29 August 2019

T 2216/12 - Six year delay

Key points
  • In this opposition appeal, the Notice of appeal was filed  October 2012 and the reply in May 2013. There was no further substantive action until the summons for oral proceedings of 22 January 2018.
  • The appellant filed a new document D42 on 23.01.2018. The Board does not admit the document. " Das Beweismittel D42 wurde von der Beschwerde-führerin I mehr als sechs Jahre nach der Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 eingereicht. Sie begründete das späte Vorbringen damit, dass D42 aufgrund des Vertreterwechsels nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorgebracht werden konnte. Zudem fasse D42 lediglich das allgemeine Fachwissen zusammen und werfe keine neuen und komplexen Fragen auf.". 
  • The Board considers D42 to be not merely common general knowledge and furthermore to address issues with the impugned decisions. Furthermore, a change of the representative is no excuse for filing documents late, according to established case law.
  • With the same letter of 23.01.2018, a new inventive step attack was also submitted which is neither admitted.
  • I'm not sure what to make of the Board's observation of the 6 year delay in this case were the summons were also issued only after six years.


EPO T 2216/12 - link


8. Zulassung der Beweismittel D34 bis D37 und D42

8.1 D34 bis D36 wurden mit den jeweiligen Beschwerdebegründungen (siehe Punkte V und VI oben) als direkte Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht. Beiden Beschwerdeführerinnen dienten die eingereichten Beweismittel dazu, bereits vorgebrachte Angriffslinien bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2 (in Kombination mit D2d) oder D3 zusätzlich zu untermauern. Insbesondere sollten sie die Auffassungen der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich dessen, was D2 den Fachmann lehrt, weiter stützen. Die Kammer wertete das Einreichen der Beweismittel D34 bis D36 daher als normales Verhalten der unterlegenen Parteien und sah keinen Grund diese nicht in das Verfahren zuzulassen.

8.2 Gleiches gilt für das Beweismittel D37. Die Beschwerdeführerin I berief sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf D37 als weiteren Beleg für die bereits in der Beschwerdebegründung geltend gemachte unzureichende Ovulationshemmung. Inwiefern D37 dazu tatsächlich geeignet ist, ist für die Frage Zulassung ohne Bedeutung und wird im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu untersuchen sein.

8.3 Das Beweismittel D42 wurde von der Beschwerde-führerin I mehr als sechs Jahre nach der Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 eingereicht. Sie begründete das späte Vorbringen damit, dass D42 aufgrund des Vertreterwechsels nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorgebracht werden konnte. Zudem fasse D42 lediglich das allgemeine Fachwissen zusammen und werfe keine neuen und komplexen Fragen auf.




8.3.1 Gemäß Artikel 13(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zu berücksichtigen. In der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer inter alia die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die Verfahrensökonomie. Aus den beiden letztgenannten Kriterien ergibt sich eine Verpflichtung der Parteien, Beweismittel oder Änderungen ihres Vorbringens so früh wie möglich einzureichen, wenn diese zugelassen und berücksichtigt werden sollen.

8.3.2 Dazu ist zunächst festzustellen, dass D42 nicht als Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung angesehen werden kann. Die in D42 angesprochen Sachverhalte wurden bereits in der angefochtenen Entscheidung erörtert (e.g. Zykluskontrolle, Relevanz von Beweismitteln aus der Hormonersatzbehandlung, Interpretation der Lehre der der Beweismittel D19 und D27). Diesbezügliche Erläuterungen durch einen Fachmann, soweit die Beschwerdeführerin I dies für erforderlich hielt, hätten daher bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt vorgelegt werden können und müssen, um dem Stand des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie Rechnung zu tragen. Der Verfahrensverlauf rechtfertigt die Eingabe der D42 somit nicht. Der Wechsel des Vertreters stellt nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern keinen triftigen Grund für verspätetes Vorbringen dar, es sei denn, er ist auf höhere Gewalt zurückzuführen, wofür es im vorliegenden Fall jedoch keinen Hinweis gibt. Der neue Vertreter hat das Verfahren an dem Punkt fortzuführen, das es im Zeitpunkt der Übernahme von seinem Vorgänger erreicht hat.

8.3.3 Darüber hinaus ist die Kammer der Auffassung, dass in D42 nicht lediglich das allgemeine Fachwissen des Fachmanns auf dem Gebiet der Kontrazeption zusammenfasst wird. Vielmehr gibt D42 die Auffassung eines hochqualifizierten Experten zu spezifischen Aspekten und Beweismitteln des vorliegenden Falls wider. Nach Auffassung der Kammer beurteilen Experten eine Sachlage auf Basis ihrer beruflichen Erfahrung und technischen Expertise, die nicht notwendigerweise dem allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns entsprechen. Letzteres wird, wie bereits in Punkt 4.9 oben festgestellt, üblicherweise durch Standardhandbücher, Lehrbücher oder Nachschlagewerken belegt. Keines der von Dr. Palacios in D42 genannten Dokumente fällt unter diese Kategorie.

8.4 Aus den genannten Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 13 (1) RPBA, das Beweismittel D42 nicht in das Verfahren zuzulassen.

9. Zulassung eines neuen Einwands mangelnder erfinderischer Tätigkeit

9.1 Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018, mithin mehr als sechs Jahre nach ihrer Beschwerdebegründung, brachte die Beschwerdeführerin I einen neuen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit basierend auf der Kombination der Beweismittel D35 und D36 als nächstem Stand der Technik vor.

Die Beschwerdegegnerin erhob Einwände gegen die Zulassung dieser neuen Angriffslinie, da die Beschwerdeführerin I damit in einem sehr späten Stadium des Verfahrens ihr bisheriges Vorbringen im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit entscheidend ändere.

9.2 Dazu ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin I in ihrer Beschwerdebegründung ausdrücklich von dem in der Abbildung 3 der D3 konkret offenbarten Mehrphasenpräparat als dem nächsten Stand der Technik ausging. Ausgehend von diesem Stand der Technik begründete sie ihren Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Die Beweismittel D35 und D36 wurden von der Beschwerdeführerin I zwar mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Als nächster Stand der Technik wurde eine Kombination dieser beiden Beweismittel jedoch an keiner Stelle identifiziert. D36 wird in einem kurzen Absatz der Beschwerdebegründung (siehe Seite 19, dritter Absatz) als alternativer Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erwähnt, der in Kombination mit D3, und gegebenenfalls weiteren Beweismitteln, den Gegenstand der Ansprüche nahelegen würde. Eine Substantiierung fehlt jedoch in diesem Zusammenhang. Es wird lediglich kursorisch auf die vorausgegangene Diskussion verwiesen, ohne nähere Erklärung, inwieweit diese ihre Gültigkeit behält, wenn nicht länger von dem konkrete Mehrphasenpräparat gemäß D3, das in D36 nicht offenbart wird, als nächstem Stand der Technik auszugehen ist.

9.3 Mit ihrem Ansatz, D35 (US-Patentanmeldung) und D36 (Eingabe des Anmelders von D35 mit der die ursprünglichen Patentansprüche von D35 durch einen einzigen Patenanspruch ersetzt werden) zu kombinieren, weicht die Beschwerdeführerin I nun entscheidend von ihrem bisherigen Vorbringen ab, da das bisher als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angesehene Mehrphasenpräparat gemäß D3 weder in D35 noch in D36 enthalten ist. Stattdessen verweist die Beschwerdeführerin I auf ein anderes, vorgeblich offenbartes Mehrphasenpräparat, wobei sie den Anspruch aus D36 mit den Estradiolvaleratmengen aus den Phasen I bis III des Mehrphasenpräparats gemäß Beispiel 1 und den Dienogestmengen aus den Gruppen 1 und 2 der Phase II des Mehrphasenpräparats gemäß den Beispielen 3 oder 5 von D35 kombiniert.

In der Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdeführerin I auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin II, in der ein solcher Ansatz im Hinblick auf die Definition des nächsten Standes der Technik vorgebracht wurde.

9.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin I dahingehend zu, dass diese sich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin II berufen kann. Letztere geht in ihrem Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit jedoch von dem Beweismittel D2 und dem Mehrphasenpräparat des Beispiels 5 aus, dessen Kombination mit dem Anspruch 1 von D2 das von der Beschwerdeführerin I angesprochene Mehrphasenpräparat vorgeblich eindeutig offenbare. Dies werde nach Auffassung der Beschwerdeführerin II zudem durch D2d oder dem zu D2d äquivalenten Beweismittel D36 belegt. Im Gegensatz dazu enthält keines der Beweismittel D35 oder D36 ein Mehrphasenpräparat gemäß Ausführungsbeispiel 5 der D2. Tatsächlich offenbart D35, das nach Auffassung der Beschwerdeführerin I, die zu D36 gehörige Beschreibung darstellt, kein konkretes Beispiel für ein Mehrphasenpräparat bestehend aus Estradiolvalerat und Dienogest. Ausführungsbeispiel 1 beschreibt die Applikation von Estradiolvalerat und Destrogrel, Ausführungsbeispiel 3 die Applikation von konjugierten equinen Estrogenen und Dienogest und Ausführungsbeispiel 5, die Applikation von Estradiolvalerat, Ethinylestradiol und Dienogest. Die Beschwerdeführerin I ergänzt somit nicht lediglich das Vorbringen der Beschwerdeführerin II, sondern erhebt in einem späten Stadium des Beschwerdeverfahrens einen auf neue Tatsachenbehauptungen gestützten zusätzlichen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit.

Nach Auffassung der Kammer liegen zudem keine besonderen Umstände vor, die das späte Vorbringen der Beschwerdeführerin I rechtfertigen können. Die Frage, ob das konkrete Mehrphasenpräparat, auf das sich die Beschwerdeführerin I in ihrem verspäteten Vorbringen bezieht, im Stand der Technik offenbart ist, wurde bereits in der angefochtenen Entscheidung mit Blick auf D2 angesprochen und von der Einspruchsabteilung negativ beschieden (siehe Punkt 6.1.2 der angefochtenen Entscheidung). Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre es der Beschwerdeführerin I möglich gewesen, diese Entscheidung unter Bezugnahme auf die gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung eingereichten Beweismittel D35 und D36 anzufechten. Wie bereits in Punkt 8.3.2 oben festgestellt, stellt ein Vertreterwechsel keinen triftigen Grund für geändertes Vorbringen dar. Ergänzend ist festzustellen, dass der Vertreterwechsel bereits neun Monate vor der Eingabe vom 23. Januar 2018 erfolgte.

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass die Beschwerdeführerin I ausreichend Gelegenheit hatte, eventuelle Änderungen bezüglich des nächsten Standes der Technik bereits in einem wesentlich früheren Verfahrensstadium vorzubringen, sofern sie dies für notwendig erachtete.

Eine größere Relevanz der Kombination der Beweismittel D35 und D36 im Vergleich zu dem in der angefochten Entscheidung gewählten Mehrphasenpräparat (i.e. Ausführungsbeispiel 5 der D2 bestehend aus Estradiolvalerat und Dienogest) ist für die Kammer ebenfalls nicht ersichtlich, da das von der Beschwerdegegnerin I angeführte Mehrphasenpräparat in D35/D36 nicht konkret offenbart ist und zudem Zweifel daran bestehen, ob sich ein solches unter Bezugnahme auf einzelne aus dem Zusammenhang genommenen Merkmale unterschiedlicher Ausführungsbeispiele unmittelbar ableiten lässt.

9.5 Aus den genannten Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 13 (1) RPBA, die neue Angriffslinie nicht in das Verfahren zuzulassen.

10. Antrag auf mündliche Ausführungen eines technischen Experten

10.1 In der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Beschwerdeverfahren kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, über den umfassenden Vortrag des Falls durch den zugelassenen Vertreter hinaus mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen, jedoch nur mit Zustimmung des EPA und in seinem Ermessen. Der zugelassene Vertreter muss einen entsprechenden Antrag stellen, der Namen und Qualifikation der Begleitperson und den Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen nennt (siehe G 4/95, ABl. EPA 1996, 412).

10.2 In der mündlichen Verhandlung wurde der zugelassene Vertreter der Beschwerdeführerin I von Dr. Palacios als technischem Experten begleitet. Die Anwesenheit von Dr. Palacios wurde unter Angabe seiner Qualifikation mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 angekündigt. Im Hinblick auf den Gegenstand der beabsichtigten Ausführungen verwies die Beschwerdeführerin I darauf, dass Dr. Palacios Auskunft darüber geben könne, wie ein durchschnittlicher Fachmann die Fragen der Kammer, wie sie in ihrer vorläufigen Meinung unter Punkt 5.4 angesprochen wurden, beantworten würde.

Der Antrag, dass Dr. Palacios als Sachverständiger Ausführungen zu den von der Kammer in ihrer Mitteilung angesprochenen Diskussionspunkten machen dürfe, wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wiederholt.

10.3 Dazu ist festzustellen, dass es sich bei den in Punkt 5.4 der vorläufigen Meinung der Kammer angesprochenen Fragen nicht um spezifische Fragen seitens der Kammer handelte. Vielmehr verwies die Kammer lediglich auf die im Hinblick auf die von den Parteien vorgebrachten Argumente möglicherweise zu diskutierende Sachverhalte. Zu den angesprochenen Sachverhalten hat die Beschwerdeführerin I in ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2018 dann erneut Stellung genommen. Nähere Angaben darüber, welche zusätzlichen Informationen von Dr. Palacios diesbezüglich zu erwarten sind, enthält dieser Schriftsatz nicht.

10.4 Die Kammer übte das ihr zustehende Ermessen daher dahingehend aus, dass sie entschied, den Antrag der Beschwerdeführerin I auf mündliche Ausführungen durch Dr. Palacios zu berücksichtigen, für den Fall, dass, nachdem die Kammer das gesamte Vorbringen des Falls durch die zugelassenen Vertreter der einzelnen Parteien gehört hat, weitere Klarstellungen in Bezug auf einzelne Sachverhalte nötig seien oder die Kammer Fragen an Dr. Palacios habe. Dies war jedoch nicht der Fall.

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