30 August 2017

T 0393/15 - New objections in appeal

Key points

  • In this appeal case, the patent proprietor had requested transfer of the patent during the appeal. [For some reason,] the Board examines the submitted evidence. The Board finds the assignment to be insufficient, because it was signed by the professional representative, who had not a clear authorization for assignments and transfers of of the patent. [edit: The Board assumes competence in addition to the legal division, see the "or" in paragraph 1.3. ].
  • In this case, insufficient disclosure was allowable as new objection against the claims as held allowable by the OD, because in these claims a feature taken from the description had been added. 
  • The patent proprietor had filed a letter withdrawing the "patent application". The Board finds that this is not unambiguously a request for revocation of the patent.
  • The Board then finds that the claims are sufficiently disclosed and inventive, and reject the appeal. 



EPO T 0393/15 -  link



Entscheidungsgründe
1. Antrag der Beschwerdegegnerin auf Umschreibung
1.1 Die vorliegende Entscheidung betrifft die Li-Tec Battery GmbH als Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdegegnerin beantragt, das Streitpatent auf die Daimler AG umzuschreiben.
1.2 Artikel 72 EPÜ bestimmt, dass die rechtsgeschäftliche Übertragung einer europäischen Patentanmeldung schriftlich erfolgen muss und der Unterschrift der Vertragsparteien bedarf. Nach Regel 22(1) EPÜ wird ein Rechtsübergang der europäischen Patentanmeldung auf Antrag eines Beteiligten in das europäische Patentregister eingetragen, wenn er dem EPA durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen wird. Nach Regel 22(2) EPÜ gilt der Antrag erst als gestellt, wenn eine Verwaltungsgebühr entrichtet worden ist. Diese wurde im vorliegenden Fall auch entrichtet. Regel 22 EPÜ ist gemäß Regel 85 EPÜ auch auf einen Rechtsübergang des europäischen Patents während der Dauer des Einspruchsverfahrens anzuwenden (T 1855/06, Punkt 2 der Entscheidungsgründe).


1.3 Gemäß der Rechtsprechung (J 26/95, Punkt 2 der Entscheidungsgründe) sind die Feststellung, ob dem EPA durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen wurde, dass ein Rechtsübergang nach Regel 22 EPÜ stattgefunden hat, und dessen Eintragung in das Register Sache des zuständigen Organs der ersten Instanz. Somit kann im Beschwerdeverfahren erst dann ein anderer Beteiligter an die Stelle der ursprünglichen Anmelderin oder Patentinhaberin treten, wenn das zuständige Organ der ersten Instanz die Eintragung vorgenommen hat oder ein eindeutiger Nachweis des Übergangs vorliegt.
1.4 Im vorliegenden Fall hat das zuständige Organ der ersten Instanz zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung keine diesbezügliche Eintragung vorgenommen. Die Kammer hatte daher zu prüfen, ob ein eindeutiger Nachweis des Rechtsübergangs vorliegt.
1.5 Zum Nachweis des Rechtsübergangs reichte die Beschwerdegegnerin die Dokumente E6 bis E11 ein.
1.5.1 Das Dokument E6 enthält am Ende des mit "ÜBERTRAGUNGSERKLÄRUNG/ASSIGNMENT" bezeichneten Abschnitts über dem Abschnitt "i.V. Ingo Brückner... i.V. Jürgen Weller (Handlungsbevollmächtigte...)" zwei Unterschriften. Insbesondere aus der Bezeichnung "i.V." ergibt sich nicht unmittelbar, dass die genannten Personen zur Übertragung der Rechte am Streitpatent ermächtigt sind. Zwar ergibt sich aus der Akte, dass Herr Jürgen Weller als zugelassener Vertreter i.S.v. Artikel 134 EPÜ ermächtigt ist, die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im gegenständlichen Verfahren zu Vertreten. Eine Ermächtigung zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Streitpatents lässt sich aus diesem Umstand jedoch nicht ableiten.
1.5.2 Das Dokument E7 ist ein vom 21. Juli 2014 datiertes Schreiben des Geschäftsführers der Li-Tec GmbH, Herrn Thomas Lehnert, an Herrn Weller mit dem Betreff "Handlungsvollmacht".
Aus diesem Schreiben geht zumindest nicht eindeutig hervor, dass Herr Weller zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Streitpatents ermächtigt ist. So heißt es darin:
"... im Hinblick auf Ihre Aufgaben, die Sie in Verbindung mit... internationalen Patentanmeldungen und Patenten und den damit im Zusammenhang stehenden... patentrechtlichen Angelegenheiten für die Li-Tec Battery GmbH wahrnehmen, erteilen wir Ihnen Handlungsvollmacht.... Rechtsverbindliche Erklärungen, wie sie im Rahmen der oben genannten Aufgaben der Geschäftsbetrieb gewöhnlich mit sich bringt, können Sie auch zusammen mit einem anderen entsprechend Zeichnungsberechtigten unterschreiben... Schriftwechsel von besonderer Bedeutung muss von zwei Vorstandsmitgliedern bzw. einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen unterschrieben werden" (Hervorhebung durch die Kammer).
Eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Patents sieht die Kammer als jedenfalls nicht vom gewöhnlichen Geschäftsbetrieb umfasst an. Vielmehr ergibt sich, dass eine solche Übertragung einen "Schriftwechsel von besonderer Bedeutung" im Sinne der zitierten Passage darstellt, der der Unterschrift von zumindest einem Vorstandsmitglied der Li-Tec Battery GmbH bedarf. Nachweise bzw. Erklärungen im Hinblick auf die rechtliche Stellung bzw. den Umfang der Bevollmächtigung des zweiten Unterzeichnenden der Übertragungserklärung, Herrn Brückner, wurden nicht vorgelegt.
Aus E7 geht somit nicht eindeutig hervor, dass Herr Weller zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Streitpatents ermächtigt ist.
1.5.3 E8 ist ein mit "Allgemeine Vollmacht" bezeichnetes EPA-Formblatt. Darin heißt es unter Punkt 4 "... mich (uns) in den durch das [EPÜ] geschaffenen Verfahren in allen meinen (unseren) Patentangelegenheiten zu vertreten und alle Handlungen für mich (uns) vorzunehmen".
Auch aus dieser Erklärung ist nicht zu entnehmen, dass sich die erteilte Vollmacht auf die rechtsgeschäftliche Übertragung des Streitpatents erstreckt. Insbesondere geht aus dieser Erklärung nicht zweifelsfrei hervor, dass eine solche rechtsgeschäftliche Übertragung als ein "durch das EPÜ geschaffenes Verfahren" anzusehen sei.
1.5.4 Auch die Dokumente E9 bis E11 stellen keinen Nachweis für die fragliche Ermächtigung dar. So betrifft E9 eine Mitteilung des EPA, in welcher die Eintragung der in E8 erteilten Vollmacht bestätigt wird. E10 ist eine entsprechende Mitteilung des DPMA. E11 betrifft eine von der Daimler AG ausgestellte Vollmacht.
1.6 Aus den genannten Gründen hat die Beschwerdegegnerin nicht den eindeutigen Nachweis für die rechtsgeschäftliche Übertragung erbracht. Das Verfahren war daher mit der Li-Tec Battery GmbH als Beschwerdegegnerin fortzusetzen.
Somit war auch der bei der mündlichen Verhandlung vor der Kammer anwesende Angestellte der Daimler AG, Herr Schäfer, nicht befugt, die Beschwerdegegnerin Li-Tec Battery GmbH zu vertreten (Artikel 133(3) EPÜ; vgl. Punkt VIII. supra).
2. Zulässigkeit der Beschwerde
2.1 Gemäß Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ ist es für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlich, dass der Beschwerdeführer darlegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel sich seine Beschwerde stützt.
2.2 Die Frage, ob eine Beschwerdebegründung im Einzelfall den Mindestanforderungen des Artikels 108 i.V.m. Regel 99(2) EPÜ genügt, kann nur aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus entschieden werden (J 22/86, Punkt 2 der Entscheidungsgründe, dritter Absatz; T 165/00, Punkt 4 der Entscheidungsgründe).
2.3 Im vorliegenden Fall enthält die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Antrags, der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet wurde, eine Begründung bzgl. Artikel 123(2),(3), Regel 80 und Artikel 84 EPÜ, Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (siehe Punkte 2.2.3, 2.1 und 6 der Gründe für die Entscheidung). Eine Begründung hinsichtlich der Ausführbarkeit der Erfindung enthält die angefochtene Entscheidung nicht. Ein entsprechender Einwand war im Verfahren vor der Einspruchsabteilung auch nicht erhoben worden.
2.4 Was demgegenüber die Beschwerdebegründung betrifft, so enthält diese eine Analyse der Merkmale von Anspruch 1 des Antrags, der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet worden war. In dieser Analyse wird dargelegt, weshalb vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens die Gesamtheit der Merkmale von Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung "keinen patentwürdigen Gegenstand definieren können" (Beschwerdebegründung, Seite 3, drittletzter Absatz). Die Beschwerdeführerin führt in der Beschwerdebegründung weiters aus, dass das hinzugefügte "Teilmerkmal, eine Steuereinheit vorzusehen, schlichtweg trivial" sei (Seite 3, letzter Absatz). Auch das Merkmal, wonach die Steuerung in Form einer Regelung erfolgen solle, sei "für den Fachmann völlig klar" und prädiktive Regelungen dem Fachmann bekannt (Seite 4, erster Absatz).
Allerdings stellt die Beschwerdeführerin in der Folge fest, dass der Fachmann "[f]ür die Konzeption einer prädiktiven Regelung... Angaben über das Betriebsverhalten des zu regelnden Systems [benötige], wobei jedoch im angegriffenen Patent hierzu jegliche Hinweise fehlen" (Seite 4, dritter Absatz) und kommt zu dem Schluss, dass "ein Mangel bezüglich Artikel 83 EPÜ vor[liege], mit der Folge, dass bezüglich des Merkmals [welches gegenüber Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung hinzugefügt wurde] der Einspruchsgrund nach Artikel 100b gegeben ist".
Die Beschwerdeführerin kommt somit in der Beschwerdebegründung zu dem Schluss, dass für den von der Einspruchsabteilung gewährbar erachteten Anspruchssatz das Erfordernis der Ausführbarkeit der Erfindung nicht erfüllt sei.
2.5 Die Beschwerdeführerin trägt in diesem Zusammenhang vor, dass die Beschwerdebegründung zwar explizit keinen Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit enthalte, sich ein solcher Einwand jedoch konkludent aus der Beschwerdebegründung ergebe. Es ergebe sich nämlich aus der Beschwerdebegründung, dass die Beschwerdeführerin der Ansicht sei, dass, sollte die Kammer zu dem Schluss kommen, die Erfindung sei ausführbar, wenigstens das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt sei.
Dieses Argument überzeugt die Kammer jedoch nicht, da der Beschwerdebegründung lediglich zu entnehmen ist, dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin die prädiktive Regelung zwar bekannt sei, der Fachmann jedoch nicht in der Lage sei, diese in einem patentgemäßen Batteriesystem zu implementieren, d.h. dass das Erfordernis der Ausführbarkeit nicht erfüllt sei. Dies geht insbesondere aus dem letzten Absatz auf Seite 4 der Beschwerdebegründung hervor, der wie folgt lautet:
"Letztendlich stellt der Hinweis auf eine prädiktive Regelung... vom Sinngehalt nichts anderes dar, als dass eine optimale Regelung vorgesehen werden sollte. Damit wird aber einem Fachmann keine nachvollziehbare Lehre zum technischen Handeln bzw. zur Ausführung des im angegriffenen Patent beanspruchten Gegenstandes gegeben".
2.6 Auch wenn in der Beschwerdebegründung lediglich auf das Erfordernis der Ausführbarkeit abgestellt wird und dieses Erfordernis nicht in der angefochtenen Entscheidung erwähnt wird, so ist die Kammer dennoch der Ansicht, dass im vorliegenden Fall das Erfordernis nach Regel 99(2) EPÜ erfüllt ist. Der Gründe hierfür sind folgende:
2.6.1 Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung erfuhr das Streitpatent Änderungen. Insbesondere wurden Merkmale aus der Beschreibung in den unabhängigen Anspruch 1 des als gewährbar erachteten Antrags aufgenommen (vgl. Punkt 2.2.3 der angefochtenen Entscheidung). Gemäß der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer (siehe G 9/91 und 10/91, jeweils Punkt 19 der Entscheidungsgründe) sind "Änderungen der Ansprüche oder anderer Teile eines Patents, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ... zu prüfen" (vgl. Artikel 101(3) EPÜ). Zwar gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen. Im Einspruchsverfahren ist jedoch ein Antrag, der Änderungen des Patents betrifft, welche im Hinzufügen von Merkmalen besteht, die nicht in den Ansprüchen in ihrer erteilten Fassung vorhanden waren, grundsätzlich einem Einwand unter Artikel 83 EPÜ (i.V.m. Artikel 101(3) EPÜ) zugänglich, auch wenn der Einspruchsgrund nach Artikel 100(b) EPÜ nicht geltend gemacht worden ist. Zu dieser Schlussfolgerung kam diese Kammer in derselben Zusammensetzung in der Entscheidung T 66/14 (siehe Punkt 3.6.1 der Entscheidungsgründe). Hieraus folgt, dass der in der Beschwerdebegründung erhobene Einwand unter Artikel 83 EPÜ nicht über den rechtlichen Rahmen des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung hinaus geht.
2.6.2 In der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, "dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ gemäß Artikel 101(3)(a)... EPÜ genügen" (siehe Punkt 7 der Entscheidungsgründe; vgl. auch das Deckblatt der angefochtenen Entscheidung).
In der Beschwerdebegründung legt die Beschwerdeführerin dar, weshalb ihrer Meinung nach die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllt seien, nämlich wegen fehlender Ausführbarkeit, wie sie in Artikel 83 EPÜ gefordert wird. Die Beschwerdebegründung enthält somit einen Vortrag dahingehend, weshalb die angefochtenen Entscheidung falsch sei und diese aufgehoben werden solle. Die Beschwerdebegründung hat daher auch einen hinreichenden direkten Bezug zur angefochtenen Entscheidung (vgl. T 2532/11, Punkt 2.2.1 der Entscheidungsgründe).
2.7 Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 1007/95 (siehe Leitsatz; vgl. auch die zitierende Entscheidung T 27/13, Punkt 1.2 der Entscheidungsgründe) ist hier nicht einschlägig, da diese eine einen Einspruch zurückweisende Entscheidung betrifft und es sich dort um den neuen Einspruchsgrund der Neuheit handelte, der erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht wurde. Im vorliegenden Fall handelt es sich nämlich nicht um einen neuen Einspruchsgrund im Sinne von G 9/91 und G 10/91 sondern um einen Einwand unter Artikel 83 i.V.m. Artikel 101(3) EPÜ (T 66/14, supra), der auf die im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen abzielt, auch wenn in der Beschwerdebegründung neben Artikel 83 EPÜ auch auf Artikel 100(b) EPÜ Bezug genommen wird (Seite 4, fünfter Absatz).
2.8 Auch die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 220/83 (siehe Leitsatz) kann die Zulässigkeit der Beschwerde im vorliegenden Fall nicht in Frage stellen, da, wie oben gezeigt, sich die Beschwerdebegründung nicht darin erschöpft, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu behaupten.
2.9 Daher gelangt die Kammer im vorliegenden Fall zu dem Schluss, dass die Erfordernisse von Artikel 108 und Regel 99(2) EPÜ erfüllt sind. Die Beschwerde ist somit zulässig.
3. Rechtswirkungen der Erklärung der Beschwerdegegnerin vom 5. September 2016
3.1 Die Beschwerdeführerin trug im schriftlichen Verfahren vor, dass das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 5. September 2016 eine wirksame Verzichtserklärung für das Streitpatent enthalte oder als solche zu werten sei, obwohl der Begriff "Patentanmeldung" statt "Patent" verwendet werde. Die Beschwerdeführerin, machte in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hierzu jedoch keine weiteren Ausführungen.
Die Kammer sieht im Schreiben vom 5. September 2016 der Beschwerdegegnerin weder einen Antrag auf Widerruf des Patents noch eine wirksame Erklärung eines Verzicht auf das Patent aus folgenden Gründen:
3.2 Das Patent kann im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren widerrufen werden, wenn der Patentinhaber erklärt, dass er der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht zustimmt und keine geänderte Fassung vorlegen werde (T 73/84, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Eine solche Erklärung wird nach der ständigen Rechtsprechung als Fehlen einer vom Patentinhaber vorgelegten oder gebilligten Fassung des Patents gedeutet, welche nach Artikel 113(2) EPÜ für die Aufrechterhaltung des Patents erforderlich ist (T 73/84, supra und Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.C.5.2).
3.3 Bei der Erklärung, das Patent zu widerrufen, darf kein Zweifel daran bestehen, dass mit der Erklärung der Widerruf i.S.v. Artikel 101(2) bzw. Artikel 101(3)b) EPÜ angestrebt wird (vgl. T 186/84, Punkt 4 der Entscheidungsgründe; T 386/01, Punkte 3.2 und 3.3 der Entscheidungsgründe).
3.4 Bestehen allerdings Zweifel über die Tragweite einer solchen Verzichtserklärung im Einspruchsverfahren, weil diese nicht eindeutig als Antrag auf Widerruf zu verstehen ist, obliegt es dem zuständigen Organ sich zu vergewissern, ob es sich dabei tatsächlich um einen solchen Antrag handelt (T 386/01, supra, Punkt 3.4 der Entscheidungsgründe).
3.5 In etlichen Fällen in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern wurde eine Erklärung der "Rücknahme der Anmeldung" im Einspruchs(beschwerde)verfahren als eindeutige Verzichtserklärung hinsichtlich des Patents gewertet (siehe z.B. T 264/84, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Dies steht jedoch nicht dem Grundsatz entgegen, wonach die Erklärung eindeutig und zweifelsfrei sein muss; ob dies der Fall ist, hängt jedoch vom Einzelfall ab (T 2347/11 vom 16. Oktober 2012, Punkt 2.4 der Entscheidungsgründe).
3.6 Im vorliegenden Fall lautet der Betreff des Schreibens der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vom 5. September 2016 wie folgt:
"Patentanmeldung 10700718.9
Titel 'Temperiertes Batteriesystem II'
Unser Zeichen: 2009P02716WE (Ursprüngliches Aktenzeichen: P829757/EP/1)".
In dem Schreiben heißt es dann:
"Die Patentanmeldung wird zurückgenommen".
Diesem Schreiben kann somit kein ausdrücklicher Bezug auf das (erteilte) Streitpatent entnommen werden. Fraglich ist, ob durch den Bezug auf die dem Streitpatent zu Grunde liegende Patentanmeldung wenigstens konkludent ein eindeutiger Antrag auf Widerruf des Streitpatents entnommen werden kann. Hierzu stellt die Kammer fest, dass in dem dem genannten Schreiben vorangegangenen Schreiben vom 26. Oktober 2015 der Beschwerdegegnerin (Beschwerdeerwiderung), empfangen am 5. November 2015, im Betreff nicht nur die Anmeldenummer (vgl. "Amtliches Aktenzeichen: 10700718.9") erwähnt wird, sondern auch die Nummer des Streitpatents selbst ("Patentnummer: EP 2 389 705 B1") sowie das Beschwerdeaktenzeichen ("Beschwerdeaktenzeichne (sic): T0393/15-3.3.05)". Im Gegensatz dazu wird im fraglichen Schreiben vom 5. September 2016 weder das Patent noch seine Nummer noch das Beschwerdeaktenzeichen erwähnt.
Im vorliegenden Fall bestehen für die Kammer somit Zweifel, ob die Erklärung vom 5. September 2016 eindeutig als Erklärung des Verzichts auf das Streitpatent bzw. als Antrag auf Widerruf des Streitpatents zu deuten ist. Diese Zweifel werden bestätigt durch das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 10. Oktober 2016, in dem es wie folgt heißt:
"Da die Patentanmeldung nicht mehr anhängig ist, bitten wir das Schreiben vom 05.09.2016 nicht zu beachten."
Daraus folgt, dass die im Schreiben vom 5. September 2016 enthaltene Erklärung keine wirksame Verzichtserklärung bzw. kein wirksamer Antrag auf Widerruf des Streitpatents ist.
3.7 Da die Zustimmung zum Text des Patents vorliegt, insbesondere in der Fassung, wie sie die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hat (vgl. Antrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen bzw. zurückzuweisen), ist das Erfordernis nach Artikel 113(2) EPÜ erfüllt.
4. Offenbarung bzw. Ausführbarkeit der Erfindung
4.1 Wie zuvor ausgeführt, wurde von der Beschwerdeführerin der Einwand hinsichtlich der mangelnden Offenbarung bzw. Ausführbarkeit der Erfindung erstmals in der Beschwerdebegründung erhoben. Unbeschadet der Zulässigkeit der Beschwerde (siehe Punkt 2. supra) stellt dieser Einwand ein gegenüber dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung geändertes Vorbringen der Beschwerdeführerin dar. Es kann dahinstehen, ob eine solche Änderung des Vorbringens zulässig ist und insbesondere durch die krankheitsbedingte Abwesenheit des Vertreters der Beschwerdeführerin bei der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung (siehe Punkt III. supra) gerechtfertigt werden kann (vgl. Artikel 12(4) VOBK), da die Beschwerdeführerin mit diesem Einwand in der Sache aus folgenden Gründen nicht durchdringt.
4.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei das Prinzip der prädiktiven Regelung dem Fachmann zwar bekannt. Für die Konzeption einer prädiktiven Regelung benötige er jedoch Angaben über das Betriebsverhalten des zu regelnden Systems; dieses sei von einer Vielzahl von Parametern abhängig. Entsprechende Angaben fehlten jedoch im Patent, was zu einem Mangel an Offenbarung bzw. Ausführbarkeit führe.
4.3 Ein etwaiges Fehlen der Angaben bzgl. des Betriebsverhaltens des zu regelnden Systems ist nach Ansicht der Kammer nicht geeignet, die Ausführbarkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Zweifel zu ziehen. So wird der Fachmann je nach dem Verwendungszweck des beanspruchten Batteriesystems und der damit verbundenen betrieblichen Umgebung die prädiktive Regelung an die entsprechenden Einflussgrößen anpassen und eine entsprechende, wie in Absatz [0019] des Streitpatents erwähnte, Vorhersage des künftigen Systemverhaltens machen. Insbesondere würde der Fachmann die Betriebszustände bei einem etwaigen Einsatz in einem elektrisch betriebenen Fahrzeug bei der Auslegung der Regelung berücksichtigen. Im Übrigen wird in Anspruch 1 keine "optimale Regelung" gefordert, wie dies von der Beschwerdeführerin vorgetragen wird.
4.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei im Streitpatent nur ein Beispiel für die prädiktive Regelung angegeben, nämlich eine von der Alterung der Batterie abhängige Regelung (siehe Spalte 4, Zeile 17), wobei selbst dieses Beispiel nicht vollständig sei.
Die Kammer kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen. Zwar wird in Absatz [0019] ganz allgemein auf die "Konditionierung des Batteriesystems entsprechend der Betriebsweisen und/oder der Alterung" abgestellt. Diese Angaben zusammen mit dem Hinweis darauf, dass "[d]ie prädiktive Regelung [...] auf einer Vorhersage des künftigen Systemverhaltens [basiert]", und in Verbindung mit der Gesamtlehre des Streitpatents sowie dem allgemeinen Fachwissen, ist jedoch für den Fachmann hinreichend, um ein Batteriesystem nach Anspruch 1 mit einer prädiktiven Regelung zu verwirklichen. Im Übrigen wurden entsprechende Beweismittel, die zum gegenteiligen Schluss führen könnten, von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.
4.5 Das beanspruchte Batteriesystem ist daher vor dem Hintergrund des Offenbarungsgehalts des Streitpatents und des allgemeinen Fachwissens des Fachmanns ausführbar. Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ ist daher erfüllt.
5. Neuheit
Die Neuheit des beanspruchten Gegenstands wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Kammer sieht keinen Grund eine andere Auffassung zu vertreten.
6. Zulässigkeit von E5
6.1 Das Dokument E5 wurde mit Schreiben vom 1. März 2017, d.h. weniger als drei Wochen vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, eingereicht. Seine Zulassung zum Verfahren stand daher im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1),(3) VOBK). In Ausübung dieses Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie (Artikel 13(1) VOBK).
6.2 Was den Grad der Komplexität des neuen Vorbringens betrifft, so bemerkt die Kammer, dass die Beschwerdegegnerin in ihrem Vortrag zu E5 auf eine Vielzahl von z.T. längeren Passagen in E5 verweist (Absätze [0001], [0003], [0042], [0048], [0063], [0065]), wobei in keiner dieser Passagen, wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, explizit von einer "prädiktiven Regelung" bzw. "predictive control" gesprochen wird. D.h. das Merkmal, durch welches sich der Gegenstand von Anspruch 1 von E1 unterscheidet und dessen Offenbarung in E5 die Beschwerdeführerin behauptet, wird in diesem Dokument nicht explizit erwähnt. Insofern ist es auch fraglich, ob E5 als prima facie relevant angesehen werden kann. Darüber hinaus ist die Kammer der Ansicht, dass das Kriterium der prima-facie-Relevanz eines im Beschwerdeverfahren zu einem so späten Zeitpunkt eingereichten Dokuments hinter andere Gesichtspunkte wie z.B. die Verfahrensökonomie zurücktritt. Dies ergibt sich bereits aus einer systematischen Betrachtung der Artikel 13(1) und (3) VOBK (vgl. "gebotene Verfahrensökonomie", "ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten").
6.3 Hinsichtlich des Standes des Verfahrens ist zu sagen, dass bis zum Zeitpunkt der Einreichung von E5 die Beschwerdeführerin nicht zur erfinderischen Tätigkeit vorgetragen hatte; vielmehr beschränkte sich ihr Vortrag auf einen Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (siehe 2.5 und 2.6 oben). Der Vortrag hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit basierend auf einer Kombination aus E1 und E5 stellte somit nicht nur einen völlig neuen Sachvortrag dar, sondern betraf auch ein Patentierbarkeitserfordernis, welches zuvor im Verfahren nicht diskutiert worden war.
6.4 Schließlich wäre es im Falle der Zulassung von E5 zum Verfahren auch geboten gewesen, der Beschwerdegegnerin ausreichend Gelegenheit zu geben, um auf den neuen Vortrag der Beschwerdeführerin, z.B. durch das Einreichen von neuen Anträgen, zu reagieren. Dies wäre der Beschwerdegegnerin ggf. ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten gewesen (vgl. Artikel 13(3) VOBK) und wäre dem Grundsatz der Verfahrensökonomie zuwider gelaufen.
6.5 Das Argument der Beschwerdeführerin, wonach ein Vertreterwechsel stattgefunden habe, der dieses verspätete Vorbringen rechtfertige, ist bei der Ausübung des Ermessens unbeachtlich. Im Übrigen bemerkt die Kammer, dass während des gesamten Beschwerdeverfahrens die Beschwerdeführerin durch den Vertreter, welcher die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung unterzeichnet hat, vertreten wurde.
6.6 Aus den genannten Gründen ließ die Kammer das Dokument E5 nicht zum Verfahren zu.
7. Zulässigkeit des Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit
Die Beschwerdeführerin trug zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auch hinsichtlich einer Kombination aus E1 und dem allgemeinen Fachwissen hinsichtlich PID-Reglern nahegelegen habe. Dies stellt eine Änderung des Vorbringens dar. Ihre Zulassung lag somit im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1),(3) VOBK). Die Beschwerdegegnerin trat der Zulassung dieser Änderung nicht entgegen. Diese warf auch keine Fragen auf, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdegegnerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten gewesen wäre. Daher ließ die Kammer diese Änderung des Vortrags der Beschwerdeführerin zum Verfahren zu.
8. Erfinderische Tätigkeit
8.1 Die Erfindung betrifft ein temperiertes Batteriesystem.
8.2 E1 wird von den Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Die Kammer sieht keinen Grund von dieser Ansicht abzuweichen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich vom temperierten Batteriesystem nach E1 zumindest durch eine prädiktive Temperaturregelung
8.3 Gemäß dem Patent ist Aufgabe der Erfindung, eine Möglichkeit zur Verlängerung der Lebensdauer von Batterien aufzuzeigen (Absatz [0004]).
8.4 Gemäß Anspruch 1 des Antrags, der von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung als gewährbar erachtet wurde, wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch ein temperiertes Batteriesystem zu lösen, welches durch eine prädiktive Regelung gekennzeichnet ist.
8.5 Es bestehen keine Zweifel, dass die vorgeschlagene Lösung die gestellte Aufgabe tatsächlich löst. Dem wird auch nicht seitens der Beschwerdeführerin entgegen getreten.
8.6 Hinsichtlich des Naheliegens bemerkt die Kammer, dass keines der im Beschwerdeverfahren zitierten und zum Verfahren zugelassenen Dokumente eine prädiktive Regelung offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 1 ergibt sich daher nicht in naheliegender Weise aus diesem Stand der Technik.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ergebe sich der Gegenstand von Anspruch 1 auch aus dem allgemeinen Fachwissen, da ein PID-Regler dem Fachmann bekannt sei und ein solcher auch eine prädiktive Regelung im weitesten Sinne umfasse.
Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Der Fachmann würde eine Regelung mittels PID-Regler nicht als prädiktive Regelung ansehen. Letztere erfordert nämlich eine, im Allgemeinen modellbasierte, Vorhersage der Zustandsentwicklung von Einflussgrößen (vgl. Spalte 4, Zeilen 12 bis 14 des Streitpatents), wohingegen bei einer PID-Regelung lediglich in Abhängigkeit von der Regeldifferenz zwischen Istwert und Sollwert in den zu regelnden Prozess eingegriffen wird, auch wenn dabei die Änderungsgeschwindigkeit der Regelabweichung (sog. D-Glied) berücksichtigt wird. Dies bedeutet, dass der Fachmann, selbst wenn er zur Lösung der gestellten Aufgabe eine PID-Regelung verwenden würde, nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde. Der Gegenstand von Anspruch 1 ergibt sich somit auch nicht in naheliegender Weise aus dem von der Beschwerdeführerin geltend gemachten allgemeinen Fachwissen. Sinngemäßes gilt auch für die Verwendung des beanspruchten Batteriesystems und für die abhängigen Ansprüche.
8.7 Folglich ist das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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