22 December 2016

T 2420/13 - Use of glasses not excluded

Key points

  • In this examination appeal, the claim is directed to the uses of a particular type of glasses to achieve a specific type of magnification of the image in the eyes of the user. The Board decides that such a use - or the corresponding method - is not a therapeutic use excluded under Article 53(c) EPC.
  • The Board finds that a therapeutic treatment of the body according to Article 53(c) EPC requires that at least a part of the human body is affected in such a way as to cause the therapeutic effect. This is not the case in the claimed use, because therein the therapeutic benefit is cause by changing the light entering the eyes of the wearer of the glasses. 
  • The Examining Division had also stated that, in analogy with methods of treatment by therapy and surgery in a narrow sense, also an optician should not be restricted in using certain glasses. The Board finds that the activities of an optician in connection with the claimed use are incomparable to a method of therapeutic treatment of the human body. Moreover, Article 53(c), being an exception, is not open to application by analogy.
  • The Examining Division had also stated that the wearer of the glasses should not be restricted.
  • The Board recalls that the EPC provisions about scope of protection should be kept distinct from the patentability requirements (G 2/13). The Board also notes that acts of private persons, such as the wearer of the glases, are excluded from patent infringement in the EPC states. 
EPO T 2420/13 - link



V. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Verwendung eines Brillenglases zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers, wobei das Brillenglas:
- einen Fernteil, welcher zum Blicken in größere Entfernungen und insbesondere "ins Unendliche" ausgelegt ist,
- einen Nahteil, welcher zum Blicken in kürzere Entfernungen und insbesondere "Lese-Entfernungen" ausgelegt ist,
- eine zwischen Fernteil und Nahteil angeordnete Progressionszone, in der die Wirkung des Brillenglases von dem Wert in dem im Fernteil gelegenen Fernbezugspunkt auf den Wert des im Nahteil gelegenen Nahbezugspunktes längs einer Hauptlinie, welche eine zur Nase hin gewundene Kurve ist, um die Addition zunimmt, und
- einen Zentrierpunkt
aufweist; und
wobei innerhalb eines Kreises um einen Punkt, der 4 mm senkrecht unterhalb vom Zentrierpunkt liegt, mit einem Durchmesser von 40 mm die absolute Differenz der maximalen und minimalen Vergrößerung in Prozent, wobei die Vergrößerung als der Quotient der Netzhautbildgröße mit Brillenglas zur Netzhautbildgröße ohne Brillenglas berechnet wird, kleiner oder gleich den Beträgen der Werte in der folgenden Tabelle ist, wobei es sich bei den in der Tabelle angegebenen Werten um Prozentangaben handelt und die Zwischenwerte durch lineare Interpolation gewonnen werden können:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
hierbei ist die Addition Add die Differenz der mittleren Gebrauchswerte im Nah- und Fernbezugspunkt und Do der mittlere Gebrauchswert im Fernbezugspunkt."

3. Hauptantrag - Artikel 53 c) EPÜ
3.1 Nach Artikel 53 c) EPÜ werden Patente für "Verfahren zur [...] therapeutischen Behandlung des menschlichen [...] Körpers" nicht erteilt.
3.2 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist auf die Verwendung eines Brillenglases zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers gerichtet. Das Brillenglas ist in Anspruch 1 als progressives Brillenglas mit einem Fern-, einem Nah- und einem Progressionsteil definiert, wobei das Brillenglas so gestaltet ist, dass in Bezug auf den Brillenträger die Werte der Vergrößerung, berechnet als der Quotient der Netzhautbildgröße mit Brillenglas zur Netzhautbildgröße ohne Brillenglas, die beanspruchte Bedingung erfüllen.


Der Inhalt der beanspruchten Verwendung eines Brillenglases zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers ist seinem eigentlichen Inhalt nach nicht verschieden von einem Verfahren zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers mit dem Brillenglas (vgl. Entscheidung G 1/83, ABl. EPA 1985, 60, Nr. 13 der Entscheidungsgründe). Für die Zwecke der vorliegenden Entscheidung wird daher die beanspruchte Verwendung wie das entsprechende Verfahren behandelt.
3.3 In ihrer Entscheidung befand die Prüfungsabteilung, dass die beanspruchte Verwendung des Brillenglases zur Korrektur der Fehlsichtigkeit des Brillenträgers ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ darstelle, sodass die beanspruchte Erfindung als solche von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Dabei stützte sich die Prüfungsabteilung auf die Entscheidung T 24/91 (ABl. EPA 1995, 512, Nr. 2.7 der Entscheidungsgründe), wonach der Begriff "therapeutische Behandlung" "jede Behandlung [umfasst], die dazu dient, die Symptome einer Funktionsstörung oder Funktionsschwäche des menschlichen oder tierischen Körpers zu heilen, zu lindern, zu beseitigen oder abzuschwächen, oder die dazu geeignet ist, dem Risiko ihres Erwerbs vorzubeugen oder dieses zu verringern".
Die Beschwerdeführerin ist dieser Auffassung der Prüfungsabteilung entgegengetreten und hat im Wesentlichen geltend gemacht, dass die beanspruchte Verwendung kein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers im eigentlichen Sinne darstelle.
3.4 Bei der beanspruchten Erfindung wird die Konvergenz bzw. Divergenz des auf dem Auge des Brillenträgers aufgerichteten Lichtbündels durch das Brillenglas in der Weise verändert, dass dadurch die Fehlsichtigkeit des Brillenträgers zumindest teilweise korrigiert bzw. kompensiert wird. Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Prüfungsabteilung insoweit an, als bei der beanspruchten Verwendung die Symptome der Fehlsichtigkeit des Brillenträgers tatsächlich gelindert bzw. abgeschwächt werden, solange das Brillenglas von dem Brillenträger getragen wird. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass bei der beanspruchten Verwendung der Körper des Brillenträgers in irgendeiner Weise behandelt wird und mithin die beanspruchte Erfindung eine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ darstellt. Nach Auffassung der Kammer setzt eine therapeutische Behandlung des Körpers im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ eine Einwirkung auf den zu behandelnden Körper bzw. auf den zu behandelnden Teil des Körpers voraus, die ursächlich für eine therapeutische Wirkung ist. Im vorliegenden Fall kann die Kammer in der beanspruchten Erfindung keine Einwirkung auf den Körper des Brillenträgers erkennen, die zu einer therapeutischen Wirkung bzw. zu der oben erwähnten Linderung bzw. Abschwächung der Symptome der Fehlsichtigkeit des Brillenträgers führen oder beitragen würde. Eine solche Linderung bzw. Abschwächung der Symptome der Fehlsichtigkeit wird in der beanspruchten Erfindung, wie bereits ausgeführt, nur durch eine gezielte Veränderung der Konvergenz bzw. der Divergenz des auf dem Auge des Brillenträgers aufgerichteten Lichtbündels erzielt, ohne dass dabei der Körper des Brillenträgers, insbesondere dessen Augen, in irgendeiner Weise "behandelt" werden.
Daher schließt sich die Kammer hier den Ausführungen der Beschwerdeführerin an, wonach bei der beanspruchten Verwendung das Brillenglas als externes Hilfsmittel eingesetzt wird und dadurch die Fehlsichtigkeit des Brillenträgers lediglich durch Veränderung des Strahlengangs zumindest teilweise kompensiert wird, und zwar solange das Brillenglas von dem Brillenträger getragen wird und ohne dass dabei die eigentliche Fehlsichtigkeit des Auges des Brillenträgers in irgendeiner Weise beeinflusst wird.
Da somit der beanspruchten Verwendung keine Einwirkung auf den Körper, insbesondere auf die Augen, des Brillenträgers mit nachfolgender therapeutischer Wirkung zugemessen werden kann, liegt nach Auffassung der Kammer keine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ vor.
3.5 Dieses Ergebnis wird auch durch die folgenden Erwägungen gestützt: Die Frage, ob ein Verfahren zur Korrektur des Sehvermögens des menschlichen Auges ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ darstellt, hängt von den Umständen im Einzelfall, insbesondere von der Natur des Verfahrens und dessen Wechselwirkung mit dem menschlichen Körper, ab. So betraf die oben unter Nr. 3.3 zitierte Entscheidung T 24/91 ebenfalls ein Verfahren zur Korrektur des Sehvermögens des menschlichen Auges, und in der Entscheidung wurde festgestellt, dass das Verfahren ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ 1973 (entspricht dem jetzt gültigen Artikel 53 c) EPÜ) darstellte. Dabei handelte es sich aber um ein Verfahren zum Nachprofilieren der Krümmung einer auf die Hornhaut des menschlichen Auges aufgesetzten künstlichen Linse durch Abtragen von Teilen der künstlichen Linse mittels Laser. In dieser Entscheidung wurde u.a. festgestellt, dass die künstliche Linse mit dem Auge des Patienten eine Einheit bildete, und dass das Abtragen von Teilen der künstlichen Linse auf direktem Wege zu einer Änderung der Brechkraft des Auges des Patienten führte, sodass das Verfahren aufgrund seiner unmittelbaren Wirkung auf die Brechkraft des Auges und sein Sehvermögen als therapeutische Behandlung zu betrachten gewesen sei (vgl. Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe). Im Gegensatz dazu ist bei der vorliegend beanspruchten Verwendung keine solche unmittelbare Wirkung auf das Auge des Brillenträgers bzw. keine durch Einwirkung auf den menschlichen Körper erzielte therapeutische Wirkung erkennbar, die als therapeutische Behandlung des Körpers betrachtet werden könnte.
Im Übrigen ist es grundsätzlich nicht auszuschließen, dass beim Tragen von Brillengläsern unter bestimmten Umständen eine therapeutische Behandlung im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ eintreten kann. So hatte sich die Kammer 3.4.02 (in anderer Besetzung) in der Sache T 322/09 mit einem Fall befasst, in dem geltend gemacht wurde, dass die Verwendung eine Gleitsichtlinse durch Jugendliche zu einer Verminderung der Myopieprogression führte (vgl. Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Für die Kammer bestand in dem betreffenden Fall keine Veranlassung, auf die Frage einzugehen, ob die Verwendung der Gleitsichtlinse durch Jugendliche zwecks Verminderung der Myopieprogression als therapeutische Behandlung anzusehen war, da u.a. die beanspruchte Erfindung auf die Gleitsichtlinse, und nicht auf deren Verwendung, gerichtet war (vgl. T 322/09, Abschnitt "Summary of Facts and Submissions", Nr. V). Eine solche Frage lässt sich aber insofern bejahen, als bei einer solchen Verwendung eine Einwirkung der Gleitsichtlinse auf die Augen von Jugendlichen mit nachfolgender Verminderung der Myopieprogression eintreten würde. Im vorliegenden Fall jedoch ist die beanspruchte Erfindung nicht auf eine solche Einwirkung des Brillenglases auf den Körper des Trägers, insbesondere auf dessen Augen, gerichtet, und aus der Offenbarung der Erfindung in der Beschreibung geht auch nicht hervor, dass durch die beanspruchte Verwendung eine Einwirkung auf den Körper des Brillenträgers mit einer dadurch entstandenen therapeutischen Wirkung eintreten würde.
3.6 Die Ausführungen der Prüfungsabteilung im zweiten Absatz auf Seite 3 der angefochtenen Entscheidung sind auch nicht überzeugend. In diesem Absatz hat die Prüfungsabteilung zunächst die Ansicht vertreten, dass "in Analogie zu den medizinischen Verfahren der Therapie und der Chirurgie im engen Sinne, auch ein beispielsweise Augenoptiker nicht durch das Bestehen eines Patentschutzes daran gehindert werden solle, eine Brille für die Korrektur der Fehlsichtigkeit einer Person zu verwenden. (Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Herstellung der Brille oder der Brillengläser vom Patentschutz ausgenommen werden soll.)"
Eine Analogie scheitert bereits daran, dass die Tätigkeit eines Augenoptikers in Zusammenhang mit der beanspruchten Verwendung eines Brillenglases zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers, nämlich die Bestimmung der Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers und die Anpassung der zur Korrektur erforderlichen Brillengläser, mit einem Verfahren zur therapeutischen (oder chirurgischen) Behandlung des menschlichen Körpers nicht vergleichbar ist. Das ergibt sich zwanglos aus den Ausführungen oben unter Nr. 3.4. Abgesehen davon sind nach allgemeinen Regeln Ausnahmevorschriften, wie hier Artikel 53 c) EPÜ, grundsätzlich nicht analogiefähig.
Die weitere Argumentation der Prüfungsabteilung, wonach auch der Brillenträger selbst durch das Bestehen eines Patentschutzes nicht daran gehindert werden sollte, seine eigene Fehlsichtigkeit durch das Tragen des Brillenglases zu korrigieren, liegt ebenfalls neben der Sache.
Wie die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung im Fall G 2/13 vom 25. März 2015 (unter Nr. VIII.2.(6)(b) der Entscheidungsgründe) festgestellt hat, muss eine Unterscheidung zwischen Aspekten der Patentierbarkeit auf der einen und den (Schutz-) Wirkungen europäischer Patente oder Patentanmeldungen auf der anderen Seite vorgenommen werden. Eine klare Trennung ergebe sich eindeutig aus dem EPÜ, da die Patentierungserfordernisse in Artikeln 52 bis 57, 76, 83, 84 und 123 EPÜ geregelt seien. Hingegen fänden sich die Bestimmungen über den Schutzumfang und die Rechte aus europäischen Patenten oder Patentanmeldungen insbesondere in Artikeln 64 (2) und 69 EPÜ.
Die Große Beschwerdekammer nahm insoweit Bezug auf die Entscheidung im Fall G 1/98 (ABl. EPA 2000, 111, Tenor, Nr. 3, sowie Entscheidungsgründe, Nr. 4), wo die Große Beschwerdekammer entschieden habe, dass Artikel 64 (2) EPÜ bei der Prüfung eines Verfahrensanspruchs für die Herstellung einer Pflanzensorte nicht zu berücksichtigen sei. Diese Schlussfolgerung gilt entsprechend auch bei der Prüfung des vorliegenden Verwendungsanspruchs eines Brillenglases zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit eines Brillenträgers in Bezug auf Artikel 64 (3) EPÜ, wonach eine Verletzung des europäischen Patents nach nationalem Recht behandelt wird.
Abgesehen davon stellt das Tragen des Brillenglases durch den Brillenträger selber gemäß der beanspruchten Verwendung eine private Handlung des Brillenträgers als Endverbraucher dar. Derartige Handlungen bleiben in Vertragsstaaten des EPÜ, wie z.B. Deutschland, von der Verbotswirkung von Patenten unberührt. So erstreckt sich nach Paragraph 11, Nr. 1 des deutschen Patentgesetzes die Wirkung des Patents nicht auf ,,Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden".
3.7 Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag kein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers im Sinne von Artikel 53 c) EPÜ darstellt und somit nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist. Das Gleiche gilt für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 7.| |

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