15 March 2016

T 0333/14 - General medical use

Key points


  • A claim for "use of an water-soluble emulsion concentrate according to [claim 1] for cosmetic, pharmaceutical or dietary purposes"  is unallowable under Article 53(c) EPC.
EPO T 0333/14 - link


Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 565 163 wurde mit neun Ansprüchen erteilt.
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 und der abhängige Anspruch 9 der erteilten Fassung lauten wie folgt:
"1. Wasserlösliche Emulsionskonzentrate von fettartigen Substanzen hergestellt mit den folgenden Schritten: [...]
8. Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate gemäß mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche für kosmetische, pharmazeutische oder diätetische Zwecke.

Entscheidungsgründe

[...]
2. Ausnahme von der Patentierbarkeit (Artikel 53 c) EPÜ)
2.1 Gemäß Artikel 53 c) Satz 1 EPÜ sind Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers von der Patentierbarkeit ausgenommen.
2.2 Anders als von der Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Entscheidung T 0004/98 (ABl. EPA 2002, 139; Gründe Nr. 8.1) behauptet, sind therapeutische Verfahren unter Artikel 53 c) EPÜ somit nicht auf spezifische Behandlungsverfahren beschränkt, die bestimmte Angaben bezüglich Art der Krankheit, Art des einzusetzenden Mittels und Patientengruppe erfordern würden. Vielmehr umfasst Artikel 53 c) EPÜ auch die unbestimmte Therapie; vgl. hierzu Artikel 54(4) und 54(5) EPÜ, wo sowohl auf die unbestimmte Anwendung in einem in Artikel 53 c) EPÜ genannten Verfahren (entsprechend einer ersten medizinischen Indikation) als auch auf die spezifische Anwendung in einem in Artikel 53 c) EPÜ genannten Verfahren (entsprechend einer weiteren medizinischen Indikation) Bezug genommen wird. Es gibt im EPÜ keine Grundlage dafür, dem allgemeinen Begriff der therapeutischen Behandlung bestimmte implizite Einschränkungen zuzuschreiben (vgl. auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Entscheidung T 1020/03 (ABl. EPA 2007, 204; Gründe Nr. 31 bis 37)).


2.3 Die Ansprüche des Streitpatents (Hauptantrag) enthalten mit Anspruch 8 einen unabhängigen Anspruch, der auf die Verwendung der in Anspruch 1 definierten wasser­löslichen Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke gerichtet ist.
2.4 Nach üblichem Verständnis würde der fachkundige Leser bei diesem Wortlaut davon ausgehen, dass die Anwendung der Konzentrate als Pharmazeutikum (Arzneimittel), also ihre Verwendung in einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung des Körpers gemäß Artikel 53 c) EPÜ, unter die beanspruchte Verwendung "für pharmazeutische Zwecke" fällt. Die Verwendung einer Zubereitung in einem Behandlungsverfahren entspricht dabei einem Behandlungsverfahren unter Verwendung der besagten Zubereitung.
2.4.1 Diese Auslegung wird durch den Umstand bestätigt, dass laut Unteranspruch 9 des Streitpatents (der auf Anspruch 11 der ursprünglichen Fassung der Anmeldung zurückgeht) die Verwendung für pharmazeutische Zwecke gekennzeichnet ist "durch topische, orale oder parenterale Anwendung", also durch die Applikation der Zubereitung am Körper. Somit war mit dem gewählten Wortlaut von Anfang an beabsichtigt, dass die Verwendung die Anwendung beinhalten soll.
2.4.2 Damit in Einklang steht weiter auch die Aussage in Absatz [0023] des Streitpatents, wonach die erfindungs­gemäßen Konzentrate direkt als Produkt verwendet werden können für beispielsweise medizinische oder kosmetische Ölbäder.
2.5 Laut Beschwerdeführerin soll der Begriff "Verwendung für pharmazeutische Zwecke" implizit ausschließlich die Verwendung der Emulsionskonzentrate zur Herstellung von Pharmazeutika umfassen. Zur Stützung ihrer Auffassung verweist sie auf G. Wahrig: Deutsches Wörterbuch (Bertelsmann Lexikon-Verlag), Eintrag zum Begriff "pharmazeutisch", wonach dieser Begriff gleichbedeutend sein soll mit "die Kenntnis und Herstellung von Arzneimitteln und Giften betreffend".
2.6 Im Streitpatent wird allerdings an keiner Stelle auf eine in diesem Sinne eingeschränkte Bedeutung hingewiesen. Somit ist die allgemeinere Auslegung heranzuziehen, die wie oben erläutert zusätzlich durch den Kontext gestützt wird (vgl. Punkt 2.42.4 bis 2.4.22.4.2 ). Sollte der Anspruch nur die Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen betreffen, hätte er explizit so formuliert werden können, um andere Möglichkeiten klar auszuschließen. Beim vorliegenden Wortlaut kann dagegen nicht davon ausgegangen werden, dass eine therapeutische Verwendung ausgeschlossen ist.
2.7 Zur Stützung einer im Kontext des Streitpatents völlig plausiblen Auslegung ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht erforderlich, auf weitere Lexika oder Lehrbücher zurückzugreifen. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch gemäß "Wahrig" die Pharmazie u.a. den Gebrauch von Heilmitteln betrifft.
2.8 Ob spezielle im Patent genannte Ausführungsformen, wie zum Beispiel medizinische Ölbäder, apothekenpflichtig sind oder üblicherweise von einem Arzt verabreicht würden, ist für die Beurteilung ohne Belang, da es auf den Behandlungszweck ankommt, der eindeutig als "medizinisch" angegeben ist (wobei die anderen beiden Kriterien zwar im Zweifelsfall als Hinweise auf ein therapeutisches Verfahren dienen könnten, aber nicht obligatorisch erfüllt sein müssen). Die Anwendung eines medizinischen Ölbads, die im Streitpatent als konkretes Beispiel für die Verwendung der Konzentrate angegeben wird, ist damit therapeutisch im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ (vgl. Punkt 2.4.22.4.2 ).
2.9 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 8 des Streit­patents Behandlungsverfahren gemäß Artikel 53 c) EPÜ umfasst und aufgrund dessen nicht patentierbar ist.
2.10 Während die Kammer keinen besonderen Anlass sieht, den ersten, zweiten und dritten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen, enthält jeder dieser Anträge allerdings ebenso wie der Hauptantrag einen unabhängigen Anspruch betreffend die Verwendung der wasserlöslichen Emulsionskonzentrate für pharmazeutische Zwecke (Anspruch 8 im ersten Hilfsantrag, Anspruch 7 im zweiten und dritten Hilfsantrag) und ist damit aufgrund desselben Mangels gemäß Artikel 53 c) EPÜ nicht gewährbar.

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