17 February 2016

T 1126/11 - Unity of invention

Key points:
  • In this case, claim 1 was amended by adding a feature that was originally presented in a dependent claim that had not been searched. In the search report, the claims were considered to lack unity of invention and to define four inventions. The amended claim was not admitted (Rule 137(5) EPC) and the application was refused as lacking claims (Article 78(1)(c) EPC).
  • However, Rule 137(5) EPC requires not only that the amendment relates to non-searched subject matter, it also requires that the amended claim lacks unity of invention with the claims pending at the time of the EPO search [note 08.10.2017: see T0386/12] as filed as searched. The Board finds that the application, in view of the description, concerns only one invention, therefore the claim should have been admitted.
  • "Es mag sein, dass im Einzelfall auch abhängige Ansprü­che Erfindungen oder Gruppen von Erfindungen bilden. Hier ist dies jedoch nicht der Fall. Beansprucht wird ein Gegenstand, der mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung durch eine einzige erfinderische Idee verbun­den ist. Letztere wird am einzigen Ausführungsb­eispiel deutlich, das eine Chipkarte in Kommunikation mit einem Endgerät zeigt. Die über­mit­telten Kommandos betref­fen hierbei eine Geldkar­ten­zahlung []. Die technische Aufgabe ist die Erhöhung der Ausführungs­geschwindigkeit des tragbaren Datenträgers, d.h. der Chipkarte []. Folglich be­inhaltet der Gegenstand der Erfindung, der als Lösung dieser Aufgabe beansprucht wird, eine einzige erfin­derische Idee."
  • The applicant had paid additional search fees for the claims relating to the deemed second and third invention. These fees are refunded.
  • The appeal fee was not refunded, as an incorrect finding of lack of unity of invention is not a procedural violation.
EPO T 1126/11 - link
Entscheidungsgründe

[...]
3. Nichtzulassung und fehlende Einheitlichkeit
3.1 Die Prüfungsabteilung hat von der Recherche an bis einschließlich zur Zurückweisungsentscheidung den Einwand erhoben, dass der ursprüngliche Anspruchssatz nicht einheitlich sei. Er enthalte vier Erfindungen.
3.2 Der Anmelder hat zusätzliche Recherchegebühren für die Erfindungen 2-3 bezahlt, jedoch nicht für die 4. Erfin­dung (siehe Schreiben vom 17. Januar 2008).
3.3 Der Anmelder hat während der Prüfungsphase zwei geän­derte Ansprüche 1 eingereicht, die Anspruch 1 des zur Entscheidung stehenden Haupt- und Hilfsantrags bilde­ten. Sie enthalten beide das Merkmal einer Kommu­nika­tion mit einem Endgerät, das schon im ursprünglichen Anspruch 12 vorhanden war.
3.4 Da dieser zur nicht recherchierten 4. Erfindung gehört, hat die Prüfungsabteilung beide geänderte Anspruchs­sätze nach Regel 137(5) und (3) EPÜ nicht zugelassen und die Anmeldung wegen fehlender Ansprüche nach Artikel 78(1)c) und 113(2) EPÜ zurückgewiesen.


3.5 Regel 137(5) EPÜ ist die Entscheidungsgrundlage für die­jenigen Fälle, in denen die Prüfungsabteilung prüft, ob nicht recherchierte Gegenstände mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee ver­bunden sind. Wenn dies nicht erfüllt ist, so kann kein Patent erteilt werden. Einen Rückgriff auf Regel 137(3) EPÜ bedarf es hierfür nicht.
3.6 Was die Anwendbarkeit von Regel 137(5) EPÜ im vor­lie­genden Fall betrifft, so beziehen sich die geän­derten Patentansprüche zwar auf nicht recherchierte Gegen­stände, sie sind aber mit der ursprünglich beanspruch­ten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen durch eine einzige erfinderische Idee verbunden.
3.7 Die im Recherchebericht und in der Entscheidung (Ab­schnitt 3) angegebenen vier Erfindungen des ursprüng­lichen Anspruchssatzes lauten:
1. Ursprüngliche Verfahrensansprüche 1-3, 5, 7, 11 und Datenträgeransprüche 14-15 betreffen die vorgezogene Bearbeitung von Operationen durch einen tragbaren Datenträger mit integriertem Schaltkreis.
2. Abhängige Ansprüche 4 und 6 schränken diese vor­gezogene Bearbeitung auf die Leerlaufzeit des Datenträgers ein.
3. Abhängige Ansprüche 8-10 fügen dieser vorgezogenen Bearbeitung eine Ermittlung der wahrscheinlichen Abfolge von Operationen hinzu (z.B. auf Basis von bereits zur Ausführung anstehenden Operationen).
4. Abhängige Verfahrensansprüche 12, 13 und unab­häng­iger Systemanspruch 16 schränken die vorgezogene Bearbeitung auf eine Kommunikation des Daten­trä­gers mit einem Endgerät ein. D.h. der Datenträger bekommt die Opera­tionen ("Kommandos"), die er ausführen soll, von einem Endgerät übermittelt. Die vorgezogene Bearbeitung betrifft eine Operation, die der Datenträger vom Endgerät erwartet.
3.8 Zunächst ist festzustellen, dass die Erfindungen 2 und 3 in Gänze und die Erfindung 4 bis auf den (ein­zigen) System­anspruch 16 aus Ansprüchen bestehen, die vom Verfah­rens­anspruch 1 (d.h. Erfindung 1) abhängig sind.
3.9 Es mag sein, dass im Einzelfall auch abhängige Ansprü­che Erfindungen oder Gruppen von Erfindungen bilden. Hier ist dies jedoch nicht der Fall. Beansprucht wird ein Gegenstand, der mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung durch eine einzige erfinderische Idee verbun­den ist. Letztere wird am einzigen Ausführungsb­eispiel deutlich, das eine Chipkarte in Kommunikation mit einem Endgerät zeigt (Seite 5, Zeile 16 bis Seite 11, Zeile 21, inklusive aller drei Figuren). Die über­mit­telten Kommandos betref­fen hierbei eine Geldkar­ten­zahlung (Seite 7, Zeile 24 bis Seite 8, Zeile 23). Die technische Aufgabe ist die Erhöhung der Ausführungs­geschwindigkeit des tragbaren Datenträgers, d.h. der Chipkarte (siehe Seite 2, Zeilen 9-11). Folglich be­inhaltet der Gegenstand der Erfindung, der als Lösung dieser Aufgabe beansprucht wird, eine einzige erfin­derische Idee.
3.10 Außer diesem Ausführungsbeispiel gibt es noch eine Verallgemeinerung der Erfindung im letzten Absatz der Beschrei­bung (Seite 11, letzter Absatz). Die Erfindung sei nicht nur anwend­bar bei Wartezeiten auf das jeweils nächste Kommando eines Endgeräts, sondern auch bei sonstigen Wartezeiten, z.B. bei Schreibvorgängen in einen lang­samen Speicher (wie einem EEPROM). Ein EEPROM über­mittelt aber keine Kommandos an den integrierten Schalt­kreis des Datenträgers, damit dieser sie aus­führt, sondern erhält Kommandos von ihm, z.B. zum Be­schrei­ben des Speichers. Außerdem solle die Erfindung nicht auf tragbare Datenträger beschränkt sein, sondern bei beliebigen Betriebssystemen oder sonstiger Software eingesetzt werden.
3.11 Dieser letzte Absatz offenbart aber keine weitere Erfin­dung. Er deutet viel­mehr nur andere Szenarien an, zu denen hin die Erfindung jedoch nur mit erfin­deri­schem Zutun abänderbar wäre. Eine weitere Erfindung, die Anlass zu einer weiteren Recherche gäbe, wird in der Beschreibung nicht offenbart.
3.12 Daher enthält die Anmeldung genau eine Erfindung im Sinne des Artikels 82 EPÜ 1973.
3.13 Für das weitere Verfahren weist die Kammer auf Folgen­des hin: Was den ursprünglichen Anspruch 1 angeht, ist dieser zwar sehr breit formuliert und dadurch angreif­bar mit Dokumenten aus den verschie­densten Teilgebieten der Infor­matik (siehe den Recherchen­bericht). Diese belegen, dass vorgezogene Bearbeitung ein allgemein angewandtes Prinzip in vielen Bereichen der Informatik ist. Allerdings betreffen die Dokumente aus dem Recher­chenbericht nicht die Situation einer Kommuni­kation mit einem Endgerät, das Kommandos an einen tragbaren Daten­träger sendet. Vielmehr wird z.B. in D1 (siehe Abstract auf Seite 117) die Situation eines Server-Prozessors (Itanium) beschrieben, aus dessen ausführbarem Programm ("binary"), das für einfädige Ausführung compiliert ist ("single-threaded"), während einer Post-Pass-Compi­lie­rung ein ausführbares Programm mit mehreren Threads (einschließlich Prefetch-Threads) erzeugt wird. D1 of­fen­bart somit kein Endgerät, keinen tragbaren Daten­träger und kein Ausnutzen der Wartezeit auf das nächste Kommando des Endgeräts, sondern nur eine vorgezogene Bearbei­tung, allerdings durch Änderung der "Kommando­folge" (Post-Pass-Compilierung) und Einführung von hard­ware-seitiger Parallel­verarbeitung (Multi-Threading).
3.14 Die Einheitlichkeit der Erfindung zeigt sich auch an folgender Überlegung: Würde beispielsweise ein Dokument recherchiert, das sich nur auf die angebliche vierte Erfindung bezieht (d.h. auf die vorgezogene Bearbeitung in einem Datenträger, der in Kommunikation mit einem Endgerät steht, welches diesem Kommandos übermittelt), so würde dieses höchst­wahr­scheinlich auch relevant für Anspruch 1 und die anderen angeblichen Erfindungen sein.
4. Gebührenrückerstattungen
4.1 Aus der Einheitlichkeit der ursprünglichen Ansprüche folgt, dass die Recherche den ganzen ursprünglichen Anspruchssatz hätte abdecken müssen, und zwar ohne Zahlung von zusätzlichen Recherchegebühren.
4.2 Daher sind die zusätzlichen Recherchegebühren zurückzu­erstatten.

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