30 November 2015

T 1626/11 - Reformatio in peius

EPO T 1626/11
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Key points

  • The interpretation in T 856/92, T 149/02 and T 498/03 of the holding of G 9/92 about the prohibition of reformatio in peius  is accepted as established case law: an individual claim which was contained in the set of claims of the patent as maintained by the OD, can not be challenged by a respondent in appeal, even if included in a new claim set with other claims (if the patentee is the only appellant). 

Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag-Ansprüche 1 bis 10
1.1 Verschlechterungsverbot (reformatio in peius)
1.1.1 Die Einsprechenden 1, 3 und 4 haben ihren Einspruch zurückgenommen; sie sind somit hinsichtlich der Sachfragen nicht mehr am Verfahren beteiligt (siehe T 1676/08, Gründe 9.1.2). Die Einsprechende 2 hat ihre Beschwerde zurückgenommen, sodass die Patentinhaberin nunmehr die alleinige Beschwerdeführerin ist.
Gemäß G 9/92 darf die Beschwerdekammer die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung nicht zulasten des Patentinhabers in Frage stellen, wenn dieser der alleinige Beschwerdeführer ist (Verschlechterungs­verbot).
1.1.2 Im vorliegenden Fall sind die Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrags wortgleich mit den Ansprüchen 1 bis 10 des 2. Hilfsantrags, der von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des EPÜ genügend angesehen wurde. Die Frage, die sich deshalb stellt, ist, ob die Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrags von der Beschwerdekammer geprüft werden können, ohne das Verschlechterungsverbot zu verletzen. Diese Frage betrifft also nicht lediglich einzelne Einspruchsgründe oder sonstige Vorfragen, die von der Einspruchsabteilung im Rahmen ihrer Entscheidung zu beurteilen waren, und auf die das Verschlechterungs-verbot gemäß ständiger Rechtsprechung keine isolierte Anwendung findet (z.B. T 401/95, Gründe 2; T 149/02, Gründe 3.2.1; T 428/12, Gründe 2.4, T 576/12, Gründe 1.1), sondern das Ergebnis der Beurteilung ganzer Ansprüche, die (ggfs. zusammen mit anderen Ansprüchen) den Antrag bildeten, der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehen wurde.
1.1.3 Die Entscheidungen T 856/92 (Gründe 2) sowie T 149/02 (Gründe 2) befassten sich mit der gleichen Fragestellung und kamen zum Schluss, dass dann, wenn die Patentinhaberin alleinige Beschwerdeführerin ist, der gesamte Anspruchssatz, der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehen worden war, nicht mehr von der Beschwerdekammer geprüft werden kann, wenn er Teil eines anderen Anspruchssatzes ist, der zusätzliche (nebengeordnete) Ansprüche enthält, sofern die zusätzlichen Ansprüche das Verständnis der Ansprüche nicht verändern. Diese auf G 9/92 gestützte Schlussfolgerung wurde auch in T 168/04 (Gründe 2), T 1713/08 (Gründe 3), T 722/10 (Gründe 2), sowie T 428/12 (Gründe 2.2) befolgt.
Auch Ansprüche, die Teil des von der Einspruchsabteilung akzeptierten Anspruchssatzes waren, können gemäß der Entscheidung T 498/03 (Gründe 1.1) von der Beschwerdekammer als Teil eines anderen Antrags nicht mehr geprüft werden (zu der in T 1676/08, Gründe 9.1.2 geäußerten abweichenden Ansicht siehe nachfolgend 1.1.4 und 1.1.5).
1.1.4 Es gibt jedoch einige Entscheidungen, die dieses Rechtsverständnis in Frage stellen, ohne allerdings im Ergebnis dann eine von der unter Punkt 1.1.3 zitierten Rechtssprechung abweichende Entscheidung zu treffen. Sowohl in T 99/04 (Gründe 5) als auch in T 553/08 (Gründe 1) gab es keine Gründe der Beschwerdegegnerin, wieso die von der Einspruchsabteilung akzeptierten Ansprüche nicht EPÜ-konform seien, sodass sich die Frage des Verschlechterungsverbotes nicht stellte. Auch in T 886/00 (Gründe 5) musste nicht über das Verschlechterungsverbot entschieden werden, da die Kammer, die die Rechtsaufassung aus T 856/92 und T 149/02 in Frage stellte, die in Frage stehenden Ansprüche ohnehin als den Bedingungen das EPÜ entsprechend ansah. In T 1676/08 (Gründe 9.1.2 bis 9.1.4) wurden die Anträge, die den als EPÜ-konform angesehenen Anspruch enthielten, nicht in das Verfahren zugelassen.
1.1.5 Obwohl es fraglich erscheint, ob die in Punkt 1.1.3 zitierte Rechtsprechung die Entscheidung G 9/92 tatsächlich richtig interpretiert, da ausgehend von den Darlegungen der großen Beschwerdekammer in dieser Entscheidung sich das Verschlechterungsverbot eher auf Anträge als solche (d.h. auf gesamte Anspruchssätze) als auf einzelne Ansprüche dieser Anträge bezieht (siehe G 9/92; Gründe 1 "Antragsgrundsatz", Gründe 7 "Beschwerdeantrag", Gründe 14 "Beschwerdeantrag"), ist die Rechtssprechung, wie in Punkt 1.1.3 dargelegt, inzwischen etabliert und stellt eine vertretbare, praxistaugliche Auslegung dar. Da die unter 1.1.4 zitierten Entscheidungen zwar Zweifel aufgeworfen, jedoch zu keinen abweichenden Ergebnissen geführt haben und der unter 1.1.3 zitierten Linie daher nicht entgegenstehen, sieht die Kammer auch keinen Grund, die Frage der großen Beschwerdekammer vorzulegen.
1.1.6 Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall und kommt, da die neu hinzugekommenen Ansprüche 11 bis 16 das Verständnis der Ansprüche 1 bis 10 nicht beeinflussen, zum Schluss, dass Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrags nicht mehr zur Debatte stehen.
2. Hauptantrag - Ansprüche 11 bis 16

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