung des Zustellungszeugnissen durch die Behörde in Beijing allein stellt danach vor dem Hintergrund des aufgezeigten zeitlichen Ablaufs des Zustellungsvorgangs insgesamt kein überzeugendes Argument gegen die Zusammengehörigkeit der genannten Schriftstücke der D 24 dar.
11. Der bereits durch D 24 geführte Nachweis der Zustellung der Verletzungsklage an die Beitretende am 3. Juli 2012 wird gestützt durch die ebenfalls mit Schreiben vom 30. August 2013 als D 22 vorgelegte "Sworn Declaration" von He Leixing, executor of delivery of Department of Acceptance, Intermediate People's Court, Guangzhou City, People's Republic of China, vom 28. August 2013, die inhaltlich auf den "delivery receipt ... numbered E0134406" Bezug nimmt, welcher als D 15 auch in englischer Übersetzung vorgelegt wurde und die selbe Seriennummer ("Serial Number E0134406") aufweist.
12. Nach alledem ist es nach Auffassung der Kammer als hinreichend bewiesen anzusehen, dass die Klage der Patentinhaberin wegen Verletzung des Streitpatents der Beitretenden am 3. Juli 2012 zugestellt worden und die Erklärung des Beitritts mit Schreiben vom 27. September 2012 damit innerhalb der dreimonatigen Frist der Regel 89(1) EPÜ erfolgt ist. Darüberhinausgehende weitere Einwände gegen die Zulässigkeit des Beitritts und Einspruchs der Beitretenden sind weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Die Beitretende ist damit als Einsprechende am vorliegenden Verfahren beteiligt (Artikel 105(2) EPÜ).
13. Alle Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung eine Erörterung der von der Einsprechenden 1 und der Beitretenden geltend gemachten Einspruchsgründe im Hinblick auf die im Protokoll der mündlichen Verhandlung genannten Umstände abgelehnt. Danach hatte die Vorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass wegen ihrer zum Ende November 2015 anstehenden Pensionierung die mündliche Verhandlung mit einer geänderten Besetzung der Kammer nach Maßgabe des Artikels 8(1) VOBK erneut durchgeführt werden müsste, wenn das Beschwerdeverfahren nicht aufgrund der am 2. und 3. Juli 2015 angesetzten Verhandlungstermine beendet werden könnte. Daraufhin hatten die Beitretende und die Beschwerdegegnerin eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und die Einsprechende 1 die Vertagung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer beantragt.
14. Die Beschwerdekammer hält zwar die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die erste Instanz nicht für gegeben, insbesondere, weil kein absolutes Recht auf zwei Instanzen besteht (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Aufl., IV. E. 7.6.1), erachtet jedoch eine Vertagung der mündlichen Verhandlung bei dieser Sachlage für angemessen und gerechtfertigt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben, soweit der Einspruch der Einsprechenden Kingfa Sci. & Tech. Co. Ltd. als unzulässig verworfen wurde.
2. Die Beschwerde der Beitretenden und der Beitritt sind zulässig.
3. Die mündliche Verhandlung wird vertagt. Ein Termin für eine neue mündliche Verhandlung wird noch festgesetzt.

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