10 September 2019

T 1731/12 - Product resulting from medical or surgical method

Key points

  • The Board finds, based on a detailed analysis, that a claim for a product only obtainable by a medical or surgical method is excluded from patentability under Article 53(c) EPC thereby following T775/97.
  • A question for the interested reader is how to relate this conclusion to the holding of G 2/13 ( Broccoli II) and G2/12 (Tomatoes II) that "[t]he fact that the only method available at the filing date for generating the claimed subject-matter is an essentially biological process for the production of plants disclosed in the patent application does not render a claim directed to plants or plant material other than a plant variety unallowable" (under Article 53(b) EPC) (G2/13 does not cite T775/97)
  • The present Board itself notes in r.35 that the case at issue can be distinguished from G 2/13 in that it was argued in G2.13 that it is factually difficult to determine, in case of a plant, whether it is obtained with an essentially biological method or possibly by a (according to Article 53(b) second sentence patentable) microbiological method (referring to G 2/13, VIII.2.(6)(a)). (Note, the reference to VII.2.6.(a) appears to be a mistake). 
  • The present Board agrees with T 775/97 that " ein durch einen chirurgischen Schritt definiertes Erzeugnis ohne diesen gar nicht existieren kann, so dass der chirurgische Schritt zum beanspruchten Erzeugnis dazugehört.". 
  • The difference with medical products for use in a medical method lays in the principle of exhaustion. The provision of Article 53(c) second sentence that such products are patentable, does not limit the medical freedom of medical practitioners because once they have lawfully procured the patented product, they can use it in any way they like due to the exhaustion of the patent rights. This is different for a product claim for a product formed by a surgical method because for such a claim the manufacture is an infringing act. Hence, a medical practitioner would need a license of the patentee for making the product, if the resulting patent was patented, " was - im Falle eines chirurgischen oder therapeutischen Verfahrensschritts im Herstellungsverfahren - genau in die Freiheit des medizinischen Personals eingreifen würde, die durch die Patentierungsausschlüsse nach Artikel 53(c) EPÜ geschützt sein sollte." 
  • As a comment, the Board's remarks on the (apparent) focus in G2/13 on practical difficulties in case of product-by-process claims for plants do not really engage with the reasoning about the freedom to carry out the non-patentable method. 

EPO T 1731/12 -  link

EPO Headnote
Eine Vorrichtung, die durch ein Merkmal definiert ist, das nur durch einen chirurgischen oder therapeutischen Schritt erzeugt werden kann, ist nach Artikel 53(c) EPÜ von der Patentierung ausgenommen (in Fortführung von T775/97).


Entscheidungsgründe

Ausschluss von der Patentierbarkeit (Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 53(c) EPÜ): Anwendung von Artikel 53(c) EPÜ auf Erzeugnisse

11. Nach Artikel 53(c) EPÜ werden europäische Patente unter anderem nicht erteilt für Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers. Satz 2 des Artikels 53(c) EPÜ sagt darüber hinaus explizit: "Dies gilt nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische, zur Anwendung in einem dieser Verfahren."

12. Es ist allgemein akzeptiert, und wird beispielsweise auch in den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer, die sich mit medizinischen Verfahren auseinandersetzen (zuletzt in G 1/07) erläutert, dass das Patentierungsverbot für diese Verfahren gewährleisten soll, "dass die Freiheit von Human- und Veterinärmedizinern, ihren Patienten die beste verfügbare Behandlung angedeihen zu lassen, ohne Einschränkungen durch etwaige Patentrechte befürchten zu müssen, geschützt wird, und zwar dadurch, dass solche Aktivitäten von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind" (G 1/07, Entscheidungsgründe, Abschnitt 3.2.3.2). Dabei reicht ein einzelner chirurgischer Verfahrensschritt aus, um ein mehrschrittiges Verfahren als nicht patentfähig anzusehen. Auf die Frage, ob ein Mediziner das beanspruchte Verfahren dann verletzen würde, kommt es nicht an (G 1/07, Entscheidungsgründe, Abschnitt 3.2.3.2).


13. In der Entscheidung T 775/97 ist dieser Ansatz auch auf bestimmte Erzeugnisse übertragen worden. Dort wurde ein Patentanspruch behandelt, der ein neues Erzeugnis beanspruchte, welches aus zwei an sich bekannten Teilen durch einen chirurgischen Schritt im menschlichen Körper hergestellt wurde. Es wurde entschieden, dass kein europäisches Patent auf Erzeugnisse erteilt werden kann, welche durch eine Konstruktion definiert werden, die nur durch einen chirurgischen Verfahrensschritt in einem tierischen oder menschlichen Körper hergestellt werden können (Reasons, 2.8).

14. Die Entscheidung T 775/97 erging im Zusammenhang mit dem damals gültigen Artikel 52(4) EPÜ 1973. Nach der Revision des EPÜ in die jetzt gültige Fassung wurde das entsprechende Patentierungsverbot in Artikel 53(c) EPÜ aufgenommen, wobei die Praxis des EPA hinsichtlich Artikel 52(4) EPÜ 1973 nicht berührt werden sollte (Amtsblatt EPA, 2007, Sonderausgabe Nr. 4, Seite 58), die Rechtsprechung aus T 775/97 also weiterhin gilt.

15. Die hier entscheidende Kammer sieht keinen Grund von der Entscheidung T 775/97 abzuweichen. Sie stimmt der Überlegung zu, dass ein durch einen chirurgischen Schritt definiertes Erzeugnis ohne diesen gar nicht existieren kann, so dass der chirurgische Schritt zum beanspruchten Erzeugnis dazugehört.

16. Der Ausschluss von Erzeugnissen widerspricht auch nicht Artikel 53(c) Satz 2 EPÜ. Danach ist die Patentierung von Erzeugnissen erlaubt, wenn diese für die Nutzung in therapeutischen oder chirurgischen Verfahren vorgesehen sind. Auch dadurch ist die Freiheit von Human- und Veterinärmedizinern eingeschränkt, wie beispielsweise auch in G 1/07 diskutiert wird (Entscheidungsgründe, Abschnitt 3.2.3.2).

17. Hinsichtlich der Nutzung ist dabei Überlegungen zuzustimmen, die beispielsweise im Benkard zu finden sind:

"Zur Therapie oder Diagnostik verwendete Geräte sind grundsätzlich patentfähig. Die Gründe, die bei Therapie und Diagnostik zur Verneinung der Schutzfähigkeit geführt haben, greifen hier nicht ein. Anders als bei Behandlungs- und Diagnostizierverfahren schafft der Einsatz von Stoffen und Geräten idR für den Anwender kein unübersehbares Risiko einer Patentverletzung. Medikamente, Instrumente oder sonstige Geräte werden im Allgemeinen nicht erst im Augenblick der Behandlung entworfen und gebaut, sondern liegen fertig vor. Die Entscheidung über ihren Erwerb und Einsatz ist lange vor der tatsächlichen Verwendung gefallen. Bei dieser Entscheidung hat auch die Patentrechtslage geklärt werden können." (Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, 3. Auflage, 2019, Artikel 53, Randziffer 181).

Auch im Visser wird auf diese Überlegungen Bezug genommen ('Art. 53: Exceptions to patentability' in Derk Visser, Laurence Lai, et al, Visser's Annotated European Patent Convention 2018 Edition, 2018, section 3.5).

18. Bei dieser Betrachtungsweise liegt allerdings ein wesentlicher Unterschied zwischen den Handlungen benutzen (bzw. gebrauchen, einsetzen) und herstellen von Erzeugnissen vor. Beide Handlungen sind bei einem patentgeschützten Erzeugnis dem Patentinhaber vorbehalten (siehe beispielsweise die nationalen Rechtsordnungen in Deutschland (Patentgesetz 1936 (2018), §9), im Vereinigten Königreich (UK Patents Act 1977 (2018), Section 60(1)(a)), oder in Frankreich (Code de la propriété intellectuelle (CPI), Article L613-3, (Modifié par la loi 2014-315 du 11 mars 2014)) oder auch Artikel 28(1)(a) des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights = TRIPS) der Welthandelsorganisation (WTO), der für alle Mitgliedsstaaten der WTO gilt und damit für fast alle Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens).

19. Dieser wesentliche Unterschied liegt darin, dass die Benutzung eines patentgeschützten Gegenstandes in der Regel erlaubt ist, nachdem der Gegenstand ordnungsgemäß erworben wurde. Denn dann hat der Patentinhaber seinen ihm für die Erfindung zustehenden Lohn erhalten und der Erwerber kann in der Regel zumindest insoweit über den Gegenstand verfügen, dass er diesen benutzen, bzw. einsetzen kann. Die Kammer interpretiert Satz 2 von Artikel 53(c) EPÜ so, dass Erzeugnisse, die nach ordnungsgemäßem Erwerb bei einem chirurgischen oder therapeutischen Verfahren benutzt (angewendet bzw. eingesetzt) werden, durchaus patentiert werden dürfen. Das medizinische Personal ist dann in seinen Handlungen nur insoweit eingeschränkt, dass es den patentgeschützten Gegenstand rechtskonform erwerben muss.

20. Um ein patentgeschütztes Erzeugnis herstellen zu dürfen, müsste das medizinische Personal aber eine Lizenz für das Herstellungsverfahren erwerben, was - im Falle eines chirurgischen oder therapeutischen Verfahrensschritts im Herstellungsverfahren - genau in die Freiheit des medizinischen Personals eingreifen würde, die durch die Patentierungsausschlüsse nach Artikel 53(c) EPÜ geschützt sein sollte.

21. So sieht es beispielsweise auch das britische Patentamt, welches in seinen Prüfungsrichtlinien für medizinische Erfindungen ("Examination Guidelines for Patent Applications relating to Medical Inventions in the Intellectual Property Office", April 2016) im Abschnitt "Apparatus for Surgery, Therapy or Diagnosis" unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Schluss kommt "Pending clarification from the courts, it remains our practice that if a claimed product can only be manufactured by performing a method of surgery then it is objectionable under s.4A(1); in such a case it would not be possible to work the invention without performing an excluded method." (page 25, point 77.).

Entsprechende Klarstellungen aus anderen EPÜ-Mitgliedsstaaten sind der Kammer allerdings nicht bekannt.

22. Von der mit der Entscheidung T 775/97 begründeten Rechtsprechung ist nie abgewichen worden. Entscheidungen, die die Entscheidung T 775/97 im Hinblick auf diese Frage zitieren (T 1695/07, Reasons, Abschnitt 17.3; T 1798/08, Reasons, Abschnitt 3.2) kommen zum Ergebnis, dass die dort jeweils beanspruchten Vorrichtungen eben gerade nicht durch chirurgische Schritte hergestellt werden und somit nicht nach Artikel 53(c) EPÜ von der Patentierung ausgenommen sind.

23. Die Kammer hat auch weitere Entscheidungen berücksichtigt, die sich mit der Thematik von Implantaten in der Abgrenzung von Artikel 53(c) Satz 1 und 2 EPÜ beschäftigt haben. In den unabhängigen Ansprüchen dieser Entscheidungen war der fragliche zu implantierende Gegenstand jeweils so beansprucht, dass die einzelnen Merkmale bereits vor der Ausführung des chirurgischen Schritts eindeutig definiert waren.

24. In der Entscheidung T 1407/08 kam die Kammer zwar zum Schluss:

In the present case this means that even if the final aortic graft is normally obtained after assembly in the body of the patient during surgery, the surgical steps of introducing the different parts or portions of the graft into the body and assembling them while in the body do not fall under the scope of the claim and therefore cannot lead to an objection under Article 53(c) EPC. (Reasons, 4.),

doch die dort beanspruchte Vorrichtung war eben auch über funktionale Bezüge zwischen Einzelteilen definiert, die bereits vor dem chirurgischen Schritt vorlagen. Somit war eine Überprüfung, ob ein patentgeschützter Gegenstand vorliegt, auch ohne chirurgischen Schritt am menschlichen oder tierischen Körper möglich:

For the sake of completeness the Board notes that it may also be possible to assemble the different parts of the claimed graft in an artificial aorta, should it become necessary to test whether a product falls under the scope of the claim or not. (Reasons, 4.)

25. Die Entscheidung T 712/93 befasste sich mit einer Gelenkprothese, deren einzelnen Elemente im Anspruch funktional zueinander und zum Körper eines Patienten definiert wurden. Dort wurde seitens der Kammer die Frage der Herstellung der Gelenkprothese nicht diskutiert, sondern nur festgestellt, dass die Verwendung funktionaler Merkmale in einem Erzeugnisanspruch diesen nicht zu einem Verfahrensanspruch machen würden, so dass der Erzeugnisanspruch die Anforderungen des Artikels 52(4) EPÜ 1973 erfüllen würde (Reasons, 3.).

Nach Ansicht der hier entscheidenden Kammer war im dortigen Fall die anspruchsgemäße Gelenkprothese durch Merkmale in Bezug auf den Körper des Patienten definiert, aber doch auch so, dass die Gelenkprothese diese Merkmale bereits vor dem Ausführen eines chirurgischen oder therapeutischen Schritts aufwies, und diese nicht erst durch den chirurgischen bzw. therapeutischen Schritt hergestellt wurden.

26. In der Entscheidung T 426/89, Herzschrittmacher / SIEMENS, OJ 1992, 172 kam die Kammer zum Schluss, dass die Programmierung eines rechtmäßig erworbenen frei programmierbaren Herzschrittmachers "zwar von einem Arzt im Rahmen der Ausübung der Heilkunde ausgeführt werden kann, an sich jedoch keine unmittelbare therapeutische Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstellt" (T 426/89, Entscheidungsgründe, Abschnitt 3.2). Diese Entscheidung befasste sich somit zwar auch mit der Herstellung eines für die Nutzung in einem therapeutischen Verfahrens vorgesehenen Erzeugnisses, kam aber zum Ergebnis, dass dort eben gerade keine therapeutische Behandlung zum Herstellen (Programmieren) des Herzschrittmachers notwendig war.

27. Die Kammern in diesen Entscheidungen kamen dann auch jeweils zum Ergebnis, dass die beanspruchten Implantate nicht von der Patentierung ausgenommen waren.

28. Diese Entscheidungen sind somit ebenfalls hinsichtlich der Herstellung von Erzeugnissen zu keinen gegenteiligen Ergebnissen gekommen. Die Kammer hält daher fest, dass eine Vorrichtung, die durch ein Merkmal definiert ist, das nur durch einen chirurgischen oder therapeutischen Schritt erzeugt werden kann, nach Artikel 53(c) EPÜ von der Patentierung ausgenommen ist (in Fortführung von T 775/97).

Hauptantrag: Herstellung der beanspruchten Vorrichtung

29. Es ist daher zu untersuchen, wie die im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Vorrichtung hergestellt wird.

30. Die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin argumentierte, dass das beanspruchte Erzeugnis bereits vor der Implantierung, also vor einem chirurgischen Schritt vorliegen würde. Sie führte dazu aus, dass die Vorrichtung einen Rechner mit einem Datenträger aufweist, in dem Daten des Krankheitsbildes abgespeichert sind (B1-Patentschrift, [0018]). Die Daten können dabei auch Anfangswerte für Frequenz und Intensität umfassen, so dass diese nicht im Rahmen einer Kalibrierung bestimmt werden müssen (B1-Patentschrift, [0049] - [0051]). Dem Fachmann seien auch die Parameter zur Erzeugung von Phasenrücksetzungspulsen bekannt. Damit müsste die Vorrichtung nicht erst nach dem chirurgischen Schritt hergestellt werden, sondern läge bereits vorher vollständig vor.

31. Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen.

32. Zum einen ist in der Beschreibung an vielen Stellen ausgeführt, dass die Steuerungsmittel an die Gegebenheiten nach der Implantation angepasst werden, damit das beabsichtigte Verfahren der Phasenrücksetzung von Subpopulationen durchgeführt werden kann. So wird beispielsweise geschildert, dass die Stimulationsperiode T in Abhängigkeit der Aktivität nachgeschalteter Areale angepasst wird (B1: [0052]) und auch das Timing bedarfsgesteuert erfolgt (B1: [0053]). Ein wesentlicher Grund für diese Anpassung der Steuerungsmittel, damit diese nach der Implantation tatsächlich wie gewünscht funktionieren, ist ausweislich der Beschreibung darin zu sehen, dass die Stimulationsparameter entscheidend von der Positionierung der Elektroden abhängig sind. Es wird strikt unterschieden zwischen Fällen, in denen die Elektroden direkt im zu stimulierenden Nervengewebe liegen oder nicht (B1: Seite 12, Abschnitt 5.1: "Alle Elektroden 2 liegen in der zu desynchronisierenden Neuronenpopulation" und Seite 15, Abschnitt 5.2: "Mindestens eine Elektrode 2 liegt nicht in der zu desynchronisierenden Neuronenpopulation", oder auch Abschnitt 3: "Anzahl und räumliche Anordnung der Elektroden"). Im letzteren Fall muss die Leitungszeit der Reize von den Elektroden zu den zu stimulierenden Neuronenpopulationen berücksichtig werden und dazu gemessen werden (B1: [0058]). Es ist nicht ersichtlich, wie eine solche Messung der Leitungszeit vor der Implantation der Elektroden erfolgen kann. Ohne die Kenntnis der Leitungszeit ist dann aber nicht vor der Implantation anspruchsgemäß sicherzustellen, dass "die mindestens zwei Subpopulationen nach der durch die Reize bewirkten Phasenrücksetzungen unterschiedliche Phasen ihrer neuronalen Aktivität aufweisen".

32.1.1 Außerdem ist in der Beschreibung als Vorteil herausgestellt, dass mittels der Vorrichtung intraoperativ durch Stimulation während der Implantierung die optimale Position der Elektroden bestimmt werden kann (B1: Seite 3, Zeilen 34-39). Dabei wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Laufzeit der Reize für die Steuerung berücksichtigt werden muss (B1: Seite 6, Zeilen 36-51). Aus diesen Angaben folgt, dass die Steuerungsmittel für die Realisierung des Merkmals "die mindestens zwei Subpopulationen nach der durch die Reize bewirkten Phasenrücksetzungen unterschiedliche Phasen ihrer neuronalen Aktivität aufweisen" die Position der implantierten Elektroden berücksichtigen müssen. Diese Position kann aber auch erst nach der Implantierung festgestellt werden, so dass die Steuerungsmittel vor der Implantierung noch nicht so ausgebildet sein können, dass das Merkmal erfüllt ist.

33. Die beanspruchte Vorrichtung wird daher durch zumindest ein Merkmal definiert, welches nur durch die Implantierung, also einen chirurgischen Schritt hergestellt werden kann.

34. Außerdem ist die Regelung, die die Steuerungsmittel mit den beanspruchten Merkmalen erzeugt, in der Patenschrift auch so beschrieben, dass dafür elektrische Reize an die Nervenzellpopulationen angelegt werden und danach mittels eines Feedback-Signals ermittelt wird, wie die Nervenzellpopulationen darauf reagieren. Dabei ist konkret ausgeführt "Wird kein gewünschter Effekt erzielt, das heißt, wird die Zielpopulation nicht in ausreichendem Maße desynchronisiert und somit das Feedback-Signal nicht unter den Schwellenwert verschoben, wird die Stärke des Stimulus bis zu einem aus Sicherheitsgründen starr vorgegebenen Maximalwert, zum Beispiel 5V, langsam erhöht ..." (B1: Seite 13, Zeilen 47-50). Die Herstellung der anspruchsgemäßen Steuerungsmittel enthält in diesem Fall nicht nur den chirurgischen Schritt der Implantation, sondern auch einen therapeutischen Schritt, da bereits während der Herstellung der Steuerungsmittel die Nervenzellpopulation desynchronisiert wird.

35. Der vorliegende Sachverhalt ist auch zu unterscheiden von den Überlegungen in der Entscheidung G 2/13, OJ EPO 2016, 28, die die Patentierung von durch im wesentlichen biologische Verfahren gezüchteten Pflanzen und Pflanzenteilen erlaubt, obwohl in Artikel 53(b) EPÜ die Patentfähigkeit von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen ausgenommen ist. Dort wird argumentiert, dass es faktisch schwierig sei, bei einer Pflanze zu entscheiden, ob diese durch ein im Wesentlichen biologisches Züchtungsverfahren oder möglicherweise durch ein - nach Artikel 53(b) Satz 2 EPÜ patentfähiges - mikrobiologisches Verfahren entstanden sei (G 2/13, Entscheidungsgründe, VII.2.(6)(a)) [read: VIII.2.(6)(a))].

36. Im vorliegenden Fall ist die beanspruchte Vorrichtung aber zwangsläufig durch einen - nicht patentfähigen - chirurgischen Schritt implantiert worden, sonst würde insbesondere das Unterscheidungsmerkmal gar nicht realisiert sein können, wie oben ausgeführt.

37. Damit ist die in Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung nach Artikel 53(c) EPÜ von der Patentierung ausgenommen.

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