25 May 2021

T 0488/18 - Withdrawal request oral proceedings

 Key points

  • In this opposition appeal, the appellant did not request oral proceedings and the respondent withdrew the request for oral proceedings within one month of notification of the preliminary opinion of the Board. The decision is issued without oral proceedings. Rule 103(4)(c) says "if any request for oral proceedings is withdrawn". Does this mean that the appellant benefits from a partial refund of the appeal fee because the respondent withdrew the request for oral proceedings?
  • The present Board concludes that the partial refund is to be ordered, thereby expressly not following  T0777/15. 
  • The present Board undertakes a detailed analysis of Rule 103(4)(c) but in the end appears to be persuaded by this remark in the Explanatory Notes: “The point at which the appellant – as well as the other parties to appeal proceedings – should be incentivised to withdraw the request for oral proceedings is upon being notified of the Board's communication under Article 15(1) RPBA, revised version.” (CA/80/19 para 84, italics added). 
    • As a comment, it remains unclear to me how e.g. the opponent as respondent is incentivised to withdraw its request for oral proceedings if that results in a financial benefit for the patentee (as appellant) only. 
    • The refund in the present case was indeed made to the patentee.

  • The opponent/respondent also became insolvent in the course of the proceedings and an administrator was appointed. The Board notes that (under German law) the insolvency administrator becomes the party to the proceedings. However (also in light of specific circumstances) the professional representative remained appointed. 
  • The request for transfer of opponent status to the company buying the enterprise of opponent is refused for lack of evidence submitted.
  • The opponent's request for interruption of the proceedings is refused first of all because Rule 142(1)(b) refers only to the patentee or applicant. 

  • The OD had revoked the patent based on a feature lacking basis in the application as filed. In appeal, requests are filed wherein the feature was omitted. The appeal is admissible because according to established case law it is not necessary to argue as appellant that the first instance decision was wrong; it may also be enough (for a patentee as appellant) to address the decisive point by amending the claims. 
  • The amended request is admitted. The opponent had raised the added subject matter attack for the first time during the oral proceedings before the opposition division which the patentee did not attend.
  • “Nach Meinung der Kammer kann daher im vorliegenden Fall das Fernbleiben der Beschwerdeführerin von der mündlichen Verhandlung nicht zu ihren Ungunsten bewertet werden.”. 
  • Compare T2154/13, discussed in the present decision as well: “Following the principle according to which the appellant should be prevented from seeking unjustified procedural advantages in disregard of procedural economy and to the disadvantage of other parties (nemo auditur propriam turpitudinem allegans), the Board therefore decides not to admit auxiliary requests 1-3 into the appeal proceedings.”
  • The present Board says that “Anders als im Fall T 2154/13 gab es jedoch im vorliegenden Fall für einen Einwand der unzulässigen Erweiterung gegen das Merkmal M8 im erstinstanzlichen Verfahren keinen Anhaltspunkt vor [i.e. prior to] der mündlichen Verhandlung.”
    • In T 2154/13, an inventive step attack based on D6 had been raised prior to the oral proceedings before the OD, the OD found D6 to be novelty-destroying.
    • As a comment, note that according to G4/92, “a decision against a party who has been duly summoned but who fails to appear at oral proceedings may not be based on facts put forward for the first time during those oral proceedings” (in inter partes proceedings) and according to T0748/17, an Art.123(2) objection is a 'fact' in the sense of at least Art.12(4) RPBA 2007.



https://www.epo.org/law-practice/case-law-appeals/recent/t180488du1.html




8. Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25% - Regel 103 (4) c) EPÜ

Die am 1. April 2020 in Kraft getretene neu gefasste Regel 103 EPÜ gilt für die vorliegende Beschwerde, da sie am Tag des Inkrafttretens bereits anhängig war (siehe Artikel 2 des Beschlusses des Verwaltungsrats CA/D 14/19 vom 12. Dezember 2019 (ABl. EPA 2020, A5)).

8.1 Regel 103 (4) c) EPÜ sieht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % vor, wenn "ein etwaiger Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats ab Zustellung einer von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen wird und keine mündliche Verhandlung stattfindet".

8.2 Im vorliegenden Fall stellte die damalige Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung. Diesen Antrag nahm sie innerhalb eines Monats nach der Zustellung der zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 zurück. Daraufhin wurde der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben. Die Beschwerdeführerin hat während des gesamten Beschwerdeverfahrens keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.


8.3 Es stellt sich daher die Frage, ob es eine Rückzahlungsmöglichkeit der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ geben kann, wenn ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht vom Beschwerdeführer zurückgenommen wurde, sondern von einem anderen Verfahrensbeteiligten, der keine Beschwerde eingelegt hat.

8.4 Nach der ständigen Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer und der Beschwerdekammern ist das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ), obwohl die Europäische Patentorganisation nicht Vertragspartei des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (nachfolgend: Wiener Übereinkommen) ist, gemäß den in den Artikeln 31 und 32 des Wiener Übereinkommens aufgestellten Grundsätzen auszulegen (siehe G 1/18, ABl. EPA 2020, A26, BEGRÜNDUNG DER STELLUNGNAHME, Nr. III, erster Absatz mit zahlreichen Verweisen auf weitere Rechtsprechung). Nach Artikel 31 (1) des Wiener Übereinkommens ist ein Vertrag "nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen." In Anwendung des Artikels 32 des Wiener Übereinkommens dienen die vorbereitenden Arbeiten ("Travaux préparatoires") und die Umstände des Abschlusses des EPÜ lediglich als ergänzende Quellen, die das Ergebnis der Auslegung bestätigen, oder sie werden herangezogen, wenn bei Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel keine sinnvolle Bedeutung zu bestimmen ist (siehe z.B. G 2/12, ABl. EPA 2016, 27, Nr. V. (4) der Entscheidungsgründe; G 1/18, supra, BEGRÜNDUNG DER STELLUNGNAHME, Nr. III, letzter Absatz).

8.5 Wörtliche Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ

Nach dem Wortlaut der Regel 103 (4) c) EPÜ muss "ein etwaiger Antrag auf mündliche Verhandlung" (englische Fassung: "any request for oral proceedings" und französische Fassung: "une requête en procédure orale") innerhalb der Einmonatsfrist zurückgenommen werden, damit es die Möglichkeit einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % geben kann. Aus dem Wortlaut der Regel 103 (4) c) EPÜ lässt sich jedoch nicht ableiten, wessen Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen werden muss, damit es diese Rückzahlungsmöglichkeit geben kann. Der Formulierung "ein etwaiger Antrag" ("any request"; "une requête") ist nur zu entnehmen, dass die Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung für diese Rückzahlungsmöglichkeit vorliegen muss. Aus diesem Wortlaut kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich dabei um einen Antrag handeln muss, der von einem bestimmten Verfahrensbeteiligten gestellt wurde.

Im einseitigen Beschwerdeverfahren ist dies unproblematisch, da es nur den Beschwerdeführer als einzigen Verfahrensbeteiligten gibt und infolgedessen auch nur dieser eine Verfahrensbeteiligte einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach Artikel 116 (1) Satz 1 EPÜ stellen und später zurücknehmen kann.

Anders sieht es hingegen im mehrseitigen Beschwerdeverfahren aus. Hier kann gemäß Artikel 116 (1) Satz 1 EPÜ jeder Verfahrensbeteiligte, unabhängig davon, ob er Beschwerde eingelegt hat, einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen und gegebenenfalls später zurücknehmen. Dem Wortlaut der Regel 103 (4) c) EPÜ ist jedoch nicht zu entnehmen, dass es in einem mehrseitigen Beschwerdeverfahren darauf ankommt, ob der zurückgenommene Antrag auf mündliche Verhandlung von einem Beschwerdeführer oder von einem der übrigen Verfahrensbeteiligten gestellt wurde. Insbesondere kann aus der Verwendung der Formulierung "ein etwaiger Antrag" ("any request"; "une requête") nicht geschlossen werden, dass die Frage der Rückzahlung davon abhängt, ob der zurückgenommene Antrag auf mündliche Verhandlung von einem Beschwerdeführer oder einem anderen Verfahrensbeteiligten gestellt wurde. Auch der Wortlaut der weiteren Voraussetzung in Regel 103 (4) c) EPÜ (" ... und keine mündliche Verhandlung stattfindet") gibt diesbezüglich keinen Aufschluss, denn, ob eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren stattfindet, hängt nicht davon ab, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung (auch) vom Beschwerdeführer gestellt wurde.

Zusammenfassend stellt die Kammer fest, dass die Regel 103 (4) c) EPÜ ihrem Wortlaut nach lediglich fordert, dass "ein etwaiger Antrag" auf mündliche Verhandlung zurückgenommen wird. Es gibt keinen Anhaltspunkt im Wortlaut der Regel 103 (4) c) EPÜ, dass die Rückzahlungsmöglichkeit an die Voraussetzung geknüpft ist, dass ein Antrag auf mündliche Verhandlung vom Beschwerdeführer zurückgenommen wurde. Deshalb kommt es bei einer wörtlichen Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ für die Möglichkeit einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % an einen Beschwerdeführer im mehrseitigen Beschwerdeverfahren nicht darauf an, ob dieser Beschwerdeführer einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und zurückgenommen hat. Bei einer wörtlichen Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ besteht diese Rückzahlungsmöglichkeit daher auch dann, wenn die Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung nicht vom Beschwerdeführer erklärt wurde, sondern von einem anderen Verfahrensbeteiligten.

8.6 Systematische Auslegung

Laut den Grundsätzen des Wiener Übereinkommens ist die systematische Auslegung die zweite Säule bei der Auslegung einer Rechtsvorschrift und ihrer Begriffe (siehe G 2/12, supra, Nr. VII. 2. (1) der Entscheidungsgründe mit zahlreichen Verweisen auf andere Entscheidungen/ Stellungnahmen der Großen Beschwerdekammer; G 1/18, supra, BEGRÜNDUNG DER STELLUNGNAHME, Nr. IV. 2., erster Absatz). Bei der Anwendung dieser zweiten Auslegungsweise ist die Bedeutung des betreffenden Wortlauts im Kontext der entsprechenden Vorschrift selbst zu ermitteln. Zudem muss die Vorschrift unter Berücksichtigung "ihrer Stellung und Funktion innerhalb einer kohärenten Gruppe mit ihr zusammenhängender Rechtsnormen ausgelegt werden" (siehe z.B. G 2/12, supra, Nr. VII. 2. (1) der Entscheidungsgründe).

Regel 103 EPÜ ist die einzige Vorschrift im EPÜ über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. In der Regel 103 (1) a) EPÜ geht es um die mögliche Rückerstattung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels, wenn der Beschwerde abgeholfen oder ihr stattgegeben wird, und deshalb um einen ganz anderen rechtlichen Sachverhalt als in der Regel 103 (4) c) EPÜ. Ansonsten sieht die Regel 103 EPÜ die vollständige oder teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr vor, wenn "die Beschwerde" (englische Fassung: "the appeal" und französische Fassung: "le recours") unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen wird (Regel 103 (1) b), (2), (3) a) - c) und (4) a) und b) EPÜ). Hier stellt der Wortlaut nicht darauf ab, dass "eine etwaige" Beschwerde zurückgenommen wird, sondern es muss "die Beschwerde" zurückgenommen werden, damit es die Rückzahlungsmöglichkeit gibt. Deshalb gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen einer bestimmten Beschwerde, die zurückgenommen wird, und der Beschwerdegebühr, die für diese Beschwerde bezahlt wurde. Zudem betrifft dieser Tatbestand nur den Beschwerdeführer, da nur dieser die Beschwerde zurücknehmen kann, und nicht die anderen Verfahrensbeteiligten, die keine Beschwerde eingelegt haben. Außerdem ist diese Rückzahlungsmöglichkeit allein davon abhängig, dass die Rücknahme der Beschwerde unter bestimmten zeitlichen Bedingungen in bestimmten Phasen des Beschwerdeverfahrens erfolgt. Es gibt jedoch keine weitere Voraussetzung, die vergleichbar ist mit der in der Regel 103 (4) c) EPÜ enthaltenen Voraussetzung, dass keine mündliche Verhandlung stattfindet. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr an den Beschwerdeführer, der seine Beschwerde zurückgenommen hat, erfolgt im mehrseitigen Beschwerdeverfahren auch dann, wenn weitere Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung anhängig sind (und bleiben) und das Beschwerdeverfahren fortgesetzt wird, wobei dann der Beschwerdeführer, der seine Beschwerde zurückgenommen hat, Verfahrensbeteiligter bleibt. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr bei der Rücknahme der Beschwerde ist also nicht davon abhängig, dass das Beschwerdeverfahren ohne Endentscheidung beendet wird. Es kann daher sofort bei der Rücknahme der Beschwerde festgestellt werden, ob die Voraussetzungen einer der in Regel 103 EPÜ dafür geregelten Rückzahlungsmöglichkeiten der Beschwerdegebühr erfüllt sind und nicht erst, wie im Falle der Regel 103 (4) c) EPÜ, bei Abschluss des Beschwerdeverfahrens.

Bei einer systematischen Auslegung der Regel 103 EPÜ insgesamt erweist sich, dass der vom Gesetzgeber in der Regel 103 (4) c) EPÜ vorgesehene rechtliche Sachverhalt für eine Rückzahlungsmöglichkeit der Beschwerdegebühr nicht mit den anderen in Regel 103 EPÜ geregelten Rückzahlungsmöglichkeiten vergleichbar ist. Es werden verschiedene Formulierungen verwendet, so dass die systematische Auslegung der Regel 103 EPÜ der oben vorgenommenen wörtlichen Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ nicht entgegensteht.

8.7 Teleologische Auslegung

Nach Artikel 31 (1) des Wiener Übereinkommens kommt es bei der Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ auch auf das Ziel und den Zweck dieser Vorschrift an.

Die Rückzahlungsmöglichkeit nach Regel 103 (4) c) EPÜ soll schon nach ihrer Formulierung und der Abgrenzung gegenüber den anderen in der Regel 103 EPÜ vorgesehenen Fällen der Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Beschwerdefällen, in denen ein Antrag auf mündliche Verhandlung vorliegt, erkennbar einen Anreiz schaffen, dass solche Anträge zurückgenommen werden, damit letztlich eine Entscheidung in der Sache ergeht, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat.

Zum einen führt der Wegfall einer mündlichen Verhandlung zu einer relevanten Arbeitsentlastung der Beschwerdekammer in dem betreffenden Beschwerdefall und in manchen Fällen auch zu einem Wegfall von Dolmetscherkosten. Zum anderen kann diese Beschwerdekammer die frei gewordene Kapazität unter Umständen für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Beschwerdefall nutzen. Außerdem kann ein durch den Wegfall einer mündlichen Verhandlung freigewordener Verhandlungssaal ggf. auch von einer anderen Beschwerdekammer für eine mündliche Verhandlung genutzt werden. Darüber hinaus kann die Entscheidung in der betreffenden Beschwerdesache unter Umständen bereits vor dem für die mündliche Verhandlung anberaumten Termin ergehen, d.h. das Beschwerdeverfahren kann rascher zum Abschluss gebracht werden und es kann somit für die Beteiligten und die Öffentlichkeit zu einem früheren Zeitpunkt Rechtssicherheit geschaffen werden.

Das oben dargelegte offensichtlich vorrangige Ziel der Regel 103 (4) c) EPÜ, d.h. der Wegfall einer mündlichen Verhandlung, wird im einseitigen Verfahren immer dann erreicht, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht aufrechterhält, es sei denn, die Beschwerdekammer erachtet die Durchführung der mündlichen Verhandlung dennoch nach Artikel 116 (1) Satz 1 EPÜ für sachdienlich.

Im mehrseitigen Verfahren ist zu bedenken, dass dieses Ziel nicht immer dann erreicht wird, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt. Abgesehen von der Frage der Sachdienlichkeit der mündlichen Verhandlung aus der Sicht der Kammer, hängt der Wegfall der mündlichen Verhandlung dann davon ab, ob die anderen Verfahrensbeteiligten auch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben und wenn ja, ob sie ihren Antrag ebenfalls zurücknehmen oder ob ihr Antrag als Hilfsantrag gestellt wurde und im Lichte der zu treffenden Endentscheidung der Kammer nicht mehr berücksichtigt werden muss.

Andererseits kann die mündliche Verhandlung im mehrseitigen Verfahren auch dann wegfallen, wenn nur ein Verfahrensbeteiligter, der nicht Beschwerde eingereicht hat, seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt. In diesem Fall hängt es jedoch auch davon ab, ob die anderen Verfahrensbeteiligten einschließlich des Beschwerdeführers ebenfalls einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben und wenn ja, ob sie ihren Antrag ebenfalls zurücknehmen oder ob ihr Antrag als Hilfsantrag gestellt wurde und im Lichte der zu treffenden Endentscheidung der Kammer nicht mehr berücksichtigt werden muss.

Im mehrseitigen Verfahren kann also die Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung, gleichgültig von welchem Verfahrensbeteiligten, dazu führen, dass keine mündliche Verhandlung stattfindet. Ob die mündliche Verhandlung bei einer solchen Rücknahme dann stattfindet oder nicht, hängt allerdings auch von dem bisherigen bzw. weiteren Verhalten der anderen Verfahrensbeteiligten ab. Wenn z.B. ein Beschwerdeführer im gesamten Beschwerdeverfahren keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, dann führt dieses Verhalten dazu, dass eine mündliche Verhandlung nicht mehr erforderlich ist, wenn der Beschwerdegegner seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt, es sei denn, der Beschwerdeführer stellt dann selbst einen Antrag auf mündliche Verhandlung oder die Beschwerdekammer erachtet die Durchführung der mündlichen Verhandlung dennoch nach Artikel 116 (1) Satz 1 EPÜ für sachdienlich. Die Rückzahlungsmöglichkeit von 25 % der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ dürfte daher für die Beschwerdeführer ein Anreiz sein, entweder ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückzunehmen oder durch ihr Verhalten dazu beizutragen, dass keine mündliche Verhandlung stattfindet, wenn ein anderer Verfahrensbeteiligter seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt. Daher sollte, wenn eine mündliche Verhandlung nach der rechtzeitigen Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung nicht stattfindet und damit das Ziel und der Zweck der Regel 103 (4) c) EPÜ erreicht werden, die anteilige Beschwerdegebühr an den Beschwerdeführer auch dann zurückgezahlt werden, wenn nicht er, sondern ein anderer Verfahrensbeteiligter die Rücknahme erklärt hat.

8.8 Travaux préparatoires

Dieses Ergebnis der Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ gemäß den in Artikel 31 (1) des Wiener Übereinkommens aufgestellten Grundsätzen wird weiter gestützt durch die Materialien, die gemäß Artikel 32 des Wiener Übereinkommens zur Stützung einer gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens sich ergebenden Bedeutung als ergänzende Auslegungsmittel herangezogen werden dürfen.

Die Gründe für den Änderungsvorschlag betreffend Regel 103 EPÜ, die anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr auch bei einer Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung vorzusehen, finden sich in den Erläuterungen zu diesem Änderungsvorschlag (siehe Dokument CA/80/19 vom 4. Oktober 2019).

Nr. 52 dieses CA-Dokuments lautet: "Insbesondere wird vorgeschlagen, einige zusätzliche Möglichkeiten der teilweisen Rückzahlung bei Rücknahme der Beschwerde einzuführen und die Rückzahlung auch auf die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung auszudehnen. Dies dürfte sich positiv auf die Verfahrenseffizienz und die Arbeitslast der Beschwerdekammern und somit auf ihre Kostendeckung auswirken. [...] "

Die Begründung für diese neue Möglichkeit einer teilweisen Rückzahlung der Beschwerdegebühr im Falle einer Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung findet sich im Abschnitt VII.B a) (iv) des Dokuments CA/80/19 mit der Überschrift "Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung (Rückzahlung: 25%)".

Nr. 82 lautet: "Wird ein Antrag auf mündliche Verhandlung rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, kann die betreffende Beschwerdekammer die frei gewordene Kapazität unter Umständen für die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Beschwerdefall nutzen. Außerdem könnten dann die Dolmetscher so rechtzeitig abbestellt werden, dass sich die Dolmetschkosten [sic] verringern oder gänzlich vermeiden lassen."

Daraus ist zu entnehmen, dass sich die rechtzeitige Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung positiv auf die Verfahrenseffizienz, die Arbeitslast der Beschwerdekammern und die finanziellen Belastungen für das Europäische Patentamt auswirken kann.

Es heißt dann weiter:

"Der geeignetste Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer - ebenso wie die übrigen Beteiligten am Beschwerdeverfahren - durch einen entsprechenden Anreiz dazu veranlasst werden sollten, ihre Absicht zur Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung mitzuteilen, wäre bei Zustellung der Mitteilung nach dem geänderten Artikel 15 (1) VOBK. Eine Frist von einem Monat sollte einem Verfahrensbeteiligten ausreichen, um zu entscheiden, ob er seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknehmen will oder nicht." (Nr. 84; Hervorhebung durch die Kammer)

und

"Daher wird vorgeschlagen, die Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % zurückzuzahlen, wenn trotz eines vorangegangenen Antrags auf mündliche Verhandlung die Entscheidung letzten Endes ergeht, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Dies wird der Fall sein, wenn die Kammer eine mündliche Verhandlung nicht für sachdienlich hält und im einseitigen Verfahren der Anmelder/Beschwerdeführer seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt bzw. im mehrseitigen Verfahren alle Beteiligten ihre Anträge auf mündliche Verhandlung zurücknehmen." (Nr. 85; Hervorhebung durch die Kammer)

In diesen beiden Absätzen wird, neben der Frage des bestmöglichen Zeitpunkts im Beschwerdeverfahren für eine Rücknahme eines Antrags auf mündliche Verhandlung, auch der Anreiz angesprochen, durch den der Beschwerdeführer, aber auch die übrigen Verfahrensbeteiligten veranlasst werden sollen, dies zu tun. Und dieser Anreiz wird in der Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % gesehen. Allerdings soll diese Rückzahlung nur dann erfolgen, wenn die Entscheidung letztlich ohne mündliche Verhandlung ergeht. Die Kammer schließt aus dieser Begründung, dass der Anreiz, den vorangegangenen Antrag auf mündliche Verhandlung zurückzunehmen, auch für den Beschwerdegegner gelten soll, selbst wenn dieser Anreiz in einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25 % an den Beschwerdeführer besteht.

In Nr. 85 wird der Fall angesprochen, wenn im mehrseitigen Verfahren alle Beteiligten ihre Anträge auf mündliche Verhandlung zurücknehmen. Nr. 86 befasst sich mit weiteren Szenarien im mehrseitigen Verfahren und lautet: "Wenn im mehrseitigen Verfahren nur ein Beteiligter seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt und die mündliche Verhandlung trotzdem stattfindet, sollte keine Rückzahlung erfolgen. Zwar muss die Kammer in einem solchen Fall möglicherweise weniger Zeit und Arbeit aufwenden, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Beteiligte, der seinen Antrag zurückgenommen hat, sich allein auf sein schriftliches Vorbringen stützt, doch scheint diese geringere Arbeitslast nicht ausreichend, um eine teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu rechtfertigen." (Hervorhebung durch die Kammer)

Diese Erläuterungen bestätigen die oben dargelegte Auslegung durch die Kammer, dass es im mehrseitigen Verfahren die Rückzahlungsmöglichkeit nach Regel 103 (4) c) EPÜ geben kann, wenn ein Verfahrensbeteiligter - und nicht zwingend der Beschwerdeführer - seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt, sofern es zu einem Wegfall der mündlichen Verhandlung kommt, was offensichtlich auch in diesen Erläuterungen als das vorrangige Ziel der Regel 103 (4) c) EPÜ angesehen wird.

8.9 Angesichts der oben dargelegten Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ durch die Kammer kann es eine Rückzahlungsmöglichkeit der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ auch dann geben, wenn ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht vom Beschwerdeführer zurückgenommen wurde, sondern von einem anderen Verfahrensbeteiligten, der keine Beschwerde eingelegt hat. Daher erfüllt die vom Beschwerdegegner erklärte Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung im vorliegenden Fall das Erfordernis der Rücknahme "eines etwaigen Antrags auf mündliche Verhandlung" nach Regel 103 (4) c) EPÜ.

8.10 In der Entscheidung T 777/15 mit einem vergleichbaren Sachverhalt wurde die Rückzahlungsmöglichkeit der Beschwerdegebühr an eine der Beschwerdeführerinnen gemäß Regel 103 (4) c) EPÜ mit folgender Begründung verneint: Die Kammer legt die Regel 103 (4) c) EPÜ so aus, dass sie einem Beteiligten, der zunächst eine mündliche Verhandlung vor der Kammer beantragt hatte, einen Anreiz bietet, einen solchen Antrag in einem späteren Stadium des Beschwerdeverfahrens zu überdenken, und für den Fall, dass der Beteiligte diesen Antrag aufgibt, eine Belohnung in Form einer teilweisen Rückerstattung der Beschwerdegebühr dieses Beteiligten vorsieht. Dementsprechend kommt der beschwerdeführenden Einsprechenden 5, eine beschwerdeführende Beteiligte, die im Verfahren vor der Kammer keine mündliche Verhandlung beantragt hat, die Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch einen anderen Beteiligten nicht zugute. (Siehe T 777/15, Nr. 4.1 der Entscheidungsgründe; Übersetzung von dieser Kammer).

Dieser engen Auslegung der Regel 103 (4) c) EPÜ kann sich die Kammer jedoch aus den oben dargelegten Gründen (Nrn. 8.4 - 8.8 oben) nicht anschließen.

8.11 Es wurde vorliegend auch die Einmonatsfrist nach Regel 103 (4) c) EPÜ eingehalten. Die von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassene Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 16. Juni 2020 gilt nach Regel 126 (2) EPÜ mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als zugestellt, d.h. am 26. Juni 2020. Damit endete die in Regel 103 (4) c) EPÜ genannte einmonatige Frist am Montag, den 27. Juli 2020 (Regel 131 (2), (4) und Regel 134 (1) EPÜ). Der in der Beschwerdeerwiderung hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung wurde am 10. Juli 2020 zurückgenommen und damit innerhalb eines Monats ab Zustellung der von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung.

8.12 Da im vorliegenden Fall auch keine mündliche Verhandlung stattfand, sind sämtliche Voraussetzungen der Regel 103 (4) c) EPÜ für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25% erfüllt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

3. Die Beschwerdegebühr ist in Höhe von 25% zurückzuzahlen.

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