9 March 2016

T 0139/12 - Late filed documents

Key points

  • The Board does not admit late filed evidence and documents into the proceedings, because the publication date was not clear for two documents. The Board notes that oral proceedings do not provide a framework for determining the precise circumstances of the publication of the journal article at issue.


4. Verspätetes Vorbringen
4.1 In ihrem Schreiben vom 4. Dezember 2015 hat die Beschwerdeführerin die neuen Beweismittel D6 bis D12 eingereicht und zum ersten Mal die Neuheit basierend auf D5, D6, D7 oder D8 angegriffen, sowie einen neuen Angriff der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von einem der D6 oder D7 in Kombination mit dem Fachwissen, belegt durch die Dokumente D9 bis D12 vorgebracht.


4.2 Es ist unstrittig, dass die Argumente und Beweismittel D5 bis D12 nicht mit der Beschwerdebegründung vorgebracht wurden, obwohl diese nach Art 12(2) VOBK den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdeführerin enthalten haben sollte. In der Beschwerdebegründung wurde nur die erfinderische Tätigkeit in Frage gestellt, und zwar auf Grund der oben diskutierten Kombination von D1 mit dem allgemeinen Fachwissen, D3 oder D4. Diese neuen Argumente und Beweismittel, die zudem nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht wurden, sind somit als Änderungen des Vorbringens im Sinne des Artikels 13(3) VOBK zu betrachten. Gemäß Artikel 13(3) VOBK sind solche Änderungen nicht zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdegegnerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
4.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass keine Rechtfertigung für das verspätete Vorbringen vorliegt. Dass ein Vertreterwechsel stattgefunden hat, kann nach ständiger Rechtsprechung nicht als Rechtfertigung gelten, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage, 2013 (RdBK), IV.C.1.4 e).
4.4 D5 war zur Prüfung der Neuheit von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung bereits von Amts wegen berücksichtigt worden. Sie war aber zum Ergebnis gekommen, dass eine Vorveröffentlichung der D5 nicht zweifelsfrei bewiesen sei. Insbesondere, so stellte die Einspruchsabteilung fest, dass dieses Dokument ein Veröffentlichungsdatum vom 8. Juli 2006 aufweist, und somit nach dem Prioritätstag des Patents am 10. Februar 2006 veröffentlicht wurde.
Anhand einen Email eines der Autoren von D5, siehe das neue Beweismittel D5a, vertritt die Beschwerdeführerin nun die Meinung, dass spätestens bei der Abgabe des Artikels Ende 2004 beim Verlag die Veröffentlichung stattgefunden haben soll.
Nach Meinung der Kammer ist das Datum, an dem einen Artikel zur Publikation beim Verlag abgegeben wird, nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit dem Veröffentlichungstag des tatsächlich veröffentlichten Artikels. Dies hängt von den Umständen ab, ob zum Beispiel ein Peer-Review stattgefunden hat und unter welchen Bedingungen, und ob sich zwischen Abgabe und tatsächlicher Publikation inhaltlich etwas geändert hat, wie bei Fachartikeln durchaus üblich. Zu diesen genauen Umständen ist weder ausgeführt, noch sind Belege eingereicht worden. Die genauen Umstände und etwaige Änderungen festzustellen, ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht möglich.
4.5 D8 ist die Kopie eines Fachaufsatzes, dessen Inhalt nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin unter Verweis auf D8a und D8b während einer Konferenz in der Türkei (XXII World's Poultry Congress in 2004 in Istanbul) vorgestellt wurde.
Die Zahl der Seiten sowie ihre Nummerierung nach Angabe der D8a und D8b (2 Seiten 762 - 763) entsprechen aber nicht denen der D8 (4 dichtgedruckte Seiten 1 bis 4). Auch der in D8a und D8b angegebene Titel ("Euthanasia of flocks of chicken...") ist nicht identisch mit dem Titel der D8 (" Euthanasia of Chicken Flocks..."). Es bestehen somit nicht völlig unbegründete Zweifel, ob D8a und D8b auf die D8 Bezug nehmen und so sein Veröffentlichungsdatum belegen. Wie auch von der Beschwerdeführerin eingeräumt, lag es nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung, diese Zweifel auszuräumen.
Aus den bevorstehenden Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(3) VOBK beschlossen, den neuen Vortrag zu D5 und D8 sowie die Beweismittel D5a, D8, D8a und D8b nicht in das Verfahren zuzulassen.
4.6 Spätes Vorbringen in Bezug auf die Dokumente D6,D7,D9 bis D12
Der auf D6 oder D7 basierende Neuheitseinwand, sowie der Angriff auf die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6 und D7 in Kombination mit dem Fachwissen belegt durch D9,D10 und D11 stellt eine völlig neue Argumentation auf Grund neuer Beweismittel dar, die über den Umfang und Rahmen des Beschwerdeverfahrens, wie durch die Beschwerdebegründung und die Erwiderung darauf festgelegt, hinausgeht. Sie stellen einen neuen Fall ("fresh case") dar, dessen Zulassung normalerweise eine Zurückverweisung zur Folge haben müsste, um die Möglichkeit einer Prüfung durch zwei Instanzen zu gewähren (siehe z.B. RdBK, IV.E.7.2.1) - wie auch von der Beschwerdeführerin befürwortet -, mindestens aber zur Aussetzung der Verhandlung führen müsste, damit der Beschwerdegegnerin die Gelegenheit geboten wird, darauf angemessen zu reagieren. In beiden Fällen ist dann eine Behandlung dieses Vorbringens im Rahmen der mündlichen Verhandlung weder für die Kammer noch für die Beschwerdegegnerin zumutbar.
Daher entschied die Kammer in Anwendung von Artikel 13(3) VOBK i.Z.m. Artikel 114(2) EPÜ, die mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 4. Dezember 2015 vorgelegten Dokumente D6 bis D12 und das darauf basierende Vorbringen nicht in das Verfahren zuzulassen.

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