24 July 2017

T 0064/13 - Public prior use and evidence

Key points

  • In this opposition appeal case, the Board applies "balance of the probabilities"  as the evidence standard, because the public prior was not by the opponent but by an (independent) third party. The third party had filed evidence of their own prior use in the opposition against the parallel German patent. The opponent had filed a copy of the file of the German opposition. Hence, the prior use was outside the sphere of influence of the opponent, and therefore the evidence standard of " balance of probabilities"  is applied. 
  • Also the sworn declaration of the manager of the third party is accepted as evidence, albeit on the principle of the free evaluation of evidence. 



EPO T 0064/13 - link
7.3 Beweiswürdigung der Vorbenutzung D3-D5,DX
7.3.1 Bei allen in Art. 100 EPÜ aufgeführten Einspruchsgründen gilt zwar dasselbe Beweismaß; dennoch kennt die Rechtsprechung zwei unterschiedlich hohe Beweisaufforderungen, wenn eine offenkundige Vorbenutzung bestritten wird ? das "Abwägen der Wahrscheinlichkeit" und den "lückenlosen Nachweis". Das Abwägen der Wahrscheinlichkeit wird dann angewandt, wenn Patentinhaberin wie Einsprechende gleichermaßen Zugang zu dem Material hatten, dessen offenkundige Vorbenutzung behauptet wird (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8e. Auflage, III.G.4.3.2)


Im vorliegenden Fall wurde diese Vorbenutzung durch eine dritte Gesellschaft (Nordex Energy GmbH) bei einem Einspruchsverfahren gegen das deutsche Patent vor dem Deutschen Bundespatentgericht (Aktenzeichen 9 W (pat) 393/03) eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat eine Kopie der Unterlagen vom Deutschen Einspruchsverfahren beim EPA für den EP-Einspruch eingereicht. Die Vorbenutzung selbst basiert auf einem Kaufvertrag einer Windenergieanlage zwischen SÜDWIND Borsig Energy GmbH und Huning Umwelttechnik GmbH, welche Unternehmen der Beschwerdegegnerin zufolge keine gesellschaftliche Verbindung mit der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) haben.
Die tatsächliche Herstellung und der Verkauf der Windenergieanlage liegen also außerhalb des Einflussbereichs der Beschwerdegegnerin (Einsprechende). Folglich ist in diesem Fall das "Abwägen der Wahrscheinlichkeit" anzuwenden.
7.3.2 Die behauptete offenkundige Vorbenutzung basiert auf dem Verkauf von zwei Windenergieanlagen, die durch einen Kaufvertrag samt einem Abnahmeprotokoll und einer technischen Zeichnung (D3-D5), die den tatsächlichen Aufbau der errichteten Windenergieanlagen darstellen soll, sowie einer eidesstattlichen Versicherung belegt werden soll. Die eidesstattliche Erklärung stammt vom Geschäftsführer der Nordex Planungs- und Vertriebs GmbH (Einsprechende beim Deutschen Einspruchsverfahren), der als Leiter Vertrieb für Windkraftanlagen vom Typ SÜDWIND S70 verantwortlich war. Diese eidesstattliche Versicherung wurde gezielt zur Vorlage beim Bundespatentgericht erstellt und sie beschreibt weitere Details der verkauften Windenergieanlagen.
7.3.3 Auf dem Abnahmeprotokoll und auf dem Kaufvertrag stehen die gleiche Kaufvertragsnummer 19941127/S70 und der Standort der Windkraftanlage, nämlich Uelitz. Weiterhin sind die Daten auf dem Kaufvertrag ("Dieser Vertrag wird wirksam bei Vertragsunterzeichnung durch den Käufer bis spätestens 7. August 2000 und Bezahlung der ersten Kaufpreis bis spätestens 18. August 2000...") und auf dem Abnahmeprotokoll (Unterschrift der Abnahme 8. Februar 2001; Beginn des Betriebes für die Windenergieanlagen 23. Februar 2001 bzw. 13. Februar 2001) kohärent und für die Herstellung und Errichtung der Windenergieanlagen zwischen Vertragabschließung und Abgabe glaubhaft.
Darüber hinaus steht auf dem Abnahmeprotokoll der Typ von errichteter Windanlage: Typ SÜDWIND S70 65m, der dem Typ der technischen Zeichnung entspricht (siehe Schriftfeld der Zeichnung). Zudem sind die Daten der letzen Zeichnungsänderungen im Schriftfeld (13.07.200; 28.07.2000) auch mit den Daten auf Kaufvertrag und Protokoll kohärent und glaubwürdig.
Im Lichte dieser Beweismittel und ihrer kohärenten und glaubhaften Darstellung der Tatsachen sieht die Kammer nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit diese als bewiesen an. Insbesondere erachtet sie es als bewiesen, dass die besagten Windenergieanlagen am 8. Februar 2001 an den Käufer geliefert worden sind, und dass sie der vorgebrachten technischen Zeichnung entsprechen. Es genügt nach der ständigen Rechtsprechung ein einziger Verkauf, um der Öffentlichkeit den verkauften Gegenstand im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ zugänglich zu machen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8e. Auflage, I.C.3.3.1).
7.3.4 Als weitere Beweismittel ist die eidesstattliche Versicherung durch den Herrn Markus Lesser (DX) vorgelegt worden. Eidesstattliche Erklärungen oder Versicherungen sind zwar in Artikel 117 (1) g) EPÜ nicht ausdrücklich zitiert, gelten jedoch als zulässiges Beweismittel und werden gemäß dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung in Betracht gezogen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8e. Auflage, III.G.2.3).
Die Angaben auf der eidesstattlichen Versicherung - Zeichnungsnummer, Daten, Seriennummern der verkauften Anlagen - stimmen mit denen auf der technischen Zeichnung und auf dem Kaufvertrag überein.
7.3.5 Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) bestreitet, dass der in der Bauzeichnung gezeigte Aufbau mit zwei Stromleitern (wie auf der technischen Zeichnung dargestellt ist) nur für die Leitung von Gleichstrom geeignet ist, was wiederum einen Wechselrichter im Turmfuß bedingt, wobei in der eidesstattlichen Erklärung dahingegen einen Umrichter erwähnt wird. Dies sei ein Widerspruch, der die eidesstattliche Versicherung unglaubwürdig mache. Nach Ansicht der Kammer ist dies jedoch nicht zutreffend, weil ein Zweileiter-Stromleitungsmittel auch für Wechselstrom geeignet ist.
7.3.6 Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beanstandet darüber hinaus, dass die eidesstattliche Versicherung durch den Geschäftsführer der Einsprechenden im Deutschen Einspruchsverfahren unterschrieben ist und daher nicht glaubwürdig sei. Dahingegen ist zu bemerken, dass die Kammer eine eidesstattliche Erklärung als zulässiges Beweismittel ansehen kann, auch wenn es vom leitenden Manager eines Einsprechenden unterzeichnet ist, und das somit dem Prinzip der freien Beweiswürdigung unterliegt. Die Kammer ist zudem der Meinung, dass die Glaubwürdigkeit der eidesstattlichen Erklärung nicht allein deshalb in Zweifel gezogen werden kann, weil der Unterschreibende wirtschaftlich mit einer der Parteien verbunden ist. Da diese Zweifel sonst nicht belegt sind, vermögen sie die Kammer nicht zu überzeugen. Somit sieht die Kammer auch die in der eidesstattlichen Erklärung behaupteten Tatsachen als bewiesen an.
7.3.7 Folglich betrachtet es die Kammer nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit als durch die vorgetragenen Beweismittel (D3-D5,DX) ausreichend bewiesen, dass die in Uelitz errichteten Windenergieanlagen vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
7.3.8 Auf den Zeichnungen sind segmentierte Stromschienen BD2, LD zu erkennen. Nach der eidesstattlichen Versicherung von Herrn Lesser waren die Stromleitungsschienen als einzelne Segmente in den Turmsegmenten vormontiert, was auch mit den möglichen Erwägungen des Fachmanns bei Besichtigung eines errichteten Turmes im Einklang steht, da die Vormontage segmentierter Schienen die spätere Errichtung der Turmsegmente erheblich erleichtert. In der eidesstattlichen Versicherung wird ferner erklärt, dass über die Stromschienen der generierte Strom vom Generator zu einem im Fußbereich des Turms angeordneten Umrichter geleitet wird.

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